Seitensprung: Seitensprünge, Fremdgehen, Untreue verstehen, verarbeiten, bewältigen, überwinden, vergeben, verzeihen - Ralf Hillmann - E-Book

Seitensprung: Seitensprünge, Fremdgehen, Untreue verstehen, verarbeiten, bewältigen, überwinden, vergeben, verzeihen E-Book

Ralf Hillmann

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Beschreibung

Liebe Leserinnen und Leser, dieses Buch dient Paaren dazu, die Ursachen, die einem Seitensprung zugrunde liegen, zu erforschen. Das halte ich deswegen für sehr wichtig, weil Sie - falls Sie Ihre Beziehung retten und fortführen möchten - unbedingt an der Optimierung Ihrer Beziehungsbasis arbeiten sollten. Denn leider kann es sein, dass Vergebung und Wiedergutmachung nicht ausreichen, um wieder miteinander glücklich zu werden. Wenn es zu Vergebung und Wiedergutmachung kommt, ist das zwar sehr viel wert, aber dadurch hat sich noch lange nicht die Grundlage der Beziehung verbessert. Wenn es nicht gelingt, das Fundament der gemeinsamen Beziehung zu erneuern, wird die Beziehung vermutlich mit der Zeit weiterhin an Intensität, Qualität und Stabilität verlieren. Wenn es hingegen gelingt, die gemeinsame Beziehung von der Basis an zu erneuern, kann sie lebendiger, respektvoller, stabiler und vertrauensvoller miteinander erlebt werden als zuvor. Das Buch unterstützt den Hintergangenen und den Seitenspringer dabei, zunächst einmal zu klären, was der Seitensprung überhaupt zu bedeuten hat. Was bedeutet er für den Hintergangenen und welche Bedeutung hat er für dessen zukünftiges Leben? Was wünscht er sich? Welche Bedeutung hat der Seitensprung für den Seitenspringer und welche Bedeutung hat er für sein zukünftiges Leben? Was wünscht er sich? Kurz gesagt beschäftigt sich dieses Buch mit folgenden Themen: Erstens: Grundlegendes über glückliche Partnerschaften wie beispielsweise über die menschlichen Bedürfnisse nach Autonomie, Bindung, Gleichberechtigung, Offenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Respekt, Empathie, Wertschätzung etc. und viele andere Informationen über Liebe, Sexualität und Partnerschaft. Zweitens: Wissenswertes rund um das Thema Seitensprünge wie z.B. Informationen über verschiedene Arten von Seitensprüngen; vom Schmerz, den ein Seitensprung verursacht; vom Gefühls-Chaos des Hintergangenen und des Seitenspringers; von wechselseitigem Verständnis füreinander; von der Zeit, die der Seitenspringer und der Hintergangene jeweils für sich brauchen; vom Verzeihen; von Wiedergutmachung, von Vertrauensvorschüssen; etc. Drittens: Vorausblick darauf, was auf Sie beide zukommt, wenn Sie sich dazu entschließen, der gemeinsamen Beziehung noch einmal eine Chance zu geben! Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Mut, sich der Realität zu stellen und die Bereitschaft, offen, ehrlich und verständnisvoll aufeinander zugehen zu können! Herzlichst - Ihr Ralf Hillmann

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Hinweis zur Haftung

Die im Buch veröffentlichten Gedanken und Empfehlungen basieren auf den Erfahrungen des Autors und wurden intensiv erarbeitet und geprüft. Sie ersetzen keine ärztliche oder therapeutische Behandlung und sollen auch keine laufende oder bevorstehende Behandlung medizinischer oder psychotherapeutischer Art ersetzen. Weder Autor noch Verlag können für in diesem Buch gemachte Angaben Gewähr übernehmen. Es bleibt in Ihrer alleinigen Verantwortung als Leserin, als Leser jede der gemachten Angaben Ihrer eigenen Prüfung zu unterziehen. Auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen weisen wir ausdrücklich hin!

INHALT

Bevor Sie mit dem Lesen starten

Buchvorstellung und Einführung

ÜBER PAARBEZIEHUNGEN

Von den Bedürfnissen nach Autonomie und Bindung

Von Gleichberechtigung

Von Offenheit und Ehrlichkeit

Von Vertrauen

Vom Schutz einer Beziehung

Vom Rahmen einer Beziehung

Von Enttäuschungen

Von Liebe, Sexualität und Partnerschaft

ÜBER SEITENSPRÜNGE

Verschiedene Arten von Seitensprüngen

Vier mögliche Dimensionen eines Seitensprungs

Situationen, die zu Fremdgehen führen können

Was kann bei einem Seitensprung erkannt werden

Vom Schmerz, den ein Seitensprung verursacht

Weitere Gedanken darüber, warum Fremdgehen wehtut

Von der Wucht des Seitensprungs für alle Beteiligten

Vom Gefühls-Chaos des Hintergangenen

Vom Gefühls-Chaos des Seitenspringers

Eine Empfehlung: Keine Angst vor Treue

Was der Seitenspringer anerkennen und lernen kann

Was der Hintergangene anerkennen und lernen kann

Von den hohen Idealen des Hintergangenen

Von den hohen Idealen des Seitenspringers

Was für ein Mensch ist ein Seitenspringer?

Was für ein Mensch ist ein Hintergangener?

Von wechselseitigem Verständnis füreinander

Seitenspringer und Hintergangener brauchen Zeit

Wer Treue verspricht, meint es in dem Moment ehrlich

Vom Verzeihen

Vom Vertrauensvorschuss

Wenn Wahrheit der Beziehung schadet

Wenn Wahrheit der Beziehung nicht schadet

Von der größten Sehnsucht, die wir alle haben

AUS DEM BERATUNGSALLTAG

Von Beispielen aus meiner Beratungspraxis

Regina und Paul

Irene und Sascha

Yvonne und Rüdiger

Iris und Wolfgang

Viviane und Andreas

Corinna und Roger

Dorothea und Sigmar

Katrin und Lars

BEVORSTEHENDE BEZIEHUNGSARBEIT

Bestimmung der zugrundeliegenden Probleme

Unterschiede, die häufig zu Problemen führen

Identifizierung von unerfüllten Bedürfnissen

Weitere grundlegendste menschliche Bedürfnisse

Angenehme Gefühle, wenn Bedürfnisse erfüllt sind

Unangenehme Gefühle, wenn Bedürfnisse unerfüllt sind

Angemessene und ungeeignete Erfüllungsstrategien

REFLEXION

Alle Karten auf den Tisch

ÜBUNGEN ZUR ERKENNTNIS-VERTIEFUNG

Übung für den Seitenspringer

Übung für den Hintergangenen

Meditative Übung für den Hintergangenen

Meditative Übung für den Seitenspringer

Zum Schluss

Der Weg zu einer respektvollen Lösung

Bevor Sie mit dem Lesen starten

Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Buch geht es um Menschen in Beziehungen – zum einen um jene, die aus irgendeinem Grund Untreue begingen, und zum anderen um jene, die dabei hintergangen wurden. Aus Gründen der Vereinfachung verwende ich nachfolgend nur die Bezeichnungen Seitenspringer und Hintergangener!

Genderhinweis: In einem Buch in dem mit fast jeder Zeile alle Geschlechter gleichzeitig angesprochen oder bezeichnet werden, wo also jene Menschen, die Untreue begingen genauso wie jene, die dabei hintergangen wurden, männlich, weiblich oder divers sein können, empfinde ich es als Autor sehr schwierig, jeweils jeden Satz korrekt zu gendern und dabei noch gut lesbare und verständliche Sätze zu formulieren. Deshalb verwende ich einzig und allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit überwiegend die männliche Sprachform. Diese Vereinfachung beinhaltet keine Wertung! Sämtliche Angaben beziehen sich im Sinne der Gleichbehandlung selbstverständlich immer auf Angehörige aller Geschlechter (männlich, weiblich, divers).

Buchvorstellung und Einführung

Dieses Buch dient Ihnen dazu, Seitensprünge aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Es soll betroffenen Paaren dabei helfen zu klären, ob sie die gemeinsame Beziehung fortführen möchten. Vor allem geht es dabei auch um die Frage, ob und wie das überhaupt nach solch einem massiven Vertrauensverlust möglich werden kann. Zu Beginn habe ich Ihnen einige grundlegende Informationen darüber zusammengestellt, auf welcher Basis es überhaupt erst möglich wird, eine dauerhaft glückliche Partnerschaft miteinander führen zu können. Denn wenn es zu einem Seitensprung kommt, ist es in der Regel sinnvoll, dies als Zeichen dafür anzusehen, dass es an der gemeinsamen Beziehungsbasis in irgendeiner Form ein Defizit geben muss. Es mag sein, dass dieses Defizit nur auf ein paar scheinbar unbedeutende Kleinigkeiten zurückzuführen ist, die Ursachen können aber auch viel schwerwiegender sein. Letztlich geht es in diesem Buch darum, die Ursachen, die einem Seitensprung zugrunde liegen, zu erforschen. Das halte ich deswegen für sehr wichtig, weil Sie – falls Sie Ihre Beziehung retten und fortführen möchten – unbedingt an der Optimierung Ihrer Beziehungsbasis arbeiten sollten. Denn leider kann es sein, dass Vergebung und Wiedergutmachung nicht ausreichen, um wieder miteinander glücklich zu werden. Wenn es zu Vergebung und Wiedergutmachung kommt, ist das zwar sehr viel wert, aber dadurch hat sich noch lange nicht die Grundlage der Beziehung verbessert. Die Gründe weshalb der Seitensprung überhaupt passieren konnte, existieren dann noch.

Wenn es nicht gelingt, das Fundament der gemeinsamen Beziehung zu erneuern, wird sie vermutlich mit der Zeit weiterhin an Intensität, Qualität und Stabilität verlieren. Wenn es hingegen gelingt, die gemeinsame Beziehung von der Basis an zu erneuern, kann sie lebendiger, respektvoller, stabiler, vertrauensvoller und glücklicher miteinander erlebt werden als zuvor.

Das Buch unterstützt den Hintergangenen und den Seitenspringer dabei, zunächst einmal zu klären, was der Seitensprung überhaupt zu bedeuten hat. Was bedeutet er für den Hintergangenen und welche Bedeutung hat er für dessen zukünftiges Leben? Was wünscht er sich? Welche Bedeutung hat der Seitensprung für den Seitenspringer und welche Bedeutung hat er für sein zukünftiges Leben? Was wünscht er sich? Wünschen sich beide, die Beziehung miteinander fortführen zu können? Oder wünscht sich das mindestens einer von beiden nicht? Sind also die Wünsche des einen auch die Wünsche des anderen? Wenn beide sich nicht dasselbe wünschen, welche Lösung ist dann angemessen und respektvoll? Wenn beide sich dasselbe wünschen, wie lässt sich der gemeinsame Wunsch respektvoll gestalten? Kurz gesagt beschäftigt sich dieses Buch mit folgenden Themen:

Erstens: Grundlegendes über glückliche Partnerschaften wie beispielsweise über die menschlichen Bedürfnisse nach Autonomie, Bindung, Gleichberechtigung, Offenheit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Respekt, Empathie, Wertschätzung etc. sowie Informationen darüber, welche Basis, welchen Schutz und welchen Rahmen eine Beziehung braucht; wie Enttäuschungen zu hinterfragen sind und welche Unterschiede es zwischen den drei Bedürfnisdimensionen Liebe, Sexualität und Partnerschaft gibt.

Zweitens: Wissenswertes rund um das Thema Seitensprünge wie beispielsweise Informationen über verschiedene Arten von Seitensprüngen; vier mögliche Dimensionen von Seitensprüngen; Situationen, die zu Fremdgehen führen können; was bei einem Seitensprung erkannt werden kann; vom Schmerz, den ein Seitensprung verursacht; von der Wucht des Seitensprungs für alle drei Beteiligten; vom Gefühls-Chaos des Hintergangenen; vom Gefühls-Chaos des Seitenspringers; was der Seitenspringer anerkennen und lernen kann; was der Hintergangene anerkennen und lernen kann; von den hohen Idealen des Hintergangenen; von den hohen Idealen des Seitenspringers; was für ein Mensch der Seitenspringer ist; was für ein Mensch der Hintergangene ist; von wechselseitigem Verständnis füreinander; von der Zeit, die der Seitenspringer und der Hintergangene jeweils für sich brauchen; vom Vergeben und Verzeihen; von Wiedergutmachung; von Vertrauensvorschüssen; von Wahrheit, die der Beziehung schadet bzw. nicht schadet; Seitensprung-Beispielfälle aus meiner Beratungspraxis und vieles mehr …

Drittens: Vorausblick darauf, was auf Sie beide zukommt, wenn Sie sich dazu entschließen, der gemeinsamen Beziehung noch einmal eine Chance zu geben! Beispielsweise: Bestimmung der zugrundeliegenden Probleme; Erkundung der Unterschiede, die häufig zu Problemen führen; Identifizierung der unerfüllten Bedürfnisse; Unterscheidung von angemessenen, zielführenden und unangemessenen, nicht zielführenden Erfüllungsstrategien; Einladung zur Reflexion; Übungen zur Erkenntnis-Vertiefung etc.

Zum Umgang mit diesem Buch: Mit diesem Arbeitsbuch richte ich mich an beide Beziehungspartner. Ich habe es für den Hintergangenen und für den Seitenspringer geschrieben. Für ideal halte ich es, wenn Sie beide zunächst einmal das Buch jeweils für sich alleine lesen. Schauen Sie, was das Lesen mit Ihnen macht! Sprechen Sie vorerst nicht über das Gelesene miteinander! Warten Sie mit der gemeinsamen Klärung Ihrer Beziehungssituation ab, bis Sie beide alles von Anfang bis Ende durchgelesen haben.

Wenn Sie es sich dann beide zutrauen, respektvoll und aneinander interessiert an einer Klärung zu arbeiten und nach Lösungen zu suchen, lesen Sie das Buch noch einmal beide gemeinsam. Vielleicht möchten Sie sich abwechselnd gegenseitig daraus vorlesen!? Wenn Sie sich die Zeit nehmen und schenken können, tun Sie beide vorerst weiter nichts, als den Inhalt noch einmal gemeinsam zu lesen! Unterhalten Sie sich über das Gelesene noch nicht! Lesen Sie einfach bis zum Ende des Buches weiter. Das ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Ihnen das Lesen immer wieder mal unangenehme Gefühle bereitet – etwa weil manche wunden Punkte dabei reaktiviert werden oder weil Sie sich gegen manches, was ich Ihnen an Informationen bereitstelle, innerlich sträuben.

Wenn Sie dann mit dem gemeinsamen Durchlesen des Buches fertig sind, lassen Sie alles noch einmal einige Tage auf sich wirken. Sobald Sie beide die Bereitschaft in sich finden, respektvoll und aneinander interessiert über alles offen und ehrlich zu sprechen, nehmen Sie das Buch noch einmal gemeinsam zur Hand. Lesen Sie es erneut zusammen. Reden Sie dann über jeden einzelnen Abschnitt miteinander. Tauschen Sie sich über das Gelesene aus! Wie ist das bei Ihnen ganz genau? Was macht das, was Sie da gerade lesen, mit Ihnen? Sprechen Sie möglichst offen und ehrlich über all das! Üben Sie sich darin, miteinander respektvoll umzugehen und einander keine Vorwürfe zu machen.

Sobald Ihr gemeinsames Gespräch in einen Streit umzukippen droht, brechen Sie die Unterhaltung bitte ab! Starten Sie ein anderes Mal noch einmal neu! Ein Streit wird Sie niemals weiterbringen. Zumindest nicht dahingehend, dass Sie sich dabei aufeinander zubewegen. Ein Streit kann die Kluft zwischen Ihnen beiden nur vergrößern. Die Lage spitzt sich dann immer weiter zu und die Chancen, bei einem nächsten Mal sachlich und respektvoll über alles reden zu können, nehmen immer weiter ab.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Mut, sich der Realität zu stellen und die Bereitschaft, offen, ehrlich und verständnisvoll aufeinander zugehen zu können!

Herzlichst – Ihr Ralf Hillmann

1.) ÜBER PAARBEZIEHUNGEN

Von den Bedürfnissen nach Autonomie und Bindung

Wir alle haben grundlegende menschliche Bedürfnisse. Alle menschlichen Bedürfnisse ermöglichen uns ein Leben als Mensch. Zu diesen menschlichen Bedürfnissen gehören z.B. die Bedürfnisse nach Respekt, Wertschätzung, Empathie, Selbstwert, Autonomie, Bindung, Gemeinschaft – um nur wenige zu nennen!

Zu Autonomie und Bindung: Wir alle wünschen uns also eine eigene Privat- und Intimsphäre. Wir wollen selbstbestimmt und frei sein in unserer Entwicklung und Entfaltung. Zugleich wollen wir eingebunden sein in eine Gemeinschaft, in soziale Strukturen, und natürlich steht als ganz großes Bindungsziel eine glücklich machende, dauerhafte, vertrauensvolle Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen auf unserer Wunschliste. Doch passen die beiden natürlichen menschlichen Bedürfnisse nach Bindung und Autonomie eigentlich zusammen? Das eine scheint in gewisser Weise doch eher das Gegenteil vom anderen zu sein.

Dass die beiden gegensätzlichen Bedürfnisse von Natur aus zusammenpassen, kann man wirklich nicht behaupten. Das kennt jeder schließlich von sich selbst. Wir alle wünschen uns einerseits autonom und andererseits mit anderen verbunden zu sein. In einer Zweierbeziehung sind diese Bedürfnisse dann natürlich noch schwieriger miteinander in Einklang zu bringen. Ob sie sich miteinander vereinbaren lassen, hängt meiner Erfahrung nach mit der persönlichen Entwicklung eines jeden einzelnen zusammen. Die gegensätzlichen Bedürfnisse harmonieren dann miteinander, wenn beide Partner die soziale Kompetenz und die psychologische Reife besitzen, den jeweils anderen im Großen und Ganzen als den Menschen zu achten und anzuerkennen, der er ist.

Da die beiden Bedürfnisse nach Autonomie und Bindung gleichzeitig von Natur aus existieren, sind wir herausgefordert, für ein Gleichgewicht zwischen ihnen zu sorgen, damit keines einen Mangel an Erfüllung erleidet. Das ist ganz nebenbei gesagt bei allen Bedürfnissen so. Eine Balance zu finden und zu halten, ist nicht immer einfach. Es erfordert, dass zwei Menschen, die dauerhaft in einer Beziehung zusammen leben möchten, sich für sich selbst und füreinander interessieren, sowie einander achten, respektieren und wertschätzen. Wenn Menschen sich beispielsweise eine monogame Beziehung wünschen, stecken sich beide Partner in der Regel als oberstes Ziel und Gebot, einander treu zu sein. Dieser Wunsch nach Treue ist für gewöhnlich so groß, dass die Vorstellung, der Partner könnte sich einmal in einen anderen Menschen verlieben oder auch einfach nur einmal fremdgehen, geradezu unerträglich erscheint. Sollte es doch jemals passieren, wäre das das Schlimmste, was einem passieren kann (Vertrauensbruch), denkt man. Der Wunsch nach Treue existiert nahezu in fast allen Beziehungen. Auch wenn es heute viele unterschiedliche Beziehungsmodelle gibt, wo sich die Beziehungspartner beispielsweise gegenseitig erlauben, hin und wieder erotische Abenteuer mit anderen zu erleben, so ist eine Beziehung, die von dem Wunsch nach monogamer Treue geprägt ist, nach wie vor das am weitesten verbreitete Ideal. Einander über viele Jahre lang wirklich treu zu sein, ist allerdings schon aufgrund unserer natürlichen Bedürfnisse nicht immer die allereinfachste Übung. Und ganz besonders dann nicht, wenn es Defizite in der gemeinsamen Beziehung gibt.

Wie bereits erwähnt, existiert in jedem von uns nicht nur das Bedürfnis nach Bindung, sondern auch das Bedürfnis nach Autonomie. Ganz zu schweigen von den Bedürfnissen nach Abenteuer, Lust, Erotik und vielen anderen mehr. Wenn eine Paarbeziehung im Großen und Ganzen intakt ist, fällt es in der Regel leicht, gegensätzliche Bedürfnisse in Balance zu bringen, bzw. unter einen Hut zu kriegen. Innerhalb der Grenzen eines möglichst klar abgesteckten Rahmens (der Rahmen der Beziehung) ist es dann möglich, sich frei zu entfalten und zu bewegen. Es herrscht ein Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen und zum Teil gegensätzlichen Bedürfnissen beider Partner. Ist eine Paarbeziehung allerdings im Großen und Ganzen nicht intakt, kann es mit der Zeit aufgrund von unerfüllten Bedürfnissen, wie beispielsweise die Bedürfnisse nach Wertschätzung, Respekt, Empathie, Verständnis, Lebensfreude etc. nicht ganz so einfach sein, sich an den Treueschwur zu halten. Fremdgehen hat also auch immer etwas mit einem Ungleichgewicht zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen zu tun. Beispielsweise zwischen den Bedürfnissen nach Bindung und Autonomie. Aber auch bei einer Vielzahl anderer Bedürfnisse kann es – wie bereits erwähnt – zu einem Ungleichgewicht an Erfüllung kommen. Mit Bedürfniserfüllung hat es in jedem Fall immer zu tun. Daher möchte ich an dieser Stelle einmal Folgendes postulieren: Sicher gibt es Seitenspringer, die deshalb Seitenspringer sind, weil sie ganz bewusst ein heimliches Seitenspringerdasein führen möchten bzw. aus unehrenhaften, hinterlistigen Gründen ihren Partner oder ihre Partnerin betrügen. Es sind einfach unehrliche Menschen und sie sind nicht vertrauenswürdig. Nicht weil sie wechselnde erotische Beziehungen mögen – dagegen ist schließlich nichts einzuwenden, jeder kann nur für sich selbst herausfinden und entscheiden, was ihn glücklich macht – sondern, weil sie es vor ihrer Partnerin oder ihrem Partner, der bzw. dem sie Treue vorgaukeln, ganz bewusst und ohne Skrupel verheimlichen und deshalb Vertrauen missbrauchen.

Aber, um was es mir hier in diesem Buch geht: Auch wenn es diese charakterschwachen, betrügerischen, vertrauensunwürdigen, fiesen Seitenspringer sicherlich gibt, so bin ich – nicht zuletzt aufgrund meiner Erfahrungen als Paarberater – doch davon überzeugt, dass die meisten Menschen, die einmal oder eine Zeit lang fremdgegangen sind, nicht zu dieser Personengruppe gehören. Sie gingen nicht fremd, weil sie ihr wahres Ich von Anfang an verheimlichten, oder sich irgendwann bewusst und skrupellos für die Verheimlichung ihrer wahren Wünsche entschieden haben. Nein, sie gingen fremd, weil sie ganz normale Menschen sind, die sich nun mal von Natur aus in einem Wust von unterschiedlichen, zum Teil auch sehr gegensätzlichen menschlichen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen zurechtfinden müssen, und dabei irgendwann einmal in eine Überforderung gerieten sowie die Kontrolle über ihr eigenes Denken, Fühlen und Handeln verloren.

Von Gleichberechtigung

Eine der wichtigsten Basis-Zutaten für eine glückliche Beziehung ist die absolute Gleichberechtigung bzw. Gleichwertigkeit beider Partner. Hiermit ist nicht gemeint, dass sich jeder zu gleichen Teilen an der Haushaltsarbeit oder Ähnlichem zu beteiligen hat. Genauso wenig geht es darum, das Einnehmen männer- oder frauenspezifischer Rollen abzuschaffen. Wenn beide sich dabei wohlfühlen, darf auch einer dominanter bzw. devoter sein als der andere. In einer Beziehung gleichberechtigt bzw. gleichwertig zu sein bedeutet, dass die Bedürfnisse, Meinungen, Gefühle, Interessen, Wünsche, Begehren, Fähigkeiten, Unfähigkeiten, Eigenschaften, Talente, Stärken, Schwächen, Ängste und Defizite von beiden Beteiligten gleich viel Bedeutung haben und jeder auch das gleiche Recht auf deren Anerkennung bzw. Berücksichtigung hat – auch, wenn diese bei beiden zum Teil sehr unterschiedlich sein können. Ferner braucht die funktionierende Beziehung kontinuierliche und bewusste Aufmerksamkeit und Pflege! Behandeln sich zwei Liebende gleichberechtigt bzw. gleichwertig, ist Beziehungspflege verhältnismäßig einfach. Denn wer sich selbst und den anderen als gleichberechtigt bzw. gleichwertig anerkennt, begegnet sich im Umgang miteinander respektvoll, anerkennend, wertschätzend, interessiert, fair und gewaltfrei.

Zur achtsamen Pflege einer Paarbeziehung gehören: die Entwicklung eines Bewusstseins für sich selbst, das die eigenen Bedürfnisse und Interessen berücksichtigt; die Entwicklung eines Bewusstseins für den jeweils anderen, das dessen Bedürfnisse und Interessen anerkennt, wertschätzt und respektiert, sowie die Entwicklung eines Bewusstseins für das gemeinsame WIR, das die Bedürfnisse und Interessen beider miteinander vereint. Dies ermöglicht, dass sich überhaupt jeder vom jeweils anderen geliebt fühlen kann, und dass das Zusammensein die Bezeichnung „Paarbeziehung“ verdient.

Möglichst gleiche oder zumindest ähnliche Interessen und Lebensziele erleichtern es den beiden Beziehungspartnern natürlich, diese solide Grundlage herstellen und aufrechterhalten zu können. Zwingend notwendig sind sie jedoch nicht – zumindest nicht in jedem Fall. Nur wenn wirklich unüberwindbare Unterschiede vorliegen, kann das gemeinsame Glück nicht zufriedenstellend gepflegt und erhalten werden! Etwa wenn sich der eine Treue wünscht und der andere nicht! Beide Wünsche sind legitim und zu respektieren! Unter einen Hut kann man sie jedoch nicht kriegen! Da hilft nur eine gütliche Trennung. Jeder Streit darum wäre sinnlos und ein Zeichen dafür, dem Bedürfnis des jeweils anderen nicht mit genügend Respekt zu begegnen! In diesem Buch geht es jedoch nicht um Beziehungen, in denen sich einer Treue wünscht und der andere nicht, sondern um Paare, wo Treue für beide ein erstrebenswertes Ideal darstellt. Nur kam es aus irgendwelchen Gründen dazu, dass dieser Wunsch ins Wanken geriet oder dass es, aus welchen Gründen auch immer, nicht gelang, sich an den Wunsch bzw. den gemeinsamen Treueschwur zu halten. Wenn klar ist, dass sich einer Treue wünscht und der andere nicht oder nicht mehr, ist die einzige respektvolle Lösung die, die unterschiedlichen Vorstellungen wechselseitig zu respektieren und sich zu trennen. Weder jenem, der sich Treue wünscht, ist es zuzumuten, sich auf einen Partner einzustellen, der sich nach erotischen Abenteuern sehnt, noch ist es jenem, der sich erotische Abenteuer wünscht, zuzumuten, sich auf einen Partner einzustellen, der sich Treue wünscht. Beide können in solch einer Beziehung nur unglücklich werden. Jeder von beiden würde dabei für die Unzufriedenheit und das Unglück des jeweils anderen sorgen. Aber keiner von beiden wäre an dem Unterschied mehr oder weniger beteiligt, als der andere. Es gäbe nicht einen Guten und einen Bösen. Es gäbe auch keinen, der mehr Recht hat auf die eigenen Bedürfnisse, als der andere. Es gäbe einfach nur zwei Menschen, die so unterschiedlich sind, dass sie einfach nicht oder nicht mehr zusammenpassen. Aus diesem Grunde möchte ich hier noch einmal kurz wiederholen: In diesem Buch geht es um Beziehungen, die unter einem Seitensprung bzw. einer Affäre leiden. Um Menschen, die sich aktuell vielleicht in einem Zustand der Verwirrung befinden, aber für die Treue normalerweise doch ein hohes Ideal darstellt.

Von Offenheit und Ehrlichkeit

Richtig verstandene Offenheit und Ehrlichkeit sind zwei der wichtigsten Basiszutaten für eine dauerhafte und glückliche Paarbeziehung. Leider erlebe ich es bei meiner Arbeit als Paarberater sehr häufig, dass es in vielen Beziehungen genau an diesen grundlegenden Bausteinen mangelt. Jeder wünscht sich zwar vom anderen Offenheit und Ehrlichkeit, jedoch ist die Vorstellung davon, was Offenheit und Ehrlichkeit wirklich bedeuten, sehr von überhöhten, unrealistischen, unerfüllbaren Erwartungen und Idealen geprägt. Viele meinen, der Partner ist dann offen und ehrlich, wenn er die Vorstellung, die man von ihm hat, niemals enttäuscht. Wenn er niemals etwas tut oder tun könnte, das einem missfällt oder gar wehtut. Offenheit und Ehrlichkeit werden dabei mit Anstand gleichgesetzt. Solange der andere so „anständig“ ist, dass er mit seiner Offenheit und Ehrlichkeit noch den eigenen Erwartungen genügt, erfüllt er diese Hollywood-Ideale. Teilt er jedoch in aller Offenheit und Ehrlichkeit etwas von sich mit, was nicht den eigenen Erwartungen entspricht, wird dies in der Regel nicht als offen und ehrlich ausgesprochene Wahrheit anerkannt bzw. wertgeschätzt. Man meint dann viel mehr, das Verhalten des anderen sei falsch bzw. unanständig. Wir alle sind aber immer dann offen und ehrlich, wenn wir das, was wir an Gedanken und Gefühlen in uns finden, aussprechen. Egal, ob das für den anderen erfreulich oder unerfreulich scheint. Was wir in uns finden, können wir uns alle nicht aussuchen. Aufgrund unserer natürlichen Anlagen und unserer biografischen Lernerfahrungen, die uns im Laufe unseres Lebens prägten, sind wir heute der Mensch, der wir heute sind. Wir alle finden in uns das, was in uns vorhanden ist – von Natur aus und aufgrund dessen, was wir erfahren und erlernt haben. Wir alle haben eigene natürliche Anlagen und unterschiedliche Lernerfahrungen gemacht. Wir alle sehen die Welt dadurch durch unsere eigene Brille. Keiner von uns hat genau dieselben Persönlichkeitsmerkmale und Charaktereigenschaften entwickelt, die gleichen Stärken und Schwächen ausgebildet oder Vorstellungen, Überzeugungen, Werte und Weltsichten angenommen. Wir alle finden darum auch unterschiedliche Gedanken- und Gefühlswelten in uns. Das, was wir in uns finden, gehört zu uns. Wir halten es für gut, richtig, wahr und berechtigt! Wenn wir offen und ehrlich aussprechen, was in uns ist, teilen wir dem oder den anderen mit, wer wir sind. Wir sprechen die Wahrheit, die untrennbar zu uns gehört, offen und ehrlich aus.

Leider wird in vielen Beziehungen diese offen und ehrlich ausgesprochene Wahrheit, wenn sie unerfreulich ist, vom anderen weder respektiert, noch als zum Partner gehörend anerkannt. Irrtümlicherweise wird der Partner dann für die offen und ehrlich ausgesprochene Wahrheit beschimpft, bestraft oder schuldig gesprochen. Ja, paradoxerweise wird ihm seine Ehrlichkeit dann sogar als boshafte, vertrauensunwürdige Unehrlichkeit bzw. Unehrenhaftigkeit ausgelegt. „Wie kannst du nur so etwas machen?“ „Wie kannst du nur so denken?“ „Wie kannst du nur so fühlen?“ „Wie kannst du nur so sein?“ „Das hätte ich nie von dir gedacht!“ „Da bin ich aber enttäuscht von dir?“ „So gefällst du mir nicht!“ „Sei bitte nicht so wie du bist, sondern so, wie ich dich haben will!“ „So wie ich dich haben will, ist es schließlich gut und richtig!“ „So wie du denkst und fühlst, gehört es sich nicht!“ „So wie du denkst und fühlst, ist es falsch!“ „Wenn du so bist, wie du bist, dann tust du mir weh!“ „Vermutlich liebst du mich gar nicht!“

Wenn in einer Beziehung solch eine verzerrte Vorstellung von Offenheit und Ehrlichkeit existiert, ist es unvermeidbar, dass menschliche Bedürfnisse auf der Strecke bleiben und es dadurch irgendwann zu Beziehungsproblemen kommen muss. Denn keiner der beiden findet in der Beziehung die Freiheit, der Mensch sein zu können und zu dürfen, der er ist. Jeder beginnt genau abzuwägen, was er dem anderen mitteilen kann und was nicht. Das, was potenziell zu Anschuldigungen oder Verurteilungen führen könnte, behält man dann lieber für sich.

Dort wo menschliche Bedürfnisse wie beispielsweise die Bedürfnisse nach Anerkennung und Verständnis unerfüllt bleiben und es dadurch zu Beziehungsproblemen kommt, leidet das emotionale Band, das beide Beziehungspartner miteinander verbindet. Geliebt fühlen wir uns nicht, wenn wir kritisiert und bevormundet werden, oder wenn man uns sagt, das, was wir denken, fühlen und tun, sei falsch, und wir müssten uns ändern. Geliebt fühlen wir uns nur, wenn wir so, wie wir sind, geachtet, respektiert, wertgeschätzt und anerkannt werden – ja wenn man zu uns sagt, so wie du bist, bist du in Ordnung. So wie du bist, so darfst du sein. Manches an dir gefällt mir vielleicht nicht, aber weil ich dich liebe, ist es mir wichtig, dich so, wie du bist, zu respektieren und anzuerkennen. Schließlich möchte ich, dass du glücklich bist!

Begegnet uns unser Partner stattdessen mit einem Mangel an Interesse, Respekt und Wertschätzung, bleiben unsere grundlegenden menschlichen Bedürfnisse nach Anerkennung, Bestätigung und anderer liebevoller Zuwendung unerfüllt. Das Gefühl geliebt zu werden, verflüchtigt sich dann mehr und mehr.

Unerfüllte Bedürfnisse bescheren uns von Natur aus unangenehme Gefühle. Unerfüllte Bedürfnisse verlangen deshalb auch von Natur aus nach Erfüllung. Dagegen können wir gar nichts tun.

Erfüllte Bedürfnisse bescheren uns angenehme Gefühle. Leben wir in einer Beziehung, in der manche Bedürfnisse nicht erfüllt werden, hören diese unerfüllten Bedürfnisse aber noch lange nicht damit auf, nach Erfüllung zu streben. Nein, sie hören nie damit auf. Es ist ihre Natur, Erfüllung zu suchen. Unsere menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen, ist unsere Bestimmung. Unsere menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen, macht uns zum Menschen. Zu dem Menschen, der wir sind und sein wollen. Steht uns in unserer Beziehung nicht das zur Verfügung, was wir für die Erfüllung unserer Bedürfnisse benötigen, werden unsere Bedürfnisse ihre Erfüllung außerhalb der Beziehung suchen. Wir können nichts dagegen tun. Es ist die Natur unserer Bedürfnisse. Die Natur ist mächtiger als wir selbst!

Bitte verstehen Sie das nicht falsch. Der Satz: „wir können nichts dagegen tun“, soll hier nicht so klingen, als gingen wir fremd, weil wir gar nichts anderes tun können als fremdzugehen, wenn unsere Bedürfnisse entsprechend nach Erfüllung verlangen. Das ist hier wirklich nicht gemeint. Gemeint ist hier nur, dass wir nichts dagegen tun können, dass menschliche Bedürfnisse nach Erfüllung streben. Für die Erfüllung unserer Bedürfnisse brauchen wir respektvolle und angemessene Erfüllungsstrategien. So ist Fremdgehen zwar in der Tat eine Strategie zur Erfüllung diverser unerfüllter Bedürfnisse. Respektvoll und angemessen ist diese Erfüllungsstrategie jedoch nicht. Zumindest nicht für eine monogam angelegte Beziehung.

Viele unserer menschlichen Bedürfnisse interessieren sich nicht für die Anforderungen, Erwartungen und Bedingungen, die wir selbst oder andere an uns stellen! Nur wenn wir erkennen und respektieren, dass jeder sich wünscht, der Mensch sein zu dürfen, der er ist; wenn wir erkennen und respektieren, dass wir nicht das Recht haben, einen anderen Menschen nach unseren eigenen Vorstellungen zu verändern; wenn wir erkennen und respektieren, dass kein Mensch perfekt oder fehlerfrei sein kann; wenn wir erkennen und respektieren, dass wir einen anderen Menschen nur dadurch glücklich machen können, indem wir ihm den Raum zur Verfügung stellen, den er für seine Entwicklung und Entfaltung braucht; wenn wir erkennen und respektieren, dass richtig verstandene Offenheit und Ehrlichkeit niemals zu Bestrafung, Beschimpfung und Anschuldigung führen dürfen, auch dann nicht, wenn man mal einen Fehler macht oder anders denkt, fühlt und handelt als der Partner, dann haben wir eine Basis, auf der wahres Vertrauen und wirkliche Liebe wachsen können und es keinen Nährboden für Beziehungsprobleme gibt. Auch heimliches Fremdgehen hat häufig etwas mit einem Mangel an richtig verstandener Offenheit und Ehrlichkeit zu tun. Und natürlich immer auch mit einer Vielzahl anderer unerfüllter Bedürfnisse.

Von Vertrauen

Wir alle wünschen uns, Menschen zu kennen, denen wir vertrauen können. Insbesondere unserem Beziehungspartner. Doch bieten wir uns gegenseitig eigentlich eine solide Grundlage auf der es uns überhaupt erst möglich wird, uns so weit zu vertrauen, dass wir stets die Bereitschaft in uns finden, immer offen und ehrlich zu sein? Erlauben wir unserem Partner, egal was es auch ist, sich stets vertrauensvoll an uns zu wenden? Sind wir bereit, alles was er sagt, denkt, fühlt und tut vorbehaltlos als zu ihm gehörend anzuerkennen und als gegeben zu respektieren? Oder muss er befürchten, dass wir ihn für das, was er ist und er uns anvertraut, anschließend bestrafen, beschuldigen und rügen werden? Was ist, wenn uns der Partner anvertraut, dass er gewisse Dinge in der Beziehung vermisst? Was sagen wir zu ihm, wenn er uns mitteilt, dass er beispielsweise sexuell oder aus einem anderen Grund nicht glücklich ist? Sind wir offen für seine Bedürfnisse und Gefühle? Erkennen wir diese überhaupt als gegeben, menschlich, berechtigt und zu ihm gehörend an? Respektieren wir seine Realität? Respektieren wir überhaupt, dass REALITÄT etwas ist, das so ist wie es ist, und dass REALITÄT auch dann noch so ist wie sie ist, wenn wir sie nicht wahrhaben wollen oder ignorieren? Verstehen wir, dass unser Partner sich seine Bedürfnisse, Interessen und Gefühle nicht aussuchen kann, sondern nur in sich hineinspüren und feststellen kann, welche da sind? Oder stülpen wir ihm unseren eigenen Maßstab über und bestrafen ihn mit Ignoranz, Bevormundung, Anschuldigung oder Unverständnis dafür, dass er nicht so ist, wie wir ihn gerne hätten? Auch hier erlebe ich es in der Paarberatung, dass es eine solide, reflektierte, erwachsene Basis, auf der wahres Vertrauen wachsen und gedeihen kann, häufig nicht gibt. Viele Menschen wissen gar nicht, was es heißt, einander vertrauen zu können.

Wenn mir meine Klienten sagen, sie möchten ihrem Partner vertrauen können, meinen sie in Wirklichkeit oft, sie möchten darauf vertrauen, dass der Partner sie niemals enttäuscht. Sprich, der Partner soll bitte so sein, wie man sich ihn wünscht. Er soll den eigenen Vorstellungen und Erwartungen genügen. Wenn der Partner nicht so ist, wie er aus der eigenen Perspektive betrachtet zu sein hat, fängt man an zu merken, dass man nicht mehr darauf vertrauen kann, dass der Partner der Partner ist, den man eigentlich in ihm gesehen hat und den man sich vorgestellt hatte. Dass für diesen Vertrauensverlust aber nicht der Partner verantwortlich ist, sondern man selbst, wird in der Regel gar nicht erkannt (dazu später mehr unter der Überschrift „Von Enttäuschungen“, Seite →).

Wir alle haben unsere Stärken und Schwächen. Niemand von uns kann immer alles richtig machen. Manchmal ist das Wirrwarr der Gedanken und Gefühle so groß, dass wir Dinge tun oder Worte aussprechen, die wir im Nachhinein bereuen oder zumindest als falsch erkennen. Das, was wir von Natur aus bedürfen und wonach wir uns sehnen, ist nicht immer das, wozu wir uns aufgrund gesellschaftlicher Normen und kultureller Anforderungen aufgefordert fühlen. Manchmal ist ein natürliches Bedürfnis stärker als das Bedürfnis, sich gesellschaftlich stets korrekt zu verhalten. Wir wissen beispielsweise, dass es falsch ist, fremdzugehen, wenn wir unserem Partner oder unserer Partnerin Treue versprochen haben. Es ist uns klar, dass das gesellschaftlich und moralisch nicht okay ist. Trotzdem passiert es jeden Tag hunderttausendfach. Und zwar nicht, weil es so viele charakterlose, schlechte, rücksichtslose Partnerinnen und Partner gibt, sondern weil es so viele ganz normale Menschen gibt, die im Wirrwarr ihrer Bedürfnisse, Gefühle Gedanken und Befindlichkeiten nicht immer in der Lage sind, gute, angemessene Erfüllungsstrategien für das Erlangen von Glück und Zufriedenheit zu finden.

Wir sind Menschen. Wir sind nicht zu trennen von unseren natürlichen menschlichen Bedürfnissen. Wir können nicht anders, als zu versuchen, unsere natürlichen Bedürfnisse zu erfüllen. Es ist wichtig, für die Erfüllung unserer menschlichen Bedürfnisse zu sorgen. Wir brauchen allerdings Erfüllungsstrategien, die sich nicht im Nachhinein als unangemessen und destruktiv erweisen und sich negativ auf unser Leben auswirken. Es ist aber nicht leicht, für all unsere Bedürfnisse stets angemessene und rücksichtsvolle Erfüllungsstrategien zu finden. Viele Bedürfnisse, die wir in uns finden, sind wie bereits erwähnt gegensätzlich. Wodurch die Erfüllung noch schwieriger wird. So ist auch der durchaus große Wunsch nach enger Bindung und ewiger Treue häufig nur die eine Seite der Medaille. Es kann trotzdem Momente geben, wo andere natürliche Bedürfnisse sich bemerkbar machen, wie z.B. das dem Fortpflanzungstrieb zugrundeliegende Bedürfnis nach aufregendem, abenteuerlichem Sex mit einem Fremden oder alle Bedürfnisse, die mit Freiheit und Autonomie zusammenhängen. Ein Mangel an Wertschätzung, Anerkennung, Respekt, Interesse, Verständnis, Empathie etc. befeuert die Bedürfnisse, die dem Wunsch nach Treue gegenüberstehen! Ein Seitensprung ist häufig der verzweifelte Versuch, diese Mängel zu beseitigen. Man will sich mal wieder als Mann oder Frau gesehen, gehalten, begehrt, wichtig, attraktiv, interessant, lebendig, wertgeschätzt, verstanden, besonders oder was auch immer fühlen. Den Mangel beseitigen zu wollen, ist legitim, ja sogar lebensdienlich und wichtig für unser menschliches Wohlbefinden. Die Strategie, das mit einem Seitensprung erreichen zu wollen, ist jedoch destruktiv und tückisch sowie weder rücksichtsvoll, noch in irgendeiner Form einer monogamen Beziehung angemessen.

Nach meinem Empfinden kann man also durchaus behaupten, dass es falsch ist, in einer monogam angelegten Beziehung fremd zu gehen. Ja, es ist ein grober Verstoß gegen eine gemeinsam getroffene Abmachung! Da beißt die Maus einfach keinen Faden ab! Dennoch möchte ich noch einmal anmerken: Alles, was wir tun, basiert auf unseren menschlichen Bedürfnissen. Auf unseren menschlichen Bedürfnissen, die häufig auch gegensätzlicher Natur sein können. Wir tun nichts, aber auch rein gar nichts, was nicht auf menschlicher Bedürfniserfüllung beruht. Selbst wenn wir uns nur am Kopf kratzen, dient das der Erfüllung eines Bedürfnisses. Alles Denken, Fühlen und Handeln wurzelt in unseren natürlichen und erlernten Bedürfnissen, Interessen, Stärken und Schwächen! Zur Erfüllung unserer Bedürfnisse – oder besser gesagt, unseres Bedürfnischaos‘ brauchen wir stets konstruktive, angemessene, gute Erfüllungsstrategien. Diese stets und ausnahmslos parat zu haben, ist jedoch nicht immer möglich. Niemand kann immer alles so machen, wie es am idealsten, rücksichtsvollsten und besten für sich selbst, den Partner und alle anderen ist. Dazu stehen sich einfach zu viele Bedürfnisse und Anforderungen unvereinbar gegenüber. Die Bedürfnisfülle ist zudem einfach zu groß, um stets alle eigenen Bedürfnisse und jene des Partners im Blick haben zu können. Geschweige denn stets die zu ihnen passenden, respektvollen, angemessenen Erfüllungsstrategien parat zu haben.

Daher ist und bleibt ein Seitensprung zwar ein grober Fehler, aber Fehler zu machen ist menschlich. Keine Fehler zu machen, ist gar nicht möglich! Ein Seitensprung ist im Grunde nur der Versuch, unerfüllte, menschliche Bedürfnisse zu erfüllen. Dies mit einem Seitensprung erreichen zu wollen, ist – wie eben schon einmal angemerkt – nur die falsche Erfüllungsstrategie. Um eine besser geeignete Strategie für die Erfüllung der zugrunde liegenden unerfüllten Bedürfnisse finden zu können, braucht es eine Basis, auf der offen und ehrlich miteinander über alles gesprochen werden kann. Diese Basis gibt es aber in vielen Beziehungen nicht. Zumindest dann nicht, wenn es um unerfüllte Bedürfnisse geht, von denen der andere nichts wissen will oder die vom anderen einfach als falsch oder unberechtigt gewertet werden.

Vom Schutz einer Beziehung