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Am 19. August 1854 gab es in München eine dreifache Hinrichtung. Dabei wurden die Delinquenten, darunter eine Frau, nicht mehr mit dem Richtschwert, sondern erstmals mit einer Guillotine enthauptet. Kurz nacheinander starben dabei eine Mordanstifterin, ihr Komplize und ein Raubmörder. Für die Presse war der Auftragsmord der grässlichste, der jemals vor einem bayerischen Schwurgericht verhandelt wurde. Und das Verbrechen des Dritten, eines Deserteurs, war nicht minder grausam. Versehen mit zahlreichen Hintergrundinformationen werden diese spektakulären Kriminalfälle hier unter Heranziehung zeitgenössischer Quellen eindrucksvoll dokumentiert.
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Seitenzahl: 56
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Zum Inhalt
Am 19. August 1854 gab es in München eine dreifache Hinrichtung. Dabei wurden die Delinquenten, darunter eine Frau, nicht mehr mit dem Richtschwert, sondern erstmals mit einer Guillotine enthauptet. Kurz nacheinander starben dabei eine Mordanstifterin, ihr Komplize und ein Raubmörder. Für die Presse war der Auftragsmord der grässlichste, der jemals vor einem bayerischen Schwurgericht verhandelt wurde. Und das Verbrechen des Dritten, eines Deserteurs, war nicht minder grausam. Versehen mit zahlreichen Hintergrundinformationen werden diese spektakulären Kriminalfälle hier unter Heranziehung zeitgenössischer Quellen eindrucksvoll dokumentiert.
Vom Galgen zur Guillotine
Unfrieden auf dem Weinbergerhof
Mordkomplott des Familienrats
Ein fehlgeschlagener Überfall
Erneute Mordvorbereitungen
Die brutale Bluttat
Verdächtigungen und Verhaftungen
Der Prozess
Hoffen auf Strafmilderung
Raubmord eines Deserteurs
Fahndung, Ergreifung und Verurteilung
Tod bei Sonnenaufgang
Bildnachweis
Über den Autor
Bis zum Jahre 1813 hauchten Schwerverbrecher im Königreich Bayern ihr Leben oft am Galgen aus. Danach erfolgten die Hinrichtungen meist mit dem Richtschwert, das von einem Scharfrichter1 geführt wurde. Die Exekution vollzog man anfangs noch auf einem großen Richtblock; der wurde bald durch ein hölzernes Gerüst ersetzt: das Schafott. In dessen unterster Ebene, direkt über dem Erdboden, gab es eine besondere Vorrichtung: das sogenannte »Armesünderstübchen«. Es war ein abgeschirmter Raum, in den die Delinquenten geführt wurden, um dort bei einem Geistlichen die letzte Beichte abzulegen und eine Generalabsolution zu erhalten.
Nachher ging es für die »Armesünder«, wie man zum Tod Verurteilte einst gemeinhin nannte, eine schmale Holztreppe hinauf. Oben auf der Plattform wurden sie vom Scharfrichter und seinem Helfer, der in Bayern »Spitzwürfel« hieß, in Empfang genommen und auf einem zuletzt schwarzen Spezialstuhl festgeschnallt.
Schwert und Stuhl hat man dann aber 1854 durch einen neuen Tötungsapparat ersetzt: die Guillotine. Und das kam so: Als der 19-jährige Sattlergeselle Christian Hussendörfer, der seinen Meister ermordet hatte, im Mai 1854 hingerichtet wurde, musste der Scharfrichter mit seinem Schwert sieben Mal ansetzen, um den Kopf vom Rumpf zu trennen. Die wütend protestierende Zuschauermenge war nahe daran, ihn zu lynchen und so wurde der Scharfrichter, ein gewisser Lorenz Scheller(er), mit einer Schutz-Eskorte von sieben Kürassieren nach Hause geleitet.2
Dieser Vorfall wie auch die stark zunehmende Kritik an öffentlichen Hinrichtungen und der Todesstrafe schlechthin mögen Bayerns König Max II. dazu bewogen haben, die bisher amtlich festgelegte Hinrichtungszeit von 9–11 Uhr vormittags auf die ganz frühen Morgenstunden zu verschieben3 und am 3. August 1854 den Ersatz des Richtschwerts durch die Guillotine anzuordnen. Eine solche war ja bereits im benachbarten Königreich Württemberg seit 1853 zur Anwendung gekommen.
Gut zwei Wochen nach der Verfügung des Bayernkönigs standen auch schon drei Todeskandidaten für die erste Guillotinierung fest, darunter eine Frau: Maria Aschmaier, die schöne »Bäuerin vom Weinbergerhof«.4
Mach’ auf, aus ist’s mit mir!(Peter Aschmaier)
1 Der Scharfrichter hieß bisweilen auch »Nachrichter«, da er nach dem Richter dessen Todesurteil vollstreckte.
2 Siehe: Hans F. Nöhbauer: München. Eine Geschichte der Stadt und ihrer Bürger. Band 2: Von 1854 bis zur Gegenwart. München 1992, S. 33.
3 Die Zahl der Schaulustigen blieb trotzdem ungewöhnlich hoch, bis man die Öffentlichkeit ab 1862 endgültig von Hinrichtungen ausschloss. Todesurteile wurden jetzt innerhalb von Gefängnismauern vollstreckt. Siehe dazu auch: Petra Overath: Tod und Gnade. Zur Todesstrafe in Bayern im 19. Jahrhundert. Köln 2001; sowie Reinhard Heydenreuter: Kriminalgeschichte Bayerns. Regensburg 2003, S. 292 ff.
Auf dem Weinbergerhof, einer Einöde im oberbayerischen Weinberg, das heute ein Ortsteil von Obertaufkirchen ist,5 zog im Frühjahr 1853 ein neuer Bauer ein: der 44-jährige Peter Aschmaier. Seine Heirat mit der Hoferbin Maria, die am 26. April 1853 geschlossen wurde,6 sollte sich für ihn aber als verhängnisvoll erweisen.7
Das lag an der Braut. Maria war zehn Jahre jünger und die Stieftochter des Altbauern Martin Holzheier. Dieser war es auch gewesen, der ihr fortwährend zugeredet hatte, doch den Peter Aschmaier zum Mann zu nehmen.
Der besaß nämlich ein Vermögen von 1.200 Gulden. Außerdem war von Aschmaier für den Altbauern und dessen Frau Elisabeth, die leibliche Mutter von Maria, »ein ziemlich ansehnlicher Austrag« festgesetzt worden.8 Die beiden Holzheiers sind ja seinerzeit schon 62 Jahre alt gewesen. Und so wurden sie nach der Eheschließung Marias, der diese nur widerwillig zugestimmt hatte, auf ihrem bisherigen Hof zu Austräglern.
Maria Aschmaier, die neue Bäuerin, merkte aber schnell, dass sie und ihr Mann nicht zueinander passten. Es häuften sich Zwistigkeiten und Streitereien und die geringe Zuneigung, die sie anfangs noch empfunden haben mochte, schlug allmählich in blanken Hass um. Es dauerte nicht lange und die beiden Eheleute nächtigten auch nicht mehr im selben Zimmer.
Marias Abneigung gegen Peter Aschmaier teilten alsbald die Holzheier’schen Eheleute. Die beiden Austrägler wurden nämlich vom Schwiegersohn ständig zu mehr Mitarbeit angehalten. Daher war er auch bei ihnen nicht mehr gelitten; bezeichnend für das tiefe Zerwürfnis war, dass jetzt Peter Aschmaier immer schleunigst die Wohnstube verließ, sobald sein Schwiegervater hereinkam.
4Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth und Publicität, Nr. 145, 19. Juni 1854, n. pag. Didaskalia (griech.-mittellat. für »Belehrung«) hieß die tägliche Unterhaltungsbeilage der berühmten, 1903 eingestellten Tageszeitung Frankfurter Journal.
5 Die Gemeinde liegt im Landkreis Mühldorf am Inn.
6 Ihre Hochzeit feierten der am 7. Oktober 1808 geborene, ledige Bauernsohn Peter Aschmaier aus Wimpasing (jetzt ein Ortsteil der Gem. Ampfing im Lkr. Mühldorf am Inn) und die ledige Bauerstochter Maria Huber, geb. am 8. Januar 1819 in Weinberg, im nahen Steinkirchen (heute ebenfalls ein Ortsteil des 4 km entfernten Obertaufkirchen). Siehe dazu: Archiv des Erzbistums München und Freising (AEM), Pfarrmatrikel Obertaufkirchen, Signatur 4976, Trauungen (1747–1892).
7 Zur Rekonstruktion der nachfolgenden Kriminalfälle wurde größtenteils auf die zeitgenössische Tagespresse zurückgegriffen, wie etwa: Neue Münchener Zeitung, Bayerische Landbötin, Münchener Bote für Stadt und Land, Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik, Volksbote für den Bürger und Landmann.
Der Bäuerin und ihren Eltern wurde zusehends bewusst, dass mit Peter Aschmaier der falsche Mann auf den Hof gekommen war und es so nicht weitergehen konnte. Das Trio beriet sich nun eingehend, wie man den Ungeliebten wieder loswerden könnte. Der Gedanke an eine Scheidungsklage wurde schnell wieder verworfen, da – so die Altbäuerin – das Ganze viel zu viel kosten würde.
Im August 1853 besuchte das Austrägler-Ehepaar dann die Tochter Martin Holzheiers aus dessen erster Ehe: die nicht weit entfernt lebende, verheiratete Christina Karlinger. Dabei beklagte der Alte die ehelichen Missverhältnisse in Weinberg und meinte, es wäre wohl das Beste, »wenn der Peter aus der Welt geschafft würde.«9 Christina erwiderte, es gäbe da bestimmt ein paar »Lumpen«, die das machen würden, wie zum Beispiel den Binder Kammerer in Wambach.10 Auf keinen Fall aber sollten sie sich auf so etwas einlassen.