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Segen und segnen: Die Kraft darin ist nicht nur in den Überlieferungen aller Religionen bezeugt, sondern neuerdings auch durch die Wissenschaft bestätigt. Schon das wohlwollende Denken und Sprechen hat einen positiven Einfluss. Die Autoren machen klar: Jeder kann die Kraft des Segens und Segnens für sich und andere nutzen. Alles kann gesegnet werden und segensreich sein – Menschen, Dinge, Ereignisse. Die praktischen Übungen, die die LeserInnen durch Buch begleiten, sind alltagsnah gestaltet und bieten eine echte Bereicherung — nicht nur für das eigene Leben.
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Seitenzahl: 214
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Anselm Grün & Friedrich Assländer
Segen – Die heilende Kraft
Gestaltung Umschlag & Innenteil:
Kerstin Fiebig [ad-department.de]
Projektbetreuung:
Amelie Ullrich
Lektorat:
Ina Kleinod
Fotos:
Foto Koch, Kitzingen
Druck & Verarbeitung:
Westermann Druck Zwickau
© J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld 2017
[email protected] | www.weltinnenraum.de
ISBN Printausgabe: 978-3-95883-152-0
ISBN E-Book: 978-3-95883-153-7
1. Auflage 2017
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Vorwort
Ein gesegnetes Leben führen
Segen und Glück
Um Segen bitten
Gutes sagen, Gutes wünschen
Andere segnen
Segensgesten
Segenssprüche
Im Danken liegt Segen
Weiblicher Segen
Segenstraditionen
Sei ein Segen – immer und überall!
Selbst zum Segen werden
Der Segen im „du sollst …“
Der Sinn des Erfolgs
Der Segen im Misserfolg
Eine wärmende Sprache
Glauben hilft
Worte wirken
Segnen und Weihen
Von der Fehlerkultur zur Segenskultur
Loben und Vorleben
Lob stärkt Kinder
Von guten Lehrern lernen
Gutes denken, Gutes glauben
„Gemeinsam sind wir stark!“
Beten, bitten und vergeben
Fluch und Segen des Fortschritts
Das „schräge“ Patriachat
Ist Gott ein Mann?
Industrie 4.0 und der Mensch
Der neue Gott „Wachstum“
„Vaterunser – gib uns immer mehr …“
Die digitale Verblödung
Vom Denken zum Googeln
Viel wissen – nichts können
Der Weg zur Klugheit
Vom äußeren zum inneren Segen
Sich Zeit nehmen
Weniger ist mehr
Ein einfaches Leben
Klarheit und Disziplin
Nachwort
Literatur
Über die Autoren
Der leichteren Lesbarkeit halber haben wir die männliche Sprachform gewählt. Wir bitten daher alle Leserinnen, sich genauso eingeladen und angesprochen zu fühlen.
Für eine leichtere Unterscheidung der beiden Autoren haben wir uns für eine Kennzeichnung der jeweiligen Texte entschieden – (AG) für Anselm Grün, (FA) für Friedrich Assländer.
„Segen“ und „segnen“ – das sind zwei ziemlich altmodische und religiös verbrämte Worte. In ihnen können wir jedoch verborgene und vergessene Kräfte finden, die uns helfen, in der Welt von „Immer-Schneller“ und „Immer-Mehr“ die wachsenden Herausforderungen besser zu meistern. Wir möchten Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, zeigen, wie Sie selbst mehr Segen in Ihr Leben bringen können und selbst zum Segen für andere werden können. Sie werden den Segen als universelle Kraft in seiner tieferen Bedeutung verstehen lernen, aber auch erkennen können, inwiefern der grundsätzlich in der Schöpfung angelegte Segen gefährdet ist. Wir möchten Ihnen auch Auswege aus den Irrwegen unserer Gesellschaft und Kultur anbieten.
Geht dieser in der Bibel zugesagte Segen allmählich verloren? Was sind die Ursachen dafür, dass uns manches eher als Fluch, denn als Segen erscheint? Wir gehen den Fragen nach, wer oder was ein Segen überhaupt ist und wodurch etwas zum Segen wird. Was geschieht, wenn wir selbst etwas oder jemanden segnen? In den alten Traditionen unserer eigenen Kultur, aber auch in den Ritualen und Erfahrungen anderer Kulturkreise finden wir viele Anleitungen und Hinweise, wie wir zu einem gesegneten und gelingenden Leben finden können. Wir haben für Sie praktische Übungen zusammengetragen und laden Sie ein, die Ausführungen direkt in Ihrem Alltag umzusetzen.
Friedrich Assländer
(FA) Die überaus große Bedeutung von Segen und Segnen ist eng mit dem menschlichen Streben nach Glück, nach Glücklichsein verbunden. „Das letzte Ziel des Menschen ist das Glück“, formulierte Thomas von Aquin bereits im 13. Jahrhundert. Aristoteles brachte es in seiner Nikomachischen Ethik schon 300 Jahre vor Christus auf den Punkt: „Glück sei das, was der Mensch um seiner selbst willen anstrebt, und nicht um etwas anderes damit zu erreichen.“ Der Buddhismus geht dem Sinn nach sogar noch weiter, indem er postuliert: „Alle Wesen wollen glücklich sein.“ Man kann trefflich streiten, was genau uns Menschen glücklich macht, es besteht jedoch weitestgehend Konsens darin, dass körperliches und seelisches Wohlergehen dazugehören, ein gelingendes Leben, die Realisierung beruflicher Vorhaben und Pläne sowie das Beschütztsein vor Gefahren und Katastrophen. Ganz allgemein können wir sagen:
Jedoch scheinen wir Menschen Glück nicht aus eigener Macht allein erreichen zu können. Immer wieder sind wir Ereignissen und Bedrohungen ausgesetzt, die unser Glück, unser Wohlergehen und unsere Unversehrtheit gefährden. High Technology und Absicherungen aller Art genügen offenbar nicht, um uns umfassend zu schützen. Also suchen wir nach Möglichkeiten, die jenseits der eigenen Tüchtigkeit und jenseits unseres eigenen Vermögens liegen, um das Glück herbeizuführen. Das geht nicht ohne den Glauben an eine höhere Macht oder eine göttliche Kraft. Alle Religionen haben Symbole, Rituale und Gesten entwickelt, um das Wohlwollen dieser höheren Adresse zu erreichen. In unserem Kulturkreis bitten wir beispielsweise um Segen für uns selbst, für uns Nahestehende oder für unsere Vorhaben.
Es ist wohl auch der Kern aller religiösen Systeme, den Menschen Wege zu zeigen und Hilfe anzubieten, wie sie ihr Leben mit den Kräften aus der geistigen Welt bewältigen können. Im Christentum glauben wir an Engel, die uns helfen und beschützen. Wir weihen Kirchen beziehungsweise kirchliche Einrichtungen einem Schutzpatron oder Heiligen, der nach katholischem Verständnis um seine Fürsprache bei Gott angerufen werden kann und dessen Namen sie dann tragen, wie Martinskirche, Kiliansdom und so weiter. Wir haben auch Heilige für besondere Anliegen, einer der bekanntesten ist der Heilige Florian, der die Feuerwehrleute schützt. Der Heilige Antonius ist der Helfer der „Schlamper“, wenn es darum geht, verlorene und verlegte Sachen wiederzufinden. Ich kenne Personen, die regelrecht auf ihn schwören, da er ihnen schon oft bei der Suche erfolgreich geholfen hat. Der Heilige Josef ist nicht nur der Beschützer der Handwerker, sondern auch der „Universalhelfer“ für alle Anliegen. Heilige sind also schon dem Wort nach Heilsbringer. Viele Berichte über wundersame Fügungen, wenn der Heilige um Beistand gebeten wurde, „beweisen“ die Richtigkeit dieses Glaubens.
Der Hinduismus kennt Millionen von Göttern und Göttinnen. Jeder ist mit einer bestimmten Macht oder Kraft ausgestattet und verkörpert bestimmte Aspekte der einen letzten heiligen Kraft Brahman. Durch das Anrufen dieser Macht suchen Hindus die Erfüllung ihrer Wünsche und den Schutz vor Gefahren. Die Gläubigen haben meistens einen Lieblingsgott, den sie wie einen Schutzheiligen verehren und um dessen Segen sie erbitten. Ihr Alltag ist nahezu von religiösen Ritualen durchdrungen, um für alles Tun die Unterstützung und den Segen aus der geistigen Welt zu erhalten.
Der Buddhismus lehrt Wege, die aus dem Leid hinausführen, und damit ist für den Gläubigen das Glück durch eigenes Bemühen möglich. Im Zentrum stehen die sogenannten „Vier edlen Wahrheiten“, deren Botschaft im Kern besagt: Es gibt Leiden. Es gibt Ursachen des Leidens. Es gibt ein Erlöschen der Ursachen und des Leidens. Es gibt einen Weg, Leid zu beenden – der „Achtfache Pfad“. Dieser zeigt, worauf wir achten müssen, um das Leid zu überwinden.
Der buddhistische Weg ist eine Geistesschulung, die in verschiedenen Formen der Meditation praktiziert wird wie beispielsweise die Beobachtung des Atmens, das stille Sitzen und das Training der Achtsamkeit. Ziel dieser Schulung beziehungsweise der Arbeit an sich selbst ist das eigene Glück, aber nicht um seiner selbst willen, sondern um Mitgefühl zu allen Wesen zu entwickeln und zu deren Glück beizutragen. Der Buddhist will zum Segen für andere werden.
Die Anziehung, die der Buddhismus auf viele Menschen im Westen ausübt, hat vielleicht ihre Ursache darin, dass er sehr praktische Anleitungen anbietet und auf Moralisieren und Verurteilen verzichtet. Die Weisungen zielen darauf ab, Glück zu erreichen sowie Liebe und Mitgefühl zu entwickeln. Das buddhistische Konzept des Karmas geht von der Tatsache des Leidens und dessen Ursache aus, während das Christentum von Erbsünde und moralischer Schuld spricht.
(AG) Aber die Bibel beginnt nicht mit Sünde und Schuld, sondern mit dem Segen! Nachdem Gott die Menschen erschaffen hatte, segnete er sie: „Gott segnete sie und sprach: ‚Seid fruchtbar, und vermehrt euch‘ (…) Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.“1 Der Anfang von allem ist für das Christentum der Segen, allerdings folgt auf die Schöpfungsgeschichte gemäß der Heiligen Schrift unmittelbar die Geschichte des Sündenfalls. Damit wird das Geheimnis gelüftet, dass in der guten und schönen Welt so manches doch nicht so gut läuft und dass es auch Böses gibt. Leider hat die christliche Botschaft der letzten Jahrhunderte den Akzent zu sehr auf Sünde und Schuld gelegt. Das entspricht grundsätzlich aber nicht dem wahren Wesen des christlichen Glaubens. Der Grund allen Glaubens ist eigentlich der gute Gott und die gute Schöpfung. Der Mensch hat bekanntlich diese gute Schöpfung korrumpiert, weil er selbst „wie Gott“ sein wollte. Ein anderer Glaubensgrund ist daher Jesus Christus, der die ursprüngliche Schönheit der Schöpfung wiederherstellte und den Menschen in seiner gesegneten Würde erneuerte. Weder am Ursprung der Schöpfung noch am Beginn der christlichen Tradition stand also ein moralischer Zeigefinger, sondern waren vielmehr tiefe Dankbarkeit und großes Wohlwollen.
In Jesus hat Gott uns Menschen von Neuem gesegnet. Er hat den Segen, der durch die Sünde „verdunkelt“ war, wieder in seinem vollen Glanz zum Leuchten gebracht. Im Brief an die Epheser drückt der Apostel Paulus das so aus: „Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.“2
(FA) Auf die umfassende Bedeutung der Unterstützung durch eine höhere Macht verweist ein altes Sprichwort:
Naturreligionen haben in ganz besonderer Weise Riten und Zeremonien entwickelt, um den Segen aus der geistigen Welt zu erbitten. Die nordamerikanischen Indianer beispielsweise sehen in der Natur viele Kräfte, die der Mensch anrufen kann, ihn zu unterstützen. Dazu gehören unter anderem die Totemtiere, kraftvolle Tiere einer bestimmten Art, zu denen der Einzelne ein tieferes persönliches Verhältnis hat. Von den Fähigkeiten des Tieres profitiert er, wenn er sich mit ihm verbindet. In allen Naturreligionen ist die Natur selbst heilig. Diese Heiligkeit zeigt sich in der Fülle und Mannigfaltigkeit ihrer Erscheinungen.
(AG) In Afrika, aber auch bei den Indios in Peru kennt man Zeichen und Symbole, die von Gottes Segen „erfüllt“ sind. So schenken die Indios einem Gast z. B. einen Stein, den sie gesegnet und mit ihren Gebeten erfüllt haben. Der Stein soll den Gast begleiten und ihn daran erinnern, dass Gottes Segen immer bei ihm ist. Im Christentum kennen wir in ähnlicher Weise auch den Segen über Gegenstände. Das hat gar nichts mit Magie zu tun, vielmehr soll der gesegnete Gegenstand den Menschen daran erinnern, dass Gottes Segen ihn auch im Alltag stets begleitet. Und der Segen über Gegenstände drückt explizit aus, dass Gott nicht nur durch die Bibel oder durch Menschen zu uns spricht, sondern auch durch materielle Dinge und jede Art von Schöpfung. Jesus selbst hat das so gesehen, wenn er von sich sagt: „Ich bin der wahre Weinstock“3, „Ich bin die Tür“4oder „Ich bin das lebendige Brot“5. Wenn wir einen Ring segnen und diesen gesegneten Ring tragen, dann erinnern wir uns daran, dass Gott alles Brüchige in uns zusammenhält, alles Kantige in uns abrundet, dass er uns ganz macht und alles Getrennte in uns wieder verbindet.
(FA) Mit dem Wort „Segen“ wird aber auch das Vorhandensein von Fülle und Gedeihen bezeichnet. Wir sagen, auf einem Projekt oder einem Vorhaben liege ein Segen, wenn es sich außerordentlich gut entwickelt oder ganz besonders gut gelingt. Wir fühlen uns gesegnet, wenn es uns gut geht. Deshalb wissen gläubige Menschen, dass sie ihr Wohlergehen der Gnade Gottes verdanken.
Umgekehrt sprechen wir von einem Unglück oder von Unheil, wenn Glück und Heil nicht eintreten. Da stoßen beispielsweise zwei Personenzüge zusammen, trotz bester Sicherungstechnik. Wir verlieren unseren Arbeitsplatz, trotz unserer guten Leistungen. Wir werden krank, obwohl wir uns gesund ernähren, und erfahren den Tod unserer Angehörigen, obwohl wir sie lieben. Unser Machbarkeitswahn und unser Bemühen, alles unter Kontrolle zu haben, um Leid und Misslingen zu verhindern, erfahren immer wieder harte Korrekturen.
(FA) Reflektieren Sie zu Hause oder bei einem Spaziergang für 5–15 Minuten die Frage:
Womit bin ich gesegnet?
Gehen Sie die verschiedenen Lebensbereiche durch:
Körper und Gesundheit;Wohnen, Familie und Partner;Beruf, Einkommen und Besitz.Vergleichen Sie sich nun mit Menschen, denen nicht zuteil wird, was Sie haben:
Flüchtlinge;kranke Menschen in Ihrem Alter;Menschen in Ihrem Umfeld, die gerade persönliches Leid erfahren.Stellen Sie sich diese weiterführenden Fragen:
Wieso geht es mir gut und anderen nicht?Ist das mein Verdienst?Ist mein Lebensweg besonders gesegnet?Leiten Sie daraus die naheliegende Frage ab:
Wenn ich so gesegnet bin – wie kann ich dann selbst zum Segen für andere werden?(FA) Die Anrufung von Kräften in der geistigen Welt mit der Bitte um Unterstützung wird von alters her in allen Religionen praktiziert. Die Bitte um den Segen für Ernte, für Gesundheit, Unversehrtheit und um die Erfüllung von Wünschen hat vielfältige Formen. Im Christentum wie auch im Judentum und im Islam steht der Glaube an den einen Gott im Mittelpunkt. Im Anrufen seiner höheren Macht bitten wir um seinen Segen.
Viele Redewendungen tragen dem Rechnung: „Da kann man nur noch beten!“ „Auf hoher See und vor Gericht sind wir in Gottes Hand!“ Der geläufige Spruch „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!“ fordert uns auf, zur Bewältigung unseres Lebens zuerst das zu tun, was wir selbst leisten können. Das war auch schon in der Antike bekannt. Die alten Griechen in Athen riefen ihre Schutzpatronin an: „Mit Athena und bewege deine Hände!“ Neben dem Beten um Hilfe in der Not sollen wir auch die eigenen Hände benutzen und das uns Mögliche dazu beitragen. Ein Sprichwort aus dem arabischen Raum lautet: „Sich regen bringt Segen.“ Wir können das auch bewusst tun und unser Anliegen in Gottes Hände legen.
(AG) Als Cellerar war es mir ganz wichtig, um Gottes Segen zu beten für alles, was ich tat und entschied. Ob meine Entscheidungen richtig waren und ob sie Segen brachten oder nicht, hing nicht allein von meinem Denken ab. Ich musste die Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen treffen. Doch ob sie Segen brachten, konnte ich nicht garantieren.
Es ist entlastend, alles, was wir tun, unter den Segen Gottes zu stellen. Ich kenne viele Menschen, die am Abend nicht abschalten können. Sie denken ständig darüber nach: War meine Entscheidung richtig? Habe ich im Gespräch richtig reagiert? Habe ich dem Mitarbeiter gegenüber richtig gehandelt? Sie grübeln über das Vergangene und rauben sich damit viel Energie. Sie können den Tag nicht loslassen. Da ist es eine gute Übung: Ich öffne meine Hände zur Schale und halte meinen Tag, so wie er war, Gott hin. Und ich vertraue darauf, dass Gott alles in Segen verwandeln kann. Er kann auch ein nicht so optimal verlaufenes Gespräch zum Segen werden lassen. Er kann sogar meine unbeherrschte Reaktion auf meine Kinder zum Segen werden lassen. Wenn ich meinen Tag Gott hinhalte, damit er alles zum Segen werden lässt, dann kann ich den Tag ganz loslassen. Dann gehe ich mit neuer Hoffnung in den neuen Tag. Ich bleibe nicht in der Vergangenheit hängen. Die Vergangenheit kann ich sowieso nicht verändern. Aber ich kann darum bitten, dass Gott das Vergangene in Segen verwandelt.
(FA) Wozu dient der Segen Gottes? Er geht über das hinaus, was man mit Geld kaufen kann: Man kann sich ein Haus kaufen, aber nicht das Gefühl, zu Hause zu sein. Man kann sich ein Bett kaufen, aber keinen ruhigen Schlaf; Tabletten, aber keine Gesundheit; Sex, aber keine Liebe; Follower in den sozialen Netzwerken, aber keine Freunde.
Mit der Bitte um Segen in Form eines Gebetes oder eines Rituals wollen wir mithilfe der angerufenen Macht Glück und Gelingen erlangen oder Schutz und Sicherheit finden. Wir benutzen dabei Worte, oft althergebrachte Formulierungen, Zeichen und Gesten. Im Christentum ist das Kreuzzeichen sehr bekannt und verbreitet, das mit dem Daumen auf die Stirn oder mit der Hand in die Luft gezeichnet wird – manchmal auch mit Handauflegung verbunden.
Für viele wiederkehrende Gelegenheiten gibt es in der katholischen Kirche feste Formen, um den Segen Gottes zu erbitten. Es gibt beispielsweise den Blasiussegen zum Schutz gegen Halskrankheiten. Eine besondere Form ist der apostolische Segen, wie der päpstliche Segen „urbi et orbi“, der an Ostern der ganzen Welt zuteilwird. Am Ende jeden Gottesdienstes segnet der Priester die Gläubigen mit einer festen Segensformel. Es gibt die Krankensegnung, den Muttersegen, die Aussegnung von Verstorbenen und vieles mehr.
Eine Ordensschwester erzählte mir, dass sie jedem Besucher und jedem Gesprächspartner anbiete, ihn beim Gehen zu segnen, meist mit einem Kreuzzeichen auf die Stirn. In mehr als 30 Jahren ihrer Ordenszugehörigkeit habe noch kein Einziger das abgelehnt.
(AG) Viele Eltern segnen ihre Kinder, wenn sie aus dem Haus gehen. Sie legen ihre Hand auf den Kopf des Kindes und machen mit dem Daumen ein Kreuzzeichen auf die Stirn. Das gibt dem Kind das Gefühl, dass es behütet in den Tag geht. Der Segen bedeutet Schutz und zugleich Zuwendung und Liebe. Eine Frau erzählte mir, sie fühle noch heute die schwere und warme Hand ihres Vaters auf ihrem Kopf. Das gebe ihr das Gefühl von Liebe und Stärke und Schutz. Eine Kindergärtnerin berichtete, dass sie oft darüber erschrecke, wie viele Kinder ungesegnet in den Kindergarten gehen. Sie bekommen zu Hause zum Abschied kein Kreuzzeichen auf die Stirn, ihnen werden keine guten Worte (Segensworte) gesagt, sondern eher Fluchworte wie: „Mach endlich schneller. Jeden Morgen bringst du die ganze Familie durcheinander. Du bist immer zu spät dran.“ Wenn ein Kind solche Fluchworte hört, wird es sein Herz verschließen. Und dann werden auch die guten Worte der Erzieherin nicht in sein Herz eindringen können.
In der christlichen Tradition gibt es viele Weisen, um den Segen zu erbitten. Da gibt es vor Christi Himmelfahrt die Bittgottesdienste, verbunden mit einem Flurgang. Man geht in die Natur hinaus und singt gemeinsam die Allerheiligenlitanei. Man erfleht den Segen über die Fluren. Landwirte sind heute noch davon überzeugt, dass sie nicht allein aus eigener Kraft eine gute Ernte erreichen können, sondern dass alles vom Segen Gottes abhängt. Die Tradition der Bittgottesdienste zeigt, dass man den Segen Gottes für den konkreten Alltag und für die Arbeit und den Beruf erfleht. Denn wir können uns noch so sehr anstrengen, ob unser Tun Segen bringt, hängt nicht allein von uns ab. Dieses Vertrauen, dass Gott das Werk unserer Hände segnet, ermutigte schon früher die Menschen und entlastete sie von dem Druck, dass alles von ihnen selbst abhängen müsste. Daher könnte es auch für uns heute ein guter Weg sein, uns und unser Tun dem Segen Gottes anzuvertrauen.
Eine andere Weise, den Segen zu erflehen, wird in Wallfahrten sichtbar. Man macht sich auf den Weg, weg von zu Hause. Schon dieses Pilgern ist heilsam für den Menschen. Er spürt, dass er als Mensch immer auf dem Weg ist, auf eine letzte Heimat hin. Novalis drückt das so aus: „Wohin denn gehen wir? Immer nach Hause.“ Man betet unterwegs und wenn man am Wallfahrtsort angekommen ist, betet man vor allem für die Anliegen, für die man sich auf den Weg gemacht hat. Man betet um den Segen für kranke Menschen, um den Segen für den guten Weg der Kinder, um den Segen für eine Prüfung und um Segen für die Familie oder für die Gemeinde. Sich gemeinsam auf den Weg zu machen und gemeinsam zu beten, stärkt das Vertrauen auf Gottes Segen. Man ist nicht der Erste, der sich auf den Weg zu diesem Wallfahrtsort gemacht hat. Man reiht sich ein in die große Schar Menschen, die oft schon seit Jahrhunderten zu diesem Ort gepilgert sind, um ihre Anliegen Gott vorzutragen. Dieses Gefühl, an der Glaubenskraft und Lebenskraft der Vorfahren teilzuhaben und mit deren Wurzeln in Berührung zu kommen, tut Pilgern bis heute gut. Sie haben den Eindruck, dass sie nicht allein stehen mit ihren Sorgen. Die lange Reihe von Betern, denen sie sich angeschlossen haben, steht gleichsam hinter ihnen und stärkt ihnen den Rücken. Sie fühlen sich gehalten und getragen von denen, die hier an diesem Ort Segen erfahren haben. Das stärkt ihr Vertrauen, dass auch ihr Leben vom Segen Gottes durchdrungen wird.
(FA) Mit all den Möglichkeiten schwingen auch die Fragen mit: Wer darf um Gottes Segen bitten und wofür beziehungsweise worum dürfen wir bitten? Darf der Vorstand einer Finanzvertriebsgesellschaft mit seinen Führungskräften für gute Umsätze beten? Darf ein Unternehmer um hohe Gewinne bitten?
Im Ersten Weltkrieg wurden Kanonen und Soldaten gesegnet mit der Rechtfertigung, wir seien die Guten und deswegen dürften wir Gott um Unterstützung bitten. Ist das eine Gotteslästerung, wenn Priester Kanonen segnen, und ein Verstoß gegen das zweite Gebot? „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.“6
Im Mittelalter gab es die „benedictio armorum“, eine Waffensegnung. Die Waffen des jungen Kriegers wurden gesegnet und ihm ausgehändigt. Der Krieger oder Ritter wurde dabei verpflichtet, mit seinen Waffen die Gerechtigkeit zu schützen, die Ordnung zu wahren und für Werte einzusetzen. Der Segen wurde also dem Menschen mitsamt Kriegsgerät zu diesem guten Zweck erteilt.
(AG) Mit der Waffensegnung tun wir uns heute schwer und wir sprechen nur ungern vom „gerechten Krieg“. Wenn man die mittelalterliche Tradition ernst nimmt, dann hätte die Waffensegnung nur dann einen Sinn, wenn man um den Sieg der Gerechtigkeit betet. Bei der Bekämpfung des Terrors kann man sich solchen Segen durchaus vorstellen. Er vermittelt den Soldaten das Gefühl, dass sie für eine gerechte Sache kämpfen und dadurch Menschen vor Leid und Tod bewahren, dass sie in dieser Welt, in der das Böse immer mehr um sich greifen möchte, einen Ort der Sicherheit und der Gerechtigkeit schaffen.
(FA) Beim Beten um den Segen für einen kranken Menschen wünschen wir ihm Heilung und Genesung. Dazu gibt es immer wieder Studien, die die Wirksamkeit des Betens für jemanden belegen. Beispielsweise stellte der US-Kardiologe Mitchell Krucoff an der Duke University in Durham, North Carolina fest: „Patienten, für die Fürbitten gehalten wurden, geht es deutlich besser als jenen, für die nicht gebetet wurde.“7
(AG) Wir dürfen darauf vertrauen, dass das Gebet für kranke Menschen hilft. Es gibt denen, die für den Kranken beten, neue Hoffnung. Und wenn sie mit dieser Hoffnung dem Kranken begegnen, dann tut das auch dem Kranken gut. Wenn sich der Kranke vom Gebet anderer getragen fühlt, stärkt es seine eigenen Abwehrkräfte. Neben diesen psychologischen Gründen für die Wirksamkeit des Gebets um Segen können wir durchaus auch physikalische Erklärungen heranziehen. Quantenphysiker haben erkannt, dass Gedanken die Materie beeinflussen. So können wir uns vorstellen, dass das Gebet um Segen sich bis in den Leib der Menschen hinein auswirken kann. Aber ein Gebet ist keine Garantie, dass jemand unbedingt gesund wird. Es bleibt immer ein Wunder, wenn Heilung geschieht. Und wir können dieses Wunder nicht erzwingen, sondern nur darauf hoffen.
(FA) Vielleicht kennen Sie das aus Ihrer eigenen Erfahrung, dass Gebete segensreich gewirkt haben, im Einzelfall und ohne statistisch-wissenschaftliche Relevanz. Wenn es Ihnen persönlich konkret geholfen hat, brauchen Sie aber keine wissenschaftlichen Beweise dafür. Als ich mein Abitur schrieb, zündete meine Mutter immer zu Hause eine geweihte Kerze an. Ich war ein schlechter Schüler, habe aber das Abitur geschafft. Als ich mich vor einigen Jahren einer schwierigen OP unterziehen musste, betete eine befreundete Ordensschwester mit ihren Mitschwestern für mich. Die OP verlief sehr gut.
Ich zünde jeden Morgen beim Meditieren zwei kleine Kerzen an als Verbindung zu Menschen, die mir wichtig sind und denen ich damit helfen will. Für einen Freund, der einen schweren Unfall hatte und im Krankenhaus liegt. Für einen kürzlich verstorbenen Mönch, den ich sehr geschätzt habe. Sechs Wochen lang dachte ich jeden Morgen an ihn und wünschte ihm alles Gute auf seinem Weg in die andere Welt. Es gibt viele Anlässe, zu denen Segenswünsche angemessen sind.
(FA) Überlegen Sie, wer in Ihrem Bekanntenkreis in einer schwierigen Situation ist.
Planen Sie in Ihren Tagesablauf – am besten morgens oder abends – ein Bittgebet für Ihren Bekannten ein.
Sie können ihm auch einfach Wohlwollen und liebevolle Gedanken senden.
(FA) Auf Lateinisch heißt segnen „benedicere“, wörtlich übersetzt „Gutes sagen“. Damit ist eine wohlwollende innere Haltung gemeint, in Bezug auf Menschen wie auch auf Vorhaben. Wenn wir segnen, dann sagen oder wünschen wir jemandem konkret oder allgemein etwas Gutes, wir bekräftigen das potenziell Gute durch unsere Worte und Gesten. Wir glauben und machen die Erfahrung, dass es sich dadurch schneller und besser realisiert. Wir rufen es quasi herbei.
Viele Segenswünsche sind in die Umgangssprache eingegangen. Ohne dass es uns ständig bewusst ist, formulieren wir einen Segen. Wir wünschen anderen: Gute Reise! Gute Fahrt! Gute Besserung! Guten Tag! Gutes Gelingen!; Alles Gute zum Geburtstag! Jäger begrüßen sich mit „Waidmannsheil!“; Skifahrer mit „Ski Heil!“; Angler mit „Petri Heil!“ und Bergsteiger mit „Berg Heil!“. Im Kinderlied „Alle Vögel sind schon da“ singen wir in der zweiten Strophe: „… wünschen Dir ein frohes Jahr, lauter Heil und Segen“.
Das sind im Grunde alles Segnungen, die eine Wirkung haben, und das umso mehr, je bewusster und ehrlicher wir das meinen und sagen. Ein Segen, der ernst gemeint ist und von Herzen kommt, ist ein besonderer Moment im Kontakt zu anderen. Das erfordert Achtsamkeit.
Worte und feste Redewendungen, um anderen Gutes zu wünschen, kennen alle Kulturen. Im indischen Kulturraum ist das „Namaste“ allgegenwärtig und wird, verbunden mit dem Zusammenlegen der Handflächen vor der Brust und einer Verbeugung, ausgesprochen. Im Christentum kennen wir diese Gebärde als Kniebeuge, wir praktizieren sie in der Kirche vor dem Altar. Das „Namaste“ entspricht dem als eine tiefreligiöse Art zu segnen, indem Bezug genommen wird auf den heiligen göttlichen Raum im Menschen. „Namaste“ heißt: