Serapis. Historischer Roman. Band 1 - Georg Ebers - kostenlos E-Book

Serapis. Historischer Roman. Band 1 E-Book

Georg Ebers

0,0
0,00 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

SERAPIS Wir schreiben das Jahr 391 nach Christus in Ägypten: In Alexandria kommt es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden, angestachelt vom Patriarchen Theophilos. Einige Heiden haben sich im bekannten Serapisheiligtum verschanzt, Christen zum Opfern gezwungen und teils gekreuzigt. Kaiser Theodosius vergibt zwar die Morde, um so die Situation zu beruhigen, ordnet aber die Zerstörung des Heiligtums an. In dieser Zeit der Wirren befindet sich ein junges Mädchen im Widerstreit und in einer gefährlichen Lage; einerseits zum Christentum bekehrt, hängt sie tief in ihrem Inneren aber noch immer an den heidnischen Göttern… Der zweibändige historische Roman »Serapis« zeigt das letzte Ringen des Heidentums mit dem Christentum und wie aus den Trümmern der alten Welt eine neue erwächst. Dem Historiker und Ägyptologen Georg Ebers gelingt die Verbindung von geschichtlich korrekter Darstellung und fiktiver Erzählung. Auch der altertümlich anmutende Sprachstil trägt zur authentischen Gesamtwirkung des Werkes bei. Diejenigen Leserinnen und Leser, die die Qualität eines historischen Romans auch in seiner Realitätsnähe erkennen, werden mit diesem Buch einen lohnenden Fund machen. Der historische Roman umfasst ca. 550 Seiten und liegt hier in einer zweibändigen und überarbeiteten Neuauflage vor. Dieses ist der erste von zwei Bänden. Der Umfang des ersten Bandes entspricht ca. 250 Buchseiten. CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES Der zweibändige historische Roman »Serapis« bildet zugleich die Teile 18 und 19 der episch angelegten Reihe »CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES«. Diese Reihe behandelt in eigenständigen Geschichten verschiedene Epochen des Alten Ägyptens. Die eigenständigen Geschichten können unabhängig voneinander gelesen werden. In ihrer Gesamtheit vermitteln sie den Leserinnen und Lesern auf unterhaltsame und spannende Weise einen soliden Wissensstand über Geschichte, Kultur, Religion und Alltagsleben des antiken Reiches, das seine Macht auf das fruchtbare Delta des Nils fußte und von seinen Einwohnern einst »Kemet« genannt wurde: »Schwarzes Land«.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

GEORG EBERS

 

 

SERAPIS

 

Historischer Roman

in zwei Bänden

 

 

BAND 1

DIE HEIDEN

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieses Buch ist Teil der BRUNNAKR Edition: Fantasy, Historische Romane, Legenden & Mythen.

 

BRUNNAKR ist ein Imprint des apebook Verlags.

 

Nähere Informationen am Ende des Buches oder auf:

www.apebook.de

 

1. Auflage 2021

V 1.0

 

 

ISBN 978-3-96130-369-4

 

Buchgestaltung/Coverdesign: SKRIPTART

www.skriptart.de

 

Alle Rechte vorbehalten.

© BRUNNAKR/apebook 2021

 

 

 

 

Bleibe auf dem Laufenden über Angebote und Neuheiten aus dem Verlag mit dem lesenden Affen und

abonniere den kostenlosen apebook Newsletter!

Erhalte zwei eBook-Klassiker gratis als Willkommensgeschenk!

Du kannst auch unsere eBook Flatrate abonnieren.

Dann erhältst Du alle neuen eBooks aus unserem Verlag (Klassiker und Gegenwartsliteratur)

für einen sehr kleinen monatlichen Beitrag (Zahlung per Paypal oder Bankeinzug).

Hier erhältst Du mehr Informationen dazu.

 

 

 

 

 

 

 

 

SERAPIS

 

Band I

Band II

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

SERAPIS. Band 1: Die Heiden

Frontispiz

Impressum

Vorbemerkung

Karte

ERSTER BAND

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Eine kleine Bitte

CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES

BRUNNAKR Edition

Buchtipps für dich

A p e B o o k C l a s s i c s

N e w s l e t t e r

F l a t r a t e

F o l l o w

A p e C l u b

L i n k s

Zu guter Letzt

Vorbemerkung

 

Die nachfolgende Geschichte spielt im Alten Ägypten, zu einer Zeit, die so weit entfernt liegt von der unsrigen, dass wir Mühe haben, uns in die damalige Lebenswelt einzufinden - zumal die geschilderten Begebenheiten in einem uns fremden Kulturkreis stattfinden. Die dargestellten Gepflogenheiten in Kultur, Religion und Leben entsprechen jedoch exakt dem Kenntnisstand der Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts. Der Autor der Bücher, Georg Ebers, zählt zu den bedeutendsten Ägyptologen der Welt. Somit werden die Leserinnen und Leser dieser Geschichte nicht nur in eine fremde Welt in längst vergangener Zeit entführt, sondern werden auch sehr viel lernen über das Leben im Alten Ägypten.

 

Die Sprache der Geschichte ist für heutige Leserinnen und Leser in einer zunächst ungewohnten Rechtschreibung verfasst. Dabei handelt es sich aber nicht um Fehler, sondern um eine antiquierte Schreibweise, die die altertümliche Stimmung des historischen Romans unterstützt. Die geneigte Leserin und der geneigte Leser werden schnell bemerken, dass nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung die gewählte Form nicht mehr den Lesefluss hemmt, sondern die eben besagte Wirkung entfaltet. Wer sich an dieser Schreibweise jedoch stört, dem sei von der Lektüre und dem Erwerb der Bücher von vornherein abgeraten.

 

Der zweibändige historische Roman »Serapis« entspricht den Teilen 18 und 19 der episch angelegten Reihe »CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES«. Diese Reihe behandelt in eigenständigen Geschichten verschiedene Epochen des Alten Ägyptens. Die einzelnen Romane sind in chronologischer Reihenfolge:

 

Uarda (3 Bände)

Die Königstochter (3 Bände)

Die Tempelschwestern (2 Bände)

Kleopatra (2 Bände)

Der Kaiser (3 Bände)

Homo sum (2 Bände)

Per Aspera (2 Bände)

Serapis (2 Bände)

Die Nilbraut (3 Bände)

 

Die eigenständigen Geschichten können unabhängig voneinander gelesen werden. In ihrer Gesamtheit vermitteln sie den Leserinnen und Lesern auf unterhaltsame und spannende Weise einen soliden Wissensstand über Geschichte, Kultur, Religion und Alltagsleben des antiken Reiches, das seine Macht auf das fruchtbare Delta des Nils fußte und von seinen Einwohnern einst »Kemet« genannt wurde: »Schwarzes Land«.

 

 

 

 

 

 

 

KARTE

des

ALTEN ÄGYPTEN

 

 

 

 

ERSTER BAND

DIE HEIDEN

Erstes Kapitel.

Das geschäftige Treiben der Stadt war schon seit einigen Stunden zur Ruhe gekommen, Mond und Sterne zogen lautlos über Alexandria hin, und auf manches Lager hatte sich ein Traum gesenkt. Es war eine köstliche, frische, wahrhaft gnadenvolle Nacht, aber wenn auch in den Straßen und Gassen Ruhe herrschte, so fehlte es doch in dieser Zeit der Rast an der rechten, die Seelen besänftigenden Stille.

Schon seit einer vollen Woche lag etwas Beklemmendes, fieberhaft Gespanntes in der Ruhe der Nächte. Die Häuser und Läden waren so fest verschlossen, als sollten sie nicht nur den Schlaf vor Störung, sondern Leben und Besitz vor Einfällen behüten. Statt froher Stimmen tönte schwerer Soldatenschritt und Waffengerassel von den schlummernden Häusern wider.

Wenn irgendwo römische Kommandorufe oder die erregten Stimmen schlafscheuer Mönche lauter erschollen, öffnete sich hier eine Lade, dort eine Pforte, und ein Menschengesicht lugte bang' in die Straße. Mancher spät Heimkehrende drückte sich, wenn die Wachen nahten, in ein vertieftes Thor oder an eine von dunklen Schatten verhüllte Mauer. Wie die Brust des Schläfers der Alp, hemmte ein geheimnißvolles Etwas den Herzschlag der regsamen Stadt.

In dieser Nacht des Jahres 391 nach der Geburt unseres Heilands sah man in einer engen Gasse, welche von dem Handelshafen Kibotus ausging, einen ältern Mann an den Häusern hinschleichen. Er war schlicht aber anständig gekleidet und schaute mit vorgebeugtem Kopfe bald vorwärts, bald seitwärts. Wenn eine Scharwache nahte, zog er sich in den Schatten zurück. Auch ohne ein Dieb zu sein, hatte er Grund, den Soldaten aus dem Wege zu gehen; denn es war heute Einheimischen und Fremden verboten worden, sich nach dem Schluß des Hafens auf der Straße zu zeigen.

Bei einem großen Hause, dessen lange, fensterlose Wand sich ungastlich zwischen zwei Querstraßen hinstreckte, hemmte er den Schritt vor dem großen Thor inmitten desselben und las die von einer Laterne matt beleuchtete Inschrift:

»Zum vollendeten Märtyrer. Von seiner Wittwe Maria allen Denen geöffnet, welche eines Obdachs bedürfen. Wer den Armen giebt, leihet dem Herrn.«

»Zu wie viel Prozent?« murmelte der Alte, und ein spöttisches Lächeln glitt um seinen bartlosen Mund.

Der Schlag des Klopfers dröhnte durch die stille Straße, und nach kurzen Fragen von innen und ebenso bündigen Antworten von außen öffnete sich in dem großen Thore eine kleine Pforte. Der Alte wollte den Vorhof durchschreiten, aber eine menschliche Gestalt kroch ihm wie ein Thier auf allen Vieren entgegen, umspannte mit einem kräftigen Griff sein Fußgelenk und rief mit rauher Stimme: »Nach Thoresschluß. – Das Bußgeld; Ihr wißt, es ist für die Armen!«

Der Alte warf dem Thorhüter ein Kupferstück hin. Dieser betastete es schnell, nahm dann das Tau, mit dem er wie ein Kettenhund an einen Pfosten gebunden war, in die Hand und warf dem Andern die Frage zu: »Nichts Feuchtes für einen Christen?«

»Es hat lang nicht geregnet,« lautete die Antwort, und ungehindert öffnete der Nachtwandler nun eine zweite Pforte und betrat einen unermeßlich weiten Hof, über den sich der blaue Himmel breitete.

Wenige Fackeln an den Pfeilern und einige kleine Feuer am Boden einten hier ihr trübes, qualmendes Licht mit dem reinen Glanze der Sterne. Schwere, dunstige Luft, untermischt mit Rauch und dem Duft von frisch bereiteten Speisen erfüllte den weiten Raum.

Schon auf der Straße hatte der Alte ein unbestimmtes Summen, Brausen und Branden vernommen; jetzt scholl ihm ein lautes Gewirr von Geräuschen und Tönen entgegen. Es ging von Menschen aus, welche zu Hunderten, hier gruppenweise, dort einzeln, schlafend und sogar schnarchend, streitend, speisend, schwatzend oder singend auf dem mit Speltstroh bestreuten Hofe umherlagen.

Die Herberge war wohl besetzt, und mehr als die Hälfte ihrer bescheidenen Gäste bestand aus Mönchen, welche gestern und vorgestern schaarenweise aus den Cönobien, Lauren und Einsiedeleien in der Wüste und in der Mehrzahl aus den nitrischen Klöstern in die Stadt geströmt waren. Einige von ihnen hatten die Köpfe zu eifrigem Geflüster zusammengesteckt, Andere stritten laut, und in den Psalmengesang einer großen Gruppe in der nördlichen Ecke des Hofes mischte sich wunderlich das »Drei«, »Vier«, »Sieben« der Moraspieler und die Stimme des Garkochs, welcher Brod, Fleisch und Zwiebeln feilbot.

An die Hinterwand des Hofes, welche dem Eingang gegenüberlag, schloß sich ein offener Gang, in den eine Reihe von Thüren mündete. Diese führten in die für obdachlose Familien mit Weibern und Kindern bestimmten Stuben, welche durch einen Vorhang in einen vorderen und hinteren Raum getheilt waren.

Solch ein Zimmer betrat der Alte und ward dort von einem jungen Manne, welcher Kopaïsrohr für das Mundstück einer Doppelflöte zurechtschnitt, und einer stattlichen Matrone mit frohem Willkommen empfangen.

Der späte Ankömmling hieß Karnis und war das Haupt einer wandernden Sängerfamilie, welche gestern aus Rom nach Alexandria gekommen war. Es sah schlimm um ihn aus, denn während er und die Seinen sich an der afrikanischen Küste in einem Boot vor Seeräubern gerettet hatten, war der Sack mit dem letzten Rest seiner Habe verloren gegangen. Der junge Besitzer des Schiffes, dem er seine Rettung verdankte, hatte ihm Einlaß in das Xenodochium seiner Mutter, der Wittwe Maria, verschafft; aber dort war es ihm nichts weniger als wohl gewesen, und so hatte er sich denn schon am Mittag auf die Beine gemacht, um ein anderes Quartier zu suchen.

»Alles vergebens,« rief er, indem er sich den Schweiß von der Stirne wischte. »Bin dem Medius durch die halbe Stadt nachgelaufen. Hab' ihn auch endlich bei dem Magier Posidonius gefunden, dessen Handlanger er spielt. Hinter dem Vorhang gab es zu singen. Widerwärtiger Galimatias; aber dabei alte Weisen mit Flötenbegleitung in der Art des Olympus; gar nicht so übel. Sie lassen da Geister erscheinen. Bei'm Hunde, ein seltsames Treiben! Medius steckt mitten darin. Ich ordnete den Chor und sang etwas mit. Alles, was dabei abfiel, war etwas lumpiges Silber – da! Doch Quartier, freies Quartier, das giebt es hier nur für Eulen. Dazu das Gesetz, das verwünschte Gesetz!«

Der jüngere Mann hatte während der Rede des Alten heitere Blicke des Einverständnisses mit der Matrone getauscht. Jetzt unterbrach er ihn und sagte freudig:

»Unbesorgt, Vater, wir haben etwas Gutes in Aussicht.«

»Ihr?« fragte der Alte und zuckte ungläubig die Achseln, während ihm sein Weib ein gebratenes Hühnchen auf einem Schemel zutrug, welcher ihm als Tisch dienen sollte.

»Wir, Vater, wir,« fuhr der Sohn fort und legte das Messer aus der Hand. »Du weißt, wir hatten dem Dionysus auf der Flucht vor den Seeräubern ein Opfer gelobt, ist er doch selbst einmal in die Hand der Piraten gefallen, und so suchten wir denn seinen Tempel. Die Mutter kannte den Weg; doch als wir: sie, Dada, mein' ich, und ich . . .«

»Wa – was!« unterbrach ihn Karnis, welcher nun erst den Braten bemerkte. »In solchem Jammer ein Huhn, ein ganzes in Öl gebratenes Huhn!«

Die letzten Worte hatten zornig und vorwurfsvoll geklungen, aber die Matrone legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte begütigend:

»Wir bringen es bald wieder ein. Mit Selbstquälerei wird kein Sesterz gewonnen. Das Heute genießen! Für morgen, Alter, schaffen die Götter schon Rath!«

»So?« fragte Karnis in verändertem Tone. »Freilich, wo Einem statt der Tauben gleich gebratene Hennen oder Hähne in's Maul schwirren, da . . . Aber Recht hast Du, Herse, heute wie immer. Nur – nur . . . Mich mästet man hier wie einen Senator, und ihr, ihr . . . Ich möchte wetten, ihr habt nichts als Milch getrunken und Brod und Rettig dazu gegessen! Richtig? Dadurch wird freilich das Huhn zum Fasan, und Du, Alte, nimmst diese Keule. Die Mädchen sind schon schlafen gegangen? Da ist ja auch Wein. Deinen Becher her, Junge! Spenden wir dem Gotte! Ein Io dem Dionysus!«

Beide goßen eine kleine Libation auf den Boden und tranken. Dann stieß der Alte das Messer in die Brust des Bratens und ließ es sich schmecken, während Orpheus, von mancher Frage unterbrochen, in seiner Erzählung fortfuhr.

»Der Tempel des Dionysus war nicht mehr zu finden gewesen, denn der Bischof Theophilus hatte ihn abreißen lassen. Welcher Gottheit sollten sie nun den Kranz und den Kuchen anbieten? In Ägypten doch nur der mütterlich waltenden Isis. Ihr Heiligthum lag am mareotischen See, und die Mutter hatte es gleich wiedergefunden. Sie war dort mit einer Priesterin in ein Gespräch gekommen, und sobald diese erfahren, daß sie – Frau Herse war vorsichtig genug bei dieser Mittheilung gewesen – daß sie zu einer Sängerfamilie gehörten, welche Erwerb in Alexandria suche, hatte sie ihnen eine junge, verschleierte Frau zugeführt.

»Die,« fuhr Orpheus fort, der Sohn des Karnis, welcher bald die hohe Männerstimme zu halten, bald die Flöte zu blasen hatte und auch die Leyer zu schlagen verstand, »die forderte uns dann auf, später in ihr Haus zu kommen und dort Mancherlei mit ihr zu besprechen. Sie fuhr auf einem schönen Wagen davon, und wir, natürlich, wir stellten uns ein. Auch Agne war bei uns. Ein herrliches Haus! Etwas Glänzenderes haben wir weder in Rom, noch in Antiochia gesehen. Wir wurden auch freundlich empfangen, und bei ihr war noch eine ganz alte Frau und dann ein hoher, ernster Herr, ein Priester, denk' ich, ein Philosoph oder dergleichen.«

»Doch keine christliche Falle?« fragte Karnis mißtrauisch. »Ihr kennt diese Stadt nicht, und seit dem Gesetze –«

»Unbesorgt, Vater! Es standen Götterbilder in den Sälen und Hallen, und in dem Gemach, wo uns die schöne Gorgo, die Tochter des reichen Kaufherrn Porphyrius, empfing – wir wissen jetzt, wer der Vater des jungen Mädchens ist und noch manches Andere – war der Opferstein unter dem Bilde der Isis ganz frisch gesalbt. – Der Philosoph fragte uns auch, ob wir wüßten, daß Theodosius ein neues Gesetz erlassen, welches den Mädchen verbiete, öffentlich aufzutreten, zu singen oder Flöte zu spielen.«

»Und das hat Agne gehört?« fragte der Alte mit gedämpfter Stimme und wies auf den Vorhang.

»Sie war mit Dada im Garten, zu dem das Gemach sich öffnete, aber die Mutter bekannte doch, daß das Mädchen eine Christin sei, wenn auch von guter Art, und weil sie in unseren Diensten stehe, verpflichtet, Alles mit uns zu singen. Da rief der Philosoph der schönen Gorgo zu: ›Wie gefunden!‹ Dann flüsterten Beide zusammen, riefen die Mädchen herein, und nun mußten sie zeigen, was sie vermögen.«

»Und wie ist es gegangen?« fragte der Alte, und sein Auge begann sich zu beleben.

»Dada hat wie eine Lerche geschmettert, und Agne, – nun, wie soll ich nur sagen? Du kannst Dir's leicht denken. Die Stimme klang schon, aber es ist doch wie immer gewesen. Man ahnt, wie tief es ihr geht und wie viel in ihr steckt, nur recht heraus will es nimmer. Worüber hat sie in unserem Dienste zu klagen? Und doch gewinnt Alles in ihrem Mund die wehe, schmerzliche Färbung, gegen die auch Du nichts vermagst. Übrigens hat sie besser als Dada gefallen, denn ich merkte wohl, daß Gorgo und der Philosoph sie und immer nur sie im Auge hatten und einander Blicke und leise Worte zuwarfen, die Agne betrafen. Nach dem zweiten Liede trat uns die Jungfrau entgegen, lobte die Mädchen und fragte, ob wir uns getrauen würden, einen neuen Sang einzulernen. Ich sagte, mein Vater sei ein großer Meister, der auch das Schwerste beim ersten Hören begreife.«

»Das Schwerste? Hm! Es kommt drauf an!« schmunzelte der Alte. »Hat sie es verzeichnet?«

»Nein; 's ist etwas dem Linus Verwandtes, und sie sang es uns vor.«

»Des reichen Porphyrius Tochter hat euch etwas zum Besten gegeben? Euch?« lachte Karnis. »Bei'm Hunde! Die Welt verkehrt sich. Seit die Sängerinnen nicht mehr vor den vornehmen Leuten auftreten sollen, kommt die Kunst auf dem umgekehrten Wege zu Tage. Sie läßt sich nicht tödten. In Zukunft wird der Hörer für sein Stillehalten bezahlt und der Sänger erkauft sich das Recht, ihn zu quälen. Unsere Ohren, die armen Ohren werden das Opfer!«

Orpheus schüttelte zu diesem Ausrufe lächelnd den Kopf, warf das Messer wieder aus der Hand und entgegnete eifrig: »Höre sie nur, und so wahr ich Dein Sohn bin, Du giebst das letzte Kupferstück hin, um sie wieder zu hören!«

»Das wäre!« brummte der Alte. »Ja, es giebt hier noch Meister. Den Linus, sagst Du, hat sie gesungen?«

»Etwas dergleichen. Eine Totenklage war es von erschütternder Kraft. ›O kehre, kehre zurück, Geliebter, zu Deinem Hause!‹ Das kam immer und immer wieder. Und da war eine Stelle, die hieß: ›O, hätte doch jede Thräne einen Mund und verbände sich mit mir, um Dich zu rufen.‹ Wie sie das hervorklagte, Vater! Ich meine, dergleichen hab' ich mein Lebtag nimmer vernommen. Frage die Mutter! Selbst Dada's Augen sind nicht trocken geblieben.«

»Ja, es war herrlich,« stimmte die Matrone bei. »Ich mußte immer denken, wenn Du nur da wärst!«

Karnis erhob sich, und während er unruhig in dem engen Gemach umherschritt und die Arme heftig bewegte, sprach er vor sich hin: »So also, so. Eine Freundin der Musen. Die große Laute ward mit gerettet. Gut, gut. Meine Chlamys, hm, das garstige Loch hier! Wenn die Mädchen nicht schliefen . . . aber morgen soll Agne in aller Frühe . . . Ist sie groß? Ist sie schön?«

Frau Herse hatte ihrem schnell erregten Manne zufrieden nachgeschaut und fiel ihm nun in die Rede: »Keine Hera, keine Muse, gewiß nicht! Sie ist kaum von mittlerer Größe, zierlich gebildet und doch nicht winzig. Schwarze Augen, lange Wimpern, dunkle, zusammengewachsene Brauen. – Ob ich sie schön nennen möchte, wie Orpheus?«

»Doch, doch, Mutter!« rief dieser. »Schön, ich weiß es wohl, ist ein großes Wort, mit dem mich Vater sparen lehrte; aber sie – was wäre denn schön, wenn sie es nicht war, als sie die großen dunklen Augen aufschlug und das Haupt bei der Klage rückwärts neigte? Wie floß da Ton auf Ton aus den untersten Tiefen des Herzens, wie stieg es auf bis zur höchsten Höhe des Himmels. Ja, wenn Agne das von ihr lernte! ›Wirf Dein ganzes Ich hinein in das, was Du singst!‹ Tausendmal hast Du das und immer nur das wiederholt. Sie, Gorgo, die kann es und thut es! Und wie sie dastand! Gespannt wie ein Bogen! Jeder Ton war ein klingender Pfeil; jeder traf mitten in's Herz, und rein war jeder, makellos rein.«

»Schweig still!« rief der Alte und hielt sich die Hand vor die Ohren. »Ich kann kein Auge zuthun, bis es hell wird – und dann! – Nimm das Silber da, Orpheus; Alles, Alles, ich habe nicht mehr. Geh früh auf den Markt, kaufe Lorbeerzweige, Epheu, Veilchen und Rosen; aber keine Lotusblumen, von denen der Markt hier voll ist. Prahlerische Dinger, ohne Duft; ich mag sie nicht leiden. Wir treten bekränzt in den Tempel der Muse.«

»Kaufe nur, kaufe!« lachte Frau Herse und zeigte ihrem Manne blinkendes Gold. »Das bekamen wir heute, und wenn Alles geht wie es soll –« Hier stockte sie, wies auf den Vorhang und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Es kommt natürlich darauf an, daß die Agne uns keinen Streich spielt.«

»Wie so? Warum? Das Mädchen ist gut, und ich werde . . .« rief Karnis und ging auf den hinteren Raum zu.

»Nein, nein,« mahnte Herse und hielt ihn zurück. »Sie weiß noch nicht, um was es sich handelt. Sie soll mit der vornehmen Jungfrau –«

»Nun?«

»Sie soll mit ihr im Heiligthume der Isis singen.«

Karnis entfärbte sich, und wie aus einem glänzenden Traum in die armselige Wirklichkeit zurückgestoßen, fragte er verdutzt und ängstlich: »Im Tempel der Isis? Agne? Vor allem Volk? Und sie weiß nicht darum?«

»Nein, Vater.«

»Nein? Dann freilich, dann . . . Die Christin Agne im Tempel der Isis, und das hier, hier, wo Theophilus, der Bischof, die Heiligthümer zerstört und die Mönche es ihrem Meister zuvorthun. – Kinder, Kinder, wie schön rund und bunt die Seifenblasen doch sind, und wie schnell sie zerstieben! Wißt ihr auch, was ihr vorhabt? Wittern's die schwarzen Fliegen und kommt es zu Tage, dann, beim großen Apollo, dann hätten wir besser gethan, den Seeräubern entgegenzufahren. Und doch, doch! Wüßt' ich nur, wie das Mädchen –«

»Sie hat beim Gesang der Jungfrau geweint,« unterbrach ihn Herse mit Eifer, »und so wenig sie sonst auch spricht, diesmal sagte sie doch auf dem Heimweg: ›So singen zu können, o so, wie diese glückliche Jungfrau!‹«