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In den 40er/50er Jahren kam mit den Alliierten auch der Rock'n'Roll nach West-Berlin und die Jugendlichen waren begeistert - die Eltern weniger. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Musikgeschmack einer ganzen Generation bis zum Ende der 60er Jahre in Richtung Beat-Musik. Zahlreiche Bands schossen wie Pilze aus dem Boden und die Musikinstrumentenindustrie verdiente Unsummen durch den Verkauf von Gitarren und sonstigem Zubehör. Gleichzeitig veränderte sich der Geschmack der Jugendlichen, was ihr Aussehen betraf und die angesagte Mode gab den Erwachsenen den Rest, als die Haare bei männlichen Jugendlichen immer länger wurden und die Röcke bei weiblichen Jugendlichen immer kürzer ...
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Seitenzahl: 132
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Vorwort
„Klaus muss mehr Wert auf ein gepflegtes Äußeres legen“
Corned Beef und Milchpulver
„Wenn mal wieder der Russe kommt!“
Der Teufel in Form von Mädchen
„Du lernst Gitarre!“
Eine alte dumme Gans hat Eier
Stube, Küche, Bad
Oben und unten am Korpus
Jazz is not dead, but it smells funny
Meine Sorella
Der heilige Gral Stratocaster
Ein Stück mit sieben Gitarren
Vom Heizlüfter zum Vox
Anlage ist nicht alles
The Flying Stars
Drafi
The Team Beats
Die GIs und das Englisch der Berliner Bands
„Kannste Bulldog?“
„Ich hab meine Mikes. Ich geh dann mal.“
Mösenbilder
„...wenn so ein Siebzehnjähriger mal über Land geht!“
Ford 17 M
Schuld war nur die saxofonklangähnliche Orgel
Sterbendes Schwein vom Dreier
Das Sofa in der Garderobe
Duckwalkin' on his knees
Rote SG im Star-Club Hamburg
Der sozialistische Sackstaat
The Searchers
„Haare ab, oder du fliegst hier raus!“
Matte und hunderter Schlag
Boots und Hound Dogs
Das Auge isst mit
Gene Vincent und Marika Rökk
„Sind bei Ihnen die beiden Herren aus Zimmer 5 und 7?“
Das leidige Vorgruppenschicksal
Waldbühne '65
Wir vor den Stones
Vorarbeiten
Ein milder Spätsommertag
Brian Jones vor mir
Wurstschnappen bei Onkel Pelle
Der erste Stagediver
Die Fahrscheinmutti und die Stampede
Berlin-Paris-Wien-London
Ich- sprachlos!
Laterna Magica
Jimi Hendrix in der Neuen Welt
Typisch deutsch
Brian Epstein: „Schickt die Team Beats rüber!“
Meine Kindheit war vorbei
Die Zigarette danach
Epilog:
Es juckt wieder in den Fingern
West-Östlicher Dialog
Furiengehetzte Sängerin und Goth-Hendrix
Team Beats-Revival
Jazz is not dead
Die Jugend von heute!
Eigene Sachen
Danksagungen
Das Buch über die fünfziger/sechziger Jahre lauert ja schon seit Jahrzehnten bei mir im Hinterkopf!
Es musste jetzt aber geschrieben werden, bevor alle nicht mehr da sind, die das interessieren könnte, weil sie damals dabei waren.
Interessieren könnte es auch, weil ich am roten Faden der Entwicklung der Rock- und Beatmusik in West-Berlin das Drumherum damals nicht außen vorlassen konnte - nicht außen vorlassen wollte.
Die von mir als Nachkriegskind erlebte Zeit beschreibe ich auch als Übergang von den vierziger/ fünfziger zu den sechziger Jahren.
Dabei erwähne ich immer wieder mal Bands, die uns z.B. aus England oder den USA wichtig gewesen sind, und schildere über unseren Tellerrand hinaus unter anderem die elenden Expeditionen über die Transitstrecke.
Außerdem habe ich versucht, von allen die mir damals hier wichtig gewesen sind, historische Fotos zu bekommen.
Berlin, im Frühjahr 2019
Ich glaube, ich habe später nie mehr so besessen in den Spiegel gestarrt, linke Handfläche über den Haaren zwischen linkem Ohr und linkem Auge, rechte Hand geknickt mit Kamm von rechts über den Kopf, Kamm durch die Haare links unter der Handfläche durch bis nach hinten, Kamm zur Stirn – Welle – dann Kamm an der rechten Kopfseite (natürlich unter der Fläche der linken Hand, die jetzt von oben kam) bis nach hinten und dann der Strich hinten Mitte nach unten: die Ente.
Die Firma Schwarzkopf muss sich mit Fit, Brisk und Brisa dumm und dämlich verdient haben, weil wir natürlich alle unsere Haare in feste, vorbestimmte Formen geben wollten, die Frisuren von Elvis Presley und Eddie Cochran und James Dean.
Meine Haare waren noch kurz, mit Rundschnitt oder manchmal mit Eckschnitt, und diese schweißtreibenden Nyltesthemden wurden am Kragen noch nicht mal von den Haaren überlappt. Trotzdem stand auf meinem Zeugnis zu dieser Zeit „Klaus muss mehr Wert auf ein gepflegtes Äußeres legen“, was an sich ja eine Frechheit gewesen ist, denn wenn ich mir die noch übrig gebliebenen Fotos von mir aus dieser Zeit anschaue, dann hätte ich mit diesem Aussehen später Rex Gildo Konkurrenz machen können.
Ich mit Rock'n'Roll-Tolle zu Beginn der sechziger Jahre
Die Erwachsenen waren überwiegend empört über die Entwicklung – über unsere Entwicklung. Der Rock'n'Roll war der Abgrund dessen, was bis dahin als kulturelles Erbgut der Menschheit galt. Und wie schon bei den alten Griechen hieß es wieder mal „Die Jugend von heute!“ Die Musik, ihre Interpreten und die Texte waren laut Proll-Presse und dem dort oft beschworenen gesunden Menschenverstand primitiv und damit auch alle Konsumenten dieser neuen Strömung.
Andererseits erinnere ich mich aber noch an Lieder, die Erwachsene mit uns Kindern gesungen hatten: „Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, deine Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt, Maikäfer flieg!“
Von wegen kulturelles Erbgut! Wenn ich mir dann die damals aktuellen Rock'n'Roll-Lieder anhöre, klingen die vergleichsweise harmlos, ja schon fast pazifistisch:
„Womp-bomp-a-loom-op-a-womp-bam-boom“
Bei unseren Texten ging es überwiegend um das andere Geschlecht oder um die Situation von Jugendlichen allgemein, wenn ich mir z.B. Summertime Blues von Eddie Cochran anhöre oder Let's Have A Party von Wanda Jackson.
Natürlich war das keine Ernste Musik à la Klassik, das war Spaß-Musik mit dem Hauptfaktor Rhythmus.
Wenn ich mir dann anhöre, was unsere Elterngeneration alternativ zur Klassik, aber toleriert und gefeiert von der Presse und dem gesunden Menschenverstand hörte, schäme ich mich jetzt noch!
Ich will 'nen Cowboy als Mann – Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett – Es gibt kein Bier auf Hawaii – Bohnen in die Ohren... usw.
Sie probierten auf witzig zu machen. Das war's dann aber auch! Die Interpreten hatten immer lieb und nett zu sein und auch so auszusehen – am besten so wie jedermanns Wunschschwiegersohn/tochter. Und wenn darunter mal ein Mitglied der Siegermacht USA war, wurde der ganz besonders hofiert und durfte sogar mit seinem amerikanisch oder englisch klingenden Deutsch auf Platte und ins Radio (Gus Backus, Bill Ramsey, Chris Howland). Wenn ich daran denke, was Bill Ramsey wirklich konnte, dann wurde er bei uns hier verramscht. Das war eben der Zeitgeschmack des deutschen Normalbürgers.
Was wir Jugendlichen wollten wurde rundweg diffamiert und abgelehnt. Ich weiß noch, dass meine Mutter erst dann die Kurve kriegte, als Elvis mit It's Now Or Never herauskam. Da hörte sie plötzlich ihr altes O Sole Mio und war ganz gerührt. Das relativierte diese Musikrichtung für sie etwas – „siehst du, man kann doch auch nett singen!“
„Womp-bomp-a-loom-op-a-womp-bam-boom“... wäre aber weiterhin nicht gebilligt worden! Vielleicht wollte sie auch bloß nicht so angeschrien werden, aber manchmal musste eben irgendwas hinausgeschrien werden und gerade Little Richard war da ein Meister!
Andererseits lasse ich mich ja auch nicht gerne anschreien und schon gar nicht von schrillen Frauenstimmen; das macht wohl Abgründe meiner Erziehungserfahrungen wieder präsent.
Na jedenfalls kann ich sowas wie Respect von Aretha Franklin (bei aller Hochachtung vor ihrer Leistung!) nicht ertragen. Es gibt doch auch andere weibliche Schreimöglichkeiten, die markant sind, aber nicht so kreischend, z.B. Wanda Jackson mit Let's Have A Party. Und von einer laut aber sehr anschmiegend singenden Conny Francis mal ganz zu schweigen!
Der Rock'n'Roll diente dazu, uns von den Erwachsenen zu distanzieren, uns zu lösen, Opposition zu bilden und uns unsere eigene Welt zu schaffen.
Wir hatten Elvis, sie hatten Caterina Valente. Und wenn es einer aus unserem Lager mal in ihr Fernsehen geschafft hatte, dann musste er sich aber auch streng nach ihrem Codex verhalten (Möchtegern-Schwiegersohn-Prinzip). Drafi hatte damit so seine Schwierigkeiten und wurde von der Prollpresse auch sofort kaltgestellt.
Im Musikunterricht gab es von besonders pfiffigen Musiklehrern gelegentlich ein paar Anbiederungsversuche. Meiner zum Beispiel versprach sich wohl einen Unterricht mit plötzlich sehr aufmerksamen Schülerinnen und Schülern, wenn er unsere Musik zum Thema machte, statt der üblichen Moldau von Smetana. Er wollte uns dann erklären, wieso Chuck Berry an einer bestimmten Stelle die Subdominante ins parallele Moll übergleiten ließ – wir waren entsetzt! Wir wollten nicht, dass sich ein Erwachsener in unsere Belange einmischt und was Chuck Berry betrifft interessierte uns sowieso mehr, über welchen Amp er spielte und wie er diesen Sound hin bekam.
So konnten wir natürlich unmöglich für mündig erklärt werden, obwohl wir schon lange mit den Mädchen zugange waren und knutschten und rauchten (Gold Dollar oder Zubahn hießen die Zigaretten damals), und mein erstes Auto war später auch ein alter 17 M mit Heckflossen und durchgehender vorderer Sitzbank für die Autokinos.
Die Mädchen behinderten jedenfalls unsere musikalische Entwicklung nicht, eigentlich war es umgekehrt, die fortschreitende musikalische Entwicklung kurbelte vielmehr die Mädchengeschichten an.
Das muss um 1959/60 gewesen sein, denn meine Eltern hatten ein Nord-Mende MAMBO Radio mit dem magischen, grünen Auge und daraus hörte man meistens Klassik oder Bully Buhlan oder die Insulaner, ein Nachkriegskabarett aus West-Berlin, das zum großen Teil das damalige Ost-Berlin und das ganze System durch den Kakao zog und sich wegen der Insellage der Stadt selbst beschwichtigte „Der Berliner verliert die Ruhe nich, der Berliner liebt keen Jetue nich...“.
Als Nachkriegskinder hatten wir zu gehorchen, solange wir unsere Füße unter die Tische unserer Eltern stellten und die Lehrer und Lehrerinnen waren in ähnlich dominanter Position, bei denen wir die gleiche Rolle zu spielen hatten.
Die Amerikaner waren von uns bewunderte Freunde. Anfangs hatten sie für Schulspeisung gesorgt – heißen Kakao und Rosinenbrötchen und, was uns Kinder viel mehr interessierte: Bubble Gum und Prickel Pit.
Aus den Care-Paketen tauchten damals schon ein paar bis dahin völlig unbekannte Geschmäcker auf, Corned Beef und Milchpulver, wobei letzteres für uns ein merkwürdiger Süßigkeitsersatz war, denn es klebte den Rachenraum ziemlich zu. An allen Fleischtheken Berlins kann man seit dieser Zeit immer wieder das deutsch ausgesprochene Kornett Biief hören (wenn gerade mal jemand so was kauft).
Andere Schulspeisen, wahrscheinlich durch den Marshall-Plan finanziert und diesmal von deutschen Küchen gekocht, also Graupensuppe und ähnliches, ungenießbares Zeug, kippten wir auf dem Weg von der Schule nach Hause an die Zäune der Grundstücke, die nun mal das Pech hatten, an unserem Grundschulweg zu liegen. Das Essenfassen auszulassen war andererseits nicht möglich, weil die Eltern immer anhand der Spuren im Essgeschirr kontrollierten, ob wir in der Schule gegessen hatten!
Es ging soweit, dass ich vor Beginn meiner Ferien auf dem Bauernhof bei Tante Liesel und Onkel Gerd im Harz auf die Waage musste und mein Gewicht notiert wurde. Und zum Ende der Ferien musste ich wieder auf die Waage, und je nachdem, wie sich das Gewicht nach oben verändert hatte, desto besser waren die Ferien – aus Sicht der Erwachsenen. Die Nachkriegszeit war eben eine Zeit des Mangels, und die Eltern kümmerten sich sehr darum, dass wir Kinder immer genug zu essen hatten.
Spiegelei auf Schrippe habe ich damals besonders gerne gegessen. Aber wenn ich davon mal mehr haben wollte, war das aber auch wieder nicht richtig. Dann hieß es „Iss nicht so viel Eier, dann wirst du übermütig!“
Was damit gemeint war wurde mir aber nie erklärt!
Und wenn ich mal nicht essen wollte, hörte ich zu Hause: „Junge, wenn mal wieder der Russe kommt, dann wirst du dir nochmal wünschen, eine solche Suppe zu kriegen!“Je nun – es gab aber wie gesagt bestimmte Straßen in Lichtenrade, an denen man den Schul-Speiseplan einer ganzen Woche ablesen konnte.
Der Russe kam nicht, aber der Amerikaner!
Ich hatte – wie viele andere auch – das Essgeschirr meines Vaters, das er während seiner Kriegsgefangenschaft bei den Amerikanern benutzen musste: Messer, Gabel und Löffel mit einem großen Loch am Ende des Griffs und der Prägung U.S. Dazu einen hohen, im Querschnitt leicht nierenförmigen Topf mit Deckel, jeweils mit einem Griff. Das Messer ist vorher für die Kriegsgefangenen verkürzt und abgestumpft worden, damit keiner auf abwegige Gedanken kommen konnte. Es war unmöglich, seiner ursprünglichen Funktion nach, etwas damit anzufangen.
Unser Leben als Jungen spielte sich damals überwiegend draußen ab. Nach der Schule, an den Wochenenden und in den Ferien spielten wir immer in Gruppen mit anderen irgendwelche Versteck- und Einkriegespiele (so hieß das damals) in Parks und auch auf den zahlreichen Abenteuerspielplätzen, die von den alliierten Bombergeschwadern eingerichtet worden waren. Oder wir saßen stundenlang an kleinen, versteckten Tümpeln der Umgebung, um dort Molche, Frösche, Fische oder Kaulquappen zu fangen, die wir dann zu Hause in Einmachgläsern hielten und bestaunten.
Die Eltern konnten oder wollten uns unsere Welt nicht erklären, sie interessierten sich überwiegend für ihre Erwachsenenwelt und die sollten wir gefälligst lernen. Die Methode dazu war die mit dem erhobenen Zeigefinger – wir hörten immer nur, was man nicht machte, was verboten war. Die Erwachsenenwelt war also offenbar eine, in der man vieles nicht tat.
Wir mussten uns unsere Kinderwelt selbst erklären. Dazu tauschten wir immer Neuigkeiten aus – irgendeiner hatte mal wieder irgendwas gehört und erzählte das gleich weiter. Wir hatten dadurch immer wieder Gesprächsstoff und der jeweilige Überbringer der Neuigkeiten konnte stolz sein auf eine kleine Zuhörerschaft. Diese Nachrichten veränderten sich aber durch die Art ihrer Weitergabe immer wieder ein bisschen, so dass oft Gerüchte daraus entstanden, deren Ursprung keiner mehr so genau wusste. Durch diesen Austausch gewann man Ansehen und sie beruhigten uns gleichzeitig oder machten Mut vor Dingen, die wir noch nicht kannten.
Als Kinder waren wir ja noch nicht so direkt am anderen Geschlecht interessiert, aber wir befanden uns in der Phase davor und hatten immer wieder mal was von den Abenteuern gehört oder gelesen, die uns in den nächsten Jahren und vor allem als Erwachsene erwarten würden. Weil jeder gerne älter und damit erfahrener sein wollte, als es seinem Alter entsprach, versuchten wir Eindruck zu schinden, indem wir unsere angeblichen Erfahrungen aus der anderen Welt – der mit Mädchen – brühwarm berichteten.
Die abenteuerlichste Vorstellung von dem, was da irgendwann mal passieren würde, hatten wir wohl vom Sex mit den Mädchen (obwohl es diesen Begriff damals in unserer Welt noch nicht gab).
Wer da irgendwelche Geheimnisse wusste, gewann deutlich an Ansehen innerhalb unserer Clique.
Die Respekt davor war aber in Wirklichkeit groß!
Wir machten uns immer Mut mit dem Satz, der damals immer wieder mal die Runde machte:
Hose runter, Beine breit, Vögeln is' 'ne Kleinigkeit!
Nachfragen oder darüber reden mit den Erwachsenen ging gar nicht!
Als Schüler dachten wir früher immer, dass das „Vorher-Rausziehen“ eine sichere Verhütungsmethode sei, was natürlich Quatsch war, aber unsere Lehrer haben damals über das Vorher-Rausziehen nichts gesagt, weil sie ja dann auch etwas vom Reinstecken hätten sagen müssen.
Ich weiß noch, dass mein kleiner Bruder aus der Buddelkiste ein Wort mitgebracht hatte, das er nicht verstand und er fragte am Küchentisch „Was ist denn ficken?" Ich starrte mit hochroten Ohren auf die Tischkante vor mir und meine Mutter sagte sowas wie „Da fragste besser deinen Vater!" Papa las gerade den Sportteil der Zeitung und antwortete „Jetzt nicht, siehst du nicht, dass ich gerade lese?!!“
Wir waren also auf uns selbst angewiesen und versuchten, so gut es eben ging, uns die Welt zu erklären.
Es gab aber ein paar Regeln, an die mussten wir uns halten. Die beiden wichtigsten waren:
Regel 1: Du parierst, solange du deine Füße unter unseren Tisch stellst!
Regel 2: Nicht über den Zaun im Lichtenrader Wäldchen klettern, da wohnt der Russe!
Wie das Ungeheuer Russe aussah und was es da hinter dem Zaun machte, blieb aber unserer Fantasie überlassen!
Wie es dazu kam, dass wir uns früher oder später alle in irgendwelchen Kirchenkreisen wiederfanden, weiß ich nicht mehr. Zumindest die evangelische Kirche in Berlin Lankwitz veranstaltete regelmäßige Treffen für Jugendliche in ihren Nebengebäuden. Möglich, dass wir diese Veranstaltungen benötigten, damit die Kirche uns später in ihrem Sinne gut vorbereitet einsegnen konnte. Die Einsegnung war ein festes Ritual mit Geschenken usw., das wir auch alle wollten.
Egal – damit wir fest im Glauben und weitab von der schiefen Bahn erwachsen werden sollten, machten wir viele Gruppenspiele, die immer wieder mal durch Gesangs- und Betrituale ergänzt wurden. Wir sollten wohl gläubige Christen werden, interessierten uns aber eigentlich nur für die spielerische Seite und die Gruppenerlebnisse.