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Dieser Band enthält folgende SF-Romane: (399) Die Flotte der Qriid (Alfred Bekker) Das Ding kam aus den Tiefen des Alls (W.A.Castell) Sunfrost und die Verschwörung (Luc Bahl) Der Aufprall zerschmetterte das Shuttle und seine drei Passagiere mit ungeheurer Wucht. In einem gewaltigen Blitz, der länger auf der Netzhaut der entsetzten Beobachter in der STERNENKRIEGER II zurückblieb, als er tatsächlich gedauert hatte, verwandelte sich das Bündel belebter und toter Materie in reine Energie. Es war eine optische Täuschung, als der grell leuchtende Feuerball auf einmal in sich zusammenfiel und im Nichts verschwand, aber genau so sah es aus. Innerhalb von wenigen Bruchteilen einer Sekunde explodierte das kleine Shuttle, blähte sich zu einer gewaltigen Lichtkugel auf. Etwas war auf böse Weise außer Kontrolle geraten. Innerhalb kürzester Zeit hatte die STERNENKRIEGER nicht nur ihren Captain Rena Sunfrost verloren, sondern nun auch den Ersten Offizier Commander Steven Van Doren, den Shuttle Piloten Jorge Lugones und den Olvanorer Bruder Guillermo …
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Seitenzahl: 353
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Science Fiction Dreierband 3069
Copyright
Die Flotte der Qriid
Das Ding kam aus den Tiefen des Alls: Science Fiction Roman
Sunfrost und die Verschwörung
Dieser Band enthält folgende SF-Romane:
Die Flotte der Qriid (Alfred Bekker)
Das Ding kam aus den Tiefen des Alls (W.A.Castell)
Sunfrost und die Verschwörung (Luc Bahl)
Der Aufprall zerschmetterte das Shuttle und seine drei Passagiere mit ungeheurer Wucht. In einem gewaltigen Blitz, der länger auf der Netzhaut der entsetzten Beobachter in der STERNENKRIEGER II zurückblieb, als er tatsächlich gedauert hatte, verwandelte sich das Bündel belebter und toter Materie in reine Energie.
Es war eine optische Täuschung, als der grell leuchtende Feuerball auf einmal in sich zusammenfiel und im Nichts verschwand, aber genau so sah es aus. Innerhalb von wenigen Bruchteilen einer Sekunde explodierte das kleine Shuttle, blähte sich zu einer gewaltigen Lichtkugel auf.
Etwas war auf böse Weise außer Kontrolle geraten. Innerhalb kürzester Zeit hatte die STERNENKRIEGER nicht nur ihren Captain Rena Sunfrost verloren, sondern nun auch den Ersten Offizier Commander Steven Van Doren, den Shuttle Piloten Jorge Lugones und den Olvanorer Bruder Guillermo …
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author /
COVER A. PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Chronik der Sternenkrieger
Science Fiction Roman von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 118 Taschenbuchseiten.
Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
in chronologischer Reihenfolge
Einzelfolgen:
Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)
Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz
Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland
Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis
Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen
Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen
Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg
Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd
Commander Reilly 9: Invasion der Arachnoiden
Commander Reilly 10: Das Imperium der Arachnoiden
Commander Reilly 11: Verschwörer der Humanen Welten
Commander Reilly 12: Commander der Humanen Welten
Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern
Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns
Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius
Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid
Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid
Commander Reilly 18: Commander der Sternenkrieger
Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen
Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti
Commander Reilly 21: Prophet der Verräter
Commander Reilly 22: Einsamer Commander
Terrifors Geschichte: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)
Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)
Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)
Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke (Handlungszeit 2250)
Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde
Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp
Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium
Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg
Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten
Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet
Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer
Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash
Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast
Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha
Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch
Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance
Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten
Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen
Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt
Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion
Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf
Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung
Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung
Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes
Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff
Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter
Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne
Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos
Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer
Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich
Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe
Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter
Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen
Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy
Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix
Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt
Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne
Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle
Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)
Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer
Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)
Sammelbände:
Sammelband 1: Captain und Commander
Sammelband 2: Raumgefechte
Sammelband 3: Ferne Galaxis
Sammelband 4: Kosmischer Feind
Sammelband 5: Der Etnord-Krieg
Sammelband 6: Götter und Gegner
Sammelband 7: Schlächter des Alls
Sammelband 8: Verlorene Götter
Sammelband 9: Galaktischer Ruf
Sonderausgaben:
Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und
Chronik der Sternenkrieger #1-4)
Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)
Druckausgabe (auch als E-Book):
Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)
Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit ist die Grundlage jener Demut, die jedem Wissenschaftler eigen sollte. Die Erkenntnis, dass die eigene Existenz eine Endliche ist, erweist sich als die Triebfeder all jener Fragen, die wesentlich für den Prozess der Gewinnung von Erkenntnis sind.
(Aus den Schriften von Bruder Bartholomäus; Datenblock VI, verfasst um 2206)
Die PLUTO L-2 landete etwa fünfzig Meter von der Position des Wracks der BERESANTO entfernt. Der Koloss des Prospektorenschiffs wurde von der aufgehenden Sonne beschienen. Im Gegensatz zu dem sandfeinen, schwarzen Oberflächenmaterial reflektierte das Metall das Licht und so wirkte die BERESANTO fast leuchtend.
„Sehen wir uns um!“, befahl Van Doren. Er wandte sich an den Piloten. „Mister Riktor, ich denken Sie ahnen schon, dass Sie uns nicht begleiten werden.“
„Ja, Sir.“
„Lassen Sie eine permanente Kom-Verbindung zur PLUTO geschaltet. Falls die Qriid wieder auftauchen sollten, werden wir diesen Planeten sehr schnell verlassen müssen.“
„Aye, aye, Captain“, bestätigte Bran Riktor. „Soll ich die L-1 im Startbereitschaftsmodus halten?“
„Eine gute Idee. Tun Sie das.“
Van Doren legte einen Raumanzug an. Dupont dasselbe. Er war allerdings bereits fast fertig damit und überprüfte jetzt die Anzeigen der Sauerstoffpatronen. Am Gürtel trug er einen Nadler. Außerdem war er mit einem Modul ausgerüstet, mit dessen Hilfe es möglich war, in das Rechnersystem der BERESANTO einzudringen. Dieses Modul verfügte über sehr starke Energiezellen, die ausreichten, um zumindest für wenige Minuten den Rechner mit Strom zu versorgen, sodass man vielleicht die Logbuchdaten selbst dann herunterladen konnte, wenn sich die die Energieversorgung des Schiffes nicht mehr reaktivieren ließ.
Zuerst sahen sich die Marines draußen um. Als die Meldung kam, dass alles in Ordnung sei, folgten Van Doren und Dupont.
Sergeant Kovac nahm schwenkte den Scanner seines Ortungsgerätes.
„Wenn da noch ein Mensch an Bord wäre, müsste das jetzt eigentlich zu orten sein!“, sagte er. „Schließlich ist das ein Prospektorenschiff und keine militärische Spezialeinheit für Spionagezwecke, die über besondere Abschirmungen verfügt!“
„Wir müssen die Mannschaftsschleuse finden!“, sagte Van Doren.
Kovac deutete nach links. „Wir müssen dorthin!“, bestimmte er.
„Sergeant!“ schrillte die Stimme einer Frau über den Helmfunk.
„Was gibt es, Corporal Lyon?“, fragte Sergeant Kovac. Corporal Erica Lyon war seine Stellvertreterin. Sie war etwa zwanzig Meter entfernt auf einem Hügel in Stellung gegangen.
Van Doren und Kovac drehten sich zu ihr um.
Nach und nach folgten auch die anderen ihrem Beispiel.
„Sehen Sie sich das an!“, forderte Erica Lyon.
Der schwarze Pulversand, aus dem der Untergrund bestand, war aufgewirbelt worden. Die Partikel schwebten einem schwarmartigen Verbund durcheinander, der immer größere Mengen an kleinsten Teilchen vom Boden anzusaugen schien.
„Wie ist das möglich?“, murmelte Van Doren.
Es gab keine Atmosphäre, keine Turbulenzen, keine messbareren Magnetfelder.
„Ich würde sagen, das ist ein Effekt, der mit der Antischwerkraft verwandt ist, die wir in unseren Aggregaten verwenden“, sagte Zhao Dupont. Er richtete sein Modul auf diese Erscheinung, während Erica Lyon den aufgeschnallten Antigrav-Pak ihres Kampfananzugs aktivierte und sich schwebend ein Stück von dem Teilchen-Schwarm entfernte.
Sie landete neben Sergeant Kovac.
„Alles in Ordnung, Corporal?“, fragte dieser.
„Ja, Sir. Ich war nur etwas…“
„Irritiert?“
„Das trifft es ziemlich gut.“
„Überprüfen Sie unbedingt das Innere Ihres Anzugs, wenn Sie zurück in der L-2 sind“, forderte Lieutenant Dupont. Der Leitende Ingenieur, in dem sich chinesische, französische und karibische Vorfahren mischten, deutete mit der freien Hand auf die wirbelnden Teilchen. „Viele dieser Partikel sind so klein, dass ihre Größe im Nanobereich anzusiedeln ist. Die könnten in Ihren Anzug eingedrungen sein.“
„Halte ich für unmöglich“, erwiderte Erica Lyon. „Durch die Panzerung kommt nichts durch!“
„Meinen Messungen nach wäre das aber möglich, Corporal. Ich kann keinerlei toxische Relevanz dieses schwarzen Sandes – einen besseren Namen finde ich nicht dafür – erkennen. Aber wir sollten alle sehr vorsichtig sein…“ Dupont aktivierte nun seinerseits das Antigrav-Pak auf seinem Rücken. Er schwebte zehn Meter in die Höhe und dann in Richtung des durcheinander wirbelnden Schwarms. Dann richtete er sein Modul noch einmal auf den Schwarm.
„Sieht aus wie winzige Moskitos“, stellte Gordon Kovac fest. „Allerdings kann ich mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass sie in der Lage sind, die Panzeranzüge zu durchdringen. Schließlich können wir sie als schwarze Punkte erkennen, die sich gegen das Sonnenlicht abheben.“
„Sie variieren ihre Größe“, stellte Dupont fest. „Manchmal klumpen sie sich zu größeren Einheiten zusammen, zerfallen aber kurz darauf wieder. Das Ganze geschieht nach bestimmten Mustern, aber fragen Sie mich nicht, welchen Gesetzmäßigkeiten diese Vorgänge folgen. Ich bin schließlich Ingenieur – und nicht Chemiker oder Physiker!“
„Was lässt sich über dieses antigrav-ähnliche Kraftfeld sagen?“, fragte Van Doren.
Dupont war in diesem Punkt nicht zu einer konkreten Aussage bereit. „Die Daten müssten einer näheren Analyse zugeführt werden. Ich übertrage sie zur L-2, sodass sie gleich an die PLUTO weitergegeben werden können.“
Van Doren deutete auf den Schwarm der immer stärker anwuchs.
„Sehen Sie ein Gefährdungspotential für uns, Mister Dupont?“
„Von der Tatsache abgesehen, dass diese Partikel fast überall hin vordringen können einmal abgesehen – nein. Aber es wäre durchaus möglich, dass eine starke Verunreinigung durch dieses eigenartige Material zu einem Schaden in den Triebwerken führt.“
Etwa fünf Minuten tanzte der Partikelschwarm noch in einer Höhe von etwa zehn Metern herum, zog sich teilweise sehr stark in die Länge und bildete unterschiedliche Formen aus.
Das Ansaugen von Material – Van Doren fiel einfach kein passenderer Begriff ein, obwohl ihm bewusst war, wie absurd der Begriff ansaugen in einer atmosphärelosen Umgebung war – hörte auf. Der Materialstrom vom Boden versiegte und kehrte sich schließlich um.
Die Teilchen sanken nach und nach zu Boden, ähnlich wie es bei Teilchen in einer Suspension der Fall war.
Was ist da nur für eine Kraft?, ging es Van Doren durch den Kopf. Sie ist zweifellos der Schlüssel zu allem…
Über Kommunikator stellte Commander Van Doren eine Verbindung zur Brücke der PLUTO her.
Das Gesicht des Ersten Offiziers erschien auf dem Minibildschirm.
„Hier Fernand.“
„Leiteten Sie sämtliche Daten sofort an die STERNENKRIEGER weiter, I.O.“
„Aye, aye, Sir.“
„Ich möchte, dass sich Bruder Padraig die Aufzeichnungen ansieht.“
„Wird erledigt, Captain. Von den Qriid ist übrigens nirgends etwas zu sehen.“
„Na wenigstens eine gute Nachricht“, murmelte der Captain der PLUTO.
Das Außenteam von Commander Van Doren erreichte die Eingangsschleuse für die Mannschaft. Darüber hinaus gab es auch noch eine Schleuse zum Beladen, aber die allein mit dem Energiespeicher von Duponts Modul in Betrieb zu nehmen, schien kaum möglich zu sein.
Dupont legte sein Modul an die Außenhülle der BERESANTO an.
Dann gab er einen Energiestoß ab, durch den das interne Rechnersystem aktiviert werden sollte.
„Die Schleuse lässt sich öffnen“, kündigte der Leitende Ingenieur der STERNENKRIEGER an. „Allerdings nur per Handbetrieb. Die Energie des Moduls reicht nicht aus, um das Schott zu bewegen.“
Wenig später schoben drei Marines das Schott zur Seite. Kovacs, Lyon und ein weiterer Marine namens Blackmith traten in die Schleuse.
Das Schott wurde wieder geschlossen. Erst als sich Kovac aus dem Inneren der BERESANTO über Funk meldete und bestätigte, dass alle in Ordnung sei, folgte der Rest der Gruppe.
Als sich das Innenschott der Mannschaftsschleuse vor Commander Van Doren öffnete, bot sich ihm ein sehr seltsamer Anblick.
Der Korridor, der sich vor den Mitgliedern des Außenteams erstreckte war von einer mindestens zwei Zentimeter dicken Schicht aus dem schwarzen Nano-Sand bedeckt.
„So viel zu der Frage, wohin dieser Nano-Staub überall vorzudringen vermag“, sagte Dupont.
Die fluoreszierenden Streifen an den Wänden, die für den Fall eines totalen Energieausfalls für eine Notbeleuchtung sorgen sollten, spendeten nur noch wenig Licht. Manche leuchteten so gut wie gar nicht mehr.
Aber die Helmlampen de Außenteams sowie die noch voller Leuchtkraft steckenden Fluoreszenz-Streifen an den Raumanzügen sorgten dafür, dass die Mitglieder des Außenteams sich problemlos orientieren konnten.
Dupont machte das Angebot, sich als Erstes um die Inbetriebnahme der Energieversorgung und damit auch der Beleuchtung zu kümmern, was möglicherweise vom nächsten Rechnerterminal aus möglich war.
Aber Van Doren lehnte das ab.
„Dazu haben wir keine Zeit“, sagte er. „Wir wissen nicht, wie lange wir gefahrlos hier bleiben können. Schließlich wird dieser Nano-Staub auch in unser Shuttle eindringen…“
Über Funk verständigte Van Doren den Piloten Bran Riktor, um ihn zu warnen.
„Achten Sie auf die Anzeigen der Innensensoren und natürlich darauf, ob irgendetwas Ungewöhnliches angezeigt wird. Wir wissen, dass diese Nano-Partikel offenbar nahezu jedes Material zu durchdringen vermögen…“
„Ich habe ja die Vergleichsdaten auf dem Bordrechner“, antwortete Bran Riktor. „Die Parameter des antigrav-ähnlichen Kraftfeldes, das offenbar die Partikel bewegte, habe ich in die Ortung eingespeist und festgestellt, dass es ganz in der Nähe ein ähnliches Kraftfeld zu geben scheint…“
„Wo?“
„Dort, wo die Olvanorer-Station ist.“
„Das ist interessant…“
„Interessant ist vor allem der zeitliche Zusammenhang.“
„Wie meinen Sie das?“
„Das Kraftfeld bei der Station tauchte in dem Moment auf, als jenes verschwand, in das Corporal Lyon beinahe hineingeraten wäre! Das habe ich anhand der automatischen Orter-Aufzeichnungen noch einmal überprüft! Bis auf die tausendstel Sekunde exakt – genauer lässt sich das anhand unseres Ortungssystems leider nicht feststellen. Aber es sieht alles danach aus, als gäbe es keinerlei zeitliche Überlappung.“
„Das klingt ja fast so, als hätte das Kraftfeld seine Existenz hier aufgegeben und im selben Moment woanders fortgeführt!“, stellte Van Doren fest.
„Das haben Sie gesagt, Captain“, sagte Bran Riktor.
Zhao Dupont mischte sich ein, der das Gespräch über seinen Helmfunk verfolgen konnte. „Theoretisch ist das möglich“, erklärte er. „Sogenannte Quanten-Teleportation.“
„Langsam frage ich mich, womit wir es hier eigentlich zu tun haben“, murmelte Van Doren.
„Mit einem Planeten, dessen Energiebalance insgesamt gesehen völlig unausgewogen ist“, stellte Dupont fest. „Null Grad Oberflächentemperatur, keine Atmosphäre, keine chemische Aktivität an der Oberfläche, diese seltsamen Bewegungen von Schwärmen aus Sandkörnern von Nano-Größe… Schwarzsandwelt hat einen Zustand erreicht, der sehr stark vom Naturzustand des Universums abweicht.“
„Mag sein“, meinte Van Doren. „Aber könnte man das nicht auch über uns sagen?“
„Wie bitte?“
„Über jedes Lebewesen, ja selbst über jede komplexere organische chemische Verbindung?“
„Vielleicht sollten wir ein anders Mal darüber philosophieren, Captain.“
„Auf jeden Fall möchte ich, dass die Schutzanzüge geschlossen bleiben“, befahl Van Doren. Er blickte auf die Anzeigen seines in den Kommunikator integrierten Ortungssystems. Die Temperatur an Bord hatte sich mit etwa null Grad dem Oberflächenniveau des Planeten angepasst und der Sauerstoffgehalt der Luft war eigentlich ausreichend – trotz der Tatsache, dass die Lebenserhaltungssysteme der BERRESANTO schon eine ganze Weile nicht mehr in Betrieb waren.
Das kann eigentlich nur bedeuten, dass die Besatzung bereits ziemlich bald nach der Havarie oder wie immer man das, was hier geschehen ist auch bezeichnen mag, nicht mehr an Bord war!, schloss Van Doren. Andernfalls wäre der Sauerstoffanteil geringer und der CO2-Anteil durch die ausgeatmete Luft deutlich höher.
Sergeant Kovac war der erste, der die Brücke erreichte. Die anderen folgten. Nirgends im Schiff waren sie auf ein Besatzungsmitglied gestoßen. Die Kabinen waren leer und wirkten, als wären sie sehr plötzlich verlassen worden. Teilweise lagen noch Gebrauchsgegenstände und Kleidung herum, so als wären sie gerade abgelegt worden. Allerdings war alles mit einer zum Teil auch dünnen Schicht aus schwarzem Nano-Staub bedeckt, der tatsächlich in jeden Winkel des Schiffes vorgedrungen zu sein schien.
Auf der Brücke bot sich ein ähnliches Bild.
Ein Handheld-Modul, mit dessen Hilfe sich der Captain in den Bordrechner einloggen konnte, lag auf einer kleinen Ablagefläche neben dem Kommandantensitz – von Staub bedeckt. Auffallend war, dass auf den Sesseln größere Staubhaufen zu finden waren. Aber schon kleinste Erschütterungen und Bewegungen in der Luft, wie sie etwa durch die Bewegungen der Außenteammitglieder entstanden, sorgten dafür, dass von diesen Haufen Teile herunter brachen und sich in Staubwolken auflösten, deren einzelne Partikel dann langsam zu Boden sanken.
Allerdings ohne, dass dabei ein Kraftfeld anmessbar gewesen wäre, wie Dupont sofort feststellte.
„Sehen Sie, ob Sie noch irgendwelche Daten aus dem Rechner retten können“, forderte Van Doren. „Konzentrieren Sie sich auf Logbuchdaten und ähnliches Material.“
„Ja, Sir“, bestätigte Dupont.
Dupont legte sein Modul an eine der Konsolen an und nach mehreren Versuchen gelang es ihm tatsächlich, einen Notbetrieb herzustellen und zumindest ein Teilsystem des Bordrechners in Betrieb zu nehmen.
„Ein Zugriff auf die Energieversorgung der BERESANTO ist leider unmöglich“, stellte der Leitende Ingenieur der PLUTO fest. „Da scheinen zu große Schäden vorzuliegen. Einige Displays und Kontrollleuchten an der von Dupont benutzten Konsole leuchteten auf. Es handelte sich um jene Konsole, die eigentlich dem Ersten Offizier vorbehalten war.
Sein Name war in den Datenprotokollen eingegeben.
Manchmal stand er dort als Wang Liedong, in anderen Fällen als Liedong Wang. Das schien offenbar davon abzuhängen, ob es sich um eine automatische Eingabe handelte oder diese vom Ersten Offizier der BERESANTO selbst vorgenommen worden war.
Über diesen Konsolenzugang steuerte Dupont dann das Hauptsystem an.
Allerdings ließ sich davon nur noch einzelne Komponenten anwählen. Und auch die dort enthaltenen Dateien und Programme waren fehlerhaft und teilweise in einem verstümmelten Zustand.
„Laden Sie einfach herunter, wovon sie glauben, dass uns das irgendeinen Aufschluss bringen könnte“, forderte Steven Van Doren.
„Wie Sie meinen. Mir scheint, dass teilweise sogar die chemische Basis der Speicher zerstört wurde“, äußerte Dupont eine Vermutung.
„Könnte dieser Nano-Staub dafür verantwortlich sein?“
„Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe, denn das Zeug ist tatsächlich überall eingedrungen und hat ganz sicher die Förderanlagen komplett lahm gelegt, bevor es zu einem Systemversagen des Bordrechners kam. Dagegen spricht allerdings die chemische Reaktionsträgheit dieses Staubes. Ich könnte mir vorstellen, dass er vielleicht beim Auftreffen auf die Speichermedien wie ein Katalysator gewirkt hat, der irgendwelche Reaktionen auslöste, ohne selbst an ihnen teilzunehmen. Denn andernfalls müsste dieser Staub sich ja in eine andere Substanz umgewandelt haben!“
Dupont fand einige Dateien, die möglicherweise relevant waren. Darunter auch Logbücher und persönliche Aufzeichnungen des Captains, eines gewissen Prosper Xaver Smith.
Allerdings schlugen alle Versuche, diese Dateien über einen der mitgeführten Handheld-Rechner anzusteuern oder die Daten zumindest sichtbar zu machen, fehl.
„Ich sagte ja, dass das Material sehr stark beschädigt ist“, lautete Zhao Duponts Kommentar dazu.
„Schicken Sie es gleich an die PLUTO und die STERNENKRIEGER weiter, damit es analysiert und gegebenenfalls auch restauriert werden kann“, befahl Van Doren.
Dupont schlug vor, dafür das Shuttle PLUTO L-1 als Relais zu benutzen. Die STERNENKRIEGER lag ohnehin außerhalb der Reichweite eines gewöhnlichen Kommunikators oder des Moduls, das Dupont benutzte. Aber auch der Transfer der Daten zum Mutterschiff war sicher über die stabilere Relais-Verbindung mit Hilfe der stärkeren Sendeleistung der L-1.
„Bei schadhaftem Material können schon kleinste Übertragungsfehler, wie sie bei Kom-Verbindungen minderer Qualität einfach unvermeidlich sind, zu katastrophalen Resultaten führen“, meinte Dupont.
Wenig später meldete sich Bran Riktor von der PLUTO L-1 aus. „Die Übertragung ist leider fehlgeschlagen. Es gibt Übertragungsstörungen, deren Ursache ich bislang noch nicht ermitteln konnte. Aber der Kontakt zum Mutterschiff ist ebenfalls Minutenweise unterbrochen.“
„Dann speichern wir die Daten auf unseren eigenen Speichermedien“, entschied Van Doren. „Wir füllen die Speicher sämtlicher mobilen Geräte soweit es vertretbar ist.“
„In Ordnung, Captain“, bestätigte Dupont. „Ich hoffe, dass wir am Ende nicht nur Müll geladen haben.“
„Wird sich herausstellen“, murmelte Commander Van Doren.
Während Dupont für die Datensicherung sorgte, sah sich Van Doren zusammen mit Sergeant Kovac und Corporal Lyon etwas in den Räumen der Mannschaft um. Name und Dienstgrad standen jeweils an der Tür. Im Gegensatz zum Space Army Corps war auf der BERESANTO Platz genug, zum jedem eine Einzelkabine bieten zu können. Bei den Mannschaftsgraden waren die zwar so eng, dass man eher von einer Wohntoilette als einer richtigen Kabine sprechen konnte, aber sie gehörte dem Betreffenden auf jeden Fall allein.
Ist vielleicht auch besser so, dachte Commander Van Doren, als er das Refugium des Funk- und Kommunikationsoffiziers Pär Hellström betrat. An der Wand befand sich ein Board zum Dartwerfen, das mit einem Fotoausdruck beklebt war. Dem Rangabzeichen nach handelte es sich um ein Abbild des Captains. In dessen rechtem Auge und genau in der Mitte zwischen den Augen steckte jeweils einer von einer dünnen Schicht Nano-Staub bedeckter Pfeil. Besonders beliebt scheint dieser Captain Prosper Xavier Smith ja bei seinen Leuten nicht gewesen sein!, überlegte Van Doren. Trotzdem wüsste ich jetzt gerne, wo er steckt!
Eine halbe Stunde später meldete sich Bran Riktor vom Shuttle PLUTO L-1 aus.
Der Verbindung war schlecht.
Ein ständiges Rauschen störte im Hintergrund.
Riktor machte Staubaufwirbelungen dafür verantwortlich, die er an verschiedenen Stellen in der Umgebung geortet hatte. „Der Staub wird teilweise bis in Höhen von mehreren Kilometern getragen“, berichtete er.
„Falls die Kraft, die dafür verantwortlich ist, ähnlich unserem Antigrav wirkt, ist das auch kein Wunder“, erwiderte an Deyk leicht genervt über die Nebengeräusche und die Tatsache, dass Riktor immer wieder vom Minibildschirm seines Kommunikators verschwand und einem abstrakten Gemälde aus schwirrenden Punkten Platz machte. Einem Gewirr, das auf gewisse Weise an die Nandostaubschwärme dieses Planeten erinnerte. „Wenn es sonst nichts Wichtiges gibt, dann…“
„Sir, der eigentliche Grund, weshalb ich Sie kontaktiere ist die Tatsache, dass ich soeben für ein paar Sekunden Funkkontakt mit der Olvanorer-Station gehabt habe.“
„Und das sagen Sie erst jetzt?“
„Es ist kein Audio-Stream zu Stande gekommen. Nur eine kurze, verwackelte Videosequenz.“
„Versuchen Sie, den Kontakt zu reaktivieren, Riktor.“
„Ja, Sir.“
Der Funkkontakt zum Mutterschiff fiel innerhalb der nächsten halben Stunde völlig aus. Es bildeten sich große Staubwolken, die offenbar mit diesem Ereignis in Zusammenhang standen, ohne dass es dafür schon eine schlüssige Erklärung geben hätte.
Riktor ortete mehrere Kraftfelder, die ständig ihren Ort veränderten. Nur eins – das mit dem höchsten energetischen Level – blieb stationär und zwar exakt dort, wo sich die Olvanorer-Station von Schwarzsandwelt befand.
Van Dorens Kommunikator wurde mehrfach angesteuert, ohne dass es zu einer Kommunikation kam. Den anderen Mitgliedern des Außenteams ging es ähnlich.
Der Captain der PLUTO kehrte zusammen mit Kovac und Lyon auf die Brücke zurück, wo Lieutenant Dupont inzwischen damit fertig war, dem Bordrechner Datenmaterial zu entnehmen. „Ich glaube, der Rest ist nur noch Schrott“, meinte er. „Und ich fürchte, selbst bei dem Material, das ich jetzt gesammelt habe, wird sich vieles nicht mehr rekonstruieren lassen.“
„Im Moment sind wir ja schon für jeden kleinsten Hinweis dankbar“, sagte Van Doren.
Bevor er anordnen konnte, das Schiff zu verlassen, wurden sämtliche Kommunikatoren des Außenteams gleichzeitig angesteuert. Unbekannter Teilnehmer ohne gültige Codierung war da auf den Displays zu lesen.
Dann erschien das Gesicht von Bruder Marius. Im Hintergrund war wieder der geheimnisvolle Bruder Bartholomäus zu sehen, bei dem Bruder Padraig von der STERNENKRIEGER überzeugt war, dass er nicht mehr lebte.
Van Doren hatte sich nicht die Mühe gemacht zu überprüfen, ob die Angaben, die Bruder Padraig dazu in der Videokonferenz gemacht hatte, der Wahrheit entsprachen. Aber es gab auch keinen Grund, an Padraigs Angaben zu zweifeln. Zu dumm, dass die Geschichte der Olvanorer immer nur ein Randthema in der Ausbildung an der Ganymed-Akademie war!, ging es Van Doren durch den Kopf. Angesichts der großen Verdienste, die sich dieser Orden durch seine Forschungsreisen in die Tiefen des Alls erworben hat eigentlich unverständlich…
„Hier spricht Bruder Marius vom Orden der Olvanorer.“
„Und hier spricht Van Doren, Captain der Pluto. Wir hatten bereits einmal das Vergnügen. Die Verbindung ist nicht besonders gut…“
„Auf Schwarzsandwelt ist man leider immer wieder von periodisch auftretenden Schwierigkeiten mit dem Funk betroffen“, sagte Bruder Marius.
Wie schon beim ersten Gespräch mit dem für das Braden-System zuständigen Prior der Olvanorer-Stationen im Braden-System, wandte sich Bruder Marius kurz zu dem im Hintergrund bleibenden weißhaarigen Mönch zu.
Wieder konnte man den Eindruck gewinnen, dass Bruder Marius den Rat des anderen suchte oder auf irgendeine Weise mit ihm in Kontakt trat. Und wenn es nur durch Blicke geschah, die Zustimmung oder Ablehnung signalisierten.
Es war bekannt, wie genau Olvanorer selbst die kleinsten körpersprachlichen oder mimischen Signale zu registrieren vermochten.
Eigentlich müssten Bruder Padraig diese Bilder umgehend zur STERNENKRIEGER überspielt werden, damit er sich selbst ein Bild darüber machen kann, ob er vielleicht einer Täuschung erlegen ist oder es sich tatsächlich um den wiederauferstandenen Bruder Bartholomäus handelt!, ging es Steven Van Doren durch den Kopf.
„Wir haben weder vom Orbit aus noch während des Anfluges zu unserem jetzigen Landeplatz aus auf Ihrer hiesigen Station kein Energieniveau anmessen können, das ausreicht, um selbst einer kleinen Besatzung das Überleben zu sichern“, sagte Van Doren.
„Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht allzu sehr auf konventionelle Messverfahren verlassen. Zumindest nicht, solange Sie sich im Einflussbereich von Schwarzsandwelt befinden. Leider haben Sie sich nicht an unseren guten Rat gehalten, sondern den Planeten trotzdem betreten.“
„Bruder Marius, ich möchte jetzt keine Ausflüchte oder irgendwelches lauwarmes Gerede hören, sondern klare Antworten: Was ist mit der BERESANTO geschehen? Es völlig unmöglich, dass Sie davon von Ihrer Station aus nichts bemerkt haben. Und was ist mit den Qriid? Wie können Sie glauben, dass deren Aktivitäten für Sie keine Gefahr darstellen?“
Van Doren konnte seinen Ärger kaum verbergen.
Die Gesichter der beiden Olvanorer hingegen blieben vollkommen unbewegt.
„Das sind sehr viele Fragen auf einmal“, stellte Bruder Marius fest. „Und die Antworten sind nicht so einfach, wie Sie sich das in Ihrer beschränkten Logik vielleicht vorstellen.“
Was für eine unolvanorische Arroganz, dachte Van Doren. Laut sagte er: „Eine ganze Schiffsbesatzung ist spurlos verschwunden, das werde ich nicht auf sich beruhen lassen. Und auch wenn wir uns hier außerhalb der Zone befinden, in der die Gerichtsbarkeit der Humanen Welten greift, so gibt es doch seit ein paar Jahren die Bundesgesetze für den Fernen Weltraum, die festlegen, dass…“
„Vielleicht waren wir anfangs etwas schroff zu Ihnen“, wurde Van Doren nun von dem Weißhaarigen unterbrochen. „Es hatte gute Gründe, dass wir euch den Zutritt zu diesem Planeten verwehren wollten, aber da ihr nun schon einmal hier seid, haben sich die zum Teil erübrigt.“
„Und was schlagen Sie vor, wie wir jetzt weiter vorgehen?“, fragte Van Doren.
„Vielleicht ist es das Beste, Sie kommen zu uns auf die Station“, sagte Bruder Bartholomäus. „Von Ihrem jetzigen Standort sind das etwa fünfzig Kilometer. Die dürften Sie mit Ihrem Shuttle innerhalb weniger Minuten hinter sich bringen können.“
Im nächsten Moment brach die Verbindung ab.
„Was halten Sie davon, Captain?“, fragte Sergeant Gordon Kovac.
Commander Steven Van Doren zuckte mit den Schultern und dachte erst im nächsten Moment daran, dass sein Gegenüber das wegen des kloobigen Raumanzugs kaum wahrnehmen konnte.
„Wenn ich das wüsste“, murmelte er. Er stellte eine Verbindung zu Riktor her. Nach zwei Fehlversuchen, bei denen der Kontakt gleich wieder abbrach, klappte das auch. „Riktor, machen Sie das Shuttle starklar. Wir sind so schnell wie möglich bei Ihnen.“
Commander Reilly hatte einige Offiziere der STERNENKRIEGER im Konferenzraum versammelt. Waffenoffizier Lieutenant Chip Barus führte derweil das Kommando auf der Brücke.
Anwesend waren Soldo, Bruder Padraig, Dr. Miles Rollins sowie Sergeant Saul Darren, der Kommandant der an Bord der STERNENKRIEGER stationierten Einheit von Marineinfanteristen. Da der Leichte Kreuzer bald das Orbit von Meerwelt erreichen würde, war es sinnlos, den Marines-Kommandanten in die weiteren Planungen mit einzubeziehen. Gleichgültig, wie man weiter vorging, würden seine Soldaten dabei eine wichtige Rolle spielen.
„Der Funkkontakt zur PLUTO ist im Augenblick sehr schlecht, was Lieutenant Commander Fernand mit einem verstärkten Auftreten von Nano-Stürmen begründet.“ Reilly zuckte mit den Schultern. „Der Begriff stammt von Fernand, nicht von mir. Er trifft meines Erachtens auch nicht ganz, was da vor sich geht.“
„Ich habe zwar bereits damit begonnen, die vorliegenden Daten zu analysieren“, sagte Bruder Padraig. „Aber ich fürchte so leicht werden wir da nicht weiterkommen.“
„Warum nicht?“, fragte Reilly. „Die STERNENKRIEGER verfügt schließlich über sämtliche Features, die zur Erforschung derartiger Phänomene notwendig sind. Zumindest müsste man herausfinden können, ob es sich dabei um die Ursache der BERESANTO-Havarie handeln könnte.“
„Diese Frage kann ich schon jetzt mit Ja beantworten“, erklärte Padraig ohne Umschweife.
Reilly war überrascht, über die plötzliche Klarheit, mit der der Olvanorer geantwortet hatte. Aber ihm geht es um einen anderen Punkt. Diese Kraftfelder hält er gar nicht für so wesentlich.
„Sie wollten noch etwas sagen, Bruder Padraig?“
Der Mönch sah Reilly überrascht an.
Ja, ich kann meine Spiegelneuronen ebenfalls benutzen – wenn vielleicht auch nicht so virtuos wie euresgleichen!, dachte Commander Reilly.
Bruder Padraig lächelte mild. „Es geht mir um das Auftauchen Bruder Bartholomäus. Ich habe sämtliches Informationsmaterial gesichtet, das in unseren Datenspeichern enthalten ist. Aber es gibt da einige Punkte, die ich so nicht herausfinden kann.“
„Was meinen Sie damit?“
„Ein Teil der Schriften von Bruder Bartholomäus unterliegt der Geheimhaltung. Ich hätte Zugang zu dem Material, aber ob man das Wagnis eingeht, es mir per Sandström-Komleitung auf die STERNENKRIEGER zu überspielen, wage ich zu bezweifeln. Ich müsste mit dem Kloster Saint Arran deswegen Kontakt aufnehmen. Ich denke, dass ich den Ehrwürdigen Abt zu einer Zusammenarbeit bewegen kann. Schließlich dürfte es auch in Saint Arran von großem Interesse sein, was mit den Stationen im Braden-System geschehen ist…“
Reilly nickte leicht.
„Gut, nehmen Sie Kontakt auf, wenn Sie das für nötig halten. Und erfragen Sie bitte auch, ob es vielleicht noch einiges gibt, was der Orden bisher nicht über den Server der Brüderschule öffentlich zugänglich gemacht hat.“
„Ja, Sir, das werde ich.“
„Gut.“
„Ich hoffe nur, dass ich darauf auch eine Antwort bekomme. Aber das müssen wir abwarten. Allerdings muss ich eine Sandström-Verbindung mit höchster Verschlüsselungsstufe bekommen. Ansonsten wird man kaum bereit sein, über die angesprochenen Dinge mit mir zu sprechen.“
Lieutenant Commander Soldo mischte sich ein.
„Immer diese Geheimniskrämerei bei den Kuttenträgern“, meinte er.
„Es gibt gute Gründe dafür, nicht alles zu offenbaren“, gab Bruder Padraig gelassen zurück.
Später saß Bruder Padraig vor dem Rechner-Terminal im Captain’s Room, den Commander Reilly ihm für diesen Zweck zur Verfügung gestellt hatte. Die Anwesenheit des Captains auf der Brücke war jetzt ohnehin unerlässlich. Schließlich würde die STERNENKRIEGER in Kürze in den Orbit von Meerwelt einschwenken.
Er stellte eine Verbindung zum Kloster Saint Arran her.
Der Ehrwürdige Abt persönlich sprach schließlich mit ihm.
Abt Bassam war ein Mann mit ruhigen, dunklen Augen und einem alterslos wirkenden Gesicht.
In aller Gelassenheit hörte er sich an, was Bruder Padraig ihm vorzutragen hatte.
„Was du berichtet hast, war sehr aufschlussreich, Bruder Padraig“, erklärte Abt Bassam, nachdem Bruder Padraig geendet hatte. „Aber es widerspricht allem, was uns an Daten vorliegt. Wir haben regelmäßig Kontakt zu Bruder Marius gehabt.“
„Gab es ausführliche Berichte über die Forschungsaktivitäten?“
„Nein, das ist auch nicht üblich, wie du sehr wohl weißt, Bruder. Wir sind nicht auf kurzfristige Erfolge aus, sondern suchen die langfristig gültige Erkenntnis.“
„Dessen bin ich mir bewusst, Ehrwürdiger Abt.“
„Und Bruder Marius war dieser Maxime ganz besonders verpflichtet.“
„Worum ging es bei den Forschungen, die unter Bruder Bartholomäus begonnen wurden?“, fragte Bruder Padraig. „Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass allein die Erforschung der zugegebenermaßen bizarren Natur einiger Braden-Planeten ein so großes Aufgebot an forschenden Brüdern rechtfertigt.“
„Du hast recht“, sagte Abt Bassam. „Darum ging es zwar auch – aber nicht in erster Linie.“
„Worum dann? Wir müssen es wissen, wenn wir das Schicksal einer Schiffsbesatzung und unserer Brüder aufklären wollen.“
Der Ehrwürdige Abt zögerte.
Aber dann sah er die Notwendigkeit ein, das Geheimnis zu offenbaren. „Der Begriff GeheimeGestalt dürfte dir als bereits fortgeschrittenem Bruder ja wohl ein Begriff sein.“
„Natürlich“, murmelte Bruder Padraig. „Darum ging es also… Jetzt macht manches Sinn.“
„Ich werde dir die Datensätze überspielen, die du verlangt hast. Das ist ein großer Vertrauensbeweis, Bruder Padraig.“
„Das weiß ich, Ehrwürdiger Abt.“
„Du wirst diese Daten sorgfältig hüten und vernichten, sobald sie nicht mehr gebraucht werden.“
„Ja.“
„Es wird sich vielleicht nicht vermeiden lassen, dass auch Außenstehenden ein paar Dinge über unseren Orden enthüllt werden, die so eigentlich nicht für die breite Öffentlichkeit gedacht sind. Das nehme ich in Kauf. Vielleicht werde ich mich dafür eines Tages verantworten müssen, aber es scheint mir tatsächlich keine andere Möglichkeit zu bestehen, als dieses Risiko einzugehen. So sei es also…“
„Ich danke dir, Ehrwürdiger Abt.“
„Ich danke dir, dass du die Interessen unseres Ordens so aufmerksam verfolgst, Bruder Padraig. Und jetzt möchte ich dich meinerseits um etwas bitten.“
„Gewiss, Ehrwürdiger Abt.“
„Übersende mir die Aufzeichnung der Kommunikatorbilder, die es von Bruder Bartholomäus gibt.“
„Das tue ich gerne.“
„So kann ich die Aufnahmen einer eingehenden Prüfung unterziehen. Ich will deren Ausgang nicht vorwegnehmen, Bruder Padraig, aber ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass Ihr irgendeiner Form von Manipulation erlegen seid. Jedenfalls sind die Vorstellungen unseres Ordens von der Wiederauferstehung deutlich transzendenterer Natur…“
„Wer könnte ein Interesse daran haben, die Legende eines wiedererstandenen Olvanorers in die Welt zu setzen?“
„Wen gibt es noch, der überhaupt ein Interesse am Braden-System gezeigt hätte?“
Der Gedanke war plötzlich da und Bruder Padraig hatte ihn bereits ausgesprochen, noch ehe er auch nur einen einzigen Augenblick lang über die Konsequenzen nachgedacht hatte.
„Die Qriid…“
Während Bruder Padraig die Datenfiles auf dem Rechnerterminal des Captains empfing und mit einem speziellen Code verschlüsselte, um sie nicht etwa allgemein zugänglich zu machen, gingen seine Gedanken zurück in die Vergangenheit.
Zurück zu dem von zwei Sonnen erhellten Himmel von Sirius III. Sirius A – ein Hauptreihenstern von zweieinhalbfacher Sonnenmasse – und der weiße Zwerg Sirius B umkreisten einen gemeinsamen Gravitationsschwerpunkt und hielten einen mittleren Abstand von 20 Astronomischen Einheiten.
Einmal in 50 Jahren kreisten die beiden Sonnen umeinander und da die Bahn von Sirius III zwischen den beiden Sternen hindurchführte, gab es Perioden von jeweils bis zu zehn Jahren, in denen es auf Sirius III keine Nacht gab.
Das Kloster Saint Arran lag an der Innenseite des dreißig Kilometer hohen Arran-Kraters. Bis auf 100 Meter über Normal null war dieser Krater mit Wasser gefüllt, das durch unterirdische Reservoire gespeist wurde. Die Mauern des Klosters waren so in den Fels hineinplatziert, dass sie kaum wie künstliche Gebilde wirkten, sondern eine Einheit mit der Natur zu bilden schienen, wie es bei manchen Bergklöstern Tibets der Fall war. Verwachsen mit dem Stein, in den unbekannte Erbauer sie hineingehauen hatten.
Das Kloster Saint Arran war nämlich keineswegs von Menschenhand erbaut worden.
Diese Mauern waren vielmehr die Hinterlassenschaft einer wahrscheinlich weitgehend humanoiden Art, die man Alt-Sirianer nannte. Dieser Begriff diente der Unterscheidung zu den Neu-Sirianern oder einfach Sirianern, wie sich die menschlichen Siedler des Sirius-Systems selbst bezeichneten.
Auf den Plateaus um Saint Arran hatte sich eine kleine Stadt gebildet. Die Abgeschiedenheit früherer Zeiten gab es heute nicht mehr für die Ordenszentrale der Olvanorer. Auf der anderen Seite des Kratersees lag die Brüderschule, aus deren Campus sich ebenfalls im Laufe der Zeit eine Stadt gebildet hatte.
Sirius City.
Die Brüderschule hatte wie ein Kristallisationspunkt gewirkt und war heute das kulturelle Zentrum des Planeten und besaß darüber hinaus den bedeutendsten Raumhafen.
Aber das war nicht immer so gewesen…
2080 kamen die ersten Siedler in das nur acht Lichtjahre von der Erde entfernte Sirius-System. Zwanzig Jahre brauchten sie für diese Reise und für lange Zeit waren sie faktisch auf sich allein gestellt.
Vor der Erfindung des Sandström-Funks brauchte jeder Funkspruch zur Erde brauchte acht Jahre – und dann musste man noch mal acht Jahre auf die Antwort warten.
Faktisch bedeutete dies, dass der Kontakt zwischen Erde und den Sirianern ebenso abriss, wie es zuvor schon mit den Wega-Kolonisten geschehen war, die die 26 Lichtjahre bis zum Wega-System im Kälteschlaf zurückgelegt hatten und dort eine Kolonie errichteten.
Unter den ersten Kolonisten war ein gewisser Saint Arran.
Seine tief-religiösen Eltern hatten es offenbar besonders gut mit ihm gemeint und ihm den Vornamen „Saint“ – „Heiliger“ gegeben. Für die sehr engen Vorstellungen der reformiert evangelikal-islamischen Bewegung, der seine Eltern angehört hatten, hatte der junge Saint allerdings wenig übrig gehabt. Das Interesse an spirituellen Fragen jedoch hatte ihn von Anfang an umgetrieben.
Als Saint Arran mit den Kolonistenschiffen auf Sirius III landete, war er bereits 50 Jahre und hatte ein Leben als gescheiterter Wunderheiler und Wahrsager hinter sich.
Die erste Stadt auf dem dritten Planeten des Doppelsterns wurde gegründet. Man nannte Sie einfach Sirius Town, was nicht viel Fantasie verriet. Aber die Siedler hatten wichtigeres zu tun, als sich darum zu bemühen, fantasievolle Namen für eine kleine Siedlung zu erfinden, die von allen sowieso nur erst das Dorf und später die Stadt genannt wurde.
Solange es sich um das einzige Dorf beziehungsweise die einzige Stadt handelte, war es vollkommen gleichgültig, wie sie hieß.
Erst die zweite Stadt auf Sirius bekam einen richtigen Namen. Sie hieß Aschere, nach dem babylonischen Namen des Sirius… Später folgte Dog Star, was darauf anspielte, dass man den Sirius früher auch als Hundsstern bezeichnet hatte.
Saint Arran blieb unter den Siedlern ein Einzelgänger.
Die Oberfläche des Planeten wies gewaltige Krater auf, von denen die meisten mit Wasser gefüllt waren und kleine Binnenmeere bildeten.
Einen richtigen Ozean gab es auf Sirius III hingegen nicht.
Das Sirius-Jahr dauerte insgesamt fast vierzig Erdjahre und da die Bahn stark elliptisch verlief gab es starke klimatische Schwankungen, deren Spannbreite die Siedler noch gar nicht zu überschauen vermochten, als sie sich ihr neues Domizil erwählten. Arktische Vereisung bis zum nördlichen und südlichen Wendekreis bildete ein Extrem – jahrelanges Wüstenklima vor allem während der Hellphasen, in denen sich Sirius III zwischen Sirius A und B befand, waren das andere Extrem.
Aber die Vegetation hatte sich an diese Schwankungen hervorragend angepasst. Darüber hinaus bildete der Fischreichtum der Kraterseen eine wichtige Nahrungsreserve. Die Arten, die darin vorkamen, hatten sich vollkommen unabhängig voneinander entwickelt. Allenfalls unterirdische Wasserreservoire bildeten eine Verbindung. Immerhin war der Schaden, den die Menschen durch das Aussetzen irdischer Nutzfische und den Betrieb ihrer hydroponischen Anlagen verursachten, immer nur auf ein bestimmtes Areal begrenzt.
Über sein Erweckungserlebnis sprach Saint Arran später nie.
Angeblich bewahrte der Olvanorer-Orden eine Schrift auf, in der er sie ausführlich schilderte, aber die Echtheit dieses Dokuments war selbst unter Olvanorern umstritten. Ja, es war tatsächlich ein Dokument, denn Saint Arran hing damals noch der Auffassung an, dass der Gebrauch von Computern den menschlichen Geist zu faul und behäbig werden lasse. Später sollte er seine Meinung dazu ändern, sodass er dann sogar die Auffassung vertrat, der Computer sei das von Gott geschenkte Instrument zum erkennen des Universums in seiner geheimen Gestalt…
Letzteres glaubte Saint Arran während seiner Offenbarung in der Wildnis, wo er sich vorwiegend vom Verzehr von schuppigen Flügelschlangen ernährte, zum ersten Mal für einen flüchtigen Moment erkannt zu haben.
Die geheime Gestalt des Universums.
Das, wonach letztlich jeder Olvanorer später suchen sollte. Dabei war die geheime Gestalt nichts anderes als die immanente, göttliche Ordnung der Dinge. Ein Muster, das alles ordnete und in seinen übergeordneten, sinnvollen Zusammenhang einfügte. Abt Mato Arewo, der Gründer des Olvanorer-Ordens sollte sie später mit einem Kraftfeld vergleichen, dass in der Lage war, die tote Materie zu bewegen. Ein Kraftfeld, das aus sich selbst heraus existierte, alles durchdrang und von menschlicher Erkenntnis nur teilweise erfassbar war.
Die Leute von Sirius Town und Aschere sagten über den Sonderling, dass vermutlich der zu häufige Genuss von Flügelschlangenfleisch dazu geführt hatte, dass er dermaßen wirres Zeug redete, anstatt sich am Aufbau der Kolonie zu beteiligen. Schließlich wusste man, dass das Blut der sirianischen Flügelschlange halluzinogene wirksame Stoffe enthielt, unter deren Einfluss man leicht geraten konnte, wenn man das Tier nicht vor der Zubereitung gut ausbluten ließ und das Fleisch sorgfältig reinigte.
Man sah in Saint Arran bestenfalls einen harmlosen Spinner und schlimmstenfalls einen Wirrkopf, der jeden der ihm zuhörte mit seinen Ideen von der Arbeit abhielt.
Jahrelang zog Saint Arran auf dem Rücken eines gezähmten Sirius-Yaks durch die Wildnis und suchte nach Erleuchtung und innerem Frieden. Insbesondere aber suchte er nach einer Möglichkeit, erneut Gottes Geheimer Gestalt des Universums ansichtig zu werden.
Und wenn es nur für einen Moment war…
Nach jahrelanger Wanderschaft gelangte er in jenen Krater, der später seinen Namen tragen sollte. Dreißigtausend Meter hoch war dessen Rand – größer noch als der Olympus Mons auf dem Mars. Die Atmosphäre auf Sirius III war dichter und sauerstoffreicher als auf der Erde. So tat man gut daran, sich in den Ebenen nicht ohne Atemmasken aufzuhalten, um die als Taucherkrankheit bekannten Symptome zu vermeiden, die erhöhter Sauerstoffanteil unter erhöhtem Druck nach sich ziehen kannte. Vor allem galt das, wenn man sich länger in den Ebenen aufhalten wollte. Sämtliche Siedlungen der Menschen lagen daher an den Gebirgshängen der Krater, die ein Zeugnis von der bewegten Vergangenheit dieses Planeten ablegten. Sie stammten nämlich sehr wahrscheinlich nur zu einem geringen Anteil von Vulkanausbrüchen, sondern waren mehrheitlich durch kosmische Kollisionen verursacht.
Zehn- bis fünfzehntausend Meter stellte sich für die Siedler als eine angenehme Wohnhöhe heraus. Auf der Erde hätte ein Mensch dort nicht mehr atmen können, aber auf Sirius III war das etwas anders. Dort begann die ohne Hilfsmittel besiedelbare Zone erst bei 2000 Metern über normal Null.
Aber selbst auf dieser Welt war eine Höhe von dreißigtausend Metern zu überwinden auch mit technischen Hilfsmitteln eine Leistung, die einen Menschen bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit führte.
Die Benutzung eines Antigravgeräts lehnte Saint Arran ab.
Später sagte man, dass dies aus theologisch-philosophischen Überzeugungen heraus geschah und er die Erkenntnis der Geheimen Gestalt in der direkten auch körperlichen Konfrontation mit den Mächten der Natur gesucht habe. Böswillige Zeitgenossen meinten jedoch, dass er sich ein Antigravaggregat schlicht und ergreifend nicht habe leisten können, denn gerade in Anfangsjahren der Sirius-Kolonie verlangte man dafür horrende Preise. Schließlich gab es keine Fabriken, die jederzeit Nachschub an technischen Geräten dieser Qualität herstellen konnten. Die entstanden erst Jahre später. Und Siedlerschiffe, die Nachschub an technischem Gerät brachten, kamen nur sehr selten. Sie brauchten schließlich Jahrzehnte, bis sie den Sirius erreichten und viele Schiffe gingen auf dem Weg dahin verloren. Niemand hörte je wieder etwas von ihnen.
Saint Arran überstieg den Kraterrand mit einem Atemgerät als einzigem Hilfsmittel. Es saugte Atemluft aus der Umgebung an und verdichtete sie, sodass man sie mit Hilfe einer Maske einatmen konnte. In einer Höhe in der auf Sirius III die Troposphäre in die Stratosphäre überging, war es unmöglich, ohne dieses Hilfsmittel zu überleben.
Saint Arran machte sich auf der Innenseite des Kraters an den Abstieg. Es gab so gut wie keinen Luftaustausch zwischen dem Innenbereich des Kraters und den außerhalb davon gelegenen Gebieten. Die Atmosphäre hatte im Innenbereich eine im Vergleich zum Rest des Planeten deutlich unterschiedliche Zusammensetzung. Irgendwann stieß er auf das burgähnliche Gemäuer, das die Alt-Sirianer hinterlassen hatten.
Es erschien ihm wie ein Sinnbild der Harmonie.
Eine Ausdrucksform der Geheimen Gestalt.
Jahrzehnte später spürte ihn ein Wissenschaftler in dem Gemäuer auf, das Saint Arran zu seinem Wohnsitz gemacht hatte. Der Name des Wissenschaftlers war Professor Dr. Mato Arewo. Er war mit einem der späteren Kolonisten-Konvois zum Sirius gekommen und hatte sich den Hinterlassenschaften der Alt-Sirianer gewidmet. Inzwischen wusste man mehr über die Geschichte dieses Volkes. Die Alt-Sirianer hatten niemals eine Raumfahrt entwickelt, die über den Einsatz von Satelliten in der Umlaufbahn ihrer eigenen Welt hinausging. Das atomare Zeitalter ihrer kulturellen Entwicklung überlebten sie nicht. Mehr als zwanzigtausend Jahre war es her, dass sie sich in einem furchtbaren Massenvernichtungskrieg von der Oberfläche ihrer Heimatwelt tilgten. Nur wenige Hinterlassenschaften waren von ihnen geblieben. Die gewaltigen Atomexplosionen, die sich damals ereignet hatten, waren für einen Kollaps so gut wie sämtlicher Rechner- und Speichersysteme verantwortlich, sodass fast keine schriftlichen Zeugnisse über dieses Volk existierte.
Mato Arewo arbeitete jahrelang in den Mauern des späteren Klosters. Unter seinen Assistenten war unter anderem ein junger Doktorand namens Bartolo Aragones, der sich später den Namen Bruder Bartholomäus geben sollte.
Je länger Arewo sich jedoch in den uralten Mauern aufhielt, desto weniger war er an der Vergangenheit der Alt-Sirianer interessiert. Dafür faszinierten ihn umso mehr die Ideen jenes Mannes, der dort in der Einsamkeit auf der Suche nach der Wahrheit gewesen war…
Aus den verschlossenen Dokumenten des Abtes Mato Arewo; undatiert:
Ich war einst jemand, der versuchte das Wissen zu vermehren. Heute bin ich jemand, dem es um die Erkenntnis geht – und das ist ein großer Unterschied. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass mir schon damals, in der Zeit, als ich zum Mal Saint Arran begegnete, ein Orden vorschwebte, der sich der Wissenschaft widmen sollte. Und einer friedlichen Wissenschaft, der es darum geht zu verstehen und Gott in allen Dingen zu erkennen – und nicht darum, Werkzeuge und Waffen zu erschaffen, die letztlich nur dem Zweck dienen, eine Machtbasis zu errichten. Eine Wissenschaft, die nicht urteilt, sondern ansieht und versucht, das Wesen aller Dinge zu begreifen.
Das, was Saint Arran die Geheime Gestalt der Dinge genannt hat.
Je mehr ich im Rahmen meiner Forschungen über die Alt-Sirianer herausfand, desto klarer wurde mir, welch warnendes Beispiel sie uns Menschen sein sollten. Im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert stand die Menschheit bereits mehrfach an der Schwelle eines kollektiven Selbstmordes. Aber man hatte in der Zwischenzeit nicht wirklich etwas daraus gelernt. In diesen Jahren erschienen der Menschheit das Universum groß und die Zahl der besiedelbaren Welten unendlich groß. Aber es war letztlich doch nur eine Frage der Zeit, wann sie erkennen würde, dass sie in Wahrheit im galaktischen Hinterhof siedelte und dass die meisten Planeten unserer Galaxis, die es wert waren, in Besitz genommen zu werden, längst besiedelt waren.