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Ich bin ein mutmaßliches Mitglied einer terroristischen Vereinigung namens Menschheit. Ich bin ein aufgeschlossener Unentschlossener, und ich bin neu wie immer. Nagelneu, hammerneu, flächenbrandneu. Ich habe ein Wörtchen mitzureden! Heinz Rudolf Kunze hat viele Gesichter – er ist Musiker, Sänger Songschreiber, Poet, Wortakrobat. In seinem neuen Buch zeigt er sich auf der Höhe seiner Sprachkunst – ein Artist auf dem Schwebebalken ohne Netz und falsche Tricks. Politik, Heimat, Liebe, Musik, Menschlich-Allzumenschliches – nichts entgeht seinem klaren Blick und seiner Gabe, mit Sprache Neues und Überraschendes zu offenbaren. „In diesem Text ist nicht von Pappbechern die Rede. Nicht von Filterzigaretten, nicht von Vorverträgen, sogenannten Letters of Intent. Darüber hinaus, wer auf Beschreibungen von Klettverschlüssen aus ist, wird sie hier in diesem Text nicht finden. Ganz genauso unbefriedigt bleibt, wer etwas über Senf erwartet, Bundesligafußball oder Leseschwäche. Leider muß ich der Vollständigkeit halber auch allen, die sich Aufklärung erhoffen etwa über Für und Wider weitverzweigter Facebookfreundschaften, eine Absage erteilen und verkünden: Fehlananzeige.“
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Seitenzahl: 264
Ich bin ein mutmaßliches Mitglied einer terroristischen Vereinigung namens Menschheit. Ich bin ein aufgeschlossener Unentschlossener, und ich bin neu wie immer. Nagelneu, hammerneu, flächenbrandneu. Ich habe ein Wörtchen mitzureden!
Heinz Rudolf Kunze hat viele Gesichter – er ist Musiker, Sänger Songschreiber, Poet, Wortakrobat. In seinem neuen Buch zeigt er sich auf der Höhe seiner Sprachkunst – ein Artist auf dem Schwebebalken ohne Netz und falsche Tricks. Politik, Heimat, Liebe, Musik, Menschlich-Allzumenschliches – nichts entgeht seinem klaren Blick und seiner Gabe, mit Sprache Neues und Überraschendes zu offenbaren.
»In diesem Text ist nicht von Pappbechern die Rede. Nicht von Filterzigaretten, nicht von Vorverträgen, sogenannten Letters of Intent. Darüber hinaus, wer auf Beschreibungen von Klettverschlüssen aus ist, wird sie hier in diesem Text nicht finden. Ganz genauso unbefriedigt bleibt, wer etwas über Senf erwartet, Bundesligafußball oder Leseschwäche. Leider muß ich der Vollständigkeit halber auch allen, die sich Aufklärung erhoffen etwa über Für und Wider weitverzweigter Facebookfreundschaften, eine Absage erteilen und verkünden: Fehlananzeige.«
Heinz Rudolf Kunze
Schwebebalken
Tagebuchtage
Mit einem Nachwort von Arne Willander
Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
Gewürzmaschine (Vorworte)
Die Schwebebalken
Nordkoreanisches Heimweh oder: Nachworte
Arne Willander: Der bürgerliche Zertrümmerer
Über Heinz Rudolf Kunze
Impressum
Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …
Es ist zu schwer, edel zu denken, wenn man nur denkt, um davon zu leben.
(Rousseau, Bekenntnisse)
Die erste Band, die ich als Schüler hatte, hieß Krokodüül, das war 1971. Das sollte eine Mixtur aus Krokodil und Amon Düül 2, der Münchner Krautrockband, sein. (Leider ist das nicht wahr. Die Band hieß Tim Sah, und ich »hatte« sie auch nicht, ich durfte nur mitspielen. Und Tim Sah hieß angeblich Krokodil. Auf sudanesisch oder so.)
»Hilfe, ich bin in einem Buch!« Er lebt mit einer Frau. Sie bekommt ein Kind. Es ist von ihm. Aber sie haben nie miteinander.
Falbs Freund: »Haartheil«
Esoterik, der Mundgeruch des Geistes. Wenn der Geist sich nicht die Zähne putzt.
Man kann nie ehrlich gegen sich selber toben.
(Sartre, Zeit der Reife)
Ein Mann kauft an einer Autobahntankstelle »Zeit«. Für viel Geld. Jetzt hat er »viel Zeit«. Steigt wieder in sein Auto ein. Die Tankstelle wird überfallen. Er beobachtet das wie versteinert. Außer ihm und dem Tankwart ist, abgesehen von den Räubern natürlich, niemand da. Er wird als Geisel genommen.
Herr Falb. Morgens um vier Uhr einunddreißig kam er mit einer Geliebten aus dem Hotel und lief einem Bekannten über den Weg. Das war ihm furchtbar peinlich … (hallo Robert, hihi!)
AC/DC haben einfach Recht.
(Peter Pichl, Räuberzivil-Bassist)
»Strickleiter zum Himmel« – Geschichten von mir und den Beatles, Klaus Voormann, George Martin, den Stones, den Kinks, den Who, Neil Young, Randy Newman, Led Zeppelin, Yes, King Crimson, Jethro Tull, Henry Cow, Genesis, Black Sabbath, Deep Purple (Admiral Jon Lord), Can (Holger Czukay, Irmin Schmidt), Conny Plank, Wire, Dylan, Doors, Kraftwerk, Roy Harper, Bowie, Peter Hammill, Lou Reed, John Cale, Pink Floyd, Talking Heads, Pere Ubu, Tom Waits, Cat Stevens, Leonard Cohen, John Fogerty … ungeschrieben.
Mann Eins tritt auf.
Mann Eins: Ich bin Mann Eins. Ich habe keinen Namen bekommen. Eigentlich schade.
Eigentlich sollte man … eigentlich sollte man …
(Mann Eins geht ab.)
Mann Zwei sitzt auf dem Rand einer Badewanne.
Der Hahn tropft.
Man hört es laut.
Mann Zwei hört dem Tropfen zu.
Er schrieb an einer Doktorarbeit über die Gemeinsamkeiten von Neu und John Lee Hooker. Einakkordmusik. Aber er wurde nie damit fertig.
Süchtig sein kann man nur auf deutsch.
Das Gesicht von Stalin und Molotow, als sie den Sarg von Clara Zetkin trugen.
Ich bin alles. Das Volk ist nichts.
Ich will ein Schriftsteller werden. Aber wie ist das möglich, ohne Lust auf Menschen?
(Handke/Wenders, Falsche Bewegung)
Herkules (»Kule«) Heerkunft. Severin Schnellhart.
Ein Hotel, in dem Ehepaare nur Einzelzimmer bekommen: Schweinkram werde hier nicht geduldet. Warum ist das, irgendwie, eine reizvolle Vorstellung?
Mein Hund wächst zweisprachig auf. Bei den morgendlichen und abendlichen Runden rede ich mit mir und ihm nur englisch.
Präambel für »Butterfliegs Besonderheit«:
Denn wo die Spur jetzt lief, da gab es weder Weg noch Steg, und wer dort gehen wollte, mußte alleine gehen und mußte gehen mit Wagemut.
(Herman Melville)
Auf eine nicht, andererseits wiederum überaus alltägliche, für jeden jederzeit als Möglichkeit greifbare, aber wohl nur äußerst selten wirklich werdende Weise lernte Butterflieg seine Frau Amanda kennen. Er saß bei seinem besten Freund Dolomith auf dem Klo und hatte vergessen, die Tür abzuschließen. Immerhin sitze ich, dachte er bei sich in einer Stimmung, als gäbe es just in diesem Augenblick etwas zu literarisieren, und bin kein posthistorischer Stehpinkler. Gerade las er in einer im Bad herumliegenden Zeitschrift einen Artikel über die zeitgemäße Schwierigkeit computerlosen »Unplugged-Denkens«, da wurde von der nichtsahnenden Amanda die Tür aufgerissen.
»Oh, tut mir leid.«
»Macht nichts. Jetzt fügt sich alles. Du hast mich mit heruntergelassenen Hosen gesehen. Also mußt du mich heiraten.«
Das sagte er wie aus der Wasserpistole geschossen. Er wußte, was er sagte, aber ob er es sagen wollte, wußte er nicht, es ging einfach zu schnell. Mit der Antwort Amandas hatte er jedenfalls nicht gerechnet: »Okay, mach ich.«
Noch am selben Abend stand sie mit drei Koffern vor seiner Tür, sie, die von Dolomith untrennbar scheinende Frau. Der nahm es hin wie ein Laternenpfahl das Heben von Hundebeinen. Ihre Freundschaft nahm keinen Schaden.
»Scheißen Sie mir ins Gesicht, Ludendorff.«
»Ja, gern, Hindenburg, aber warum?«
»Damit ich endlich begreife, daß wir verloren haben.«
Mit diesen deutlichen, erst kürzlich von der Forschung entdeckten Worten endete aus deutscher Sicht der Erste Weltkrieg, dieses Grundübel, dieses Schlamassel, das so viele unerfreuliche Dinge nach sich zog wie letzten Endes auch Butterfliegs Geburt.
Butterflieg sitzt gerne nachts allein in großen leeren Bürogebäuden. Seinen Vater Norbert hält er für pseudo-dement.
In einem sind sich die größten Dummköpfe und die größten Philosophen einig: Früher war alles besser.
Wer hat recht?
Oswald Kupferstich und Arthur Hilfreich, wann kommt euer Roman?
Er war – ja, was war er? Ein Obskurschatten. Ein Freiwilder. Zaunkönig und Linienrichter. Außenseitenverkehrter und Inwendiger. Niemand kann sagen, er habe Oswald Kupferstich wirklich gekannt, näher, genauer. Auch ich, Arthur Hilfreich, sein Biograph, würde das niemals zu behaupten wagen.
»Der Hundeführer« – ein Krimidada.
Eine junge Frau läuft verängstigt durch einen Birkenwald. Immer wieder schaut sie sich um, sie fühlt sich verfolgt. Man hört Männerkeuchen. Sie verliert, ohne es zu bemerken, eine weiße Handtasche mit Schultertrageriemen. Sie läuft weiter.
Ein Dienstzimmer der Kriminalpolizei. An der Wand hängt ein Porträt von Erich Honecker. Zwei Beamte, eine Beamtin. Eine Schreibtischlampe brennt. Nacht. Die drei trinken Kaffee, der offensichtlich abstoßend schmeckt. Sie starren eine alte Schreibmaschine an. Die Beamtin nach langem Schweigen: »Was ist das?«
Fortsetzung folgt.
Künstler sind Leute, für die Ehrlichkeit eine ästhetische Frage ist. Und deswegen, und nur deswegen, zu einer moralischen Frage wird.
Künstler sind auch Menschen. Aber nicht nur.
So wenig nämlich das Verlangen nach Ruhm, vielmehr die Gewöhnung an zähen Fleiß es ist, die uns gestattet, ein Werk hervorzubringen, so wenig verhilft uns die Beschwingtheit eines gegebenen Augenblicks, vielmehr das weise Betrachten des vergangenen Moments dazu, uns die Zukunft zu sichern.
(Marcel Proust)
Bei der breiten Masse findet Free Jazz kein Gehör. Weil sie findet, daß sich so viel Freiheit nicht gehört.
Der Kabarettist und Schauspieler Klaus Havenstein (Münchner Lach-und-Schieß-Gesellschaft, Generation Dieter Hildebrandt) sah meinem Vater so verblüffend ähnlich, daß ich bei seinem Anblick immer wieder lachen mußte. In den 60er Jahren war er im Nachmittagsprogramm der ARD-Quizmaster für Schülerteams und stellte wahrhaft schwierige Fragen. Und die Schüler wußten die Antworten. Ohne Ankreuzen, ohne Telefonjoker. Nichts gegen Jauch.
Aber waren das schöne Zeiten, vor dem Privatfernsehen. Als Deutschland noch ein Land des Wissens war, nicht des Googelns.
Als blasierter, hochintelligenter Schwuler berührte Roland Barthes die Dinge. Die Dinge kicherten und verweigerten sich. Nur Franzosen können aus so einer Geste vergeblicher Annäherung auf Hingabe schließen.
Armseligkeitsdiktat der Gegenwart: Das Heiligtum der Rockmusik, die Großen Anderen, die Rolling Stones, müssen sich dem Fernsehen und den DVDs ergeben und andienen. So wird jede Edelnutte zu Spucke auf Stadionstehplätzen.
Das größte Fernsehereignis aller Zeiten, die Abenteuer des Raumschiffs Orion, ist womöglich deswegen so perfekt, weil es als Beigabe zu allem Gelungenen auch etwas völlig Fehlgeschlagenes enthält: die Folge 5 »Kampf um die Sonne«. Kaum Weltraumszenen, das meiste in irgendeinem Münchner Park gedreht. Space action, die aus Kostengründen auf der Erde spielt: die Ikonographie des Beschisses schlechthin. Aber die Orion verkraftet selbst das. »Absorber ein!«
Was die Welt rettet: daß kaum ein Mörder das Format seiner Tat hat. Diejenigen, die es haben, sind die tiefsten Beunruhiger der Welt.
»Was mich betrifft« – eine sinnlose Leerstelle der Sprache. Es gibt nichts, was mich nicht betrifft. Was mich nicht betrifft, existiert nicht. Im Ernst: Wie könnte etwas existieren, wenn ich nicht einmal die Möglichkeit hätte, es zu wissen? Ist das flachköpfige Arroganz? Mitnichten. Fichte und Kierkegaard und Bergson kamen der Wahrheit wohl am nächsten, zumindest was den »modernen« Menschen »betrifft«.
Vielleicht liebe ich die »Orion« so sehr, weil in Folge 6 der Bösewicht Wolfgang Büttner sagt:
»Holt diesen Lyriker aus der Zelle.« Und: »Leistung erkenne ich an.« Er sagte es wesentlich schneidiger und schneidender als mein Vater. Der böseste menschliche Feind bei der Orion (selbst die Außerirdischen hießen »Frogs«) war ein: Franzose. So waren sie, die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts, aus deutscher Weltraumwehrmachtssicht. Immerhin kein Russe.
Warten, wenn man weiß, daß nichts kommt.
Und danach auf etwas warten.
Wenn das lächerlich ist, sind alle Helden lächerlich. Ich glaube, kein Held ist lächerlich. Alle Helden sind großartig. Außer denen, die nicht warten können.
Glück: da, wo man ist, barfuß sein zu können. Der Anblick der eigenen Zehen, wenn sie sich unwillkürlich bewegen, lehrt einen viel.
Ein möglicher Glaubenssatz: Das Geheimnis hat nichts gegen uns.
Der Spießbürger (den es in immer neuen Verkleidungen immer wieder geben wird) fühlt sich gerne gut aufgehoben. Daß er den Hegelschen Sinn dieses Wortes niemals erfassen wird, ist eines der Grundprobleme der Welt.
War es nun der Spießbürger oder doch Jesus, der treuäugig wie eine Kuh vor Kafkas Türhüter stand?
Spinoza hat versucht, die Wahrheit über das Wesen von allem in Sprache zu fassen. Seit Kant sind wir bescheidener, vom Hegel/Marxschen Aufbäumen unterhalb Gottes einmal abgesehen. Dann noch Schopenhauers Verzweiflung und Nietzsches Überschwang, gut. Der Rest ist logische Nabelschau oder desillusioniertes Stammeln, Tasten, Raunen. Sind wir »weiter«? Nein, flüstert Heidegger, auf Adornos Grab tanzend. Nicht … wesentlich.
Negenharrie. Was es für schöne Ortsnamen gibt in Deutschland, geheimnisvolle, vielversprechende. Ich glaube, in Negenharrie könnte ich leben. Für eine Weile. (Vielleicht habe ich mich bei dem Namen auch verlesen, er flog so schnell am Autofenster vorbei. Aber ich halte an ihm fest.)
Feuerzeuge sind meine liebsten Lesezeichen.
Das schönste Kleidungsstück ist das Höschen der Frauen. Es verrät im Verbergen, es deutet an und verhüllt, es ist das letzte hübsche Hindernis vor dem Glück. Es ist textiler Jazz.
Meine Sprache ist eine Textilfabrik. Für etwas unsagbar Nacktes darunter.
Ich möchte mich auswalten. Aber ich muß mich aushalten.
Wenn ich etwas vorhabe, ist meistens nichts dahinter. Nur was ich hinter mir habe, hatte ich vor.
Wenn man sich selbst übertroffen hat, bleibt immer die Frage, ob man sich dabei auch antraf.
Die bedeutendsten und wohl auch unvergleichlichsten Worte der deutschen Sprache sind »Stimmung« und »Gemüt«. Das liegt sicher daran, daß sie so viel mit Musik zu tun haben.
Nichts erinnert mich so sehr an dich wie der Anblick deiner leeren Schuhe.
Macula-Deformation. Am unteren Rand des Blickfelds sieht man gerade Linien gekrümmt. Sieht man also: genauer?
Die Gegenstände sprechen nur dann mit mir, wenn ich sie falsch benutze. Handhabe. Und auch dann nur mit meinen Händen. Denen der Schweiß ausbricht.
Jedes Aquarium ist ein Stück aus dem Meer exzerpierte Grausamkeit.
Gerade das, was man über sich selbst besser weiß als alle anderen, darf man nicht aussprechen. Sogar Selbstbezichtigungen würden als Arroganz ausgelegt, aufgrund ihrer Genauigkeit.
Beim Älterwerden wird nicht alles langsamer. Die Wahrnehmung zum Beispiel wird hastiger, fahriger, unaufmerksamer. Sicher hat das auch mit abnehmender Seh- und Hörkraft zu tun, aber nicht nur. Man überliest Worte oder liest sie falsch, zieht daraus unsinnige Schlüsse, begeht Fehler, verursacht Mißverständnisse und regt sich unnötig und über die Maßen auf, nicht zuletzt über sich selber. Die Torschlußpanik will zu viel, verschluckt sich an der Welt. Und wenn man sich Musik kauft, hört man sie in den meisten Fällen nur ein einziges Mal, wenn überhaupt. Weil man viel zu viel Musik kauft. Das hat dann bereits mit der Todesangst zu tun.
Die meisten Männer, die man lange nicht gesehen hat, sind dann beim Wiedertreffen entweder ganz dick oder ganz dünn geworden, ersteres ist wahrscheinlicher. Kaum ein Mann bleibt so, wie er war. Bei Frauen ist das häufiger der Fall.
Wenn man sich als Kaiser von China körperlich ertüchtigen möchte, gibt man jedem Karatetrainer, den man an den Hof beordert, die Anweisung, hart zuzuschlagen und auf gar keinen Fall darauf Rücksicht zu nehmen, es mit dem Kaiser zu tun zu haben. Natürlich entvölkert man dabei im Lauf weniger Jahre das Land von Karatetrainern.
Gepflegte Morde bei feinen Leuten in schöner Umgebung, so müssen Kriminalfilme sein. Der Rest ist Leben.
Gauck, Ex-Pastor, fordert auf der »Sicherheitskonferenz« in München im Januar 2014 mehr militärisches Engagement der Deutschen. Unsere vitalen, auch wirtschaftlichen Interessen dürfen und sollen auch mit Gewalt »verteidigt« werden. Wenn er proklamiert, es müsse Schluß sein mit der Drückebergerei, meint man den Mundgeruch eines bösartigen Sportlehrers zu erschnuppern. Interessant, dieses langsame Comeback staatstragender Blutrunst. Gaucks Vorvorgänger Köhler mußte noch, wegen ähnlicher Ansichten öffentlich im Stich gelassen, zurücktreten.
In allem orientiert sich unsere Gesellschaft nach unten. Die prollige, ordinäre, tätowierte Attitüde ist angesagt, das Niedrige, das Simple ist schick. Außer beim Kochen. Gekocht wird stylisch, leck mich am Arsch.
Du schwule Lesbentitte. Welch beinah körperliches Vergnügen es bereitet, Unflat zu formulieren.
Frauen, die Männer mögen, gibt es viele. Aber umgekehrt, abgesehen vom Gebrauchsbedürfnis? Dafür gibt es viel weniger Frauen, die Jazz mögen, als Männer, die sich schminken.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags 2014: eine bildungsferne Schmierfettschicht.
Peter Weihe, Deutschlands bester Gitarrist: äußerlich eine Mischung aus Albert Einstein und dem späten David Gilmour von Pink Floyd. Vom Wesen her nicht nur Virtuose, sondern auch Pädagoge, einer, der dir erst mal erklärt, welche Fragen du haben solltest, ehe er sie beantwortet. Und seine innere Gestimmtheit: irgendwie ein elektrischer Brahms.
Das geeignetste Kleidungsstück, um jeden Mann wie einen Vollidioten aussehen zu lassen:
die Pudelmütze.
Bei der Lektüre von Max Frischs Berliner Aufzeichnungen: Der Eindruck, den ich schon als junger Leser von ihm hatte, bleibt. Seine Schreibweise entspricht seiner muffelnden schweizerischen, von Bergen eingekeilten Sprechweise. Ein Spießbürger, der allerdings die Gabe hat, über diese Tatsache mitteltief Auskunft zu geben. Montaigne als Käsefondue. Ein sympathischerer Grass. Von gipfelstürmender Literatur so weit entfernt wie Kurt Marti von Augustinus.
Der mir genehmste Ausspruch von Marcel Reich-Ranicki: Cuisine interessiert mich nicht. Ich will satt werden.
Hör mit dem Vergleichen auf. Die beste Platte seit … das größte Buch seit … – alles Quatsch. Sag, daß etwas sehr gut ist, wenn es sehr gut ist, und damit genug. Der Vergleichswahn, eine juckende Hautkrankheit unserer Zeit.
Eine schöne nackte Frau erinnert mich an Früchte. Ein schöner nackter Mann erinnert mich an Gemüse. Gemüse mag ich lieber als Früchte, aber Frauen mag ich lieber als Männer. Vielleicht weil es Fruchtfleisch gibt, Gemüsefleisch aber ein Widerspruch in sich selbst ist.
Jeden Tag gibt es tausend Gründe, enttäuscht zu sein von der Menschheit und angetan von Menschen. Nein, für Letzteres gibt es weniger.
Man hat nichts zu sagen. Anderen. Höchstens sich selbst. Und auch das ist nicht sicher.
Wieso erkennt man eigentlich im Fernsehen immer sofort den Unterschied zwischen einer gespielten Szene und einer realen? Absolut sofort, im Bruchteil einer Sekunde? Gibt es so wenig Gemeinsamkeiten zwischen Wirklichem und Erfundenem?
Ich kann mir nicht vorstellen, daß es Menschen gibt, für die das Nachlassen der sexuellen Neugier nicht die schlimmste Erfahrung überhaupt ist. Priester? Auch Priester sind Menschen.
Diese Anstandsportion Unglück, die jedem, dem man begegnet, ins Gesicht geschrieben steht.
Wenn die Geräte an den Hotelzimmerdecken nicht Rauch melden würden, sondern Einsamkeit, wäre es ein interessanter Beruf, bei der entsprechenden Feuerwehr zu sein.
Zehn Jahre lang hatte ich keinen Bart. Jetzt habe ich wieder einen.
Jemand kommt und sagt:
Du hast dich überhaupt nicht verändert.
Was Eltern wirklich denken: Unsere Kinder sollen es mal auch nicht besser haben.
Jugendliche Schwachköpfe, von Fernsehen und Film blödamerikanisiert, ballen im Moment der Genugtuung (z.B. wenn sie bei ebay etwas ersteigert haben) gern die rechte Faust und rammen den dazugehörigen Unterarm nach hinten oder erdwärts, wobei sie wie bei einem blauweißroten Ballspiel »Strike!« brüllen.
Ruft eigentlich noch irgendjemand »Streik«?
Das Geheimnis der zersägten Dame: Sie wird tatsächlich zersägt. Und es tut auch weh, sehr. Aber sie sagt es keinem, nicht einmal dem Zauberer. Deshalb funktioniert es.
Überzeugungen heutzutage sind meistens nichts anderes als ein Frustkauf von Mangelware.
Wenn man schon mal, selten genug, zu sich selbst kommt, ist gerade keiner da. Man hat zu lange auf sich warten müssen und sich was anderes vorgenommen. Das hat man nun. Von sich.
Der Teufel tritt gerne auf in der Gestalt des Novizen, der dem älteren Schüler sein Herz ausschüttet. Wenn der dann vom Meister abfällt, war er ein Engel.
Manche Menschen haben das Talent, grundsätzlich immer im falschen Moment anzurufen. Man steigt gerade in die Schuhe, man ist gerade im Gehen – da klingeln sie unweigerlich. Und sind nur schwer auf später zu vertrösten. Interessanterweise sind das Leute von einer unglaublichen Schusseligkeit, Fahrigkeit und Zerstreutheit, was ihre eigenen Dinge betrifft.
Wenn ich meine Frau vom Frisör abholen soll, habe ich immer Angst, daß sie schon losgegangen ist und ich sie auf dem Bürgersteig übersehe und an ihr vorbeifahre.
Hätten doch all die heutigen Bewerber und Kandidaten für Casting Shows und ähnliche Menschheitsverbrechen ein bißchen was vom Schamgefühl Georg Groddecks. Der schreibt in seinen Erinnerungen: »Der Hochmut in mir läßt es nicht zu, mit anderen in Wettbewerb zu treten.«
Entscheidend ist, was man vergißt (zum Beispiel den Punkt am Satzende!)
Wenn man in Cottbus nachts das Hotelzimmerfenster öffnet, pfeift der Wind russische Lieder von der Ostfront.
Nicht daß ich auf deinen Tod warte. Aber erst dann kann ich sagen, was du mir bedeutest.
(Wer sich jetzt wohl angesprochen fühlt?)
Nicht von einem »absoluten must« zu sprechen, wenn etwas unverzichtbar scheint, ist heutzutage ein »totales no go«. Die Verblödianisierung der deutschen Sprache durch das Englische ist weitaus umfassender als ihre Bereicherung.
Wenn es mich nicht gibt, gibt es keine Welt. Und was noch viel vernichtender ist: Wenn ich nicht zuschaue, gibt es keine Weltmeisterschaft.
Es ist zu vermuten, die hiesige und heutige Wertschätzung für Schwule und Lesben habe ihren Zenit erreicht. Werden die Verteilungskämpfe härter, wird man sie bedenkenlos unter die Schmarotzer einreihen.
Für einen Passagier mag es ja noch angehen. Aber wie schmerzhaft muß das Gefühl für einen Kapitän sein, sich auf dem falschen Dampfer zu befinden?
15. 9. 2013
Alles verändert mich. Was sonst? Was sonst, wenn nicht alles. Jeder Bruchteil einer Sekunde, der auf meinen Körper trifft wie ein Regentropfen. Jeder Moment, den mein Bewußtsein oder sagen wir sogar: meine Seele durchquert, verändert mich. Ich kann nicht gleichbleiben. Auch wenn ich will. Ich bin Das-was-sich-ändert. Wie alles. Außer Gott, wenn es ihn gibt. Was ich doch hoffen möchte. Gott wäre anders als alles andere. Denn Gott wäre das Alles-Eine, welches mehr ist als alles. Was wie ein Widerspruch in sich klingt, aber letzten Endes nur besagt, daß wir Gott nicht einfangen können mit Sprache, nicht eingemeinden, nicht durch zutreffende Benennung katalogisieren, verharmlosen, entschärfen. Gott, wenn es ihn gibt, wird immer das Beunruhigende sein, das vom Menschenverstand nicht Zähmbare, dem man sich nur durch Stammeln nähern kann, durch Lallen oder gleich durch Musik. Und da wir Die-die-sich-ändern sind, die Sich-Wandeln-Müssenden, kommen wir damit niemals zurande, werden wir damit niemals fertig, weder in einem zeitlichen noch in einem seelischen Sinn. Aber die Sehnsucht nach etwas, das anders ist als wir, nach etwas, das aber so extrem anders ist als wir, daß es nicht anders sein muß als irgendwas, sondern eins sein kann mit sich und in Allem, also die Sehnsucht nach Gott, treibt uns immer wieder an, peitscht uns in immer neue Versuche, uns diesem All-Einen, diesem Ein und Alles zu nähern, schüchtern und begeistert, ehrfürchtig und neugierig, wohl wissend, daß es sich uns allerhöchstens in der Form seines Nichterscheinens zeigt. Und daran muß man eben glauben, wenn man es nicht heillos bleiben läßt. Die einzige Gestalt, in der denen, die guten Willens sind, das Wunder gegeben ist, ist das Alles, das sich immerwährend verändert. Und dieses Sichändern ist seine Sprache, in der es sagt: Ich bin Alles. Und somit nicht Gott. Noch nicht. Nicht ganz. Aber ich bin ein Hinweis auf mehr. Ich bin der Schatten von etwas, das mehr ist als alles. Gott ist mehr. Unendlich viel mehr als Alles. Und dadurch anders als Alles. Nämlich Eins.
15.9.2013 (2)
Stell dir mal vor, der Mensch der Zukunft sagt rückblickend auf unsere Zeit: Eine so lächerliche, verkrampft verblendete, peinliche Epoche hat die Welt nur einmal gesehen. Du lieber Himmel, was für eine groteske Zusammenballung von Irrtümern, verhängnisvollen widersinnigen Behauptungen, katastrophalen Fehlern, die um ein Haar verhindert hätten, daß wir je das Licht der Welt erblicken durften. Soziale Gerechtigkeit, gleiche Chancen für alle – wie absurd! Der Meinungsterror, mit dem perverse Minderheiten die Mehrheit in Angst und Schrecken und Erklärungsnot versetzten – wie schändlich! Die panische und sich dabei noch aufgeklärt gebende Ablehnung des technischen Fortschritts, ja des menschlichen Erfindungsgeistes überhaupt – wie ruchlos! Die Anmaßung, mit der westliche Wert-Losigkeit allen anderen Gesellschaften aufgezwungen werden sollte, unter Aberkennung ihrer würdevollen, geschichtlich gewachsenen Sitten und Gebräuche – wie unverschämt! Als würden den tapfersten Soldaten der Menschheit von tollwütig gewordenen Vorgesetzten vor Beginn der Entscheidungsschlacht die Schulterstücke abgerissen. Zum Glück haben sie sich nicht entmutigen lassen und die Waffen im letzten Moment auf die wahren Feinde gerichtet, auf die hochmütigen Befehlshaber, die Insolvenzverwalter des Abendlands, zum Segen der Menschheit. Oder die Emanzipation der Frau – was für eine scheußliche Verrenkung, was für eine satanische Verkrüppelung der schöneren, weiseren, besseren Hälfte des Mondes! Stell dir das mal vor. Das ist ja nicht ausgeschlossen, daß der Mensch der Zukunft so was sagt. Wir können es ja nicht wissen. Und wenn du dir das vorstellst, so schwer (oder so leicht) das auch fallen mag, was macht das dann mit dir. Du.
17.9.2013
Das Spießertum
trägt Korksandalen
in Stuttgart und
Nordrhein-Westfalen
Das ist ihr Stil
ihr Markenkern
jedoch das Volk
hört gar nicht gern
Wenn man es so
heruntermacht
wählt in die Urne
Gute Nacht
23.10.2013
Ich träumte von Tagen mit Telefonnummern. Von unsichtbaren Katzen und senkrechten Brücken. Schläfrige Widersprüche orakelten den Halbherzen Sonnenabgänge, aber hallo. Bleigewichte hingen an den Ohrläppchen, blond war die Farbe der Freundlichkeit und der Entschlußkraft, und ich war angekommen, ehe ich losgefahren war.
(Seien Sie nachsichtig mit alleinerziehenden Eidechsen. Die haben es nicht leicht.)
Ich träumte von dem Geräusch zerplatzender Hoffnungen. Von schlecht gelaunten Stehaufmännchen im Gegenlicht, nein, das waren Oberkellner, die mich zu erkennen glaubten, aber sie verwechselten mich mit einer Hutschachtel aus einem frühen Bob-Dylan-Song, macht nichts.
Es war ordentlich Dampf unterm Kessel, und er brachte den Kessel zum Schweben (!) und Scheppern. Hätte ich mehr Haare gehabt, sie hätten mir zu Berge gestanden, was heißt das eigentlich, komische Sprache, die deutsche, man muß sie halt singen.
Ich träumte davon, überzeugt zu werden, daß ich das Richtige tue, daß ich den guten Kampf kämpfe und daß am Ende des Tunnels als Belohnung das Land Tir Na Nog wartet, mit Liedern, die auf Bäumen wachsen, man muß sie nur herunterschütteln, träumen darf man ja mal.
Ich träumte davon, mit Leonard Cohen in einem Pariser Bistro zu sitzen. Draußen reitet Napoleon auf seinem weißen Pferd vorbei, sieht uns und sagt: Na, da will ich mal nicht weiter stören (denn wir schrieben gerade einen Text zusammen, der nur aus Fragezeichen bestand und Frauennamen).
Die Lichtgeschwindigkeit ist ein Witz. Im Dunkeln geht es noch viel schneller. Besonders wenn mir die Eule der Minerva ihre Sonnenbrille leiht.
25.10.2013
Wir tun, was wir können. Wir tun alles, was wir können. Natürlich tun wir alles, was wir können. Warum sollten wir denn weniger tun, als alles was wir können? Wer kann uns das verbieten? Niemand kann das. Einige wollen es versuchen, das können sie ruhig, sie können sich aber auch eine Frikadelle ans Knie nageln. Denn niemand kann uns verbieten, was geht. Was geht, das wird auch gemacht, immer und unter allen Umständen. Nur was nicht geht, wird nicht gemacht. Weil es eben nicht geht. Also müßten die Leute, die uns was verbieten wollen, dafür sorgen, daß es nicht geht. Aber das geht nicht. Das können sie nicht. Weil wir alles können, was geht. Und deswegen dafür sorgen können, daß keiner dafür sorgen kann, daß etwas nicht geht. Freiheit, Souveränität, Freundschaft, drauf geschissen. Wir sind die Geldregierung des planierten Planeten. Wir sind The Wall Street. Wir kennen keine Freunde. Bei Geld hört die Freundschaft auf. Müssen wir euch wirklich noch den Krieg erklären, den wir längst gewonnen haben? Also wirklich. Merkelt euch das, ihr habt nichts zu melden, was wir nicht schon wissen. Zappeln dürft ihr ein bißchen an unseren unsichtbaren Fäden, wir allein entscheiden, wann sie reißen. Was glaubt ihr denn, wer damals nach Amerika ausgewandert ist? Doch nicht die Besten, die Tapfersten, die Wunderbarsten, wie wir euch seit Jahrhunderten weismachen! Sondern die Verlierer, die Abgerutschten, die Zwielichtigen, die euch erfolgreich den Traum der Demokratie zurück über den Atlantik verkauften! In Wahrheit sind wir euer Albtraum, und jetzt rauben wir euch alles, nicht nur den Schlaf! Es lebe der Dritte Geldkrieg! Dax heil! Dow Jones befiehl, wir folgen! USA, NSA, NSU und raus bist du.
1.11.2013
Du bist der einzige Fahrgast in einem Bus. Der Mann hinterm Steuer trägt ein Schild auf dem Rücken: »Sie können ruhig mit dem Fahrer sprechen. Aber es ändert nichts.« Die Haltestellen fliegen am Fenster vorbei. An jeder stehen Leute, aber sie drehen der Straße den Rücken zu. Der Fahrer steht auf und kommt kassieren. Der Bus rast weiter, ganz von allein. »Sie haben ja keine Ahnung, wenn Sie glauben, es ginge ums Ankommen, es gäbe ein Ziel oder auch nur eine Straße, querfeldein, querfeldaus, keine Reifen, keine Bremsen, wir schaben auf dem Bodenblech durchs Land, bis die Funken sprühen, vielleicht ist unter uns Landebahnschaum, vielleicht auch nicht, Sie werden es zu gegebener Zeit erfahren, ich weiß es schon, macht drei Euro fuffzig.«
8.11.2013
Briefkästen darf man sich jetzt individuell anfertigen lassen. Beklebt mit Motiven, tierischen, floralen oder weiß der Kuckuck womit. Bei tierischen oder kindlichen ertönt auf Wunsch Gebell oder Geplärr aus dem Schlitz. Und alle finden das toll. Und alle finden das »geckich«. Und alle finden das … individuell eben. Irgendwo.
Ich als Postbote würde mich weigern, irgendetwas zuzustellen. In Ungelbes.
11.11.2013
Der größte Patriot der Farben Blau-Weiß-Rot, der tapferste Amerikaner, der aufrechteste Indianer (vielleicht, so fürchte ich zuweilen, der letzte Mohikaner) sitzt in Moskau, als Spielball der Geschichte. Und die USA machen ungerührt, eiseskalt und schwerstblasiert alle Hoffnungen, die man mit ihnen verband, alle Träume von einem besseren Land: zunichte.
Edward Snowden ist der letzte Held der sogenannten Freien Welt. Die Amis sollten ein Denkmal aufschichten, statt daran zu denken, ihn hinzurichten. (Geheimdienstkiller, die überall sitzen, betanken schon die Todesspritzen.) Amerika, Amerika, was ist aus dir geworden! Natürlich wäre er nicht der erste, den deine Schergen ermorden. So ist das halt als Supermacht. So ist der Lauf der Welt. Und bald bist du nicht einmal noch ein China mit mehr Geld.
Ich frage mich: Weshalb höre ich nichts von deinen anderen Helden? Bob Dylan, Springsteen und Neil Young – weswegen die sich nicht melden? Madonna, die Eagles oder die Beach Boys und wie sie alle heißen – veranlaßt selbst schon euch die Angst, die Zähne zusammenzubeißen? George Clooney, Willis, Schwarzenegger und all die Großmaul-Rapper … werden selbst die Prominenten zu Deppen und noch depper? Ihr seid doch alles Leute größtmöglichen Gewichts! Ich frage euch über’n großen Teich: Warum höre ich nichts?
13.11.2013
Musik für keine Käufer. Radio für keine Zuhörer. Fernsehen und Film für keine Zuschauer. Bücher für keine Leser. Was machen die Leute eigentlich? Kochkurse für Fast Food Junkies, Tanzkurse für fettleibige Couch Potatoes, Malkurse für Farbenblinde, Töpferkurse für Leute mit drei linken Händen, irgendwie paßt da was nicht.
Free Climbing für Höhenängstliche. Weinproben für trockene Alkoholiker. Führerscheine für Blinde. Männermagazine für Lesben. Obwohl, letzteres ginge ja noch.
Eheberatung für Priester. Medienprofessuren für Pro-7-Moderatorinnen. Sinnvolle Aufgaben für Markus Lanz. Also man kann sagen, was man will, es ist für jeden was dabei. Aber: Seepferdchenabzeichen für Wasserleichen? Die Aufforderung an Selbstmordattentäter, den Gürtel enger zu schnallen? Oder an die Hungernden in Afrika, auch mal über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen? Das geht ja dann wohl doch ein bißchen zu weit, nicht wahr.
Für jeden ist etwas dabei
das nennt sich dann Demokratie
wir alle sind ach ja so frei
nur das was uns hilft gibt es nie
das Wichtige immer vertuscht
vernebelt ins Abseits gedrängt
was wesentlich wär’ wird verpfuscht
in scheinbare Freiheit gezwängt
Volksmusikanten predigen Revolution. Steuerhinterzieher sind Volkshelden. In Offenburg gibt es einen »Platz der Verfassungsfreunde«. Nichts gegen die, aber angesichts der Verfassung, in der wir sind, würde ich mich eher auf einem Platz der Verfassungsfeinde versammeln. Ehrlich gesagt.
19.11.2013
Bei uns herrscht Wohlfühlzwang. Da verstehen wir keinen Spaß. Wer sich bei uns und mit uns nicht wohlfühlt, wer miesmacht, schwarzmalt und Bedenken trägt, der muß selber sehen, wie er klarkommt. Der wird von allen Gästelisten gestrichen und kommt auf die schwarzen. Wenn zum Beispiel November ist und draußen ein Wetter, als ob alle Erzengel kotzen, dann ist das noch lange kein Grund, schlechte Stimmung zu verbreiten, rumzunörgeln, aggressiv vor sich hin zu frösteln und damit all denen ein schlechtes Gewissen zu machen, die es schön warm haben. KUSCHELZEIT, so muß man das sehen. Eng zusammenrücken auf dem Sofa mit dem Partner, wenn man einen hat. Kekse, Ingwertee und Mandarinen, Hurra statt Hatschi, das Leben ist doch im Rahmen unserer getroffenen Vorkehrungen prima, was soll denn das ewige Herumkritisieren, die Tür kann nicht halb offen sein oder halb zu, entweder ist sie offen oder zu, und wir finden immer eine offene Tür, selbst da, wo keine Wand ist. Natürlich wissen wir, daß wir uns etwas vormachen. Natürlich wissen wir, daß das Leben hart ist, trostlos, grausam und ungerecht, aber wer das ausspricht, wer das zugibt, der sagt das Zauberwort, das dafür sorgt, daß unser ganzer verlogener Spaßpalast über uns zusammenbricht, er ist ja ohnehin nur auf Streichhölzerstelzen gebaut, die allesamt schon brennen.
Wir wollen feiern bis zum letzten Atemzug, wir wollen unsere Wohlfühler ausstrecken wie Tentakel mit Saugnäpfen, sternhagelvoll bis an die Oberkante Unterlippe dem Abgrund entgegen, dem Einsturz, dem Untergang, glaub bloß nicht, daß du der einzige bist, der sich hier mulmig fühlt, uns allen geht der Arsch auf Grundeis, das Ende einer Epoche ist nichts für Weicheier, also reiß dich zusammen und sprich uns nach:
Schwarz ist weiß kalt ist heiß
traurig ist lustig
und wenn es schiefgeht sage nie
niemals niemals niemals nie
das wußt’ ich
19.11.2013 (2)
Wir fordern die Frauenquote für Herrentoiletten. Diese letzte Männerbastion muß fallen. Aber natürlich flexi – die Frauen müssen selber entscheiden können, ob sie stehen oder sitzen wollen. Und wir haben festgestellt, daß es immer noch viel zu viele Tennisarme auf der Welt gibt. Also: Mehr Grand Slams in die Grand Slums! Turniere bringen schließlich Asche auf die Aschenplätze. Und wir fordern Volksentscheide, wenn sie uns in den Kram passen. Also das Volk soll abstimmen, bis wir zustimmen. So ist es brav.