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Im Revolutionsjahr 1848 wurde in Bayern die Vorzensur der Presse aufgehoben, was die Neugründung vieler Zeitungen, insbesondere in der königlichen Haupt- und Residenzstadt München, zur Folge hatte. Jetzt konnten die Bürger in Kleinanzeigen auch vermehrt Ehrverletzungen sowie vermeintliche bzw. tatsächliche Missstände öffentlich anprangern. Überliefert haben sie damit zugleich einen hochinteressanten Einblick in ihr Alltagsleben. In dieser Publikation sind nun über 300 solch kernig-deftiger Schmähinserate vereint, hauptsächlich aus dem Massenblatt Neueste Nachrichten. Zu lesen ist dort etwa von einem Lalli im Schlafzimmer, einer Megäre mit Muskete oder einem Lästermaul in Schwabing. Es ist die Rede von Wahrheitsverdrehern, Wüterichen, Lustdirnen, Lüstlingen, Lümmelfürsten, moralischen Ungeheuern, ausgejagten Ehefrauen, ausschweifenden Frauenzimmern, langohrigen Quadrupeden, sonderbaren Heiligen, Ohrenbläsern, Generalgrobianen, Pflastertretern, Spitzbuben, Speichelleckern und Erzwüstlingen oder von niederträchtiger Verleumdung, teuflischer Bosheit, natterzünglicher Sippschaft bzw. einem Geträtsche giftschwangerer Charaktere. Gepfefferte Kritik richtete sich dabei nicht nur an Münchner, sondern auch an Leute aus dem oberbayerischen Umland, wie etwa den wackeren Waginger, die Wirtin von Ebenhausen, den Benefiziaten von Haag i. OB, die Ehestörerin von Erding, den Pfarrer von Weyarn oder den Posthalter von Tegernsee.
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Seitenzahl: 281
Im Revolutionsjahr 1848 wurde in Bayern die Vorzensur der Presse aufgehoben, was die Neugründung vieler Zeitungen, insbesondere in der königlichen Haupt- und Residenzstadt München, zur Folge hatte. Jetzt konnten die Bürger in Kleinanzeigen auch vermehrt Ehrverletzungen sowie vermeintliche bzw. tatsächliche Missstände öffentlich anprangern. Überliefert haben sie damit zugleich einen hochinteressanten Einblick in ihr Alltagsleben. In dieser Publikation sind nun über 300 solch kernig-deftiger Schmähinserate vereint, hauptsächlich aus dem Massenblatt Neueste Nachrichten. Zu lesen ist dort etwa von einem Lalli im Schlafzimmer, einer Megäre mit Muskete oder einem Lästermaul in Schwabing. Es ist die Rede von Wahrheitsverdrehern, Wüterichen, Lustdirnen, Lüstlingen, Lümmelfürsten, moralischen Ungeheuern, ausgejagten Ehefrauen, ausschweifenden Frauenzimmern, langohrigen Quadrupeden, sonderbaren Heiligen, Ohrenbläsern, Generalgrobianen, Pflastertretern, Spitzbuben, Speichelleckern und Erzwüstlingen oder von niederträchtiger Verleumdung, teuflischer Bosheit, natterzünglicher Sippschaft bzw. einem Geträtsche giftschwangerer Charaktere. Gepfefferte Kritik richtete sich dabei nicht nur an Münchner, sondern auch an Leute aus dem oberbayerischen Umland, wie etwa den wackeren Waginger, die Wirtin von Ebenhausen, den Benefiziaten von Haag i. OB, die Ehestörerin von Erding, den Pfarrer von Weyarn oder den Posthalter von Tegernsee.
Einleitung
Schmähinserate 1 – 197
1a. Schlag ins Gesicht
1b. Unverschämte Lüge
1c. Einfältiges Geschwätz
1d. Maul halten
2. Untertänigste Bitte
3. Unzeitgemäße Spaßmacher
4. Futteral für Operngucker
5. Der rechte Titel für Jungfrau Kellnerin
6. An den Ritter eines schlechten Pferdes
7a. Ein Uhrmacher als Seel- und Ehrabschneider
7b. Warnung vor moralischem Ungeheuer
8. Ungebührliches Pfeifen
9. Bockverkostung beim Bockschaffler
10. Mitternächtliche Huldigung
11. Offener Brief
12. Ein unvollendetes Klavier
13a. Madame Zeugin
13b. Ein Schmalzweib als Lästerzunge
14. Arme Haderlumpenweiber
15. Almosengeld für einen Rettigmann
16. Wucher mit gepanschtem Bier
17. Säbelhiebe
18a. Eine königliche Hofschauspielerin
18b. Mehr als ein Schurkenstreich
19. Handlungen beim Bettbesteigen
20. Ein Volksbeglücker als Zechpreller
21. Laufpass für eine Schönheit
22. Eine halbe Portion Halbgekochtes
23. Ungerechte Behandlung von Gesellen
24. Rat an einen Geistlichen
25a. Wo Ehemänner gefunden werden können
25b. Aufforderung zur Namensnennung
26a. Der brutale Eindringling
26b. Ein Lalli im Schlafzimmer
27. Der wohllöbliche Herr Inspektor
28. Hundsgemeine Behandlung
29. Der verschwundene Hut
30a. Ein Sandsteppengarten an der Isar
30b. Größte Gemütlichkeit im Grünen Baum
31. Eine schlummernde Magd
32a. Schlechter Lebenswandel einer Wirtstochter
32b. Viehische Angriffe
33. Einsatz bei Fronleichnamsprozession
34a. Der krumme Fritz
34b. Leere Anschuldigungen
35. Das Lästermaul von Schwabing
36. Eine Geistererscheinung
37a. Lärmendes Gesindel beim Krapfenwirt
37b. Eine natterzüngliche Sippschaft
37c. Schlechte Weibsbilder und Ohrenbläser
37d. Einsatz von Jägerpatrouillen
37e. Anstößige Schnaderhüpfel und grelle Musik
38. Schlechter Samen
39. Beherrschung des ABC statt Ausschweifungen
40. Schreie in der Nacht
41.Die Bedienung im Gasthaus zu den drei Rosen
42. Eine Portion Geschmacklosigkeit
43a. Schlechte Ware bei einem Lebküchler
43b. Die reinste Verleumdung
44a. Ehrenraub durch Hafnerin
44b. Einfaches Abbitten
44c. Injurien und Kostenzahlung
45. Ein Herr mit langen Ohren
46. Loses Mundwerk einer Geldbesitzerin
47. Aus dem Schlupfwinkel ans Tageslicht
48. Gnädiger Herr, gnädige Frau
49a. Aufschreiben, dass sich die Kreide biegt
49b. Geträtsche giftschwangerer Charaktere
50. Unwahres Gerücht
51a. Ein unhöflicher Badeaufseher
51b. Einschreiten der Badegäste
51c. Mutwilliges Anspritzen
52. Eine fromme Melberin
53. Kein Darlehen für einen Stiefelanfertiger
54. Wenig Nutzen aus literarischer Lektüre
55. Magistratische Umtriebe
56. Hochmut macht träge
57. Hübsche Waden
58. Spöttisches zur Abendunterhaltung
59. Abfällige Äußerungen im Englischen Garten
60. Fehlende Fiaker
61. Unbrauchbares Wurstwasser
62. Kellnerinnen und Kettenhunde
63a. Landpartien nach Starnberg
63b. Boshaftigkeit
64. Freche Rettigfrauen
65. Ein Triller im Galopp
66a. Herzlose Worte
66b. Sklavische Landläuferinnen
67a. Ein Wollustraupensammler und borstige Tiere
67b. Bacchanalischer Tanz in biererhitztem Zustande
67c. Haag mit keinem Auge gesehen
67d. Schwindelköpfe und Speichellecker
67e. Teuflische Bosheit
67f. Ein verkappter Wolf im Schafspelz
67g. Ein Satan in Menschengestalt
67h. Wahrlich kein gutmütiger Schwabe
67i. Durchaus in keiner Beziehung
68a. Klafterlange Füße
68b. Ein müßiger Pflastertreter
69. Die beste Profession
70a. Bierpreis im Zweibrückensaal
70b. Banditenartiger Angriff hinter dem Busche
71a. Eine tyrannische Metzgerin
71b. Ein besseres Herz
71c. Dienstbotenmisshandlung
72. Promenaden zur Isarbrücke
73a. Geliebter Gegenstand im Herrenzimmer
73b. Die wahre Veranlassung
74. Hagelregen auf ungewaschenen Kopf
75a. Echter Wuchergeist
75b. Die Maske des Stillschweigens
75c. Binnen 24 Stunden
75d. Missbrauch der Pressefreiheit
75e. Der erste Held Münchens
76a. Undurchsichtig-schmutzige Gläser
76b. Blinkender Stoff in undurchsichtigen Gefäßen
77. Keine stärkende Labung
78. Eine Betschwester mit Tabaksnase
79. Taktprügel für eine Katzenmusikgesellschaft
80. Herumführung im Nebel
81a. Hoffen auf größeres Brot
81b. Semmelchen in hohlem Zahn
81c. Die beste Rechtfertigung
82. Charakterwidriges Bewegen in schmutziger Sphäre
83. Ein Leutnant mit goldenem Schnurrbart
84. Eine Megäre mit Muskete
85. Herumführung am Narrenseil
86. Eine unflätige Melbersfrau
87. Herabfallende Effekten
88. Aufbelassene Kopfbedeckung
89a. Schlechtes Straßenpflaster
89b. Wohlmeinender Rat wird befolgt
9oa. Ein unaufmerksamer Marqueur
90b. Ausbleibende Hundefütterung
91. Mangelhafte Bedienung in der Dienersgasse
92a. Aufhebelohn für eine entfallene Uhr
92b. Öffentliche Abbittung
93. Alte Kühe statt fromme Pferde
94. Dummer Stolz und laute Gymnasiasten
95. Ein Schuldirektor mit Sporen
96a. Porzellangeschirr im Frühlingsgarten
96b. Alles andere als honett
96c. Schlechte Witze
96d. Einfältigkeit und Blödsinnigkeit
96e. Nur eine Retourchaise
96f. Bereits gerichtlich belangt
97a. Exerzieren rund um einen Misthaufen
97b. Kein Freund der Wahrheit
98. Ein aus dem Paradies herabgestoßener Blasengel
99. Komisches Honneurmachen
100. Der Bursche mit den Spielhahnfedern
101. Vögel unterm Hut
102. Zügelloser Umgang mit charakterlosem Menschen
103. Prellereien und Pfändungen
104. Ein betrügerischer Student
105. Vier Kellner und kein Braten
106. Ungestüme Gangart der Pferde
107. Wachs zum Wichsen
108. Grobheiten am grünen Baum
109. Gelüste nach Beißzangen
110a. Keine kleine Strecke
110b. Befremden über Warnung
111. Daherschleichen in der Abenddämmerung
112a. Vorwurf der schmutzigsten Bestechlichkeit
112b. Nur der Gerüchte-Erfinder ist ein Schurke
113. Eine total unwürdige Begegnung
114. Grellste und impertinenteste Ausdrücke
115. Unpassender Federschmuck für Scharfschützen
116a. Prahlerei eines ausgezeichneten Kenners
116b. Ein brotneidiger Mensch
117. Der is ja gor koana
118a. Wer am besten schmiert
118b. Gerichtliche Klage eingereicht
118c. Geometer Wundersmann
118d. Kein Verleumder
119a. Funkenflug durch Zigarrenrauchen
119b. Ein misslungener Witz
120. Letzter Wille
121. Falsches Bild von einer hochgebildeten Dame
122. Verspätete Salve bei der Huldigungsfeier
123. Eisenbahnzopf
124. Verwundung am Rathaus
125. Rausch einer Haderlumpentochter
126a. Volksaufwieglerische Reden
126b. Langohrige Quadrupede
127a. Der Lümmelfürst von Tegernsee
127b. Der schreibselige Wahrheitsverdreher
128a. Zur miserabelsten Klasse der Menschheit gehörig
128b. Widerruf
129a. Ein Rebhuhnkopf als Wahrzeichen
129b. Zusicherung eines ordentlichen Traktierens
130. Beschimpfung als Schlafhaube
131. Eine gewisse Donna und die reife Jugend
132. Die Mörderin und die Riegelhaube
133. Ankündigung eines schöneren Schauspiels
134a. Frivole Beschlagnahme von Bürsten
134b. Charakterlose Hausiererin
135. Den Vogel erkennt man am Singen
136. Frommer Wunsch
137. Vom Schrannenkittel zum Ballrock
138. Wem’s juckt, der kratze sich
139. Lug und Betrug
140. Dienstentwürdigendes Benehmen
141a. Grobe Behandlung einer Bürgersfrau
141b. Frau Friedmanns Butterkauf-Differenzen
142a. Eine abermalige Unbeliebtheitsbezeugung
142b. Lügenhafte Spendierung eines Namens
143. In hochaufgeblasener Positur
144a. Nie und nimmer einen Kreuzer
144b. Warnung an Lohnkutschersknecht
145. Wohlfeiles Bauen und kostenlose Höflichkeitslehre
146. Die meisten Kamin- und Rohrbrände
147a. Frevelhafte Handlung an heiligem Ort
147b. Von gerechter Entrüstung übermannt
147c. Ausfälle einer Schwabinger Hebamme
148. Tanz nach Danzers Pfeife
149. Die Freikorpsmütze wäre hilfreich
150. Jagd auf eine fette Sau
151a. Dubiose Freiplatzverleihung
151b. Allgemeine Verwunderung
151c. Huldvollste Vorsorge
151d. Von Recht kann keine Rede sein
151e. Aufklärung erbeten
151f. Keine Anmaßungen von Unberufenen
152. Kirchenparade und Kastenschlüssel
153. Saure Gesichter
154a. Traurige Erfahrungen mit einem Ehestörer
154b. Kurze Berichtigung
154c. Unwiderlegbare Beschuldigungen
154d. Von der Nemesis erreicht
155. Melber und Obstler
156. Eingefordertes Recht für Soldaten
157. Eine boshafte Zange
158a. Das Maß wird bald voll
158b. Immerwährend in Erding
158c. Gerichtliche Ermittlung
159a. Ein Ausbund von Rohheit
159b. Ja, der Pfarrer von Weyarn
159c. Ja, ja, der Herr Pfarrer von Weyarn
160a. Die Leiden des jungen W.
160b. Miserable Klagen und verschmähte Liebe
161. Ein bekatzenmusiktes Haus
162. Bei nächster Veranlassung
163. Verkehrt zusammengenähte Chorröcke
164. Hofschranzen und Lumpengesindel
165. Eine Schneiderprinzessin
166. Kräftigster Widerspruch
167. Unverdorbenes Wesen in Gefahr
168. Das achte Weltwunder
169a. Zu gampfig
169b. Preis durch Kasernspargel bedingt
169c. Entrüstung über Beschwerde
169d. Antwort des dicken Herrn
169e. Schlagender Beweis für Nixnutzigkeit
169f. Ein gewisses Lumpenpack
169g. Besenstiel statt Stil
169h. Komponieren wäre angebrachter
170. Bessere Tanzmusik
171. Ein trauriges Beispiel
172. Freches Benehmen von Studenten
173. Eher Geiz als Wohldienerei
174. Die schwarze Sau
175. Zur Auffahrt ständischer Deputationen
176. Mit Geifer besudelt
177a. Ländlich, sittlich
177b. Der wackere Waginger
178a. Portraitmalerei nach der Natur
178b. Warnung
178c. Ein elendes Vergnügen
178d. Maler als Marktschreier
178e. Ehrabschneider aus Neid
178f. Vollkommenste Ähnlichkeit garantiert
178g. Abbitte und wahrer Einsender
178h. Hiemit das letzte Wort
179. Laute Ungezogenheit in der Theaterloge
180a. Großer Skandal in Valley
180b. Heuchlerisches Haberfeldtreiben
180c. Offene Missbilligung
181. Kritik an Inspektionslöchern
182a. Moderne Souveränität
182b. Böswillige Absicht
183. Infamie fiele auf Kanzlist zurück
184. Guter Rat an einen gewissen Bierwirt
185. Ehefrau nicht ausgejagt
186. Kein Denunziant beim Platzlbräu
187. Kein Deutsch-Katholik
188a. Keine neue Schießstätte
188b. Unlieb verspätete Verdeutschung
189. Grobheit im Vorfletz
190. Verdruss durch Madame O.
191. Bengel gesucht, aber nicht gefunden
192. Briefinhalt ist tabu
193. Spinnen im Kaffeehaus
194. Eine freigebige Spende
195. Ein lümmelhafter Schwätzer
196a. Empfehlung einer Doktorsgattin
196b. Dampfapparat macht Federn rein
196c. Betrügerin und Pfuscherin
196d. Ein sehr böswilliger Mann
197a. Durchaus keine Zahlung
197b. Erste und letzte Erklärung
Bibliographie
Bildnachweis
Die Deutsche Revolution von 1848 / 49, bei der in den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes um nationale Einheit und demokratische Freiheiten gerungen wurde, wird im Hinblick auf die Anfangsphase auch als Märzrevolution bezeichnet.
Im März 1848 überschlugen sich im Königreich Bayern, wo Ludwig I. seit 1825 Regent war, ebenfalls die Ereignisse.1 Nach Unruhen und gewalttätigen Protesten, die sich auch gezielt gegen Ludwigs Geliebte, die Tänzerin Lola Montez, richteten, dankte der Monarch schließlich am 20. März 1848 ab.2
König Max II., Ludwigs Sohn und Nachfolger, kündigte sogleich als eine der ersten Liberalisierungsmaßnahmen ein Gesetz zur Pressefreiheit an, da ja die Zensur ein wesentlicher Kritikpunkt gewesen war.
Daraufhin gab es zahlreiche Neugründungen von Zeitungen. Eines der populärsten Blätter waren die Neuesten Nachrichten aus dem Gebiete der Politik, verlegt und redaktionell betreut von Karl Robert Schurich. Die neue Münchner Tageszeitung »war als rein informatives Nachrichtenblatt für die Massen gedacht und hatte kein politisches Gründungsprogramm.«3
Bei den Massen als besonders beliebt erwies sich die Rubrik »Bekanntmachungen«. Sie enthielt seitenweise Kleinanzeigen der üblichen Kategorien.
So gab es etwa Stellenangebote bzw. –gesuche für Tätigkeiten wie »Ladnerin« (Verkäuferin), »Bonne« (Hausmädchen), Köchin, Kistler, Krautschneider, Stiefelwichser, Oberschweizer oder Aktuar (Schreiber).
Bei den Immobilienanzeigen bot man oft Einzelzimmer (»über 3 Stiegen«) an oder wünschte solche zu mieten, manchmal sogar »ohne Bett« (z. B. in der Neuhausergasse). Bei großen Wohnungen waren meist auch Pferdestallungen und Remisen für Kutschen mitinbegriffen (so etwa bei einer Sechszimmerwohnung in der Gruftgasse).
»Eingetretener Verhältnisse wegen«4 wurden Sachen wie ein Daguerreotyp-Apparat (zur Herstellung von Photographien), eine Uniform für einen Gymnasial-Professor oder »ein reales Priechlerrecht« (Konzession für einen Garn- und Leinwandhändler) verkauft.5
Natürlich trachtete man über diese Rubrik auch Verlorenes oder Entlaufenes wieder zu erlangen, beispielsweise ein Retikül oder einen Rattenfänger.6
In den »Bekanntmachungen« wurde zudem für Produkte wie Leichdornmittel (gegen »Hühneraugen«), Kräuter-Pomade, »Damen-Waschwasser«, galvano-elektrische Rheumatismus-Ketten, Hirschfänger (=Messer), »zuckerne Seelenzöpfe« (Backwaren) oder Druckerzeugnisse geworben.
Bei letzteren finden sich z. B. »zukunftsweisende« Werke wie die wunderbaren Prophezeihungen einer »Somnambüle« (= Schlafwandlerin) zu den Jahren 1848 bis 4856 (bereits über 20 000 Exemplare verkauft) oder die »Worte eines alten Propheten«:
Abb. 1: Werbeanzeige für den »Traumdeuter« (Dezember 1848)
Das Büchlein scheint beim Zahlenlott0 durchaus von Nutzen gewesen zu sein, wie das nachfolgende Inserat glauben machen will.7
Abb. 2: Inserat mit Gewinnmitteilung (Oktober 1848)
In den »Bekanntmachungen« wurden aber nicht nur Ratgeber für Traumdeutungen angepriesen, sondern auch viel praktischere wie etwa Handbücher für Auswanderer nach Nordamerika, eine »Anleitung, sich in Gesellschaften beliebt zu machen und sich die Gunst der Damen zu erwerben« oder ein »Noth- und Hülfsbüchlein für Ehemänner.«
Wer eine Ehe eingehen wollte, inserierte ebenfalls im Anzeigenteil der Neuesten Nachrichten. Dabei kam mitunter auch der Humor nicht zu kurz:
»Heirathsgesuch. 13372. Ein gebildetes Fräulein vom angenehmsten Aeußern, das das Ende des Lebensfrühlings bereits überschritten hat, wünscht, wo möglich noch innerhalb der letzten Tage ihrer zweiten 18jährigen Capitulation, sich an einen soliden Herrn in den besten Jahren – zwischen 18 und 60 – zu verheirathen. Als Mitgift von ihrer Seite garantirt sie, außer einer Unzahl häuslicher Tugenden, für unglaubliche Fertigkeit in Consummirung des schwarzbraunen Nasenstoffs und für classische Erfahrung und Praktik in den Bierwissenschaften. Aber eben darum sieht sie sich auch veranlaßt, den etwa auftretenden Candidaten schon im Voraus, als erste und nothwendigste eheliche Pflichtleistung anzuempfehlen, die Sorge für den täglichen Nasenbedarf und insbesondere die Lieferung eines ordentlichen Quantums Bierstoff erster Qualität …«8
»Einladung. 7523. Im unerforschlichen Rathschluß des Allmächtigen ist die weise Anordnung getroffen, daß die Sonne zum Erwärmen, der Vogel zum Fliegen, der Mensch aber zum Lieben geschaffen ist. … Meine Jünglingsjahre sind zwar entrückt; aber dennoch von jenem Gefühle beseelt, das um zwei Herzen das feste Band der Liebe schlingt, ohne Liebe ist keine Wonne. Ich habe mich daher entschlossen, den 2. Oktober meine dritte Vermählung feierlichst zu begehen und lade zu diesem alle meine Freunde und Bekannte, ja das ganze Publikum dazu ein, an diesem Feste Theil zu nehmen und dem angeordneten Mahle in meiner Behausung beizuwohnen. Kanalstraße Nr. 44. E. Kugler, Bierwirth. Josepha Hust.«9
»Ein solider Mann in die [sic] 30er Jahre, der jährlich 600 fl. Gehalt hat, sucht ein solides Frauenzimmer von einem Alter etwa von 23–32 Jahren, welches in weiblichen Eigenschaften ausgezeichnet ist, und ein Vermögen von wenigstens 600–2000 fl. besitzt, zur Verehelichung, wird aber dabei bemerkt, daß mehr auf Geschicklichkeit und Eingezogenheit etc. gesehen wird als auf Geld. Frankirte versiegelte Briefe beliebe man zu machen, unter der Chiffre A. G. an die Exped. d. Bl.«10
Annonciert wurde zudem des Öfteren, um sich für erwiesene Hilfeleistung oder Unterstützung zu bedanken. Hier zwei Beispiele:
»5745. Oeffentlicher Dank allen den edlen Menschenfreunden und Wohlthätern, die mir Montags früh im Bauhof das Leben retteten! Franz Delacher und dessen Mutter.«11
»Oeffentlicher Dank. 6025. Herr Tambosi, Kafetier, hat am 6. d. an einer der gefährlichsten Stellen des Würmkanals meinen 13jährigen Sohn vom Tode des Ertrinkens gerettet. Für diese edle Menschenfreundlichkeit und liebevoll aufopfernde Großmuth fühle ich mich gedrungen, Herrn Tambosi hiemit öffentlich meinen herzlichsten tiefgefühlten Dank auszusprechen. München, am 8. Sept. Franz Reisert, Juwelier.«12
All die bisher genannten Arten von Kleinanzeigen sind – ebenso wie Inserate mit vorwiegend (partei-)politischen Motiven – nicht weiter Gegenstand dieser Publikation.
Das gilt auch für literarisch angehauchte Persiflagen wie die folgende, in der u. a. von Gestalten aus der griechischen Mythologie oder von Vitriolöl (H2SO4) die Rede ist:
»Dem aus Vitriolöl und Hanswurstenschweiß zusammengesetzten Herrn Biervertilger und dem aus Schwefeläther und Hengstenmilch gegossenen Hrn. Grußentbieter an Ignatz Starl melde ich, daß weder die Danaiden, noch Hesperiden, noch Aeneiden, sondern die Hämorrhoiden hier waren, und in meiner Logiewohnung ihr Domicil hatten. Sie wurden bereits von der Polizei aufgegriffen, um von Herrn Aktuar Harres in der Repräsentanten-Versammlung mit afrikanischer Neutralität als tollkühne Eunuchen zu Fidibus und blutdürstigen Galgenstricken verdollmetscht werden zu können. Theodolinde Sauerteig, geb. von Geisbock.«13
Ansonsten aber ist mit Spott bzw. Schmäh schon das zentrale Thema dieser Publikation erwähnt. Die Massen nutzten nun die Möglichkeit, sich über vermeintliche oder tatsächliche Missstände, Ungerechtigkeiten, Beleidigungen, Kränkungen, Verleumdungen oder Lügen in teilweise überaus bissigen und geharnischten Inseraten zu ereifern: »Die Presse genoss in vollen Zügen den Most der Freiheit, und die Stadt die Folgen davon in Placaten und Kreuzerblättern.«14 Ein Zeitungsartikel vom Juni 1848, als das Gesetz über die Pressefreiheit auch offiziell in Kraft trat,15 beschrieb die Lage in München wie folgt: »München ist jetzt so langweilig, wie eine kleine Universitätsstadt, wenn die Studenten in den Ferien sind. Da gähnen die Jungfern, die Wirthe machen betrübte Gesichter und die Hausbesitzer sind aus lauter Sehnsucht nach ihren Hausfreunden krank. Also ists in München. München liegt in Erwartung der Dinge, die da kommen sollen, die einen warten auf den Messias, die andern auf gebratene Tauben. Aber es geschieht nichts, es wird nichts gethan, es schläft Alles, nur wenn einer dem Andern was anhängen kann, so thut ers in unseren Eintagsblättern mit Hülfe der himmlischen Preßfreiheit.«16
Dass man von letzterer nun gerade auch auf diese Weise Gebrauch machte, erregte durchaus Missfallen:
Abb. 3: Mahnung, vor eigener Tür zu kehren (Annonce vom Juli 1848)
Und in einem anderen Inserat hieß es: »Es ist bedauernswerth genug, daß man um 2 kr. die Zeile, Jemanden öffentlich beschimpfen kann!«17
Heutzutage aber bieten diese Schmäh-Inserate, in denen der Begriff »Ehre«18 eine zentrale Rolle einnimmt, einen hochinteressanten Einblick in das Alltagsleben der Münchner zu Ende der Biedermeierzeit.
Die Sprache der »Streithansel«, bei denen es sich ja oft um einfache Leute handelte (Lieblingsausdruck: »indem sonst«), ist in diesen prosaischen Kleinanzeigen weniger schlicht als man meinen könnte. Hie und da wurde sicherlich Hilfe in Anspruch genommen.19 So sind manche Formulierungen durchaus subtil und hinterfotzig, ja mitunter sogar poetisch, so etwa wenn Vorhaltungen in Dichtform erscheinen.
Die bisweilen äußerst derben Anwürfe erstrecken sich auf alle Gesellschaftsschichten, einschließlich des Klerus. Das meiste Fett bekommen hier natürlich Angehörige von Berufszweigen mit großem Publikumsverkehr ab, allen voran Wirte, Handwerker und Händler. Kritisiert werden überdies nicht nur Münchner wie z. B. ein hiesiger Porträtmaler, sondern auch Leute aus dem oberbayerischen Umland, wie etwa der wackere Waginger, die Wirtin von Ebenhausen, der Benefiziat von Haag, die Ehestörerin von Erding, der Pfarrer von Weyarn oder der Postwirt von Tegernsee.
Die sind zwar chronologisch angeordnet (das letzte stammt vom 30. Dezember und war das 13 924.); sie können aber – bis auf die zusammengehörenden Folge-Anzeigen mit Buchstabenzusatz – in beliebiger Reihenfolge als jeweils abgeschlossene Kurzgeschichte gelesen werden.
Mit dem Hinweiszeichen wurden Worterklärungen bzw. Hintergrundinformationen zu einem Inserat hinzugefügt.
Um den historischen Charakter der Annoncen zu bewahren, ist größtenteils auch die damalige Rechtschreibung beibehalten worden, insbesondere bei h
(*Thür), ey (*seyn), ie (*erwiedern), äu (*verläumden) oder iren (*existiren).
Die Literaturangaben im Text erfolgen in Kurzform (Autorenname+Seite).
Die vollständigen Titel finden sich am Schluss in der »Bibliographie«. Dort sind auch die Belegstellen für die Inseratnummern 1–197 angeführt.
1 Zu seiner Regentschaft Näheres bei: LIEBHART, S. 9–31.
2 Zu Lola Montez s. Beck, S. 107–123 sowie HUBER, S. 22.
3 HOSER, <www.historisches-lexikon-bayerns.de>
4 Das war die damals übliche Standardfloskel für das heutige »umständehalber«.
5Real bedeutete hier, »dass die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes nicht an eine Person, sondern an ein Grundstück bzw. Haus geknüpft war.« (SEIDL, Zwei Spektakel, S. 26)
7 Das Glücksspiel des Zahlenlottos gab es erstmals zur Mitte des 18. Jahrhunderts in Österreich unter Maria Theresia. Bei einer »Ambo« hatte man zwei, bei einer »Terno« drei Zahlen richtig getippt. .
8 NEUESTE NACHRICHTEN, Nr. 258, S. 3160. Mit »Nasenstoff« war hier Schnupftabak gemeint, mit »Capitulation« ein bestimmter Zeitabschnitt, analog zu einer Dienstdauer beim Militär. Das fragliche »Fräulein« war demnach 36 Jahre alt.
9 Ebd., Nr. 176, S. 1996.
10 Ebd., Nr. 185, S. 2124.
11 NEUESTE NACHRICHTEN, Nr. 151, S. 1673.
12 Ebd., Nr. 155, S. 1724. Der besagte »Kafetier« war offenbar Louis Tambosi. (s. die Anmerkungen zur Nr. 99)
13 Ebd., Nr. 104, S. 1038.
14 FÖRSTER, S. 25.
15 Dabei handelte es sich aber nur um die Aufhebung der Vorzensur. Eine wirkliche Pressefreiheit gab es erst 1859.
16 POLITISCHER GEVATTERSMANN, Nr. 29, S. 115.
17 NEUESTE NACHRICHTEN, Nr. 228, S. 2742.
18 Gegenwärtig gibt es in Deutschland vier strafbare Ehrverletzungen: einfache Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung und die politische Ehrabschneidung. (StGB §§ 185–187a).
19 So dürfte etwa der »Hausknecht auf der Post in Tegernsee«, auch wenn es sich dabei um einen »wohlbestallten« handelte, seine »gehorsamste Appellationsschrift« im Inserat 5576 schwerlich ganz allein verfasst haben. Zudem ist für die wegen des Umfangs nicht unerheblichen Kosten dann wohl der Postwirt selber aufgekommen. (s. Nr. 127b)
Karlstraße:
Die Straße in der Maxvorstadt wurde bereits 1808 nach dem jüngeren Bruder des späteren Königs Ludwig I., nach Prinz Karl Theodor von Bayern (1795–1875), benannt. Dieser hatte die aufgebrachten Münchner beruhigt, die bei der Märzrevolution 1848 das städtische Zeughaus plünderten. Prinz Karl ist als Generalfeldmarschall auch Oberbefehlshaber der bayerischen Armee im sogenannten »Deutschen Krieg« gewesen, als letztmals Deutsche gegen Deutsche kämpften. 1866 unterlag Bayern in der Schlacht von Königgrätz aufseiten Österreichs Preußen und seinen Allierten.
Karlsplatz: In einem zeitgenössischen Handbuch zu München ist 1845 zu lesen: »Die Hälfte dieses Platzes vor der protestantischen Kirche wird als Holzmarkt benützt; zur Meßzeit befi nden sich dort die Töpferwaaren und die Schaubuden. Den Karlsplatz umschließen, außer der protestantischen Kirche, dem Karlsthore mit dem Rondelle, dem k. Kadettenkorps-Gebäude und eines Theiles des botanischen Gartens, lauter Privatgebäude.« (VINZENZ MÜLLER, S. 26) Karlsplatz und Karlstor hießen ursprünglich »Neuhauser Tor« und »Neuhauser-Tor-Platz« und wurden Ende des 18. Jahrhunderts zu Ehren des bayerischen Kurfürsten Karl Theodor (1724–1799) umbenannt. Der Karlsplatz wird heute noch gemeinhin »Stachus« genannt, angeblich nach einem Wirt, der den Vulgonamen »Eustach« hatte und den an der Stelle des heutigen »Kaufhofs« befi ndlichen Gasthof »Stachusgarten« (einst am Karlsplatz 24) führte. Die Stachus-Rondellbauten wurden 1802 errichtet und 19o2 von Gabriel von Seidl (1848–1913) erweitert. Der »Alte Botanische Garten« musste 1891 dem Justizpalast weichen.
Abb. 5: Das Karlstor im Jahre 1857
Abb. 5: Das Karlstor-Rondell im Jahre 1885
»Auf die in Nr. 19 der neuesten Nachrichten unter Donnerstag den 27. April S. 108 erschienene Bekanntmachung, als habe der Studirende und Rechtscandidat W. T. Kaminkehrersmeisterssohn in der Karlstraße, einen beim Gastwirth Lichtenauer vor dem Karlsthore am 25. d. M. anwesenden Gast ohne allen vorhandenen Grund mit der Faust und dem Knopfe seines Stockes in das Gesicht geschlagen, erwiedern [sic] die am fraglichen Abende beim besagten Gastwirthe anwesenden Gäste der Wahrheit gemäß, daß das dem Rechtscandidaten W. T. in diesem Artikel zu Grunde gelegte gemeine und rohe Benehmen eine boshafte Verläumdung und unverschämte Lüge von einem frechen Betrüger ist, indem dieser nichtswürdige Bube sowohl diesen als seinen übrigen lügenhaften Aeußerungen die Unterschrift der anwesenden Gäste unterschiebt, welchen, obwohl immerwährend anwesend, nicht das geringste von einem solchen Vorfalle bekannt ist.
Möchte der Unverschämte doch mit offener Stirne auftreten, um ihn zur geeigneten Rechenschaft ziehen zu können.
Zur Ehre des Studirenden W. T. müssen die Unterfertigten vielmehr bekennen und bezeugen, daß sich derselbe nicht blos im besagten Gasthause immer, sondern in jeder Gesellschaft durch ein solides und anständiges Benehmen die Achtung und Liebe der ihn Umgebenden stets erwarb und sich derselben auch jetzt noch zu erfreuen hat, was in Wahrheit bestätigen die am fraglichen Abende anwesenden Gäste und viele seiner Commilitonen, im Namen aller:
M. G.«
»Der M. G. hat sich unter den Bekanntmachungen der neuesten Nachrichten vom Freitag den 28. April wegen des Studirenden W. T. Kaminkehrersmeisterssohn von der Karlstraße so stark plamoren, daß man glaubt, es müßte von den langen Ohren im Gedächtnißort bei ihm sich etwas aufgehalten haben, indem derselbe gar nicht bei der stattgehabten Excesse [sic] dabei war. – Warum?
Weil der M. G. dem Tanzen bei der Hochzeit zugeschaut hatte und erst nach verübter That des W. T. wieder vom 1. Stock in das Gastzimmer herunter kam. Was die geeignete Rechenschaft betrifft, so finden die Unterzeichneten es gar nicht der Mühe werth, solchen nichtswürdigen Burschen ein Gehör zu geben, indem man von den meisten Leuten verachtet würde, wenn man mit ihnen nur noch etwas zu thun hätte.
Sollte wieder auf dieses Inserat etwas in die Neuesten Nachrichten kommen, so erklären die Unterzeichneten, daß Ihnen der Gang der Sache zu gemein wäre, indem sie sich selbst noch plamiren, wenn sie ein so einfältiges Geschwätz nochmals erörtern würden.
Nur ersuchen wir den betroffenen Gast, sich öffentlich in den Neuesten Nachrichten auszusprechen, ob er bei Gericht die nöthigen Schritte wegen W. T. schon eingeleitet hat, damit man dem M. G. sein Maul, wegen Theilnahme an W. T., welcher von dem ganzen Vorfall gar nichts wußte, und daher seine Einrückung in den Neuesten Nachrichten von gestern für Null und Nichts erklären, gehörig stopfen kann.
C. A. G.
(Genau nach dem Manuscript. Die Red.)«
»Der Kaminkehrermeisterssohn W. T. dürfte endlich doch einmal in dem Gasthause zum Oberpollinger sein voreiliges Maul halten, indem alles, was er über den Gast J. C. H. (welchen er bei dem Bierwirth Lichtenauer im vorigen Monate ins Gesicht schlug) sagt, welches einem alle Tage anzuhören ganz zum Eckel wird, lauter Lüge und Unsinn ist, und man es daher blos seinem Unverstande zurechnen kann, wenn er obigen Gast J. C. H. als ›er sey gar nichts‹ beschuldigt.
Unterzeichneter glaubt gerade dieses ›sey gar nichts‹ auf den W. T. anwenden zu müssen, indem er froh seyn dürfte, wenn er in der Stellung des J. C. H. schon wäre, damit er sich nicht jeden Kreuzer, welchen er verzehrt, von zu Hause holen muß; es scheint aber und man sieht es auch von Tag zu Tag, daß aus dem W. T., so lange er noch von zu Hause leben kann, gar nichts mehr werden wird.
A. F. J.«
Herr Hauptmann R. ch..g.l wird höflichst gebeten, bei fernerer Gesellschaft in seinem Hause doch den Schneidergesellen, welcher auf der Stör dort arbeitet, in einem andern Zimmer zu beschäftigen.
Ein Hausfreund.«
auf der Stör sein:
Dazu heißt es bei Schmeller: »Die Redensart … wird auf dem Lande von Näherinnen, Schneidern, Schuhmachern, Sattlern und dergl. Stubenarbeitern gebraucht, wenn sie in der Wohnung eines Bestellenden gegen Kost und Taglohn ihr Handwerk treiben.« (S
CHMELLER
, S. 779)
»Ehrenerklärung. In den neuesten Nachrichten Nr. 34 vom 12. Mai ist Seite 230 ein Vorfall von muthwilligen Späßen und rohen Ausfällen, die sich am jüngst verflossenen Sonntag hiesige Bürgerssöhne gegen andere ruhige Gäste in Harlaching erlaubt haben, erzählt. Die muthwilligen unzeitgemäßen Spaßmacher sind hier namentlich aufgeführt, darunter auch der Schützbräusohn in der Sendlinger-Gasse.
Zum größten Bedauern wurden wir irrig berichtet, und fühlen uns berufen, hiemit [sic] öffentlich zu erklären, daß dieser dort benannte Schützbräusohn nicht unter den Excedenten war, und auch nicht in Harlaching sich befand.
Recht gerne legen wir solches Ehrenzeugniß ab, denn fremde Ehre muß jedem heilig sein. Wir müssen es um so mehr thun, da wir mittlererweile [sic] Gelegenheit hatten, den Sohn des Herrn Schützbräu als einen ruhigen und sehr ordentlichen Menschen kennen zu lernen.
Robert, Hefelmeier, Pickl, Mayr, Holzborg.«
Harlaching:
Das Dorf wurde 1854 nach München eingemeindet und ist im heutigen Münchner Stadtbezirk 18, »Untergiesing-Harlaching«, aufgegangen.
Schützbräu:
Die Brauerei ist schon seit dem 14. Jh. nachweisbar. (s. S
TAHL
EDER
, Haus, S. 464) Den Schützbräu in der Sendlingergasse erwähnt 1783 auch Westenrieder. (W
ESTENRIEDER
, S. 418)
»Diejenige Dame, welche am Sonntag Morgen bei der protestantischen Kirche nach dem Gottesdienst einer andern Dame einen Operngucker gestohlen hat, kann das Futteral dazu im Gasthof zur blauen Traube dahier abholen.«
Protestantische Kirche:
»Die protestantische Pfarrkirche, auf dem freien Platz vor dem Karlsthor.« Die 1832 erbaute Kirche war notwendig geworden, »nachdem sich bei der wachsenden Zahl der Protestanten in München die von König Maximilian I. im Schloss eingerichtete Capelle als unzureichend erwiesen und eine protestantische Pfarrei gegründet war.« (F
ÖRSTER
, S. 59) Siehe auch Nr. 1a.
Gasthof zur blauen Traube: Dieses Weingasthaus befand sich in der Dienersgasse 11. Im Jahre 1845 ist es wie folgt beschrieben: »Hier vereinigt sich alles Erforderliche, um den zahlreichen Gästen und Fremden in Bezug auf Wohnung, Tisch und Wein zu genügen.« (VINZENZ MÜLLER, S. 302)
»Ich erlaube mir die Frage, wie man ein solch Bedienungs-Individuum nennen oder betiteln soll, welches sich über die Worte ›Jungfrau Kellnerin‹ beleidigt findet, wie z. B. ein Gast im goldenen Lamm im untern Billardzimmer die Antwort erhielt: ›Mit diesem Ausdruck hab ich kein Bier für Sie‹. Daher erlaube ich mir zu fragen: ob statt Jungfrau J-, statt Kellnerin Fr ….ch.n der rechte Titel wäre?«
Zum goldenen Lamm:
1853 ist der fragliche Tafernwirt am Schrannenplatz 2 zu finden. Einige Jahre später, nach der Umbenennung des Schrannenplatzes, lautet die Adresse: Marienplatz 2. Da wird das Haus dann als »Weinwirtschaft« bezeichnet. (s. S
IEBERT
, S. 32) Ein Weinwirt hatte im Gegenatz zu einem Tafernwirt kein Herbergsrecht und durfte auch keine Tanzmusik anbieten.
Dem anonymen Einsender eines Briefes vom 19. d. in die Briennerstraße – Siegel ein bayerisches Halbguldenstück mit dem Brustbilde König Ludwigs – diene zur Nachricht, daß er sich von Leuten, die erweislich nur auf’s [sic] Prellen ausgehen, ›ein niederträchtiges Mährchen‹ aufbinden ließ.
Wenn derselbe nur einen Begriff von Ehre hat, so stelle er sich dem von ihm Beleidigten persönlich gegenüber oder zeige seine Wohnung und Namen an, um ihm die Augen zu öffnen und das Weitere von der k. Polizei besorgen zu lassen.«
Briennerstraße:
Dort befanden sich die Büroräume der »Neuesten Nachrichten«. Die heute in der Maxvorstadt gelegene Straße hat ihren Namen von
Brienne-le-Château,
einem Ort in Ostfrankreich, wo sich 1814 Napoleons Heer und Koalitionstruppen unter Führung Blüchers (»Marschall Vorwärts«) bekämpften. Zunächst siegten die Franzosen; nach einer weiteren Schlacht beim nahen
La Rothière
zogen sie sich aber zurück.
König Ludwig: Die Münze zeigte also das Porträt von Ludwig I. (1786–1868), der zwei Monate zuvor im Zuge der Affäre um Lola Montez abgedankt hatte.
k. Polizei: königliche Polizei.
Mährchen: Wortspiel mit »Mähre« (schlechtes Pferd) und »Märchen«.
Abb. 6: Die Briennerstraße um 1857
»Gestern den 20. d. M. ging ich am …thore vorüber. Da hörte ich schimpfen; ich fragte, was es da gäbe? Es schimpfte der Hausmeister J … desselben Hauses den Uhrmacher S …, welcher ihn beim jetzigen Hausherrn verleumdet hatte, so daß der Mann, Familienvater und sehr arm, durch diesen Uhrmacher den Dienst verlor.
Ueberhaupt ist dieser Uhrmacher ein Seel- und Ehrabschneider. Es ging auch neulich ein solides Mädchen vorüber, das ihm noch nie was zu Leid that, über welches er bei einem Einwohner des Hauses dermaßen raisonirte und mit den Fingern ihr nachdeutete, daß dieses auch wirklich sehr empörte. – Bei diesem