Uarda. Historischer Roman. Band 1 - Georg Ebers - kostenlos E-Book

Uarda. Historischer Roman. Band 1 E-Book

Georg Ebers

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Beschreibung

UARDA Ägypten zu Zeiten des mächtigen Pharaos Ramses II.: Die junge Uarda ist die Tochter eines Parachiten, einem Berufsstand, dem das rituelle Öffnen und Präparieren der Verstorbenen obliegt. Obwohl die Parachiten benötigt werden, lastet auf ihnen im Glauben der Bevölkerung der Fluch der Unreinheit, weswegen sie geschmäht und verachtet werden. Umso größer ist der Skandal, als sich ein Sohn des großen Ramses in Uarda verliebt. Zugleich verliebt sich auch der Priester Pentaur in Bent-Anat, eine Tochter des Pharaos, deren Weg sich auf unglückliche Weise mit Uarda kreuzt. Und während dieser Verwicklungen bereitet Ani, der Statthalter von Theben, mit etlichen Gehilfen ein Komplott vor, mit dem Ziel, Ramses II. zu stürzen. Der dreibändige historische Roman »Uarda« gibt einen wirklichkeitsnahen Einblick in das Leben der Menschen im Alten Ägypten. Dem Historiker und Ägyptologen Georg Ebers gelingt die Verbindung von geschichtlich korrekter Darstellung antiken Lebens und der Erzählung von fiktiven Einzelschicksalen. Der altertümliche Sprachstil trägt zusätzlich zur authentischen Gesamtwirkung des Werkes bei. Diejenigen Leserinnen und Leser, die die Qualität eines historischen Romans auch in seiner Realitätsnähe erkennen, werden mit diesem Buch einen lohnenden Fund machen. Der historische Roman umfasst ca. 900 Seiten und liegt hier in einer dreibändigen Neuauflage vor. Dieses ist der erste von drei Bänden. Der Umfang des ersten Bandes entspricht ca. 300 Buchseiten. CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES Der dreibändige historische Roman »Uarda« ist zugleich der Beginn (Teile 1-3) der episch angelegten Reihe »CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES«. Diese Reihe behandelt in eigenständigen Geschichten verschiedene Epochen des Alten Ägyptens. Die eigenständigen Geschichten können unabhängig voneinander gelesen werden. In ihrer Gesamtheit vermitteln sie den Leserinnen und Lesern auf unterhaltsame und spannende Weise einen soliden Wissensstand über Geschichte, Kultur, Religion und Alltagsleben des antiken Reiches, das seine Macht auf das fruchtbare Delta des Nils fußte und von seinen Einwohnern einst »Kemet« genannt wurde: »Schwarzes Land«.

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GEORG EBERS

 

 

UARDA

 

Historischer Roman

in drei Bänden

 

 

BAND 1

DIE ÄGYPTERIN

 

 

 

 

 

Dieses Buch ist Teil der BRUNNAKR Edition: Fantasy, Historische Romane, Legenden & Mythen.

 

BRUNNAKR ist ein Imprint des apebook Verlags.

 

Nähere Informationen am Ende des Buches oder auf:

www.apebook.de

 

1. Auflage 2020

V 1.1

 

 

ISBN 978-3-96130-352-6

 

Buchgestaltung/Coverdesign: SKRIPTART

www.skriptart.de

 

Alle Rechte vorbehalten.

© BRUNNAKR/apebook 2020

 

 

 

 

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UARDA

 

Band I

Band II

Band III

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

UARDA. Band 1: Die Ägypterin

Frontispiz

Impressum

Vorbemerkung

Karte

ERSTER BAND

Die Ägypterin

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel.

Eine kleine Bitte

Chroniken des Schwarzen Landes

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Zu guter Letzt

Vorbemerkung

 

Die nachfolgende Geschichte spielt im Alten Ägypten, zu einer Zeit, die so weit entfernt liegt von der unsrigen, dass wir Mühe haben, uns in die damalige Lebenswelt einzufinden - zumal die geschilderten Begebenheiten in einem uns fremden Kulturkreis stattfinden. Die dargestellten Gepflogenheiten in Kultur, Religion und Leben entsprechen jedoch exakt dem Kenntnisstand der Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts. Der Autor der Bücher, Georg Ebers, zählt zu den bedeutendsten Ägyptologen der Welt. Somit werden die Leserinnen und Leser dieser Geschichte nicht nur in eine fremde Welt in längst vergangener Zeit entführt, sondern werden auch sehr viel lernen über das Leben im Alten Ägypten.

 

Die Sprache der Geschichte ist für heutige Leserinnen und Leser in einer zunächst ungewohnten Rechtschreibung verfasst. Dabei handelt es sich aber nicht um Fehler, sondern um eine antiquierte Schreibweise, die die altertümliche Stimmung des historischen Romans unterstützt. Die geneigte Leserin und der geneigte Leser werden schnell bemerken, dass nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung die gewählte Form nicht mehr den Lesefluss hemmt, sondern die eben besagte Wirkung entfaltet. Wer sich an dieser Schreibweise jedoch stört, dem sei von der Lektüre und dem Erwerb der Bücher von vornherein abgeraten.

 

Der dreibändige historische Roman »Uarda« ist zugleich der Beginn (Teile 1-3) der episch angelegten Reihe »CHRONIKEN DES SCHWARZEN LANDES«. Diese Reihe behandelt in eigenständigen Geschichten verschiedene Epochen des Alten Ägyptens. Die einzelnen Romane sind in chronologischer Reihenfolge:

 

Uarda (3 Bände)

Die Königstochter (3 Bände)

Die Tempelschwestern (2 Bände)

Kleopatra (2 Bände)

Der Kaiser (3 Bände)

Homo sum (2 Bände)

Per Aspera (2 Bände)

Serapis (2 Bände)

Die Nilbraut (3 Bände)

 

Die eigenständigen Geschichten können unabhängig voneinander gelesen werden. In ihrer Gesamtheit vermitteln sie den Leserinnen und Lesern auf unterhaltsame und spannende Weise einen soliden Wissensstand über Geschichte, Kultur, Religion und Alltagsleben des antiken Reiches, das seine Macht auf das fruchtbare Delta des Nils fußte und von seinen Einwohnern einst »Kemet« genannt wurde: »Schwarzes Land«.

 

 

 

 

KARTE

des

ALTEN ÄGYPTEN

 

ERSTER BAND

DIE ÄGYPTERIN

Erstes Kapitel.

Bei dem alten hundertthorigen Theben erweitert sich der Nil. Die Höhenzüge, welche den Strom zu beiden Seiten begleiten, nehmen hier entschiedenere Formen an; einzelne, beinahe kegelförmige Spitzen überragen scharf geschnitten den flachen Rücken des vielfarbigen Kalkgebirges, auf dem keine Palme gedeiht und kein genügsames Wüstenkraut Wurzel zu schlagen vermag. Steinige Spalten und Schluchten führen mehr oder minder tief in das Gebirge hinein, in dessen Rücken sich die allem Lebenden feindliche Wüste mit Sand und Steinen, mit Felsenklippen und öden Hügelriffen ausbreitet.

Hinter den östlichen Bergen reicht die Einöde bis an das rothe Meer, hinter den westlichen ist sie ohne Grenzen wie die Ewigkeit. Nach dem Glauben der Aegypter beginnt das Reich des Todes in ihrem Rücken.

Zwischen diesen beiden Hügelreihen, die wie Wälle und Mauern den Wüstensand abwehren, fließt der volle und frische Nil, Segen und Gedeihen spendend, zugleich der Vater und die Wiege von viel Millionen Existenzen. Er hat aus seinen beiden Ufern die breiten Flächen des schwarzen Fruchtlandes ausgebreitet und in seinen Tiefen tummeln und nähren sich vielgestaltige Bewohner im Schuppen- und Panzerkleide. Auf dem Spiegel des Wassers schwimmen Lotosblumen und in dem Papyrusschilf am Ufer nisten Wasservögel ohne Zahl. Zwischen dem Nil und den Bergen liegen Felder, die nach der Saatzeit in bläulichem Grün schimmern und wenn die Zeit der Ernte naht, wie eitles Gold erglänzen. Bei den Brunnen und Schöpfrädern erheben sich weithin schattende Sykomorenbäume, und Dattelpalmen gesellen sich, sorgsam gepflegt, zu freundlichen Hainen. – Das ebene, alljährlich von der Ueberschwemmung benetzte und gedüngte Fruchtland sticht von dem sandigen Fuße der Berge hinter ihm ab wie die Gartenerde eines Blumenbeets von gelben Kieswegen.

Im vierzehnten Jahrhundert vor Christus, denn wir führen den Leser in so ferne Zeiten zurück, setzte in Theben die Menschenhand an vielen Stellen durch hohe Steindämme und Uferbauten dem austretenden Wasser unübersteigliche Schranken, um die Straßen und Plätze, die Tempel und Paläste der Stadt vor der Ueberflutung zu schützen.

Fest verschließbare Kanäle führten von den Dämmen aus in das Hinterland und kleinere Zweiggräben in die Gärten von Theben.

Am rechten, östlichen Ufer des Nils erhoben sich die Straßen der berühmten Pharaonenresidenz. Hart am Flusse standen die ungeheuren bunten Tempel der Amonsstadt; hinter diesen und in geringerer Entfernung von den östlichen Bergen, ja bis zum Fuße derselben, theils schon auf dem Boden der Wüste, die Paläste der Könige und Großen und die schattigen Gassen, in denen sich die hohen und schmalen Häuser der Bürger eng aneinanderreihten.

Bunt und lebendig war das Treiben in den Straßen der blühenden Pharaonenresidenz.

Am westlichen Nilufer bot sich ein ganz anderes Bild. Auch hier fehlte es keineswegs an stattlichen Bauten und zahlreichen Menschen; aber während jenseits des Flusses eine kompakte Häusermasse sich erhob und die Bürger laut und fröhlich den Geschäften des Tages nachgingen, sah man auf dem diesseitigen Ufer nur große Prachtbauten, an welche sich kleinere Häuser und Hütten drängten, wie Kinder, die sich an die schützende Mutter schmiegen. Unvermittelt lagen diese Gebäudegruppen neben einander.

Wer den Berg bestieg und schaute zu ihnen hernieder, der empfing den Eindruck, als läge unter ihm eine große Zahl von engbenachbarten Dörfern mit stattlichen Herrenhäusern; wer von der Ebene aus zu dem östlichen Abhange der westlichen Berge hinaufschaute, der entdeckte hier Hunderte von verschlossenen, bald einzeln, bald in Reihen nebeneinander liegenden Thoren, von denen viele am Fuße der Hügel, noch zahlreichere in ihrer Mitte, aber auch einige in beträchtlicher Höhe gelegen waren.

Und wie wenig gleich sah das gemessene, fast feierliche Leben auf den Straßen hier, dem muntern und wirren Getreibe dort! Drüben, auf dem rechten Stromesufer war Alles in heftiger Bewegung bei der Arbeit und Erholung, in Lust und Schmerz, bei der That und Rede; hier auf dem linken wurde wenig gesprochen, schien ein Zauber die Schritte der Wanderer zu hemmen, eine blasse Hand den frohen Blick jeden Auges zu trüben und das Lächeln von jedem Munde zu bannen.

Und doch landete hier manche glänzend geschmückte Barke, fehlte es nicht an singenden Chören, zogen große Festzüge dem Westberge entgegen. Aber die Nilschiffe trugen Todte, die hier ertönenden Lieder waren Klagegesänge und die Festzüge bestanden aus den dem Sarkophage folgenden Leidtragenden.

Wir befinden uns auf dem Boden der Todtenstadt von Theben.

Immerhin fehlte es auch in dieser keineswegs an Verkehr und Leben, denn dem Aegypter starben seine Todten nicht. Er drückte ihnen die Augen zu, er führte sie in die Nekropole, in das Haus des Balsamirers oder Kolchyten und in die Gruft; aber er wußte, daß die Seele des Verstorbenen fortleben, daß sie gerechtfertigt als Osiris in der Sonnenbarke den Himmel befahren und in jeder Gestalt, die sie anzunehmen wünsche, auf Erden erscheinen und in den Lauf des Daseins der Hinterbliebenen eingreifen dürfe. Darum sorgte er für eine würdige Bestattung seiner Todten, vor Allem aber für eine dauerhafte Balsamirung der Leiche und für zu bestimmten Zeiten zu erneuernde Todtenopfer an Fleisch und Geflügel, Getränken und wohlriechenden Essenzen, Gemüsen und Blumen.

Weder bei der Bestattung, noch bei den Darbringungen durften die Diener der Gottheit fehlen und die stille Todtenstadt galt für die günstigste Stätte, für die Anlage von Schulen und Gelehrtenwohnungen.

So kam es, daß in den Tempeln, auf dem Boden der Nekropolis große Priestergenossenschaften beisammen wohnten und in der Nähe der ausgedehnten Balsamirungshäuser zahlreiche Kolchyten, deren Geschäft sich vom Vater auf den Sohn vererbte, ihre Häuser hatten.

Außerdem fehlte es nicht an Fabriken und Verkaufsstätten. In diesen wurden Sarkophage von Stein und Holz, Leinwandbinden zur Umwicklung der Mumien und Amulete für die Ausstattung der letzteren verfertigt, in jenen hielten Kaufleute Spezereien und Essenzen, Blumen, Früchte, Gemüse und Backwerk feil. Rinder, Gazellen, Ziegen, Gänse und anderes Geflügel wurden auf eingehegten Weideplätzen gefüttert und die Leidtragenden begaben sich hierher, um sich unter den von den Priestern für rein erklärten Exemplaren die Opferthiere, deren sie bedurften, auszusuchen und mit dem heiligen Siegel versehen zu lassen. Viele kauften bei den Schlachtbänken nur einzelne Fleischstücke. – Die Armen blieben dieser Stätte fern. Sie erstanden nur buntes Gebäck in Thiergestalt, das die theuren Rinder und Gänse, die ihnen zu erwerben ihre Mittel untersagten, symbolisch zu vertreten hatte. In den stattlichsten Läden saßen priesterliche Diener, welche Bestellungen auf Papyrusrollen annahmen, die man in den Schreibstuben der Tempel mit jenen heiligen Texten versah, welche die Seele der Verstorbenen zu wissen und zu sagen hatte, um die Genien der Tiefe abzuwehren, die Thore der Unterwelt zu öffnen und vor Osiris und den zweiundvierzig Beisitzern des unterirdischen Gerichtshofs gerecht befunden zu werden.

Was in den Tempeln vor sich ging, entzog sich den Blicken, denn ein jeder ward von einer hohen Umfassungsmauer umgeben, deren sorgfältig verschlossene, stattliche Hauptthore sich nur öffneten, wenn in der Morgenfrühe und am Abend ein Priesterchor in's Freie trat, um dem als Horus aufsteigenden und als Tum niedergehenden Gotte fromme Hymnen zu singen.

Sobald das Abendlied der Priester verklang, leerte sich die Nekropole, denn alle Leidtragenden und Besucher der Grüfte waren gehalten, nunmehr die Boote zu besteigen und die Todtenstadt zu verlassen. Große Menschenmengen, die in feierlichen Aufzügen das Westufer von Theben betreten hatten, eilten ohne Ordnung an den Fluß, von den Wachtmannschaften getrieben, welche abtheilungsweise den Dienst versahen und die Grüfte vor Räubern zu behüten hatten. Die Verkäufer schlossen ihre Buden, die Kolchyten und Arbeiter beendeten ihr Tagewerk und begaben sich in ihre Häuser, die Priester gingen in die Tempel zurück und die Herbergen füllten sich mit Gästen, welche aus der Ferne hieher gepilgert waren und lieber in der Nähe des Verstorbenen, dem ihr Besuch gegolten hatte, als in der geräuschvollen Stadt am jenseitigen Stromesufer zu übernachten wünschten.

Die Stimmen der Sänger und Klageweiber waren verstummt, selbst der Gesang der Matrosen auf den zahlreichen dem Ostufer von Theben zuströmenden Booten verhallte nach und nach, der Abendwind trug nur noch vereinzelte Töne herüber und endlich schwieg Alles.

Ein wolkenloser Himmel breitete sich über die schweigende Todtenstadt, nur zuweilen verfinstert von leichten Schatten, den in ihre Grüfte und Felsenspalten heimkehrenden Fledermäusen, die allabendlich zum Nil fliegen, um dort Mücken zu jagen, zu trinken und sich so zu ihrem lichtscheuen Tagesschlafe zu stärken. Dann und wann glitten schwarze Gestalten mit langen Schatten über den hellen Boden hin, die Schakale, welche zu dieser Stunde ihren Durst am Stromesufer zu löschen pflegten und sich oft schaarenweis und mit geringer Scheu in der Nähe der Gänsehürden und Ziegenställe zeigten.

Es war verboten, diese nächtlichen Räuber zu jagen, denn sie galten als heilige Thiere des Gottes Anubis, des Wächters der Gräber und zeigten sich wenig gefährlich, denn sie fanden reichliche Nahrung in den Gräbern.

Die auf den Opferaltären niedergelegten Fleischstücke wurden von ihnen verzehrt; zur Genugthuung der Spendenden, welche, wenn sich das dargebrachte Fleisch am folgenden Tage nicht mehr vorfand, glaubten, es sei von den Unterirdischen für gut befunden und angenommen worden. Auch zeigten sie sich als zuverlässige Wächter, denn sie wurden zu gefährlichen Feinden eines jeden Unberufenen, der unter dem Schutze des Dunkels der Nacht in eine Gruft zu dringen versuchte.

Auch an demjenigen Sommerabende des Jahres 1352, an dem wir den Leser ersuchen, die Todtenstadt von Theben mit uns zu betreten, wurde es, nachdem der priesterliche Abendhymnus verklungen war, still in der Nekropole.

Schon wollten die wachthabenden Soldaten von ihrem ersten Untersuchungsgange heimkehren, als plötzlich ein Hund im Norden der Todtenstadt laut anschlug. Bald folgte ein zweiter, dritter und vierter. Der Wachthauptmann rief seinen Leuten ein »Halt« zu und befahl ihnen, als sich das Gebell weiter und weiter verbreitete und mit jeder Minute an Heftigkeit zunahm, gen Mitternacht zu marschiren.

Die kleine Schaar hatte den hohen Damm erreicht, welcher das Westufer eines vom Nil abgezweigten Kanals begrenzte, und übersah von hier aus das Fruchtland bis zum Flusse und dem Norden der Nekropole. Noch einmal ward »Halt« kommandirt und als die Soldaten in derjenigen Richtung, in welcher die Hunde am heftigsten bellten, den Schein von Fackeln wahrnahmen, eilten sie vorwärts und erreichten bei den Pylonen des von Seti I., dem verstorbenen Vater des regierenden Königs, Ramses II., erbauten Tempels die Ruhestörer.

Der Mond war aufgegangen und goß sein blasses Licht über das stattliche Bauwerk, dessen Außenmauern von den mit dunklem Rauch überwehten Flammen der Fackeln in den Händen von schwarzen Dienern röthlich strahlten.

Ein untersetzter Mann in überladen reicher Kleidung pochte mit dem metallenen Griffe einer Geißel so heftig an das mit Erz bekleidete Tempelthor, daß die Schläge weithin durch die Nacht schallten. In seiner Nähe hielt eine Sänfte und ein mit edlen Rossen bespannter Wagen. In jener saß ein junges Weib und in diesem stand neben ihrem Rosselenker die hohe Gestalt einer vornehmen Frau. Mehrere den bevorzugten Ständen angehörende Männer und viele Diener umgaben das Fuhrwerk und die Sänfte. Nur wenige Worte wurden gewechselt. Die Aufmerksamkeit der seltsam beleuchteten Gruppe schien auf das Tempelthor gerichtet zu sein. Die Nacht verhüllte die Züge der Einzelnen, aber das mit dem Mondschein vermählte Licht der Fackeln war hell genug, um dem Pförtner, der von einem Thurme des Pylon auf die Ruhestörer herniederschaute, zu verrathen, daß sie den vornehmsten Ständen, ja vielleicht der königlichen Familie angehörten.

Mit lauter Stimme rief er dem Klopfer zu und fragte nach seinem Begehr.

Der Letztere schaute aufwärts und rief mit einer Stimme, deren verletzend herrischer Ton die Ruhe der Todtenstadt so roh und plötzlich unterbrach, daß sich die Frau in der Sänfte erschrocken aufrichtete:

»Wie lange sollen wir hier auf Dich warten, fauler Hund? Erst komme herunter und öffne das Thor und dann frage! Wenn die Fackeln nicht hell genug brennen, um Dir zu zeigen, wer hier wartet, so wird Dir meine Peitsche auf den Rücken schreiben, wer wir sind und wie man fürstliche Gäste aufnimmt!«

Während der Pförtner eine unverständliche Entgegnung murmelte und die Treppe hinabstieg um das Thor zu öffnen, wandte sich die Frau auf dem Wagen ihrem ungeduldigen Gefährten zu und sagte mit wohllautender, aber entschieden klingender Stimme; »Du vergißt, Paaker, daß Du wieder in Aegypten bist und es hier nicht mit wilden Schasu, sondern mit freundlichen Priestern zu thun hast, von denen wir noch dazu einen Dienst zu erbitten haben. Man klagt auch sonst über Deine Rauhheit, die mir in den ungewöhnlichen Verhältnissen, unter denen wir uns diesem Heiligthume nahen, am wenigsten angebracht zu sein scheint.« –

Obgleich diese Worte mehr im Tone des Bedauerns als in dem des Tadels gesprochen worden waren, so verletzten sie doch die Empfindlichkeit des Angeredeten, denn die Flügel seiner breiten Nase begannen sich heftig zu bewegen, seine Rechte schloß sich fest um den Griff der Geißel und während er sich demüthig zu verneigen schien, führte er einen so kräftigen Schlag auf die nackten Beine seines neben ihm stehenden Sklaven, eines alten Aethiopiers, daß dieser wie von Frost geschüttelt zusammenfuhr, dabei aber, denn er kannte seinen Herrn, keinen Klagelaut vernehmen ließ.

Indessen hatte der Pförtner das Thor geöffnet und zugleich mit ihm trat ein junger hochgestellter Priester in's Freie, um sich nach dem Begehr der Ruhestörer zu erkundigen.

Paaker wollte wiederum das Wort ergreifen, die auf dem Wagen stehende Frau kam ihm aber zuvor und sagte. »Ich bin Bent-Anat, die Tochter des Königs und diese Frau in der Sänfte ist Nefert, die Gattin des edlen Mena, des Rosselenkers meines Vaters. Wir begaben uns in Begleitung dieser Großen in das Nordwestthal der Nekropole, um die neuen Arbeiten zu besichtigen. Du kennst die schmale Felsenpforte, welche in die Schlucht führt. Auf dem Heimwege führte ich selbst die Zügel und hatte das Unglück, ein Mädchen, das mit einem Korbe voll Blumen am Wege saß, zu überfahren und dabei zu beschädigen; recht schlimm zu beschädigen fürcht' ich. Die Gattin des Mena hat die Kleine erst mit eigenen Händen verbunden, dann ließen wir sie in das Haus ihres Vaters schaffen, eines Paraschiten, Pinem soll er heißen; ich weiß nicht, ob Du ihn kennst.«

»Du hast seine Hütte betreten, Prinzessin?« sagte der Priester.

»Ich mußte ja, heiliger Vater,« gab sie zurück. »Zwar weiß ich, daß man sich verunreinigt, wenn man die Schwelle dieser Leute betritt, aber . . .«

»Aber,« rief die Gattin des Mena, sich in ihrer Sänfte aufrichtend, »Bent-Anat kann sich heute von Dir oder von ihrem Hauspriester reinigen lassen, dem armen Vater wird sie indessen schwer, vielleicht auch niemals ein gesundes Kind wiederzugeben vermögen.«

»Doch bleibt eine Paraschitenhöhle bei alledem unrein,« unterbrach der Kammerherr Penbesa, der Prinzessin Ceremonienmeister, die Gattin des Mena, »und ich habe mein Bedenken nicht zurückgehalten, als Bent-Anat ihren Willen, das verfluchte Nest in eigener Person zu betreten, zu erkennen gab. Ich schlug vor,« fuhr er zu dem Priester gewendet fort, »das Mädchen nach Hause tragen zu lassen und dem Vater ein königliches Geschenk zu übersenden.«

»Und die Prinzessin?« fragte der Priester.

»Sie handelte wie immer nach ihrem eigenen höchsten Willen,« gab der Ceremonienmeister zurück.

»Und der trifft stets das Rechte,« rief die Gattin des Mena.

»Wollten doch die Götter, es wäre so!« sagte die Prinzessin mit gedämpfter Stimme. Dann fuhr sie, indem sie sich an den Priester wandte, fort; »Du kennst den Willen der Himmlischen und die Herzen der Menschen, heiliger Vater, und ich bin mir bewußt, daß ich gern gebe und den Armen helfe, auch wenn sie keine anderen Fürsprecher haben, als ihre Armuth. Aber nach dem, was hier geschehen ist und diesen unglücklichen Menschen gegenüber war ich die Bedürftige.«

»Du?« fragte der Kammerherr.

»Ja, ich!« antwortete die Prinzessin entschieden.

Der Priester, welcher bisher ein stummer Zeuge dieser Verhandlung geblieben war, erhob nun wie zum Segen seine Rechte und sagte.

»Du hast recht gehandelt. Die Hathoren bildeten Dein Herz und die Herrin der Wahrheit lenkt es. Gewiß störtet ihr unsere Nachtgebete, um uns um einen Arzt für das verwundete Mädchen zu bitten?«

»Du sagst es!«

»Ich werde den Oberpriester um die besten Heilkünstler für äußere Verletzungen bitten und sie sogleich zu der Kranken senden. Aber wo befindet sich das Haus des Paraschiten Pinem? Ich kenne ihn nicht.«

»Nördlich von dem Terrassenbau der Hatasu, dicht bei . . .; aber ich gebe einem meiner Begleiter den Auftrag, die Aerzte zu führen. Es liegt mir ohnehin daran, morgen früh zu erfahren, wie es der Kranken geht. – Paaker!«

Der Gerufene, der rohe Klopfer, welchen wir bereits kennen, verbeugte sich mit herabhängenden Armen bis zur Erde und fragte;

»Was befiehlst Du?«

»Ich bestimme Dich zum Führer der Aerzte,« sagte die Prinzessin. »Dem Wegeführer des Königs wird es leicht sein, das versteckte Häuschen wieder zu finden; auch bist Du mein Mitschuldiger, denn,« und hiebei wandte sie sich an den Priester, »denn, daß ich's nur gestehe, das Unglück geschah, als ich mit meinen Rossen Paaker's syrische Renner, die er für schneller als die ägyptischen ausgab, zu überholen versuchte. Es war ein wildes Jagen.« –

»Und Amon sei gelobt, daß es so ablief,« rief der Ceremonienmeister. – »Paaker's Wagen liegt zerschellt in dem engen Thale und sein bestes Pferd ist schwer verwundet.« –

»Er wird, wenn er den Arzt zu dem Paraschiten geführt hat, nach ihm sehen wollen,« sagte die Prinzessin. »Weißt Du, Penbesa, Du sorgsamer Hüter eines unbesonnenen Mädchens, daß ich mich heute zum ersten Male freue, daß der Vater im fernen Satilande Krieg führt?«

»Er würde uns wenig freundlich empfangen haben,« lächelte der Ceremonienmeister.

»Aber die Aerzte, die Aerzte!« rief Bent-Anat. »Paaker, es bleibt dabei, Du führst sie und bringst uns morgen Nachricht über das Befinden der Kranken.«

Paaker verneigte sich; die Prinzessin winkte, der Priester und seine inzwischen aus dem Heiligthum hervorgetretenen Genossen erhoben segnend die Hände und der nächtliche Zug bewegte sich dem Nil entgegen.

Paaker blieb allein mit seinen beiden Sklaven zurück. Der Auftrag, den die Prinzessin ihm gegeben, verdroß ihn. So lange der Mondschein die Sänfte mit der Gattin des Mena zu unterscheiden gestattete, schaute er ihr nach, dann versuchte er die Lage des Hauses des Paraschiten in sein Gedächtniß zurückzurufen. Der Hauptmann der Sicherheitswache hielt noch immer mit seiner Mannschaft am Thore des Tempels.

»Kennst Du die Wohnung des Paraschiten Pinem?« fragte Paaker.

»Was suchst Du bei dem?«

»Das geht Dich nichts an,« herrschte Paaker.

»Grobian!« rief der Hauptmann. »Linksum und vorwärts, ihr Leute!«

»Halt,« rief Paaker ingrimmig, »ich bin der Wegeführer des Königs.«

»Dann wirst Du um so leichter den Ort wiederfinden, von dem Du herkommst. Vorwärts, Soldaten!«

Diesen Worten folgte wie im Echo ein vielstimmiges Gelächter, bei dessen übermüthigen Tönen Paaker so heftig erschrak, daß er seine Geißel zu Boden fallen ließ. Der Sklave, den er vor wenigen Minuten geschlagen hatte, hob sie demüthig auf und folgte dann seinem Herrn in den Vorhof des Tempels. Beide schrieben das immer noch leise an ihr Ohr schlagende Gekicher, das die ernste Ruhe der Todtenstadt unheimlich störte und dessen Urheber sie nicht zu erspähen vermochten, ruhelosen Geistern zu. Aber auch dem alten Thorhüter waren die übermütigen Töne nicht entgangen und ihm waren die Lacher besser bekannt als dem Wegeführer des Königs, denn kräftigen Schrittes trat er vor das Thor des Heiligthums und rief, dem tiefen Schlagschatten des Pylons folgend und mit seinem langen Stocke blindlings vor sich herschlagend;

»O, ihr nichtswürdige Brut des Seth, ihr Galgenvögel und Höllenbraten, ich werde euch!« Da verstummte das Gekicher, einige jugendliche Gestalten traten in den Mondschein, der Alte verfolgte sie keuchend und nach einer kurzen Jagd eilte eine Schaar von halb erwachsenen Knaben durch die Tempelpforte in das Thor zurück.

Dem Wächter war es gelungen, einen dreizehnjährigen Uebelthäter zu fangen und er hielt ihn so fest am Ohr, daß sein hübscher Kopf in horizontaler Richtung an den Hals gewachsen zu sein schien.

»Ich zeig's dem Schulvorsteher an, ihr Heuschreckenplage und Fledermausgesindel,« rief er schnaubend. Aber das Dutzend Schulknaben, welches die günstige Gelegenheit wahrgenommen hatte und aus seinem Kerker entsprungen war, umschmeichelte ihn freundlich, Worte der Reue klangen aus jedem Munde, aber aus allen Augen blitzte die Lust an dem Geschehenen, das den Thätern doch Niemand nehmen konnte, und als einer der größten Schüler das Kinn des Alten erfaßte und ihm versprach, ihm morgen den Wein, welchen ihm seine Mutter für die folgende Woche schicken werde zur Aufbewahrung zu überlassen, da ließ der Wächter seinen Gefangenen los, der den Schmerz aus seinem glühenden Ohre zu reiben versuchte, und rief noch unfreundlicher als vorher; »Wollt ihr gleich machen, daß ihr fortkommt! Glaubt ihr, ich werde euren Streich so hingehen lassen? Da kennt ihr den alten Baba schlecht genug. Den Göttern werd' ich's klagen, nicht dem Schulvorsteher; und Deinen Wein, Junge, werd' ich opfern, damit euch der Himmel vergebe!«

Zweites Kapitel.

Der Tempel, in dessen erstem Vorhofe Paaker wartete, und in dem der Priester, um den Arzt zu rufen, verschwunden war, wurde das »Setihaus« genannt und gehörte zu den größten in der Todtenstadt. Nur der Prachtbau aus der Zeit der von dem Großvater des regierenden Königs entthronten Königsfamilie, welchen Thutmes III. gegründet und dessen Thor Amenophis III. mit ungeheuren Kolossen geschmückt hatte, überbot ihn in Bezug auf die Großartigkeit seiner Anlage; indessen gebührte in jeder andern Hinsicht dem »Setihause« der erste Platz unter den Heiligthümern der Nekropole. Ramses I. hatte es kurz nachdem es ihm gelungen war, sich mit Gewalt des ägyptischen Thrones zu bemächtigen, gegründet und sein großer Sohn Seti den Bau fortgesetzt, in welchem man den Todtenkultus für die Manen der Mitglieder des neuen Königshauses und die hohen, den Göttern der Unterwelt zu feiernden Feste begehen sollte. Große Summen waren für seine Ausstattung, den Unterhalt der Priesterschaft dieses Heiligthums und die Erhaltung der mit ihm verbundenen Institute ausgesetzt worden. Diese letzteren sollten mit den uralten Stätten der Priesterweisheit von Heliopolis und Memphis gleichen Schritt halten, waren nach ihrem Muster eingerichtet und hatten die Aufgabe, die neue oberägyptische Residenzstadt Theben auch in Bezug auf wissenschaftliche Leistungen über die Hauptstädte von Unterägypten zu erheben.

Unter den erwähnten Instituten zeichneten sich einige Lehranstalten rühmlich aus. Da war zunächst die hohe Schule, in welcher Priester, Aerzte, Richter, Mathematiker, Astronomen, Grammatiker und andere Gelehrte nicht nur Unterricht genossen, sondern auch, nachdem sie Einlaß in die höchsten Grade der Erkenntniß erworben und die Würde der »Schreiber« erlangt hatten, eine Freistätte fanden, in der sie auf Kosten des Königs ernährt wurden und sich, vor äußeren Sorgen geschützt und im Verkehr mit ebenbürtigen und ähnlichen Interessen ergebenen Mitarbeitern, wissenschaftlichen Forschungen und Spekulationen hingeben konnten.

Eine große Bibliothek, in der Tausende von Schriftrollen aufbewahrt wurden und an die sich eine Papyrusfabrik schloß, stand den Gelehrten zur Verfügung, von denen einige mit dem Unterricht der jüngeren Schüler betraut waren, die in der gleichfalls zum Setihause gehörenden Elementarschule herangebildet wurden. Diese letztere stand jedem Sohne eines freien Bürgers offen und wurde von mehreren hundert Knaben besucht, die hier auch Nachtquartier fanden. Freilich waren die Eltern gehalten, entweder Kostgeld zu zahlen oder die für den Unterhalt der Kinder nothwendigen Speisen in die Schule zu senden.

In einem besondern Gebäude wohnten die Tempelpensionäre, einige Söhne der vornehmsten Familien, die hier gegen hohe Entschädigungssummen von den Priestern erzogen wurden.

Seti I., der Gründer dieser Anstalt, hatte seine eigenen Söhne, ja selbst den Thronfolger Ramses in ihr erziehen lassen.

Die Elementarschulen waren stark besucht und der Stock spielte in ihnen eine so große Rolle, daß ein Pädagog der Anstalt den Satz: »Die Ohren des Schülers sind auf seinem Rücken; er hört, wenn man ihn schlägt,« aussprechen konnte.

Diejenigen Jünglinge, welche aus den Elementarklassen in die hohe Schule überzugehen wünschten, hatten sich einem Examen zu unterziehen. War dieses bestanden, so konnte sich der junge Studirende unter den Gelehrten der höheren Grade einen Meister wählen, der seine wissenschaftliche Führung übernahm und dem er sein Leben lang wie der Klient dem Patron ergeben blieb. Durch ein zweites Examen war der Titel eines »Schreibers« und der Eintritt in die öffentlichen Aemter zu erlangen.

Neben diesen Gelehrtenschulen bestand hier auch eine Lehranstalt für Künstler, in welcher diejenigen Jünglinge Unterweisung empfingen, die sich der Baukunst, der Bildhauerei und Malerei zu widmen wünschten. Auch in ihr wählte sich jeder Lehrling seinen Meister.

Alle Lehrer in diesen Anstalten gehörten zu der Priesterschaft des Setitempels, welche aus mehr als achthundert, in fünf Klassen getheilten Mitgliedern bestand, die von drei sogenannten Propheten geleitet wurden.

Der erste Prophet war der Hohepriester des Setihauses und zugleich der Oberste von all' den Tausenden von niederen und höheren Dienern der Gottheit, welche zu der Todtenstadt von Theben gehörten.

Das eigentliche Setihaus war ein Tempel aus massivem Kalkstein. Eine Reihe von Sphinxen führte vom Nil aus zu der Umfassungsmauer und dem ersten breiten Pylon, welcher Einlaß in einen großen, aus zwei Seiten von Säulengängen umgebenen Vorhof gewährte, hinter dem ein zweiter Thorbau sich erhob. Durchschritt man die in ihm zwischen zwei Thürmen in Gestalt von abgestumpften Pyramiden sich erhebende Pforte, so kam man aus einen zweiten, dem ersten gleichenden Vorhof, dessen Rückseite von einer stattlichen Säulenreihe abgeschlossen ward, die zu dem Kern des Tempels gehörte.

Das Innere des letzteren wurde jetzt von einigen Lampen matt erleuchtet.

Hinter dem Setihause erhoben sich große, viereckige Gebäude von Nilziegeln, die aber immerhin einen stattlichen und geschmückten Anblick gewährten, war doch das schlichte Material, aus dem sie bestanden, mit Kalk beworfen und dieser wiederum mit bunten Darstellungen und hieroglyphischen Inschriften bemalt.

Die innere Anordnung all' dieser Häuser war die gleiche. In der Mitte befand sich ein unbedeckter Hof, in den die Thüren der Zimmer der Priester und Gelehrten mündeten. An jeder Seite eines solchen Hofes war ein schattenspendender bedachter Säulengang von Holz angebracht und in seiner Mitte ein mit Zierpflanzen geschmückter Wasserbehälter. In dem obern Stockwerke befanden sich die Wohnungen der Schüler, während der Unterricht selbst in den gepflasterten und mit Matten belegten Höfen abgehalten zu werden pflegte.

Besonders stattlich und durch wehende Fahnen ausgezeichnet war das zwischen einem wohlgepflegten Haine und einem klaren Teiche, dem heiligen See des Tempels, etwa hundert Schritt hinter dem Setihause gelegene Haus der obersten der Propheten, welche indessen nur um ihres Amtes zu warten hieher kamen, während die stattlichen Häuser, die sie mit Weib und Kind bewohnten, im eigentlichen Theben am jenseitigen Ufer des Stromes gelegen waren.

Der späte Besuch des Tempels konnte in der priesterlichen Gelehrtenkolonie nicht unbemerkt bleiben. Wie die Ameisen, wenn eine Menschenhand in ihren Haufen stößt, unruhig hin und her laufen, so hatte eine ungewöhnliche Bewegung nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer und Priester ergriffen. Gruppenweis näherten sie sich der Umfassungsmauer, Fragen wurden gestellt und Vermuthungen geäußert. Eine Botschaft des Königs sollte angelangt, die Prinzessin Bent-Anat von Kolchyten überfallen worden sein, und ein Schalk unter den ausgebrochenen Knaben erzählte, der Wegeführer des Königs, Paaker, sei gewaltsam in den Tempel gebracht worden, um hier besser schreiben zu lernen. Da der also Verspottete ein früherer Zögling des Setihauses war und noch manche ergötzliche Kunde von seinen stylistischen Verbrechen im Munde der späteren Knabengenerationen fortlebte, so erntete diese Nachricht fröhlichen Beifall und schien, so widersinnig sie war, denn Paaker bekleidete einen der höchsten Posten im Felddienste des Königs, einen Schimmer von Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, als ein ernster junger Priester versicherte, den Wegeführer im ersten Vorhofe des Tempels gesehen zu haben.

Das lebhafte Hin und Her, das Lachen und Jauchzen der Knaben in so ungewöhnlicher Stunde blieb auch von dem Oberpriester nicht unbemerkt.

Dieser ungewöhnliche, einem alten und edlen Hause entstammende Prälat, Ameni, der Sohn des Nebket, war weit mehr als der unbeschränkte Leiter der Tempelgenossenschaft, der er mit Kraft und Weisheit vorstand, denn die Priesterkollegien des ganzen Landes erkannten seine Ueberlegenheit an, verlangten in schwierigen Fällen seinen Rath und widersprachen nicht den von dem Setihause, das heißt von Ameni ausgehenden Anordnungen in geistlichen Dingen. Man sah in ihm die Verkörperung der priesterlichen Idee, und wenn er zu Zeiten an die einzelnen Kollegien schwierige, ja befremdliche Anforderungen stellte, so fügte man sich ihnen, weil die Erfahrung gelehrt hatte, daß auch die verschlungenen Wege, die er zu wandeln gebot, immer nur dem einen Ziele zustrebten, die Macht und das Ansehen der Hierarchie zu erhöhen. Auch der König schätzte diesen seltenen Mann und hatte längst versucht, ihn als Siegelbewahrer an den Hof zu ziehen. Ameni aber war nicht zu bewegen gewesen, seine scheinbar bescheidene Stellung aufzugeben, denn er verachtete äußeren Glanz und prunkende Titel, wagte es zu Zeiten den Maßregeln des »Großhauses« entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen und war nicht gewillt, die unbedingte Leitung der Geister für die bedingte Herrschaft über ihm kleinlich erscheinende äußere Angelegenheiten im Dienste des nur zu selbständigen, schwer zu beeinflussenden Pharao aufzugeben.

Regelmäßig in seinen Lebensgewohnheiten ordnete er sein Dasein in ungewöhnlicher Weise.

Acht von je zehn Tagen verblieb er in dem ihm anvertrauten Tempel, zwei von ihnen widmete er seiner am jenseitigen Nilufer wohnenden Familie; aber er ließ Niemand, selbst nicht die Seinigen, wissen, welchen Abschnitt der erwähnten zehn Tage er seiner Erholung zu weihen gedenke. Er bedurfte nur vier Stunden Schlaf. Diese genoß er gewöhnlich in einem von keinem Geräusch zu erreichenden, tief zu verdunkelnden Gemach um die Mittagszeit, niemals in der Nacht, deren Kühlung und Ruhe seiner Arbeitskraft förderlich schien und in der er sich zu Zeiten dem Studium des gestirnten Himmels hingeben konnte.

Allen Ceremonien, die sein Stand von ihm forderte: den Waschungen, Reinigungen, Scheerungen und Fasten unterzog er sich mit peinlicher Strenge und sein äußeres entsprach seinem inneren Wesen.

Ameni stand im Anfang der fünfziger Jahre, seine Gestalt war hoch und entbehrte gänzlich jener Fülle, der die Orientalen in diesem Alter anheimzufallen pflegen. Die Form seines glatt rasirten Schädels war ebenmäßig und bildete ein längliches Oval. Seine Stirn war weder breit noch hoch, aber sein Profil von seltener Feinheit. Auffallend waren die schmalen, trockenen Lippen seines Mundes und die gewaltigen Augen, die unter dichten Augenbrauen weder feurig noch prächtig glänzten, sondern gewöhnlich zu Boden schauten, aber groß, klar und leidenschaftslos sich langsam erhoben, wenn es zu sehen und zu prüfen galt.

Der junge Pentaur, der Dichter des Setihauses, der diese Augen kannte, hatte sie besungen und von ihnen gesagt, sie glichen den gut geführten Heeren, die der Feldherr vor und nach dem Kampfe ruhen lasse, damit sie mit voller Kraft siegesgewiß in die Schlacht treten könnten.

Die vornehme Gemessenheit seines Wesens war ebenso königlich als priesterlich, denn theils war sie ihm ureigen und angeboren, theils eine Folge der geistigen Beherrschung seiner selbst. An Feinden fehlte es ihm nicht, aber die Verleumdung wagte sich selten an Ameni's überlegene Natur.

Jetzt blickte der Oberpriester erstaunt über die ihn störende Unruhe in den Höfen des Heiligthums von seiner Arbeit auf.

Das Gemach, in dem er sich befand, war sehr geräumig und kühl. Der untere Theil der Wände war mit Fayencekacheln belegt, der obere mit Stuck beworfen und bemalt. Aber man sah wenig von den bunten Meisterwerken der Künstler des Institutes, denn fast überall wurden sie von hölzernen Repositorien bedeckt, in denen Schriftrollen und Wachstafeln lagen. Ein großer Tisch, ein mit Pantherfell bezogenes hohes Sopha, vor dem eine Fußbank und auf welcher eine halbmondförmige Kopfstütze von Elfenbein stand, mehrere Stühle, ein Gestell mit Becken und Kannen und ein anderes mit Flaschen in jeder Größe, Schalen und Büchsen bildeten die Ausstattung des Saales, der von drei mit Kikiöl gefüllten Lampen in Vogelgestalt erleuchtet wurde.