Selbstständigkeit - Leben im Nebel? - Fred Unrath - E-Book

Selbstständigkeit - Leben im Nebel? E-Book

Fred Unrath

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Beschreibung

In diesem Buch wird die Lebensgeschichte eines Mannes über fast 80 Nachkriegsjahre in der Begegnung mit ihn prägenden Personen und Firmen in aller Offenheit geschildert. Die Leser*innen erhalten interessante Einblicke in das Scheitern diverser Erfolg versprechender Projekte, aber auch in den unbeirrbaren Glauben an die wärmenden Lichtstrahlen, welche den Nebel auflösen werden. Auf dem Zenit der Erfolgsgeschichte im letzten beruflichen Drittel können noch einmal wichtige Weichen gestellt werden, doch die Lebensumstände verändern sich unerbittlich und abrupt. Das einzig Beständige im Leben ist die Veränderung! Mit dem Erlös dieses Buches sollen mutige Existenzgründer unterstützt werden!

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Wie wenig ist am Ende der Lebensbahn daran gelegen, was wir erlebten, und wie unendlich viel, was wir daraus machten.

(Wilhelm von Humboldt)

Inhaltsverzeichnis

Auf dem Weg in die Verantwortung

Mein erster Anlauf, einen Rückblick zu verfassen

Krise als Chance

Hochzeit und Familienglück

Mein Leben in Siebenjahreszyklen

Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens

Was ist passiert?

Wir finden eine Goldgrube

Kometenhafter Aufstieg und jäher Absturz

Neu beginn, neue Konzepte, neue Produkte

Eine quälende Zeit liegt hinter mir

Ein geht nicht, gibt's nicht, irgendwie muss es weitergehen

Die ersten Jahre Geschäft vom Wohnhaus aus

Wir verfassen zum „Abschied“ eine Videobotschaft:

Ein weiterer Nachweis des Älterwerdens

Altersversorgung

Doch, war das wirklich schon alles?

Die Fahrt ins 3. Jahrzehnt

Ein echter Paukenschlag Ende 2014

Wir ziehen Zwischenbilanz auf wissenschaftlicher Ebene

IMIN Gründung ab 2014

Medizin Verlag akzeptiert uns als Partner!

2018 - das Jahr der internationalen Kongresse

NEWS Internationaler Ärzteworkshop Berlin 2018

Erstes und letztes Symposium Berlin 2018

20 Jahre BEMER - ein Grund zum Feiern

30 JAHRE auf TOUR durch den Osten Deutschlands

Das Ende des Jahres 2020 zeigt ein strahlendes Paar

Und seien wir zufrieden mit dem Erreichten!

2.3.2019 DIE TAGE DANACH

2019 ist ein Jahr der Zäsuren in vielerlei Hinsicht

Dänische Südsee auf der Aeroe mit Antje, Alex, Manfred, Fred

25 Jahre BEMER - eine Meister*in Leistung

Medienverzeichnis QR-Codes mit den Links zu den Medien

Auf dem Weg in die Verantwortung

Die Periode der Jahre zwischen 50 und 75 hat meinem Leben keine grundsätzlich neue Richtung gegeben, aber überraschende positive Ausblicke aufgezeigt, allerdings gleichzeitig gesalzen mit einigen neuen Herausforderungen. In der Retrospektive dieser Zeit erscheint zunächst vieles als zwangsläufiges Lernergebnis aus den Erfahrungen der Vergangenheit oder als Zwischensumme der bisherigen Aktivitäten. Ein Kapitel wird abgeschlossen - doch ganz neue Erkenntnisse tun sich auf oder treten in den Vordergrund.

Wesentliche gesundheitliche Herausforderungen wie meine Herzoperation und mein Schlaganfall sind der Auslöser für diese persönliche Rückschau, obwohl mehr als 10 Jahre dazwischenliegen. Das erzwungene Ende wesentlicher geschäftlicher Aktivitäten durch den Schlaganfall schafft Raum für ein Innehalten.

Allgemein hört man an dieser Stelle sagen, das passiere eben oft nach etwas mehr als der Hälfte des Lebens. Aber weit gefehlt, denn keiner kennt den Tag oder die Stunde, an dem der Strom des Lebens endgültig abgeschaltet wird. Eigene Erfahrungen durch eine Todesangst auslösende Kinderlähmung in frühen Jahren, einem schweren Autounfall bei Aquaplaning in wilden Jahren, einer Mangeldurchblutung des Herzens nach gestressten Jahren, nach einem Schlaganfall in den reifen Jahren - es hätte zu einem beliebigen Zeitpunkt passieren können. Und was hält die Zukunft für mich bereit aus den schier unendlichen, aber grundsätzlich bekannten Möglichkeiten? Keiner weiß es!

Zunächst muss ich mich mit 50 nach einem wiederholten geschäftlichen Absturz neu orientieren. Kurze Zeit später erlebe ich auch auf privater Ebene einen Neuanfang. Meine neue Partnerin Karin, ebenfalls 50, erfährtkurz nach unserem Kennenlernen fast zeitgleich beruflich das Ende einer Aufbau- und Blütephase eines Verbandes im ärztlichen Bereich, wofür sie mehr als 18 Jahre ihrer Zeit, Kraft, Engagement und Herzblut hineingelegt hat. Man hat sie wegrationalisiert, von einem Tag auf den anderen - ein in der Wirtschaft nicht unübliches Procedere. Sie hatte ja jüngere potentielle Nachfolger gut eingearbeitet. Der neue Vorstand will schließlich auch seine Vorstellungen von Veränderung und Verschlankung des Verbandes selbst durchsetzen, sein Revier markieren. Es wird allerdings auch für ihn kein Weg zurück in die Glanzjahre, wie sich später herausstellt, sondern harter Überlebenskampf.

Zwei 50 Jahre alte Menschen oder besser gesagt, jung und hungrig gebliebene Menschen, begegnen sich. Sie verstehen sich als Geschwister im Geiste, die nun behutsam die Vergangenheit des jeweils anderen begreifen wollen, Verständnis aufbringen können für viele abgelaufene Phasen des neuen Partners und diese Krisen als Chance erkennen wollen. Sie ist schon lange geschieden, ich selbst trage noch längere Zeit den Makel mit mir herum, in einem geschlamperten Verhältnis zu leben, da noch nicht geschieden. Die Schatten insbesondere meiner Vergangenheit begleiten uns noch viele Jahre. Aber die Gewissheit wächst kontinuierlich, dass es die richtigen Entscheidungen waren, privat wie auch geschäftlich.

Einzelne Episoden zeigen, wie die Aktivitäten oft in eine nicht vorhersehbare Richtung fuhren können, Umleitungen erforderlich machen oder nicht genehme Ergebnisse zutage fördern, die man so auch nicht annähernd geplant hatte. Tun bedeutet für mich, 24 Stunden, bei Tag und Nacht, an der Realisierung der selbst gesetzten Ziele zu arbeiten. Es ist meine notwendige Zeit, um sie zu erreichen. Überall lauern jedoch Fallstricke und es werden Fehler gemacht. Doch mein Credo seit Jugendzeiten lautet: Wer nichts tut, macht auch keine Fehler! Ich stoße hierbei auch auf Menschen, von denen ich mich besser hätte fernhalten sollen. Mit der Zeit wird es immer leichter, das richtige Gefühl dafür zu

bekommen, um diejenigen, mit denen man eine Kooperation eingehen möchte, aus der Masse der Begegnungen zu filtern. Bei Schwierigkeiten, Unstimmigkeiten oder gegensätzlichen Meinungen habe ich immer wieder aufs Neue eine Entscheidung zu treffen für das sinnvolle Zusammenleben und -arbeiten oder Trennen. „Ein Eimer, aus dem einmal Jauche geflossen ist, aus dem kann man keine Milch mehr trinken". Originalausspruch von Dr. W. Kunkler, meinem Lehrmeister bei der HMI. Die Arbeit mit Menschen erfordert ein intensives Vordenken und Hören auf das Bauchgefühl. Immer wieder ein Innehalten und prüfen, ob dieser oder jener Schritt richtig ist. Der gemeinsame Glaube an die möglichen Ergebnisse der Zukunft verstärkt das Ergebnis.

Nach einer schweren Herzoperation mit gut 60 Jahren und einem Schlaganfall mit 73 gilt es, jeweils neue Perspektiven zu finden. Wie bringe ich nun Opa sein, Arbeit, Privatleben, Reisewünsche, Alterungsprozess, Gesundheit jeweils in eine Balance, die mein Umfeld und mich nicht überfordern? Diese Balance ist schwer für mich zu finden, da ich in der Vergangenheit außerhalb der Familienkontakte, insbesondere meine vielen Wohnmobil Reisen mit Karin, immer nur die Arbeit, das Geschäft, die Pflicht gesehen habe – selbst auf Reisen.

Vieles ist gelungen, an einigen neuen Herausforderungen wird weiter gearbeitet.

Diese Rückschau ist gedanklich meinen Enkeln gewidmet. Einige von ihnen sind schon dabei, ihre ersten Schritte in die Berufswelt oder im weiterführenden Studium zu machen, andere sind gerade in der Pubertät oder noch Kleinkinder. Hier könnten sie erfahren, was sie sonst nie so ausführlich als erzählte Zusammenhänge aus dem Leben ihres Opas erfahren hätten und damit einem Teil ihrer eigenen Familie.

Der geschichtliche Zeitgeist einiger Epochen wird kurz gestreift. Dieses halte ich für notwendig, um verstehen zu können, warum mein Leben so und nicht anders abgelaufen ist, ja in vielen Passagen so ablaufen musste. Lasst mich dabei an Ereignisse sowie an das Denken der jeweiligen Zeiten erinnern und anknüpfen, in welchen letztlich die Weichen für meine Entwicklungen gestellt wurden.

Keine Angst, es wird kein Rezept Buch für eine richtige Lebens – und Arbeitsweise. Auch werden nicht permanent Weisheiten wiederholt, die schon so oft in klugen Büchern zitiert sind. Jede Zeit ist anders und doch wiederholt sich vieles, nur in anderer Verkleidung. Ich bin nach dem II. Weltkrieg 1945 geboren, da lebten erst 2,3 Mrd. Menschen auf dieser Welt; 2022 sind es schon rund 8 Mrd., also mehr als dreimal so viel, um 2035 werden es um die 9 Mrd. sein. Bald also wird schon eine Vervierfachung der Menschheit eintreten in der nicht unüblichen Lebenszeit eines Menschen. Der hierdurch entstehende Druck ist jeden Tag zu spüren, im Leben der Völker untereinander, im Berufs- und Ausbildungsleben, in der globalen Konkurrenz oder den unterschiedlichsten Demonstrationen, um nur einiges zu nennen. Noch nie war das Angebot gleichzeitig auf allen Ebenen derart vielfältig und verwirrend. In meiner Kindheit gab es z.B. eine Sorte Mehl in einer Schublade offen, beim Dorfkaufmann. Es wurde abgewogen und in eine Papiertüte gefüllt. Heute als Beispiel sind 20 Sorten nach Art und Gewicht beim Discounter bereits verpackt, oder mehr?

Sich im Leben zurechtzufinden, mag für jeden ein anders gefärbtes Abenteuer sein, für viele ist es ein Stochern im Nebel. Der sogenannte Erfolg, den ein jeder anstrebt, versteckt sich oft im Scheitern, in einer Niederlage. Wer allerdings mit der Einstellung durchs Leben gehen kann, dass alles einen Sinn ergibt in der ganzheitlichen Betrachtung des großen Ganzen, tut sich leichter. Dabei ist eine Frage für mich immer recht hilfreich und tröstend: wofür kann das gut sein, was gerade passiert? Und wenn es noch so schlecht ist für den Moment, ich will das positiv Mögliche an dieser Situation erkennen.

Die sieben Säulen der Resilienz werden mehr und mehr verfeinert im Laufe des Lebens. So werden immer wieder neue Herausforderungen gemeistert, man ist nie fertig.

1. Säule: Optimismus. Ist das Glas halb leer oder halb voll? ...

2. Säule: Akzeptanz. ...

3. Säule: Lösungsorientierung. ...

4. Säule: Bindungen/Netzwerke. ...

5. Säule: Selbstfursorge. ...

6. Säule: Verantwortung übernehmen. ...

7. Säule: Positive Zukunftsplanung.

Das Paretoprinzip hilft mir dabei, zu akzeptieren, was geschieht. Wenn z.B. 80 % meiner Bewerbungen Absagen sind, dann muss ich mir darüber im Klaren sein, dass ich mit jeder Absage meinem Ziel näher gekommen bin, also jede bereits gedanklich einen Teilerfolg darstellen kann, um mit den verbleibenden 20 % meinem möglichen Erfolg näher zu kommen, also den Lösungen meines Problems oder meiner Erwartung. Oder im Verkauf z.B. kann ich mit jeder Absage Geld verdient haben, je nachdem wie ich die Situation betrachte. Bei allen Aufgaben oder Produkten bestimmt immer eine signifikante Zahl, wie hier das Paretoprinzip zu interpretieren ist. Seit Beginn meiner Selbständigkeit schon lebe ich mit diesem Prinzip. Nur weiß ich nie, wie viel Anstrengungen denn 100 % sind, das muss sich aus meinen Erfahrungen allmählich ergeben. Dazu kommt, dass das einzig Beständige im Leben die Veränderung ist. Schonungslos zeigt der Reiseverlauf meines Lebens, wie das Hinfallen und wieder Aufstehen geübt werden muss, um höchste Höhen zu erleben und schlammige Tiefen zu durchwaten, ein Wechselbad der Gefühle. Einmal mehr aufstehen als hinfallen wird zur Lebensweisheit. Während ich diesen Rückblick auf mein Leben schreibe, geht es mir gut. Nichts regt mich auf. Ich nutze meinen Unruhe Stand dafür, um mein bisheriges Leben Revue passieren zu lassen, um einen Wegweiser für die Zukunft zu finden. Es ist wie Bilder anschauen und verschafft mir persönliche Befriedigung. Ich schreibe mit Lust, vielleicht sogar in erster Linie für mich, die Enkel nur vorgeschoben? Reflexion auf die Vergangenheit, Analysen mit dem Blick der Milde des Alters, klare Urteile aus Sicht des Vergangenen. Zusammenhänge im Blick, Wiederholungen im Verhaltensmuster in den verschiedenen Epochen sehen und immer wieder mehr oder weniger versteckt etwas zum Lernen für mich selbst und andere aufzuzeigen. Ich habe aus jeder Episode gelernt, auch wenn ich mehrmals den gleichen Fehler machen musste - oder muss ich es einfach als Lebenserfahrung einstufen? Um mit den Worten von Francis Bacon zu sprechen: Wissen ist Macht – doch es kommt darauf an, dieses Wissen auch umsetzen zu können. Ich komme beim Schreiben mit mir selbst ins Reine, nichts belastet mich mehr. Nach einer Fernsehdokumentation über die Spider Murphy Gang in den wilden 80er Jahren habe ich wunderbar geschlafen - es war Genuss pur, denn ich fühlte mich, als ob ich wieder life dabei wäre. Es berührt mich wie in jenen Jahren in München, nur mit noch mehr Emotion.

Meine Söhne und Tochter kennen vieles aus eigener Anschauung. Für sie war es ein Miterleben. Sie können sogar Begeisterung aufbringen für ihr ungezwungenes und abwechslungsreiches Aufwachsen. Es bleibt für sie eine starke Lebenserfahrung, die sie unfreiwillig geprägt hat. Hat sie das stark gemacht oder geschwächt? Ich behaupte mal, dass sie stark sind, jeder auf seine Weise.

Sohn Christoph ist in die Fußstapfen meines Opas getreten (ehemals ein Rechtskonsulent), als Fachanwalt für Migrationsrecht und im Vorstand eines SPD-Bezirks - ein Anwalt, der für die Rechte anderer kämpft. Selbst arbeite ich schon über 25 Jahre fantastisch mit ihm zusammen. Seine zwei erwachsenen und wohl geratenen Kinder sind derzeit in der Ausbildung in den Bereichen Japanologie und Motorrad. Glückwunsch!

Sohn Jens ist inzwischen Vizepräsident eines großen Computerunternehmens geworden, spricht anerkennend von seinem Protegé Chef Hannes, der leider zwischendurch für ein paar Jahre abseits der Kernfirma tätig war. Er ist Vater einer fleißigen, eigenwilligen Adoptivtochter. Und er war ein liebevoller Kümmerer für seine inzwischen in viel zu jungen Jahren verstorbene Frau, ebenso für seine an Demenz leidende Mutter, die von allen rührend versorgt wird. Chapeau!

Es wäre vielleicht auch für meine Schwiegertöchter schön bzw. schön gewesen, mehr darüber zu wissen, woher der andere kommt, was ihn geprägt hat. Dadurch hätte dann noch mehr Verständnis für Schwächen und Stärken ihrer Männer aufgebracht werden können. Obwohl sie schon um die 20 Jahre verheiratet sind und noch länger einander kennen, haben sie wahrscheinlich nur bruchstückhaft eine Ahnung von mir aus jungen Jahren bzw. hatten. Ich habe einiges mit Ihnen aus der Entfernung erlebt während ihrer Ehejahre und bewundere ihre Art, wie sie sich in sozialen, medizinischen und ökologischen Bereichen engagieren bzw. engagiert haben und mit meinen Söhnen gut sind. Für die mit 56 Jahren im Jahr 2022 verstorbene Uschi bin ich leider zu spät dran. Ihren philosophischen Ausflug mit Harald Lesch über die Zeit bleibt mir ewig in Erinnerung: Zeit ist bunt, eine Aussage mit viel Interpretationsspielraum. Ebenso ihre philosophischen Betrachtungen zum Thema, wie Bildung gelingt, zeigen von hohem Verständnis für das Gelingen von Bildungsarbeit.

Tochter Susi, Studienarbeit im Bereich Event Management, in dem ich zu jener Zeit peripher tätig war, im Ausland für die FIFA Organisation (Weltfußballverband) tätig gewesen - hat einen Ägypter von Ihren Auslandsaufenthalten aus Südafrika mitgebracht, mit dem sie nun drei kleine Kinder dreisprachig aufziehen darf, deutsch, englisch, arabisch. Es ist sehr schwer, mit meinem Schwiegersohn in einen gedanklichen Austausch zukommen, denn es sind unterschiedliche Welten, aus denen wir kommen. Ich habe ihm bei der Ankunft in Deutschland mein ehemaliges Geschäft und seine Möglichkeiten erklärt, leider keine Nachfrage. Er lässt sich erst mal operieren an den Knien, genießt die gute medizinische Heilkunst in Deutschland und hängt seinen Träumen nach, beurteilt die Welt aus seiner muslimischen Sicht. Er scheint aber ein guter Vater, Lehrer, Unternehmer und Fitness Coach zu sein. Zwischendurch getrennt lebend, hat er auch seine fanatischen Seiten gezeigt, in dem er seine eigenen Kinder - meine Enkel – während eines Urlaubs in Ägypten entführt hat, so dass meine Tochter Susi mit Mitte 40 zwangsweise ihren Lebensmittelpunkt für die nächsten Jahre in diesem Land haben wird, sich neu positionieren muss.

Ja, ich bin stolz auf meine Kinder – sie haben dieses ewige geschäftliche Auf und Ab der inzwischen geschiedenen Eltern scheinbar gut weggesteckt. Sie haben nie gejammert. Spätestens seit dem Abitur haben sie selbstständig und selbstbestimmt gelebt.

Treffen am Tag der Deutschen Einheit 03.10.2023 im Tagträumer zum Weißwurstfrühstück. Eine in den letzten 30 Jahren einmalige Begebenheit.

So, nun werde ich mal langsam anfangen, was aufs Papier zu bringen. Wie viel Zeit ich dazu habe, weiß ich ja nicht, wenn auch meine Herzoperation und mein Schlaganfall ganz gut überstanden wurden. Ich muss immer wieder dran denken, wie ich nach den ersten Anzeichen von Sprachstörungen, der Krankenwagen war schon unterwegs, zu Karin sagte: „Ich dachte, wir hätten noch zehn gute Jahre“.

Bei der Überarbeitung dieser Rückschau in 2021/22/23 sind nun schon wieder einige Jahre vergangen nach meinem Schlaganfall, stark von der Corona-Pandemie geprägte Jahre. Diese haben unsere Aktivitäten einerseits zwar eingeschränkt, andererseits fokussiert beim Verreisen in Lieblingsgebiete wie der Ostsee - natürlich auch zum Segeln mit Manfred und Antje von der Schlei bis zur Dänischen Südsee.

Der Elbe rund um Hamburg, Lüneburger Heide genau zur richtigen Zeit der vollen Blüte, 75 Jahre feiern mit Teilen der Familie im Alten Land zwischen Apfelbäumen - es war ein vollgepacktes, intensives Jahr mit dem Wohnmobil im Jahr 2020.

Nicht zu vergessen der tägliche Kampf zur Verbesserung der Gesundheitssituation. Auf dem Trampolin wippen und laufen, Medizinball zur Unterstützung bei Liegestützen nutzen, am Schlingentrainer vielseitige Kräftigungsübungen absolvieren, Theraband und Ergometer nutzen – und jeden Tag, wenn möglich, 20-50 KM mit dem Fahrrad fahren.

An der Elbe

Lüneburger Heide

Mein erster Anlauf, einen Rückblick zu verfassen

Ski Langlauf auf dem Schömberg - März 2005

Es hatte wohl an die 40 cm Neuschnee gegeben in den vergangenen Tagen. Frisch gespurte Loipen in der Märzensonne, den Blick über die Höhenzüge des Schwarzwaldes bis zur Schwäbischen Alb und im Dunst die Schweizer Berge, einfach herrlich. Was kann es schöneres geben, als die Bretter gleiten und die Gedanken fließen zu lassen? Langsam erhöht sich der Puls, der ganze Körper ist wieder im Takt der rhythmischen Bewegung und beginnt zu schwitzen. Und auf halber Strecke führe ich mal wieder Selbstgespräche, rede mit Karin und versuche, ihr meine Begeisterung von dieser ersten Stunde Langlauf mitzuteilen - denn sie hat sich in ihrer unendlichen Pflichterfüllung an diesem ganz normalem Arbeitstag das Büro auferlegt. Ich kann nicht verstehen, was es in diesem Moment denn wichtigeres im Leben geben könne, als dieses Schneeparadies zu zweit zu erleben, diese Chance zu nutzen, sich gemeinsam an der Natur zu erfreuen, um die Kraftreserven wieder mal aufzutanken. Es tauchen die Gedanken an Karins 60. Geburtstag in ein paar Monaten auf - na, und meiner ist ja auch nicht mehr fern.

So sind nun fast zehn gemeinsame Jahre vergangen. In meinem sogenannten Bewerbungsschreiben an die Süddeutsche Zeitung unter ZS 3630832 hatte ich mich ihr gegenüber am 23.9.95 als 50-Jährigen mit grauen Schläfen beschrieben, in der Grundeinstellung positiv und erfolgsorientiert. Meine Vorstellung, mit dieser mir damals noch fremden Inserentin eine Partnerschaft erleben zu wollen, wo wir uns eine kleine Insel der Freude und des gegenseitigen Verwöhnens aufbauen könnten, motivierte mich damals sehr.

So schrieb ich wörtlich:

Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens.

Das vorherrschende Gefühl in jener Stunde hieß Hoffnung auf Veränderung, das des Skiläufers 10 Jahre später heißt Dankbarkeit.

Diese Sammlung von Gedanken, Erinnerungen, Gefühlen will ich auch all jenen widmen, die mir durch ihre Zuneigung, ihr Fordern und das Aufzeigen von Grenzen, Kraft gegeben haben. Ihre Motivation nach einer mir unendlich lang erscheinenden Talfahrt hat mir geholfen, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Sie leisteten einen starken Beitrag dazu, dass ich wieder in die Lage versetzt wurde, andere Menschen begeistern und führen zu können.

Allen voran geht der Dank an Karin, meiner neuen Lebens- und Geschäftspartnerin, die in steter Fairness und liebevoll selbst in schwierigen Zeiten nicht das Handtuch warf, sondern sich mit den positiven Eigenschaften des Stiers für die gemeinsame Zukunft einsetzte. Gleichermaßen gebührt meinen Söhnen und meiner Tochter hohe Anerkennung, insbesondere für ihre gelebte Neutralität in den Jahren des Umbruchs und danach. Der vertrauensvolle Familiengeist hat auch nie aufgehört. Hilfe erfuhr ich sowohl auf rechtlichem Gebiet wie auch familiär. Dank auch der Mutter meiner Kinder, da sie dem gemeinsamen Nachwuchs wichtige Grundlagen für das Leben mitgab, aber auch an meiner persönlichen Entwicklung maßgeblichen Anteil hat.

Krise als Chance

Kein Zustand bleibt auf ewig bestehen. Dieses Grundgesetz, dass das einzig Beständige im Leben der Wandel ist, soll mein Rettungsanker werden. Seit frühester Kindheit ist es mir aber auch klar gewesen, dass immer nur ich selbst die Veränderung herbeiführen kann. So kenne ich das Wort aufgeben nicht, denn es gibt immer eine Lösung der Situation. Das Wort - Problem - schiebe ich weit von mir.

Jede Lebenssituation hat ihre eigenen Ursachen. Nach 28 Ehejahren bin ich mit 50 Jahren wieder ganz auf mich fixiert. Ich befinde mich in einer Art Überlebenskampf, der mich von Tag zu Tag mehr auszehrt. So ist es denn kein Wunder, wenn Menschen mir sagen, dass ich damals mit 50 älter ausgesehen hätte als zehn Jahre später mit 60. Mir selbst fällt es ja nicht auf, da mein Adrenalinspiegel immer auf höchstem Niveau tanzt und der Wille zum Überleben ungebrochen ist. Diese Situation zu meistern, bedarf eines klaren Kopfes und eines ungebrochenen Willens zum Sieg. Das Wort Untergang trifft für mich, so hoffe ich, nicht einmal für die letzten Sekunden des Lebens zu, da auch das zunächst nur eine Veränderung ist.

Heute weiß ich, dass Menschen mit einer guten Ausbildung als Verkäufer sich leichter tun nach einem Crash und weniger schnell oder überhaupt nicht untergehen können, wenn sie die Gesetze des Lebens gelernt haben und diese akzeptieren, also auch nicht dagegen arbeiten. Mit 50 Jahren habe ich immerhin mehr als 22 Jahre Selbstständigkeit schon hinter mir und glaube, tiefe Täler durchschritten und höchste Höhen erlebt zu haben, ja vielleicht schon zwei Leben gelebt zu haben.

Meine eigene Wertigkeit ist schon in frühen Jahren auch vom Geld geprägt, lange Zeiten ist es mehr das fehlende Geld. Selbstständiger Unternehmer bin ich doch schon ab frühester Kindheit. Mit 16 Jahren als Schüler, wo ich das Milchgeschäft mit einem Dreimonatsverdienst als Investition vom Vorgänger übernehme. Dieses Unternehmen führe ich eigenständig, kaufe Milch von glücklichen Kühen ein und verkaufe sie. Mitarbeiter in Form von Mitschülern werden für Vertretung und zur Hilfe gegen Naturalien eingestellt. Dieses Milchgeschäft verschafft mir einen einzigartigen täglichen Zutritt zum Lehrerzimmer, da lässt sich manches en passant regeln. Und die Verbindung mit dem Hausmeister muss natürlich auch immer stimmen.

Strand des Internats am Wyker Südstrand - Richtung Langeneß

Zöglinge vom Carl - Hunnius Internat (Nachfolger von Misdroy)

Saure Milch gibt es bei mir nicht. Es wird immer weniger bei der Molkerei bestellt, als fixe Bestellungen vorliegen - Krankheit, Abwesenheit und Vergesslichkeit regulieren die Mengen von ganz alleine und gleichen sie aus. Die erste wirkliche finanzielle Unabhängigkeit ist geboren - keiner in der Klasse verfügt über so viel Taschengeld wie ich. Das ist gut so, denn meine Mutter hat als Alleinerziehende kein Geld übrig für meine Sonderwünsche wie Reisen als 16-jähriger. Trampen ist in. Mit jeweils geringem Budget ziehe ich in den Ferien in die Welt, z.B. nach Oslo - und auf dem Weg Freundinnen und Heimat besuchen; nach Paris, in die Stadt der Liebe und Kunst; nach Venedigs heißem Strand und dabei in der Jugendherberge zu schlafen (merkwürdige Stehtoiletten). Ich weiß es noch, als ob es gestern war - kurz vor dem Mont Cenis, einfach mitten auf die Straße gestellt mit Benno, meinem kurzzeitigen Begleiter, um eine Mitfahrgelegenheit mit einem LKW zu bekommen. In Paris mit einem BMW V 8 schlafenderweise anzukommen und eine eigene kleine Wohnung von meiner Brieffreundin präsentiert zu bekommen - es ist Abenteuer pur.

Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, auch nicht, als ich es hätte können. Selbst nicht, als ich mich zehn km von seinem Wohnort entfernt in Österreich auf der Rückreise von Messeaktivitäten in Wien einquartiert habe. Ich verspüre kein Interesse an einem Kennenlernen. Seit meiner Geburt hatte er sich geweigert, meine Mutter und mich finanziell zu unterstützen - und nun hätte ich ihm zeigen sollen, was für ein Prachtkerl als Ergebnis seines Fronturlaubes entstanden war?

Nein, warum sollte ich oder hätte ich doch sollen?

Trotz aller Neugier und dem Drang, ihm mit Verachtung oder Verzeihen für sein nicht kümmern entgegenzutreten, lebe ich persönlich gut mit meiner Entscheidung. Menschen, die keine Verantwortung zu tragen bereit sind, haben keinen Platz in meinem Leben. Diese Einstellung mag auch ein ausschlaggebender Faktor dafür sein, dass ich ohne zu zögern und ohne jegliche Diskussion mit 20 Jahren die Erlaubnis zur Heirat beim Jugendamt einholte, um den Nachwuchs in ordentlichen und geborgenen Verhältnissen aufwachsen zu lassen.

August 64: müde, aber immer neuen Abenteuern entgegen

Kommentar einer unbekannten Handschrift hinten auf dem Bild, da muss eine Frau im Spiel gewesen sein!

Die Anfangsjahre im Internat zwingen mich zur Integration in die Gemeinschaft. Als freiheitsliebendes Kind vom Lande jedoch kann ich mich aber nur schwer an die Eingrenzungen durch zu viele Regeln oder durch die Ausgrenzungen bestehender Gruppierungen durchkämpfen. Die Prügelstrafe ist gerade erst abgeschafft worden in diesem Hause, wurde es doch von einem Pastor geleitet. Kurz zuvor war es noch üblich, insbesondere Jungen, für Verfehlungen mit dem Gitter oder Weidenstock auf den nackten Hintern zu züchtigen. Dieses wurde für Lehrer erst im Jahre 1973 verboten und in der Familie wurden Züchtigungen erst ab dem Jahre 2000 gesetzlich geächtet.