Seiiiin oder Nichtsein - Klaus Dreymann - E-Book

Seiiiin oder Nichtsein E-Book

Klaus Dreymann

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Beschreibung

Witzige Meckereien zu aktuellen Entwicklungen und persönlichen Erlebnissen des Autors in Berlin.

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Inhaltsverzeichnis

Sonntagsfahrer

Metamorphosen

Menschen gibt‘s...

Warmschillerwälz zu verkaufen

Seiiin oder Nichtsein

Nischen der Evolution

Die Schramme

Kreuzfahrten

TV

Sonntagsfahrer

Die Trainingsstrecke für Sonntagsfahrer (und -fahrerinnen) in Berlin ist die Clayallee.

Warmlaufphase und sonstige Vorbereitungen beginnen aber schon kurz hinter der Autobahnbrücke am S-Bahnhof Hohenzollerndamm.

Man könnte zunächst denken, dass das veränderte Fahrverhalten daran liegt, dass der Hohenzollerndamm an dieser Stelle von vier auf zwei Fahrspuren verengt wird…

Wenn da die Ampeln auf Grün schalten, starten die auf der Überholspur ganz links am langsamsten. Ich ordne mich deshalb an der Kreuzung immer rechts ein, weil die Leute auf dieser Spur zunächst noch normal schnell fahren.

Auf der Autobahnbrücke gibt es am Anfang aber fast immer erstmal ein Gedrängel und Geblinke von Leuten, die sich plötzlich entschieden haben, eine der Autobahnauffahrten nach Tegel oder nach Britz zu nehmen und deshalb die Spur wechseln müssen, oder von Leuten, die gemerkt haben, dass sie sich mit ihrem Auto auf einer der Autobahnauffahrten (nach Tegel oder nach Britz) befinden, obwohl sie dort gar nicht hinwollen.

Abzüglich dieser Auffahrtspuren links und rechts bleiben hinter der Brücke nur noch zwei Fahrspuren übrig, in die sich der verbleibende PKW-Rest nun einfädeln muss, wenn die Insassen nach Zehlendorf oder zumindest nach Schmargendorf wollen.

Man kann von der etwas erhöhten Autobahnbrücke schon ziemlich weit voraus schauen und sehen, ob da irgendwelche Lieferwagen in zweiter Spur den Verkehr behindern. Vorausschauende Verkehrsteilnehmer ordnen sich mit ihren Autos deshalb schon frühzeitig auf der linken Fahrspur ein, damit sie im fließenden Verkehr zügig vorankommen.

Die Besonderheit dieser Fahrspur ist nun allerdings, dass sich an dieser Stelle die in Richtung-Zehlendorf fahrenden Autofahrer/innen vorsichtig einordnen wenn sie zu denjenigen Verkehrsteilnehmern gehören, die nach 7 Kilometern von der Clayallee links in die Berliner Straße abbiegen wollen und auch die Sonntagsfahrer (und -rinnen) – was meiner Meinung nach fahrtechnisch dasselbe ist – reihen sich dort ein.

Man kann ja nicht wissen, was da verkehrstechnisch unterwegs alles passiert, und ordnet sich sicherheitshalber schon mal linksseitig ein.

Dieses Prinzip wird nun 7 Kilometer lang durchgehalten. Man fährt außerdem vorsichtig, weil ja hier und da mal ein Linksabbieger schon lange vor Zehlendorf vor einem auftauchen könnte. Bei diesen „Geschwindigkeiten“ auf der sogenannten Überholspur, kommen die meisten Nichtsonntagsfahrer (und -rinnen) früher oder später (eher früher) auf die Idee, rechts zu überholen, was dann leider zwangsläufig sehr oft zu Konflikten mit den Lieferwagen in zweiter Spur kommt.

Dieses Gerangel und Hin-und-her-Geblinke und - Gefahre spielt sich bis zum Roseneck ab, und dort beginnt dann gleich die Clayallee.

Pünktlich von der ersten Kurve an schalten alle auf gefühlte Schrittgeschwindigkeit herunter (auf beiden Fahrspuren!), obwohl da immer noch 50 Km/h erlaubt sind.

Da kann man nichts machen.

Rechts hinter der Kurve ist die Stelle, wo viele gebrauchte PKWs zum Verkauf angeboten werden, obwohl das inzwischen schon vom Bezirksamt verboten wurde – die Gefahr vom Schritttempo zu einer Vollbremsung zu kommen, weil da rechts ein großes Verkaufsschild mit einem sensationellen Preis gelockt hat, ist einfach zu groß.

Es geht weiter wie mit der Bimmelbahn bis zu der kurzen Tempo 30-Zone kurz vor McDonalds und der Schule, und – man glaubt es nicht – die Schrittfahrer können mit ihrem „Tempo“ noch ein Stück langsamer. Dieses Prinzip wird auch am Wochenende beibehalten, obwohl die Geschwindigkeitsbeschränkung nur von Montag bis Freitag vorgeschrieben ist.

Ich habe es einmal geschafft, kurz vor Ende der 30er-Zone mit Vollgas und quietschenden Reifen durch die Lücke zweier Sonntagstrainingsfahrer hindurch freie Bahn vor mir zu haben, aber nach zehn Metern kam die Kreuzung Hüttenweg und die Ampel stand natürlich auf rot!

Dieser ganze Straßenverkehrswitz spielt sich übrigens nicht nur auf der Clayallee ab, sondern er setzt sich in den Nebenstraßen genauso fort. Oskar-Helene-Heim – endlich kann ich abbiegen in die Argentinische Allee – Pustekuchen! Langsamkeit links und rechts ist Trumpf.

Ich bin während meiner Studienzeit ein paar Jahre in Berlin Taxi gefahren und kenne mich deshalb bestimmt zumindest im Straßengebiet des ehemaligen West-Berlins sehr gut aus. Die Clayallee gibt es auf jeden Fall nur einmal, und das mit dem gesamten hier geschilderten „Verkehrsvorkommen“!

Woran könnte das liegen, dass ausgerechnet die Zehlendorfer Autofahrer (und -rinnen) sich so verhalten?

Versuchen sie damit von irgendwas abzulenken?

Versucht Zehlendorf sein Dorfimage von vor 400 Jahren aufrecht zu erhalten?

Sie machen zumindest nicht nur mit ihren Fahrfähigkeiten, sondern auch mit ihren Straßennamen auf armselig:

Hüttenweg, Fischerhüttenstraße, Onkel-Tom-Straße, Krumme Lanke, Onkel-Toms-Hütte…

Und die Clayallee ist ja benannt nach dem General Lucius D. Clay von der Luftbrücke…

Ist das immer noch der Untertanengeist gegenüber den Alliierten – speziell den Amerikanern, wie man sie in West-Berlin während der Nachkriegszeit pflegte?

Oder rufen Straßennamen wie Hüttenweg, Fischerhüttenstraße, Onkel-Toms-Hütte usw. unterschwellige Ängste hervor, dass da in vielen Hütten Gefahr lauern könnte, weil diese Namen eigentlich Warnungen sind? Wird einem da in den „Hütten“ aufgelauert? Aber dann müsste man doch erst recht in Windeseile mit seinem PKW verbeihuschen! Und vor allem auf der gegenüberliegenden Straßenseite, auf der man raus aus Zehlendorf fährt, müsste das allgemeine Tempo doch deutlich höher sein. Pustekuchen! Ich habe es ausprobiert: Das Tempo ist dort genauso schleppend, wie auf der diesseitigen Route!

Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur – wenn Sie mal spaßeshalber das Gefühl haben wollen, zwischen zahlreichen Fahrschulanfängern der ersten Stunde herumzufahren – nur so aus Daffke, und wenn Sie wirklich gerade die Gelassenheit in Person sind, dann fahren Sie ruhig mal über den Hohenzollerndamm und die Clayallee in Richtung Zehlendorf. Egal an welchem Wochentag!

Ach, noch was:

Wenn Sie mal ganz genau wissen möchten, was das für ein Fahrgefühl gewesen ist, wenn man damals mit dem Auto über die Transitstrecke z.B. nach Helmstedt gefahren ist, dann fahren Sie einfach mal durch den Tunnel unter dem Innsbrucker Platz hindurch! Da rumpeln die Reifen so, als sei gerade bei einem die Luft komplett entwichen. Man glaubt es nicht! Und das ist schon seit Jahrzehnten unverändert so! Soll das Tiefbauamt doch wenigstens endlich mal ein Schild vor dem Tunnel anbringen: „Transitstrecken-Erinnerungs-Museum“ oder so...

Metamorphosen

Während ich diese Zeilen schreibe, sehe ich über meinem Schreibtisch das Foto von meiner Einschulung – ich in kurzen Hosen sitzend, Hosenträger mit Hirsch in der Mitte und Zuckertüte quer in den Armen und ich finde, dass ein Vergleich meines damaligen Gesichts mit dem biometrischen Passbild, welches ich neulich zur Erneuerung meines Personalausweises anfertigen ließ, Gefühle von einer durchlebten Metamorphose hervorruft.

Die Entwicklung in einer vollständigen Metamorphose geht normalerweise vom Ei über die Larve und die Puppe zur Imago - dem fertigen Lebewesen.

Das Interessante an diesen Verwandlungen sind für mich die doch manchmal sehr unterschiedlichen Aussehensweisen und die sehr unterschiedlichen Lebensräume der verschiedenen Entwicklungsstufen.

Als Kinder haben wir damals mit staunenden Gesichtern unsere ersten Erfahrungen mit Metamorphosen gemacht, indem wir Kaulquappen gefangen und ihre Umwandlung zum fertigen Frosch teils an der Aquariumscheibe (oder vor Omas großem Gurkenglas) begleitet haben.