Geisterstunde auf der Teufelsinsel: Gruselroman Großband 3 Romane 8/2022 - W. A. Castell - E-Book

Geisterstunde auf der Teufelsinsel: Gruselroman Großband 3 Romane 8/2022 E-Book

W. A. Castell

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Gruselromane von W.A.Castell: Geisterstunde unter Tage Das mysteriöse Tagebuch Nostradamus und die Insel des Teufels Eine Konferenz von Dämonen beschließt, Gary Dano und sein zweites Ich, Vincent Corell, endgültig auszuschalten, um die Herrschaft über die Menschen anzutreten. Nostradamus stellt sich als Freiwilliger zur Verfügung, und mit einem perfiden Plan geht er gegen Dano vor. Der Privatdetektiv soll auf die Insel des Teufels verbannt werden, sonst würde eine Bombe den ganzen Planeten auslöschen.

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W. A. Castell

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Inhaltsverzeichnis

Geisterstunde auf der Teufelsinsel: Gruselroman Großband 3 Romane 8/2022

Copyright

Geisterstunde unter Tage

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Das mysteriöse Tagebuch

Nostradamus und die Insel des Teufels

Geisterstunde auf der Teufelsinsel: Gruselroman Großband 3 Romane 8/2022

W.A.Castell

Dieser Band enthält folgende

Gruselromane von W.A.Castell:

Geisterstunde unter Tage

Das mysteriöse Tagebuch

Nostradamus und die Insel des Teufels

Eine Konferenz von Dämonen beschließt, Gary Dano und sein zweites Ich, Vincent Corell, endgültig auszuschalten, um die Herrschaft über die Menschen anzutreten. Nostradamus stellt sich als Freiwilliger zur Verfügung, und mit einem perfiden Plan geht er gegen Dano vor. Der Privatdetektiv soll auf die Insel des Teufels verbannt werden, sonst würde eine Bombe den ganzen Planeten auslöschen.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Geisterstunde unter Tage

Geister-Krimi von W. A. Castell

Eine verfluchte Goldmine, ein Geist, der die Börse manipuliert und ehemalige CIA-Agenten, die seltsame Wege gehen – damit muss sich Gary Dano mit seinem zweiten Ich Vincent Correll befassen. Doch Correll unterliegt im persönlichen Duell, und Gary Dano muss sich dagegen wehren, ebenfalls getötet zu werden. Ohne sein zweites Ich ein fast aussichtsloses Unterfangen.

1

James Huntley zügelte sein Pferd und drehte sich im Sattel um. Er winkte die beiden Reiter heran. Mit dem ausgestreckten Arm zeigte er nach vorn.

»Wir haben es geschafft! Dort liegt der Eingang zur Mine! Ich schätze, dass der Ritt für uns einige günstige Konsequenzen haben wird!«

James Huntley konnte in diesem Augenblick nicht ahnen, dass diese Konsequenzen sich über viele Jahre erstrecken würden. Dass erst eineinhalb Jahrhunderte später der negative Gipfel erreicht sein würde.

Doch noch war es nicht soweit. Die ersten Mosaiksteinchen hatten sich wie durch Zufall zusammengefügt. Die nächsten Stunden würden dem Geschehen sein langzeitiges Gepräge geben.

Huntley zog aus der Satteltasche ein Pergamentpapier. Er studierte sorgfältig die eingetragene Skizze. Dann schweifte der Blick des Reiters zu dem überhängenden Felsen, hinter dem sich laut Plan das ersehnte Ziel befand.

»Arthur Polk war ein verdammter Narr!« James Huntleys Worte klangen zynisch. »Jahrelang trug er das wertvolle Papier mit sich herum. Es war an der Zeit, dass ich ihn davon befreite!«

Einer von Huntleys Begleitern lachte heiser. »Deine Ausdrucksweise ist sehr vornehm!«, spöttelte er. »Du hast den alten Polk einfach über den Haufen geschossen!«

»Ja und?«, blaffte der Angesprochene. »Arthur Polk hatte es sich selbst zuzuschreiben. Seiner Meinung nach wollte er mir sogar damit einen Gefallen tun, indem er mir das Pergament nicht aushändigte. Von wegen, darauf laste ein Fluch und so … Die Goldmine würde jedem Besitzer nur Unglück bringen … Ich lache mich halbtot darüber!«

Die drei Reiter näherten sich dem Felsen. Noch war von einem versteckten Mineneingang nichts zu sehen. Diejenigen, die die Mine einst errichteten, hatten sich größte Mühe gegeben, unentdeckt zu bleiben. Es war ihnen bis nach ihrem Tod vortrefflich gelungen. Niemand hatte das Geheimnis bisher der Vergessenheit entrissen – ausgenommen Arthur Polk!

Der Weg war zu Ende. Es folgte ein steiler Hang von über hundert Fuß. Im ersten Drittel der überhängende Felsen.

Die Männer entstiegen den Pferden. Etwas tolpatschig bewegten sie sich vorwärts. Der Anstieg war beschwerlich. Er zerkratzte die Hände. Kaum fanden die Füße in dem glatten, vom Zahn der Zeit geschliffenen Stein einen Halt.

James Huntley richtete sich keuchend auf. Als erster hatte er den Felsen erreicht.

Zögernd setzte der Mann einen Fuß vor den anderen. Nur wenige Schritte, und er war der Sicht eines zufälligen Betrachters entschwunden.

Kühle Luft schlug Huntley entgegen. Er stieg über Geröll und stand dann vor einer kreisrunden Öffnung, durch die ein Mann bequem schlüpfen konnte.

James Huntley beugte sich nach vorn. Mit weit geöffneten Augen starrte er in das gähnende Loch. Drinnen herrschte Stockfinsternis. Nur das eintönige Tropfen von Wasser war zu hören.

James fühlte sich plötzlich unwohl. Vom Magen her stieg ein würgendes Gefühl hoch. Es schnürte ihm fast die Kehle zu.

»Was ist mit dir?«, hörte er neben sich sagen. »Hat der künftige Reichtum dir den Atem verschlagen?«

»Halt den Mund!«, brach es aus Huntley heraus. »Die Kletterpartie war wohl etwas zu viel für mich. Los, vorwärts, wir müssen den Eingang freilegen!«

Sie arbeiteten verbissen. Nach reichlich einer Stunde hatten sie es geschafft. Die Öffnung war nun groß genug, dass sie auch bei einem eventuell eiligen Rückzug der Männer aus der Mine keinen Engpass bilden würde.

Huntley nahm eine der beiden Fackeln, die in seinem Gürtel steckten. Nach einigen Versuchen flammte das rauchige Feuer auf.

Es warf bizarre Schatten in die Gesichter der Abenteurer. Die Mienen waren unbeweglich. Sie hatten die Arbeit im Halbdunkeln verrichtet. Jeder hatte die Angst verspürt, die aus dem Feucht-Dunkel des Goldmineneingangs genährt worden war. Jetzt erkannten sie, dass Angst die ganze Gruppe erfasst hatte. Der einzelne brauchte sich ihrer nicht zu schämen.

»Gehen wir voran!«, sagte James Huntley mit belegter Stimme. Er setzte sich an die Spitze. Über die Schulter warf er: »Es genügt am Anfang für uns die Gewissheit, dass es da drinnen Gold gibt. Ist das sicher, werden wir wohl zuerst bauliche Maßnahmen ergreifen, um die Mine vor dem Einsturz zu sichern.«

Stickige Luft drang ihnen in die Nase. Sie legte sich auf die Atemwege, erschwerte das Atmen.

Huntley hob die Fackel weit vor sich. Ihr taumelndes Licht erhellte einen Durchbruch, der mit morschem Holz abgestützt war. Teilweise war die Decke eingebrochen. Das Ganze sah nicht gerade vertrauenerweckend aus.

Die Männer drangen weiter in die Mine ein.

Plötzlich stockte ihr Schritt.

Das Geräusch von abbröckelndem Gestein war vor ihnen. Zuerst leise. Dann anschwellend. Ein Krachen und Poltern.

Stille.

»Ich danke«, raunte es hinter James Huntley. »Das ist ist eine Falle, die uns alle erschlagen wird! Ich schlage vor …«

»Schweig!«, herrschte ihn der Anführer an. »Wir müssen uns eben vorsehen! Jeden unbedachten Schritt unterlassen! Unser Ziel ist das Gold. Da lohnt sich ein gewisses Risiko!«

Huntleys Worte blieben unwidersprochen. Wortlos gingen die Goldsucher weiter.

Die Wände wichen auseinander. Die Decke wölbte sich im Halbkreis über ihnen. Diese Bauweise schien sicherer, denn nur wenige herabgestürzte Brocken versperrten hier den Weg.

Dann standen sie in einem breiten Vortrieb. Er endete nach wenigen Yards. Überall lagen verrostete Werkzeuge.

Da!

James Huntleys Arm zeigte auf eine bestimmte Stelle. Die Wand vor ihnen hatte dort einen unverkennbaren Farbton. Er zog sich quer durch das Gestein.

Gold!

Sie waren mit ihrer Beherrschung am Ende. Sie stürzten nach vorn. Mit bloßen Fingern wollten sie das kostbare Metall aus dem Fels brechen.

Minutenlang dauerte die Euphorie. Es war Huntley, der zur Besinnung mahnte. »Wir müssen zurück! Unsere Sicherheit geht vor! Wenn der Mineneingang richtig abgestützt ist, verbleibt uns ewig Zeit, die Goldader auszubeuten.«

Die anderen nickten mit dem Kopf. Mit brennenden Augen lösten sie sich vom Anblick des Goldes.

Es waren wenige Sekunden vergangen, als James Huntley plötzlich abrupt stehenblieb. Hinter ihm erklang ein unterdrückter Aufschrei.

Die Männer starrten wie gebannt nach vorn zum Eingang. Dort, gegen das schwache Licht von draußen gut erkennbar, stand eine Gestalt. Ein Mann. Er trug abgerissene Kleider. Sein ungepflegtes Haar hing ihm in Strähnen vom Kopf.

»Die sind uns auf den Fersen«, flüsterte einer von Huntleys Begleitern. »Die Vorstellung, dass die Mine nur uns allein gehört, wäre auch zu schön gewesen.«

»Unsinn!«, entgegnete James Huntley unwirsch. »Die Goldmine ist längst in Vergessenheit geraten, und gefolgt ist uns auch keiner. Außerdem sieht der da vorn nicht aus, als könnte er unsere Pläne durchkreuzen. Kommt, wir sehen uns den Kerl genauer an!«

Furchtlos schritt Huntley vor. Für ihn war es beschlossene Sache, dass der Fremde die nächste halbe Stunde nicht überleben würde.

Der Bandenführer war keine fünf Schritte gegangen, als er die Waffe in der Hand sinken ließ. James Huntley stand wie erstarrt. Es dauerte Minuten, ehe er das Bild, das sich seinen Augen bot, geistig verarbeiten konnte.

Der Körper des Mannes hatte sich erhoben, er schwebte auf die Eindringlinge zu!

Es war allein James Huntley, der einigermaßen die Nerven behielt. Seine Freunde machten sich laut schreiend nach rückwärts aus dem Staub.

Die Erscheinung stoppte jetzt. Sie breitete die Arme aus, als wollte sie ihren Gegenüber umarmen.

»Ich freue mich, dass meine Zeit in dieser Mine zu Ende geht.« Die Stimme des Geistes war melodisch. »Ab heute wirst du über das Gold wachen. Es wird deine Aufgabe sein, jeglicher Person das Interesse an der Goldader zu verleiden!«

James Huntley schluckte schwer. »Wer – wer sind Sie?«, stotterte er. »Und weshalb darf das Gold nicht …«

Huntley unterbrach sich. Die Gestalt des Mannes vor ihm hatte sich verwischt. Sekunden später löste sich die Erscheinung in Nichts auf.

Wie benommen tat James einen Schritt nach vorn. Seine Hände tasteten die Stelle ab, an der der unheimliche Fremde gestanden hatte. Sie war leer.

»Wir müssen weg von hier!«

Huntley fühlte sich am Arm gepackt. Es war einer seiner Begleiter. »In dem Bau stimmt so einiges nicht«, fuhr der andere fort. »Es wäre klug von uns, wenn wir uns schnellstens aus dem Staub machen und das Gold vergessen würden. Der alte Polk hatte recht. Mit Geistern sollte man sich nicht auf Kriegsfuß stellen !«

Noch bevor Huntley Antwort geben konnte, geschah es.

Von oben erscholl ein grollendes Geräusch. Der Boden unter den Füßen der Männer wankte. Der Berg war urplötzlich zum Leben erwacht.

Drei Männer stürzten Richtung Mineneingang. Todesangst trieb sie vorwärts.

Ihre Flucht wurde nach wenigen Yards gestoppt. Donnernd brach vor ihnen die Decke ein.

Staub und Dreck trieb ihnen in Nase und Mund. Sie waren umgeben von absoluter Dunkelheit.

Stille. Stille, die fast in den Ohren schmerzte.

»Das ist das Ende«, hörte James Huntley sagen, und er benötigte Sekunden um festzustellen, dass er selber gesprochen hatte.

Seine Begleiter erwachten aus dem ersten Schock. »Die Fackel! Wo ist die Fackel?«, schrie einer.

Huntley durchzuckte ein wilder Schreck. Die Fackel war seinen Händen entfallen und erloschen. Ohne ihr Licht waren sie verloren. Sie würden nicht einmal die Richtung abschätzen können, in der sich der Ausgang befand!

Sie knieten zu Boden, tasteten ihn ab. Nur Steine. Fünf Minuten, dann eine Stunde, setzten sie ihre Suchaktion fort. Sie verlief ergebnislos. Die Fackel war unauffindbar!

Was dann folgte war der sinnlose Versuch, die Geröllmassen mit bloßen Händen wegzuräumen. Immer wieder brach von oben neues Gestein nach.

Nach einer Zeit, die sie nicht mehr bestimmen konnten, gaben sie auf. Die Körper waren geschunden und ausgelaugt. Was blieb, war maßlose Resignation.

James Huntley lag mit dem Rücken gegen einen Stein gelehnt. Seine Gedanken beschäftigten sich mit der Geistererscheinung, die sie kurz vor dem Unglück gesehen hatten. Huntley war sich plötzlich bewusst, dass mit seinem Tod, der in den nächsten Tagen eintreten würde, das Abenteuer Goldmine für ihn nicht beendet war!

2

Der junge Mann streckte sich wohlig in dem Sessel aus. Er blinzelte dem schwarzhaarigen Mädchen zu, das gerade zur Tür hereinkam.

Sie baute sich breitbeinig vor ihm auf und stützte die Arme in die Seite. Ihre Augen blitzten schelmisch. »Das Faulenzen steht dir wie auf den Leib geschrieben, Gary. Wenn …«

Diti Norkay wurde durch das Schrillen des Telefons unterbrochen. Sie nahm den Hörer ab.

»Für dich, Gary.«

Der Privatdetektiv meldete sich.

»Spreche ich mit dem Gary Dano, der in den Zeitungen wegen seiner außersinnlichen Fähigkeiten angepriesen wird?«, tönte eine Männerstimme aus der Muschel.

Gary bestätigte das.

Der Sprechpartner atmete hörbar auf. »Sehr gut«, fuhr er fort. »Mein Name ist David Jackson, ich bin amerikanischer Staatsbürger. Ich habe ein Anliegen an Sie. Es handelt sich dabei um eine Sache, die man nicht der Polizei übergeben kann …«

David Jackson zögerte. Er suchte nach den richtigen Worten.

»Sie können frei reden«, munterte ihn Gary Dano auf. »Was Sie mir gegenüber zur Sprache bringen, behandele ich mit äußerster Diskretion. Es ist meine gesetzliche Pflicht als Privatdetektiv.«

»In Ordnung.« Jacksons Stimme wurde fester. »Am Telefon lässt es sich nicht so gut reden. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, kommen Sie bitte nach London ins Palace-Hotel. Ich erwarte Sie …«

David Jackson beendete den Satz mit einem leichten Aufschrei.

»Was ist mit Ihnen?«, erkundigte sich Gary Dano.

Er bekam keine Antwort. Was er zu hören bekam, war eine Szene, die er sich ohne Phantasie gut ausmalen konnte.

Jackson hatte den Hörer aus der Hand gelegt. Ein lautes Poltern, das offensichtlich von einem umstürzenden Stuhl herrührte. Dann David Jackson: »Nein, das dürfen Sie nicht tun! Ich werde den Mund halten! Ich verspreche es!«

Das Jammern des Mannes schien auf fruchtlosen Boden zu fallen. Wieder wurden Geräusche laut, die Jacksons Flucht durch den Raum anzeigten.

Es war umsonst.

Ein gurgelnder Schrei. Das Fallen eines schweren Körpers. Dann Stille.

Mit angehaltenem Atem lauschte Gary noch einige Sekunden. Auf der anderen Seite rührte sich nichts mehr.

Der Privatdetektiv ließ den Hörer sinken. Er legte ihn aus der Hand, dabei merkte er, dass seine Handinnenflächen feucht waren. »Ich habe soeben mitgehört, wie ein Mensch ermordet wurde.« Er sagte es zu seiner indischen Freundin. Aus dem Tonfall seiner Stimme war zu hören, dass er entschlossen war, den Mörder zu jagen.

3

Gary Dano stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz des Palace-Hotels ab. Seit dem ungewöhnlichen Telefonat waren zwei Stunden vergangen. Garys neuer Porsche hatte diese hervorragende Zeit für die Strecke Lancashire – dem Heimatort des Privatdetektivs – London geschafft.

Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen. Der Eingang zum Hotel war hell beleuchtet.

Dano stutzte, als er die beiden Männer sah, die dort postiert waren. Es waren Polizisten.

Sekunden später stand der junge Detektiv den beiden gegenüber. Sie verlangten höflich aber bestimmt seinen Ausweis.

»Darf ich erfahren …?«

»Sie dürfen nicht«, kam die lakonische Antwort. »Sind Sie Hotelgast, und falls nicht, was führt Sie ins Palace-Hotel?«

Gary Dano zückte seine Identitätskarte. »Ich handele im Auftrag des Ermordeten. Er hat mich beauftragt, seinen Mörder zu suchen …«

Den Beamten klappte vor Verblüffung der Unterkiefer herab. Für den Moment sprachlos starrten sie Dano an.

Doch die Schrecksekunde war nur von kurzer Dauer. Dann kam die Frage wie aus der Pistole geschossen: »Sie sagten Mörder. Woher wissen Sie das?«

Gary setzte sein gewinnbringendstes Lächeln auf. »Ich denke nicht daran, Ihre Neugierde zu befriedigen. Nur dem leitenden Inspektor werde ich ein Licht aufsetzen. Würden Sie mich jetzt bitte zu ihm führen.«

Einer der Beamten kam der Forderung nach. Als der Privatdetektiv eine Minute später vor dem Chef der Mordkommission stand, war dessen Überraschung riesengroß.

»Sie, Gary?«, dehnte Samuel Morley. »Das kostet Sie aber eine Erklärung.«

Gary Dano schilderte dem Yard-Inspektor den Anruf, der ihn hierher geführt hatte.

»Sehr merkwürdig«, konstatierte Morley. »Sie vermuten richtig. David Jackson ist erwürgt worden. Wenn ich dabei die näheren Umstände betrachte …«

»Welche Umstände?«

Samuel Morley druckste etwas herum. Dann hob er den Blick. »Ich werde es Ihnen sagen. Außerdem wäre es ja für Sie kein Problem, aus meinen Gedanken die nötige Information zu holen. Jemand hat Jackson erwürgt, das steht fest. Doch wie der Mörder die Tat begangen hat …« Morley fuhr mit der Hand durch die Luft. »Am Hals des Opfers finden sich Male wie von einem harten dünnen Gegenstand …«

»… Skeletthände«, fügte Gary Dano hinzu.

Der Beamte wechselte die Farbe. Er schluckte schwer. Er schaute sich um, um sicher zu sein, dass niemand ihre Unterhaltung mithörte. Morley dämpfte seine Stimme: »Genau das war auch mein Gedanke. Doch ich werde mich hüten, dem Polizeiarzt gegenüber eine derartige Bemerkung zu machen. Er würde mich mit Sicherheit für verrückt erklären. Aber fragen Sie doch Ihren komischen Freund, Ihr sogenanntes zweites Ich. Vielleicht kann er uns einen Tipp geben?«

In Danos Augen blitzte es belustigt auf. Selbstverständlich hatte er sich schon mit Vincent Correll, alias Donat, über den Vorfall unterhalten. Correll war schließlich ein Teil von seinem, Gary Danos, Intellekt. Seit über einem Jahr bestand die Synthese zwischen den beiden Männern. Vincent Correll, vor dreißig Jahren gestorben, lebte aufgrund seiner außergewöhnlichen magischen Fähigkeiten in Dano weiter. Es war eine Verbindung, die dem Privatdetektiv fast unglaubliche Fähigkeiten verlieh. Fähigkeiten, die er dazu nutzte, um das Böse zu besiegen.

Gary schüttelte den Kopf. »Nein, Inspektor, Correll kann uns nicht weiterhelfen. Wir müssen uns schon selbst bemühen.«

Samuel Morley hob die Augenbrauen. »Sie sind also tatsächlich entschlossen, parallel mit der Polizei den Fall zu übernehmen?« Als Dano nickte, drehte sich der Yard-Mann um. »Kommen Sie, sehen wir uns den Toten an.«

Die Leiche hielt, was Morley versprochen hatte. Jackson musste in den letzten Augenblicken seines Daseins Schreckliches erlebt haben. Sein Gesicht war von Angst und Grauen entstellt.

Einer von Morleys Leuten tauchte auf. Er hielt seinem Chef einen Ausweis hin. »Sehen Sie sich das bitte an.«

Durch spitze Lippen stieß der Inspektor einen Pfiff aus. »Sehr interessant«, kommentierte er. »Der Ausweis geht auf den Namen Wendell Frensh. Wobei das Konterfei des Mannes ganz klar anzeigt, dass er eigentlich David Jackson heißen müsste. Mit anderen Worten, Jackson, oder besser Frensh, hat sich mit falschem Namen ins Gästebuch des Hotels eingetragen.«

»Das ist noch nicht alles«, ergänzte der Sergeant. »Nach Aussage des Hotelportiers war Mr. Frensh ein sehr scheuer Gast. Er habe sich täglich darüber vergewissert, dass niemand nach ihm gefragt hätte.«

»Der Mann hat seinen Mörder erwartet«, resümierte Gary Dano. »Ein abscheulicher Gedanke!«

»Der Portier möchte Sie noch unter vier Augen sprechen«, wandte sich der Sergeant an Morley.

Minuten später warf der Hotelangestellte einen schiefen Blick auf den Privatdetektiv. »Soll ich tatsächlich in seinem Beisein …?«

»Tun Sie es«, lächelte der Yard-Beamte. »Gary Dano und ich ziehen am gleichen Strang!«

»Gut.« Der Mann hinter der Portiersloge zupfte sich am gepflegten Schnurrbart. »David Jackson hat mir vor wenigen Tagen eine vertrauliche Mitteilung gemacht. Sollte ihm, Jackson, irgend etwas zustoßen und sich ein gewisser Warren Cooper nach ihm erkundigen, sollte ich dem sagen, dass Huntley jeden Mitwisser töten würde.« Der Portier hob bedauernd die Schultern. »Entschuldigen Sie, wenn ich den ungewöhnlichen Wunsch nicht sofort der Polizei mitgeteilt habe. Ich habe als Portier eine gewisse Diskretionspflicht …«

»Schon gut«, winkte Morley ab. »Sie tragen keine Schuld.« Der Inspektor wandte sich an Dano und schaute ihn fragend an. »Nun, was schlagen Sie vor?«

»Ganz einfach, Inspektor. Sie setzen Ihren fast allmächtigen Polizeiapparat in Bewegung und suchen Warren Cooper. Ich schätze, der Mann schwebt in höchster Lebensgefahr.«

4

Er saß am Frühstückstisch und las die Zeitung. Seine Hand griff nach dem Kaffee. Genussvoll schlürfte er das heiße Getränk.

Plötzlich zuckte er zusammen. Er verschüttete die Brühe. Sie verbrannte ihm die Hand, aber er merkte es nicht.

Die Zeilen, die die Zeitung ihm bot, waren zu ungeheuerlich!

Dort wurde unter der Rubrik Todesanzeigen das Ableben von zwei Männern bedauert: David Jackson und Warren Cooper. Warren Cooper! Das war sein eigener Name!

Cooper stieß das Zeitungsblatt von sich. Mit zitternden Händen stemmte er sich gegen die Tischplatte. Ihm war schwindelig. Vor seinen Augen wirbelten farbige Kreise.

»Jackson, du warst ein Narr!«, stieß er mit heiserer Stimme hervor. »Ich weiß, dass du tot bist. Ich fühle es! Ich wollte dich warnen. Es ist mir nicht mehr gelungen. Huntley war schneller als ich!«

Warren Cooper lachte krächzend. Sein Vergnügen steigerte sich. Er rollte mit den Augen. Der Mann war nahe daran, den Verstand zu verlieren.

»Er war schneller!«, kicherte er. Noch einmal wiederholte er die Worte. Er schrie sie hinaus. Dann: »Wie konnte ich es wagen, mich mit einem Geist zu messen? Ein wahnsinniges Unterfangen!«

Coopers Anfall dauerte Minuten, dann folgte der gänzliche Zusammenbruch. Der Körper des Mannes sank zu Boden. Regungslos blieb er liegen.

Über eine halbe Stunde hielt Warren Coopers Apathie an. Endlich ging ein Ruck durch seine Gestalt. Er raffte sich vom Boden auf und ließ sich ächzend in einen Stuhl fallen.

Seine Gedanken wirbelten im Kreis. Was sollte er tun? Wie sich verhalten?

Eines war klar: Davonlaufen wäre sinnlos. Huntley würde ihn überall aufstöbern. Egal, wo er sich auf der Erde verkroch!

Bliebe die direkte Konfrontation. Wenn er diesem Wesen offen entgegentreten würde?

Warren Cooper hatte eine Idee. Er fasste einen Plan. Ja, auf diese Art konnte er sich wehren. Er würde diesen Satan vor aller Welt bloßstellen! Würde ihn unmöglich machen!

Cooper malte sich sein Vorhaben gedanklich aus. Allein die bildliche Vorstellung ergötzte ihn. Huntley würde sich vorsehen müssen!

Warren wusste genau, wo er seinen Gegenpart zu suchen hatte. Wusste auch, welche Tageszeit dafür die genehmste war. Hunderte Menschen würden sich dort aufhalten. Leute mit großem Einfluss. Sie kannten Huntley als einen seriösen Geschäftsmann. Ein grausiger Irrtum! Er, Warren Cooper, war dazu berufen, das klarzustellen!

5

Die Londoner Börse in der Throgmorton Street.

In dem sechsundzwanzigstöckigen Gebäude herrschte kurz nach der Mittagspause hektischer Betrieb. Menschen hetzten hin und her, notierten sich fortlaufend den neuesten Stand von hochaktuellen Aktienpapieren. An überdimensionalen Tafeln prangten Zahlen, mit denen nur Eingeweihte etwas anzufangen wussten. Laut schreiend verkündeten Ausrufer Informationen.

Niemand achtete auf den Mann, der jetzt am Eingang auftauchte. Er blickte sich mit flackernden Augen um. Erst als sein Suchen belohnt wurde, glitt der Anflug eines Lächelns über sein Gesicht.

Warren Cooper kannte den Mann, der dort in einer Gruppe stand, nur zu gut. Dessen hagere Gestalt. Die verhärmten Gesichtszüge. Die Hände. Warren wusste, weshalb sie in Handschuhen steckten.

Langsam ging Cooper durch den Saal. Immer darauf bedacht, von dem anderen nicht gesehen zu werden.

Jetzt hatte er die Mitte des Raumes erreicht. Niemand kümmerte sich um ihn.

Für Minuten stand er regungslos. In seinem Innern aber kochte es. Für ihn war ein entscheidender Augenblick gekommen.

»James Huntley!«

Warren Cooper schrie es hinaus. Er übertönte mit seiner Stimme jedes andere Geräusch im Börsensaal.

Einige Personen zeigten Reaktion.

Wieder erscholl der Name. Es ging wie ein Ruck durch den Saal. Vieles war man gewöhnt. Man kannte das heisere Schreien der Ausrufer. Doch in dieser Stimme lag mehr. In ihr lag eine in der Londoner Börse bisher nie gehörte Motivation. Und das bedeutete etwas.

Es herrschte Stille. Eine unnatürliche Stille. Blicke wanderten zu einem Mann, dem jetzt eine Gasse gebildet wurde. Sein Weg war frei zu Warren Cooper.

James Huntley schien das alles nicht zu berühren. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel. Seine grauen Augen blieben eiskalt wie Gletscherhöhlen.

»Komm her, Huntley! Komm her!«, geiferte Warren Cooper. »Ich werde den Leuten sagen, wer du bist. Sie kennen dich nur als einen steinreichen Goldminenbesitzer. Die Aktien deiner Mine stehen derart hoch im Kurs, dass sie ein begehrtes Objekt sind. Ich sage: Der Kurs steht zu hoch an! Kein Außenstehender kennt die entsetzlichen Vorgänge in der Goldmine!«

»Und weshalb sind Sie da besser dran?«

Zustimmendes Gemurmel im Umkreis. Jetzt war plötzlich wieder vom Geschäft die Rede. Davon verstand man einiges. Es galt zu klären, was es mit der Verleumdung auf sich hatte.

Coopers Finger stach gegen Huntley: »Ich war sein Vorarbeiter! Jahrelang habe ich die grausamen Dinge miterlebt! Es war die Hölle! Und James Huntley war darin der Oberteufel!« Warren Coopers irres Rachen hallte durch den Raum.

»Weiter!«, forderte man ihn auf. »Was ist mit Huntley?«

Die Stimme des Mannes wurde noch eindringlicher. »Huntley?«, dröhnte er. »Das ist kein Mensch! Da weilt jemand unter uns, der aus dem Jenseits kommt! Ein böser Geist!«

Atemlose Stille in der Runde. Mancher spürte einen kalten Schauer auf dem Rücken. Und doch setzte sich die Erkenntnis durch, dass da mitten im Börsenraum ein Wahnsinniger stand. Eine andere Möglichkeit gab es nicht!

»Ihr glaubt mir nicht?« Warren Cooper spürte instinktiv, dass die Stimmung sich gegen ihn wandte. Er deutete auf Huntley, der jetzt dicht vor ihm stand. »Seht euch seine Hände an! Sie stecken in Handschuhen. Ich sage euch, weshalb. Dieser Satan hat keine normalen Hände. Es sind die Knochen eines Skeletts!«

Dutzende von Augenpaaren hefteten sich auf die Stelle, wo der Cooper so Ungeheuerliches behauptet hatte. In den Augen spiegelte sich aufkommendes Grauen wider.

James Huntley hatte immer noch kein Wort zu seiner Verteidigung gesagt. Ihn schienen die Anschuldigungen keineswegs aus der Ruhe zu bringen. Mit feiner theatralischen Geste hob er den rechten Arm. Wie unter Zeitlupe zupfte er mit der Linken die Fingerspitzen des Handschuhs.

Ein unterdrücktes Raunen durchlief die Zuschauer. Fast war die Spannung, die in der Luft lag, körperlich zu spüren.

Huntley war soweit. Mit einem Ruck zog er das Leder von seiner Hand.

Ein leiser Aufschrei einer Frau. Dann aufatmen. Die Hand war aus Fleisch und Blut!

»Stopft ihm den Mund!«

James Huntleys Worte waren leise aber sehr bestimmt gekommen. Noch einmal wiederholte er sie. Sie duldeten keinen Widerspruch.

Nun geschah etwas, was im Nachhinein von niemandem erklärt werden konnte.

Geschlossen drangen sie auf Warren Cooper ein. Männer aus den höchsten Kreisen, deren Verhaltensweise sonst mehr nach dem Konservativen hing. Von einer Sekunde zur anderen wurden sie zu Rowdys, die nichts anderes im Sinn hatten, als der Bitte Huntleys nachzukommen und diesen Irren stumm zu machen.

Mit Schrecken erkannte Warren Cooper die Gefahr. Er wich von der Meute zurück. Mit vor Angst verzerrten Gesichtszügen starrte er sie an.

»Ihr habt allesamt den Verstand verloren!«, schrie er ihnen entgegen. »Dressierte Kaninchen seid ihr! Willenloses Werkzeug des Satans! Wollt ihr euch an einem Unschuldigen versündigen?«

Cooper blieb ungehört. Mit marionettenhaften Bewegungen näherte sich ihm die Front. Nur noch wenige Yards bis zur Wand, dann war die Flucht für ihn zu Ende.

Das Folgende war ein Alptraum.

Fäuste sausten hernieder und zerschlugen Warren Cooper. Sein körperlicher Widerstand zerbrach binnen von Sekunden.

6

»Einfach unglaublich!«

Inspektor Morley schob dem Privatdetektiv den Polizeibericht über den Schreibtisch.

Gary Dano studierte ihn sorgfältig. Seine Miene verfinsterte sich dabei zusehends.

»Das hört sich noch schlimmer an als das, was die Zeitungen berichten«, kommentierte er schließlich. »Was sagen die Ärzte wegen Warren Cooper?«

Samuel Morley atmete tief durch. »Cooper lebt«, sagte er. »Allerdings ist sein Zustand mehr als bedenklich. Er ringt mit dem Tod. In den nächsten vierundzwanzig Stunden wird sich der Kampf entscheiden.«

»Haben Sie eine Großfahndung nach James Huntley ausgelöst?«

»Aber ja! Das Foto, das die automatische Kamera im Börsensaal geschossen hat, kam uns da sehr gelegen. Huntleys Konterfei ist bestens sichtbar!«

»Das Foto«, echote Gary Dano und wiegte bedächtig mit dem Kopf. »Die Szene, die dort dargestellt wird, liegt ganz einfach außerhalb jeglicher Realität. Normale Menschen können sich so nicht verhalten. Und schon gar nicht Leute, die sich in der Londoner Börse aufhalten! Außerdem ist keiner von denen in der Lage, eine vernünftige Aussage zu machen. Gedächtnisschwund heißt das Motto. Ich sage, da stimmt so einiges nicht! Und alles läuft hin auf diesen mysteriösen James Huntley!«

Morley runzelte die Stirn. »Huntley ist nicht mysteriös«, erklärte er trocken. »Ein ganz gewöhnlicher Geschäftsmann, der in den Staaten eine Goldmine besitzt. Ich habe da schon Nachforschungen angestellt. Die Mine ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Goldgrube. Ihre Wertpapiere bewegen sich an allen Börsen der Welt in schwindelnder Höhe! James Huntley ist demnach x-facher Millionär!«

»Trotzdem«, blieb der Privatdetektiv hartnäckig. »Warten Sie ab, bis er vor uns steht, und ich werde Ihnen sagen, wo bei ihm der Hase im Pfeffer liegt.«

Der Inspektor warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Die Fahndung nach Huntley läuft bereits seit über zwanzig Stunden. Für einen Erfolg sehe ich da ziemlich schwarz. Der Mann hat tausend Möglichkeiten, England unerkannt zu verlassen. Mit seinen Geldmitteln …«

Es klopfte an die Tür. Auf Morleys Stirn erschien eine Unmutsfalte. »Bestimmt mein Sergeant«, knurrte er. »Er sollte sich lieber in den Außendienst begeben und nach dem Gesuchten Ausschau halten. Kommen Sie schon herein!«

Die Tür öffnete sich. Herein trat – James Huntley!

Samuel Morley hatte sich halb vom Stuhl erhoben. Jetzt ließ er sich wieder hineinplumpsen. Sprachlos starrte er den Hageren an.

»Sie … Woher …?«

Mehr brachte der Yard-Beamte nach einer Minute nicht heraus. Er warf einen hilfesuchenden Blick auf Gary Dano und – zuckte zusammen. Der junge Detektiv saß wie geistesabwesend in seinem Stuhl. Seine Augen waren weit geöffnet.

Morley spürte, dass sich die beiden Männer in dieser Sekunde auf einer geistigen Ebene abtasteten, die für einen Normalsterblichen unerreichbar war.

Dann glitt ein Lächeln über Danos Gesichtszüge. Er wandte sich dem Inspektor zu. »Lassen Sie sich von Huntley erklären, weshalb er hergekommen ist. Aber glauben Sie ihm kein Wort!«

Es war der Mimik des Hereingetretenen nicht anzusehen, ob er von Gary Dano überrascht war. Nur einen einzigen Schritt tat James Huntley seitwärts, so als wollte er von dem Privatdetektiv mehr Abstand gewinnen.

Huntley deutete Richtung Inspektor eine Verbeugung an. »Ich habe Sie aufgesucht, um der Polizei unnötige Ausgaben zu ersparen.« Die Stimme des Mannes war leidenschaftslos, roboterhaft. »In Bezug auf das Geschehen in der Börse gestern fühle ich mich unschuldig. Zwar habe ich dazu aufgefordert, Cooper den Mund zu stopfen, doch hatte ich mit der Ausführung nichts zu tun. Es ist das Problem anderer Leute, wenn sie sich emotional verhalten. Ich hoffe also, dass ich von Ihren Leuten in Ruhe gelassen werde. Als Geschäftsmann bin ich darauf angewiesen, nicht öffentlich von der Polizei belästigt zu werden. Mein Name bürgt für einen guten Ruf!«

»Gut gebrüllt, Löwe!«, platzte Gary Dano heraus. Es brachte ihm einen strafenden Blick des Inspektors ein.

Morley fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Er deutete James Huntley an, Platz zu nehmen. »Ich werde die Fahndung nach Ihnen selbstverständlich sofort abblasen«, lenkte der Beamte ein. »Wenn Sie mir aber Ihre Adresse hinterlassen würden …«

»Genau das werde ich nicht tun! Ich verlasse innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden die Insel. Das dürfte Ihnen als Information genügen!«

Huntley erhob sich und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. Zu Dano gewandt: »Ich warne Sie! Bisher hatten Sie es mit Anfängern zu tun. Meine Macht fußt zurück in eine Zeit, wo Männer mit den Herren der Finsternis in Einklang standen! Informieren Sie sich über das Wissen der indianischen Medizinmänner. Dann entscheiden Sie, ob Sie Ihre Absicht verwirklichen wollen!«

Um Garys Mundwinkel zuckte es. »Nehmen Sie Ihre Leute mit, wenn Sie London verlassen, Huntley?«, fragte er gedehnt.

Der Angesprochene strich sich nervös über den Handschuh der linken Hand. »Ich nehme sie mit!«, erklärte er. »Es ist für mich ab heute wenig zweckmäßig, in England Gold an den Mann zu bringen!«

James Huntley drehte sich um und hatte Augenblicke später den Raum verlassen.

Morley betätigte den Sprechapparat auf seinem Schreibtisch. »Bisset … Nein, Sie brauchen sich nicht wegen des Misserfolges zu entschuldigen. Der Gesuchte hat gerade mein Büro verlassen. Bleiben Sie ihm auf den Fersen. Morgen höre ich Ihren Bericht.«

Der Yard-Beamte beugte sich wieder hoch. Er fixierte Gary Dano. »Nun zu Ihnen. Würden Sie mir zu Ihrem Zwiegespräch mit Huntley eine Erläuterung geben?«

»Später, Inspektor, später. Zuerst pfeifen Sie wieder Ihren Sergeanten zurück. Er ist mit der Beschattung Huntleys absolut überfordert. Auch einer Dutzendschaft Polizisten würde es ebenso ergehen!«

Morley schlug mit der geballten Hand auf den Tisch. »Ich denke gar nicht daran! James Huntley wird sich wundern. Mein Sergeant hat schon ganz andere beschattet, als einen …«

»… Geist?«, beendete der Privatdetektiv den Satz.

Der Inspektor schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Sie reden ja wirr«, stöhnte er. »Wenn Sie der Meinung sind, dass immer, wenn Sie auftauchen, Übermenschliches im Spiel ist, dann …«

»Denken Sie an die uns bisher unverständlichen Aussagen der Personen, die sich während des Vorfalls in der Börse aufhielten«, unterbrach Gary den Beamten. »Langsam reimt sich alles auf einen Nenner!«

Morley bildete hinter seinem Schreibtisch ein Häufchen Elend. »Warum denn immer nur ich«, jammerte er. »Und wie ist das mit den Helfershelfern, die Huntley angeblich besitzt?«

»Die werden sich noch früh genug melden. Jedenfalls können Sie sicher sein, dass keiner von ihnen, einschließlich James Huntley, England verlässt.«

Gary deutete auf das Telefon. »Verbinden Sie mich bitte mit dem Krankenhaus. Sobald Warren Cooper vernehmungsfähig ist, möchte ich mit ihm einige Worte reden. Haben Sie eine Wache bei ihm?«

»Ein Polizist lässt sein Krankenzimmer nicht aus dem Auge.«

»Verdoppeln Sie die Wache. Postieren Sie einen Mann direkt neben dem Bett des Verletzten. Prägen Sie ihm ein, bei einem Zwischenfall soll er sofort uns verständigen!«

»Sie glauben …?«

»Ich weiß es! Das Wesen James Huntley kann es sich nicht erlauben, dass Warren Cooper uns seine Geschichte erzählt!«

Die Unterhaltung zwischen dem Privatdetektiv und Samuel Morley dauerte noch über eine Stunde. Das Thema Huntley wurde abgehandelt. Als der Inspektor später sein Büro verließ, spürte er, dass sein Hemd durchgeschwitzt war. Das aber war nicht auf die angenehme Raumtemperatur in seinem Arbeitszimmer zurückzuführen!

7

George Maiden, genannt »Klette«, ließ den Wagen vor sich nicht aus den Augen. In der bereits hereingebrochenen Dunkelheit konnte er die Lichter des Fahrzeugs gut erkennen.

George erinnerte sich, wie er auf diese Story gestoßen war. Story war eigentlich übertrieben. Im Moment war da noch wenig exklusives. Es würde sich erst noch zeigen, ob mehr an der Geschichte dran war.

Ein Kollege aus den Staaten hatte ihm vor Wochen einen Tipp gegeben. Der Freund hegte einen Verdacht wegen Wirtschaftsbetrug im großen Maßstab. Einzelheiten hatte er noch nicht sagen können. Die Namen von zwei Männern waren genannt worden. Jene Männer saßen in dem Ford vor George Maiden.

Maiden drückte das Gaspedal durch. Die beiden Wagen befanden sich jetzt auf der Autobahn, die von London aus in den Norden der Insel führte. Eine Klette konnte man nicht abschütteln. Sie hing auf Gedeih und Verderb fest!

Die rasende Fahrt in die Nacht dauerte keine zehn Minuten. Die Randbezirke Londons lagen wenige Meilen hinter ihnen. Der Ford verließ die Autobahn.

George vergrößerte den Abstand. Ihm war nicht daran gelegen, Aufmerksamkeit zu erregen. Heimlich ärgerte er sich darüber, dass er nicht die Polizei eingeschaltet hatte. Andererseits, was sollte er den Beamten sagen? Ein bloßer Verdacht reichte nicht aus. Die Beschuldigten besaßen genügend Einfluss, um ihn, den kleinen Journalisten, wie eine lästige Spinne wegzupusten.

Gary Dano!

Maiden lächelte bei dem Gedanken. Vor Monaten hatte er mit dem Privatdetektiv ein Abenteuer verlebt. George hatte den jungen Mann schätzen gelernt. Ein junger Mann mit unglaublichen Fähigkeiten! Ihm hätte er sich anvertrauen können.

Nun, was nicht ist, kann ja noch werden!

Der Journalist konnte nicht ahnen, dass er und Gary zur Zeit dem gleichen Fall auf der Spur waren!

Das Ende der Fahrt war gekommen. Der Ford scherte von der Straße ab und fuhr in einen Weg hinein, der mit dem Schild »Privat« versehen war.

George Maiden blieb keine andere Wahl. Er stellte seinen Wagen am Straßenrand ab. Er konnte es nicht wagen, dem Ford zu folgen.

Die Dunkelheit war hier fast undurchdringlich. Zumal der Weg nach etwa zwanzig Yards in eine Baumgruppe mündete, durch die er hindurchführte.

Der Journalist tastete sich Schritt für Schritt vorwärts. Zwar führte er eine Taschenlampe mit, doch sie zu benutzen wäre wohl sträflicher Leichtsinn gewesen. Er befand sich hier im für ihn unbekannten Gelände. Vielleicht waren die Verfolgten längst auf ihn aufmerksam geworden und erwarteten ihn mit »offenen Armen«.

Ein Licht.

Es schimmerte durch die Bäume. Schneller bewegte sich Maiden vorwärts. Der Wald wich zurück, gab eine Lichtung frei. Das konnte George gut erkennen, trotz der Finsternis.

Das flache Gebäude, von dem der Journalist nur die Umrisse sehen konnte, duckte sich in die Lichtung. An der Maiden zugewandten Seite befand sich der Eingang. Die darüber angebrachte starke Birne riss ein reichverziertes Portal aus der Dunkelheit.

Der Landsitz eines Reichen!

George Maiden schoss der Gedanke durch den Kopf, er hätte manches dafür gegeben, den Besitzer des Hauses zu kennen.

Gerade wollte George den Schutz der Bäume verlassen, als die Scheinwerfer eines Wagens aufblinkten. Er fuhr die gleiche Strecke, die Maiden zuvor zu Fuß gegangen war.

Der Zeitungsreporter duckte sich und verschmolz mit den Schatten der Nacht. Er ließ das Fahrzeug, einen Rolls-Royce an sich vorübergleiten. Minutenlang wartete er, dann verließ er in geduckter Haltung die Deckung.

Auf leisen Sohlen pirschte sich George an das Gebäude heran. Nach weniger als zwanzig Yards stoppte er seinen Schritt. Er hatte den Seitenteil des Hauses erreicht. Hier parkten vier Autos nebeneinander, die zusammen ein beträchtliches Vermögen gekostet hatten. Der Ford war nicht dabei.

»Ein Treffen von höchstem Rang«, murmelte George Maiden vor sich hin. »Bestimmt feiern die keine Vergnügungsparty!«

Du musst da hinein. Und zwar möglichst unbemerkt!

Ihn faszinierte die Idee. Ein Wagnis, ja. Aber wer nicht wagt …

Der Entscheidung folgte die Tat. Ein erfolgreiches Einsteigen war nur an der Hinterfront möglich. Wenn überhaupt.

Minuten später stand Maiden auf einer breiten Veranda. Er presste sich gegen die Hausfront. Sein Atem ging stoßweise. Zuerst benötigte er eine Ruhepause, um seinen rasenden Pulsschlag zu beruhigen. Die Kletterpartie auf den Glasvorbau hatte ihn ziemlich aus der Puste gebracht. Oder war es Angst, die sein Herz zu schnellerer Tätigkeit anregte?

Der Journalist schüttelte entschieden den Kopf. Nein, ein solches Gefühl durfte er nicht aufkommen lassen. Solches hatte er bisher auch noch nie verspürt. Er war stets seinen Weg gegangen und hatte nach dem Motto gehandelt: Die andere Seite kocht auch nur mit Wasser!

Doch diesmal war es anders!

Der Gedanke schob sich vor, und Maiden schob ihn mit Gewalt zur Seite. Er verdrängte das Warnsignal seines Unterbewusstseins. Noch war kein Grund zur Panik.

George glitt weiter. Die Wand ging über in ein riesiges Fenster, hinter dem sich die Balkontür anschloss.

Maiden konnte nur hoffen, dass sich in dem Raum dahinter niemand aufhielt. Das Zimmer hinter dem schweren Vorhang lag im Dunkeln.

Nach wenigen Yards endete die Veranda. George Maiden stand jetzt vor einem kleinen Fenster. Vorsichtig drückte er gegen den Rahmen. Unter leisem Knarren schwang der Flügel nach innen!

Eine Falle!, durchzuckte es den Journalisten. Dann verwarf er den Gedanken wieder. Niemand konnte wissen, dass er hier war, und wenn, dann gab es andere, bessere Möglichkeiten, seiner habhaft zu werden!

Maiden zögerte nicht. Das offene Fenster stellte für ihn eine Einladung dar, die er annehmen würde!

Wenige Sekunden später befand er sich im Innern des Raumes. Unter seinen Füßen dämpfte ein Teppich seine Schritte.

George wagte es, seine Taschenlampe einzuschalten. Unter der hohlen Hand zeigte ihm ihr schwaches Licht, wohin er gelangt war. Das Zimmer war geschmackvoll eingerichtet. Jedes Möbelstück zeigte an, dass sein Besitzer über ein beträchtliches Vermögen verfügte. Auf der gegenüberliegenden Seite war die Tür.

Maiden stand mit angehaltenem Atem davor. Er vernahm Stimmen. Sie kamen seines Erachtens aus dem Nebenraum. Einzelne Worte konnte er nicht unterscheiden.

Der Journalist verharrte minutenlang. Seine Gedanken bewegten sich im Kreis. Wie sollte er sich weiter verhalten? Ihm blieb keine andere Wahl, als dem Teufel auf den Kopf zu treten und zu versuchen, die Tür einen Spalt zu öffnen. Nur so konnte er sich die Stimmen besser zu Gehör bringen.

Unendlich langsam drückte George die Türklinke nach unten. Als er den Abschluss einen Inch zu sich ziehen konnte, hätte er laut aufjubeln können.

Der Journalist spannte seine Sinne. Er war sprungbereit, darauf eingerichtet, jeden Moment die Flucht zu ergreifen. Das offene Fenster verlieh ihm ein gewisses Gefühl der Sicherheit.

Dann sah er durch den schmalen Spalt die vier Männer, die an einem langgestreckten Tisch saßen. Vor ihnen lagen Papiere, die Maiden von seinem ungünstigen Standort aus nicht näher identifizieren konnte.

George beugte sich weiter vor.

»… ist es von Ihrem Interesse, wenn die Angelegenheit so schnell wie möglich über die Bühne geht. Wir haben die Verträge bereits ausgearbeitet. Sie benötigen lediglich noch Ihre Unterschriften …«

Gesprochen hatte einer der beiden Männer, denen George Maiden bereits seit einigen Tagen auf den Fersen war.

Jeffrin Brown nannte er sich. Das hatte Maiden in Erfahrung gebracht.

Brown lehnte sich im Stuhl zurück und wartete die Wirkung seiner Worte ab. Sein Gesicht war unbeweglich.

Sein Gegenüber zögerte sichtlich. Mit einer fahrigen Handbewegung nahm er den Aktendeckel hoch, blätterte darin und vertiefte sich schließlich in die Schrift.

»Es ist ein enormes Risiko«, erklärte er schließlich. »Uns ist bekannt, dass Ihr Auftraggeber in eine Affäre verwickelt ist, für die sich sogar Scotland Yard interessiert. Verstehen Sie unseren Standpunkt, aber wir möchten uns erst in ein paar Tagen entscheiden …«

Der Sprecher unterbrach sich. Er hatte erkannt, dass seine Worte auf Jeffrin Brown wenig Eindruck machten.

Jetzt trat ein Ereignis ein, das sich in George Maidens Gedächtnis für immer einprägen würde. Und es begann so harmlos …

Im Hintergrund öffnete sich die Tür und ein Mann trat herein. George erkannte ihn sofort. Sein Bild war in jeder Zeitung zu finden – James Huntley!

Huntleys hagere Gestalt bewegte sich auf den Tisch zu. Für einen Moment schien es George Maiden, als würde der Mann schweben. Doch das war wohl nur eine optische Täuschung.

James Huntley stellte sich jetzt hinter den Mann, der mit Jeffrin Brown verhandelt hatte.

Browns Augenbrauen zogen sich zusammen. »Sie sind also dazu entschlossen, das Geschäft aufzuschieben? Trotz der Summe von einer halben Million Dollar, die wir Ihnen angeboten haben?«

Jeffrin Brown legte eine Kunstpause ein. Als die andere Seite nur stumm nickte, fuhr er fort: »Gut, dann sieht sich mein Chef dazu gezwungen, selbst einzugreifen! Von jetzt an in weniger als einer Minute wird er Sie überzeugt haben!«

Brown erntete Lachen für seine Worte. Sein Gegen überblickte sich im Raum um. »Sie belieben zu scherzen, mein Freund. Hier befinden sich nur vier Personen. Ich weiß nicht …«

Der Sprecher kam nicht weiter. Er hörte das Geräusch hinter seinem Rücken und wagte sich nicht umzudrehen.

George Maiden an der Tür sträubten sich in diesem Moment die Nackenhaare. Huntley streifte seine Handschuhe ab. Darunter hervor kamen – Skelettfinger!

Weit spreizten sich die Knochenhände auseinander, legten sich mit aufreizender Langsamkeit um den Hals des Mannes vor ihnen.

»Das – das ist ja Wahnsinn!«

Der Aufschrei kam vom Partner des Gewürgten. Er war vom Stuhl aufgesprungen und wich mit vor Entsetzen geweiteten Augen zurück.

»Nun, ich frage Sie noch einmal, ob Sie die Verträge sofort unterschreiben?« Jeffrin Browns Stimme klang blechern, ohne jegliche Regung.

Der Gewürgte rollte mit den Augen. Er rang nach Luft. »Ich – ich unterschreibe«, stieß er hervor. »Aber befreien Sie mich um Gottes willen von diesem Monstrum!«

»Monstrum?« Brown lächelte kalt. »Sie reden von Mr. James Huntley! Soviel zu Ihrer Information. Wenn Sie meinen Rat befolgen, so vergessen Sie ab heute nie, dass Huntley Herr über Ihr Leben ist. Er kann Sie töten, wie er es bei David Jackson getan hat. Bestimmt haben Sie darüber Kenntnis.«

»Huntley? James Huntley!?«, stammelte der Bedrohte. »Ist das nicht …?« Er drehte sich um und – erstarrte. Der Platz hinter ihm war leer!

Wie unter Trance stehend erlebte Maiden mit, wie die Verträge unterzeichnet wurden. Zu gern hätte er gewusst, um was es dabei ging. George schwor sich, es so schnell wie möglich in Erfahrung zu bringen.

Die Männer am Tisch schickten sich an, aufzubrechen. Maiden beschloss daher, sich wieder zurückzuziehen.

Er drückte die Tür hinter sich zu und strebte auf leisen Sohlen auf das Fenster zu. Behände schob er seinen Körper durch die Öffnung.

Ein Geräusch draußen auf der Veranda!

Maidens Bewegungen erstarben. Er lauschte angestrengt in die Nacht. Wieder vernahm er das Schlurfen, als würde jemand an der Hauswand entlanggleiten.

Der Journalist überlegte blitzschnell. Für ihn kam jetzt nur der Rückzug in Frage. Wenn der andere auf ihn noch nicht aufmerksam geworden war, war er für den Augenblick im Haus relativ sicher.

Maiden wollte seinem Entschluss die Tat folgen lassen, da geschah es!

Vor ihm tauchte ein Schatten auf. Hände schossen vor und packten ihn. Unwiderstehlich wurde er nach draußen gezogen.

George Maiden war so überrascht, dass seine Gegenwehr erst nach Sekunden einsetzte.

Er schätzte ab, wo sich das Gesicht seines Gegners befand, dann schlug er mit aller Kraft zu.

In seiner rechten Faust verspürte er, dass er genau die Kinnspitze des Mannes getroffen hatte. Doch die erhoffte Wirkung blieb aus!

George hätte vor Wut und Enttäuschung aufschreien können. Der Druck der Hände, die ihn gepackt hielten, verstärkten sich. Wie Schraubzwingen!, schoss es dem Journalisten durch den Kopf.

Maiden startete einen erneuten Versuch.

Blitzschnell hob er das rechte Knie und stieß es in Richtung Magengegend seines Widerpart.

Ein unterdrücktes Stöhnen war die Antwort. Dann hatte George der Kraft des anderen nichts mehr entgegenzusetzen. Er wurde gegen die Wand gedrückt. Einen Lidschlag später schien an seiner Kinnspitze eine Bombe zu explodieren.

George Maiden verlor die Besinnung.

8

Der Wagen raste durch die Londoner Innenstadt. Die Polizeisirene fegte die Straßen frei.

»Hoffentlich haben Sie sich geirrt«, knurrte Inspektor Samuel Morley und durchfuhr eine Ampel, die auf Rot stand.

»Ich kann mich nicht geirrt haben«, gab Gary Dano zurück. »Vincent Correll hat Alarm geschlagen. Und wenn mein zweites Ich behauptet, Warren Cooper schwebe in höchster Lebensgefahr, dann stimmt das auch. Ein Glück, dass wir unseren Plausch bis in die Nachtstunden ausgedehnt haben. Ohne Ihre Schreisirene wären wir in dem Verkehr aufgeschmissen.«

»Vincent Correll!«, bellte der Yard-Mann. »Er ist doch fast allmächtig! Weshalb macht er sich nicht allein auf den Weg und steht Cooper zur Seite? Er hat schon mehr als einmal bewiesen, dass er auch Solo in Aktion treten kann.«

»Das schon, Inspektor! Aber Vincent Correll verlässt meinen Körper nur, wenn ich in höchster Gefahr schwebe und er sekundär nur diesen Ausweg kennt, um mich zu beschützen.«

»Geistertheorie!«, schimpfte Morley und nahm in gekonnter Manier eine Rechtskurve.

Sie erreichten das Hospital nach wenigen Minuten. Wagentüren flogen auf. Die beiden Männer hetzten zum Eingang des Krankenhauses.

Ohne auf das heftige Gestikulieren des Portiers zu achten, durchquerten sie eilig den Vorraum. Sie verzichteten auf den Lift. Zwei Treppenstufen auf einmal nehmend stürmten sie in die vierte Etage

Der Polizist sprang von seinem Stuhl auf, als er den Inspektor sah. »Weshalb so eilig, Chef? Ich …«

»Ist Ihr Kollege im Zimmer drin?«, blaffte ihn Morley an.

»Aber ja! Das heißt, eigentlich nein. Vor Minuten war ein Arzt hineingegangen und hat ihn hinausgeschickt. Er sollte sich eine Pause gönnen, der Patient müsse untersucht werden.«

Dano und der Inspektor ließen den Sergeanten einfach stehen. Sie rissen die Tür zum Krankenzimmer auf. Der Anblick, der sich ihnen bot, stockte ihnen den Atem.

Die Infusionsschläuche, an denen Warren Cooper hing, waren abgerissen. Warrens Gesicht war regungslos und kreidebleich.

Vor dem Bett stand der Arzt – James Huntley! Sein Antlitz zeigte höchste Zufriedenheit.

Jetzt fuhr der Teufel herum und starrte die beiden Männer an, die in der Tür standen. Ein irres Lachen löste sich aus Huntleys Mund.

»Schon wieder Gary Dano!«, tönte er. Seine Stimme triefte vor Spott. »Leider sind Sie zu spät gekommen. Warren Cooper ist tot! Niemand kann sich aus meinem Mitarbeiterkreis ungestraft entfernen!«

Gary gab dem Inspektor einen Wink. Dieser trat zur Seite. Langsam ging der Privatdetektiv auf Huntley zu.

Das erste Abtasten hatte in Samuel Morleys Büro stattgefunden. Ein Vorgeplänkel, das vor allem Huntley dazu gedient hatte, die Möglichkeiten Danos auszuloten.

Stunden hatte James Huntley Zeit gehabt, sich darauf einzustellen. Jetzt setzte er das ein, was ihm vor mehr als hundert Jahren durch Zufall in den Schoß gefallen war.

Gary Dano spürte den Gegenangriff und war überrascht wegen seiner Intensität. Ihm war blitzschnell klar, dass er den Gegner nicht unterschätzen durfte.

Der Kampf wogte hin und her. Kräfte wurden frei, die der Inspektor unangenehm zu spüren bekam. Bunte Blitze entluden sich vor seinen Augen. Eine unsichtbare Gewalt packte ihn, drückte ihn gegen den Türrahmen. In seinem Kopf tobte ein höllisches Inferno.

Dann kam die Entscheidung. Und Samuel Morley sah mit Grauen, was sich vor ihm abspielte.

Huntleys Gestalt wankte. Er taumelte zurück. Seine Miene war vor Anstrengung verzerrt. Wie abwehrend hob er jetzt die Hände gegen Gary Dano.

Ein röchelnder Schrei entlud sich Huntleys Lippen. Dann ging mit ihm eine schreckliche Veränderung vor. Seine Haut spannte sich. Sie schien in Sekundenschnelle auszutrocknen. Die Kleider vergilbten in rasender Schnelligkeit.

Der Verfall setzte sich fort. Die Haut zerfiel. Stoff löste sich einfach auf, ließ bald das Skelett des Mannes durchschimmern.

Der Yard-Beamte wollte sich abwenden. Das Bild vor ihm drehte ihm den Magen um. Und doch ging von ihm eine ungeheure Faszination aus. Morley konnte sich ihrer nicht entziehen. Es gelang ihm nicht, seinen Blick loszureißen.

James Huntleys Umwandlung erreichte einen neuen Höhepunkt. In dem Teil des Krankenzimmers, in dem das verblichene Skelett stand, begann die Luft zu flimmern. Aus dem Nichts entstand eine Szene. Die Umrisse eines unterirdischen Gewölbes tauchten auf. Teilweise war die Höhle eingestürzt, an ihrem Abschluss lagen die Gebeine von drei Menschen. Dahinter schimmerte es rötlich – Gold!

Das Bild wurde undeutlich. Langsam kehrten die Konturen des Krankenzimmers wieder zurück. Dann war alles wie vorher – nur die hagere Gestalt James Huntleys fehlte!

Wie benommen ging Samuel Morley auf Gary Dano zu. Er legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Sie haben gewonnen! Huntley ist erledigt. Er hat für seinen Mord an David Jackson die Rechnung bekommen!«

Gary schüttelte langsam den Kopf. »Sie irren, Inspektor! Huntley ist noch lange nicht am Ende. Im Gegenteil, jetzt, da er meine Stärke kennt, wird er nicht mehr offen gegen mich antreten. Ich muss auf der Hut sein!«

»Die Höhle …«

»Es ist eine Goldmine. Ich nehme an, durch sie hat das Wesen James Huntley sein Vermögen gemacht. Es bleibt zu klären, welches Geheimnis sich dahinter verbirgt. Wenn ich bedenke, welch hohen Stellenwert die Mine an der Börse besitzt, lässt sich damit schon einige Spekulation anstellen!«

Samuel Morley war ans Krankenbett getreten. Für Warren Cooper kam jede Hilfe zu spät. Huntley hatte ganze Arbeit geleistet. Ein weiterer Mitwisser war beseitigt!

Es bereitete dem Yard-Inspektor einige Schwierigkeiten, dem leitenden Arzt die Sachlage zu erklären. Die Existenz eines Geistes wurde mit Vorbehalt akzeptiert. Zurück blieb eine gehörige Portion Skepsis.

Auf dem Weg zurück zum Yard-Gebäude blieben Morley und Dano ziemlich wortkarg. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Gary unterhielt sich lautlos mit Vincent Correll, den er um seine Meinung fragte. Donat blieb zurückhaltend. Auch er war sich über die Rolle James Huntleys noch nicht im Klaren.

»Ich hab’s!«, erklärte Morley, als er den Wagen auf dem Parkplatz vor dem Yard-Gebäude abgestellt hatte. Er zog die Handbremse an. »Sie behaupten, Huntley habe in England Helfershelfer. Was sind das für Leute, vor allem, was tun sie für James Huntley? Die Presse interessiert sich im großen Stil für den Mann. Was liegt für uns näher, als uns dort Informationen zu holen?«

»Sie denken an George Maiden? Mit ihm haben wir erfolgreich zusammengearbeitet.«

»Genau den meine ich!«, bestätigte der Inspektor. »Für heute ist es zu spät, aber gleich morgen früh …«

»Nicht doch, Inspektor! Ihre Dienststunden sind zwar abgelaufen, doch ich bin Privatmann. Außerdem kenne ich Maidens Privatadresse …«

»Sie geben mir sofort Bescheid, wenn …«

»Aber klar! Wenn der Journalist mich mit allzu sensationellen Neuigkeiten füttert, werde ich Sie noch in der Nacht aus dem Bett werfen!«

Wenn der Privatdetektiv geahnt hätte …!

9

Das Licht flammte auf. Es beleuchtete ein Treppenhaus, das steil nach oben führte. Die Stufen waren ausgetreten. Das Holzgeländer schien bei der ersten Berührung schon aus dem Leim zu gehen.

Gary Dano erreichte die erste Etage. An einer Klingel stand in kaum leserlichen Buchstaben der Name George Maiden.

Gary warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Dann drückte er entschlossen auf die Klingel. Die Tatsache, dass die Mitternachtsstunde schon überschritten war, hinderte ihn nicht.

Drinnen rührte sich nichts. Der Detektiv wartete einige Minuten. Bestimmt war Maiden schon zu Bett gegangen und musste sich zuerst wieder ankleiden.

Wieder betätigte Gary die Glocke. Erneut keine Reaktion.

Schon wollte sich der Privatdetektiv abwenden, als sich Vincent Correll meldete. »George Maiden ist nicht zu Hause! Du musst in seine Wohnung eindringen. Vielleicht findet sich dorthin Hinweis, wo sich der Journalist aufhält.«

»Du spinnst!«, entfuhr es Gary Dano. »Ich bin kein Einbrecher! Morgen ist auch noch ein Tag. Der Inspektor hatte recht.«

»Recht schon!«, konterte Correll. »Das aber wird Maiden in seiner jetzigen Lage wenig helfen!«

»Rede im Klartext! Was ist mit George Maiden?«

»Wenn ich das genau wüsste … Jedenfalls steckt er bis über beide Ohren in Schwierigkeiten. Das ist sicher. Frage mich bitte nicht, woher ich das weiß. Es ist nur so ein Gefühl.«

»Aha!«, kommentierte Gary. Zugleich wusste er, dass sich Donat noch nie geirrt hatte.

Die abgeschlossene Tür zur Wohnung des Journalisten bildete für ihn kein Hindernis. Nach wenigen Handgriffen drückte Gary die Tür nach innen.

Der Privatdetektiv tastete nach dem Lichtschalter und betätigte ihn. Das war kein Risiko. Wenn gegen allen Erwartens George Maiden ihn überraschen würde, würde er Verständnis aufbringen. Gary Dano war sich dessen sicher.

Der Raum stellte eine Art Doppelfunktion dar. Er diente dem Zeitungsmann sowohl als Arbeitszimmer, wie auch als Schlafgelegenheit. Das Wort aufräumen schien für Maiden ein Fremdwort zu sein.

Gary trat an den Schreibtisch, der mit allerlei Krimskrams beladen war. Der Telefonapparat versteckte sich unter verstaubten Büchern.