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Sherlock soll zu Lebzeiten ein gemeiner Verbrecher gewesen sein? Max und Paula können es nicht fassen. Doch anstatt Licht ins Dunkel zu bringen, verstrickt sich Sherlock in Widersprüche ...
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Seitenzahl: 76
Inhalt
Impressum
Halunken im Schloss?
Schockschwerenot!
Beweise
Freund oder Feind?
Ein Gespenst unter Verdacht
Gestehen Sie, Freiherr von Schlotterfels?
Premiere
Die Kunst des schönen Schreibens
Es ist angerichtet!
Ein Ehrenmann
Autoreninformation
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Als Ravensburger E-Book erschienen2013Die Print-Ausgabe erscheint in der Ravensburger Verlag GmbH© 2010 Ravensburger Verlag GmbHUmschlag: Sabine Reddig unter Verwendung einer Illustration von Karsten TeichInnenillustrationen: Karsten TeichAlle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbHISBN 978-978-3-473-47275-8www.ravensburger.de
Halunken im Schloss?
„Grundgütiger!“ Mit zerzausten Perückenlocken schreckte Sherlock Freiherr von Schlotterfels aus dem Schlaf auf.
„Lilly?“, wisperte Sherlock und zog sich die löchrige Bettdecke bis zur Nasenspitze. „Hast du das auch gehört?“
Bereit zum Sprung saß Sherlocks kleiner, weißer Hund auf der Bettdecke und spitzte die Ohren. Ja, Lilly hatte es auch gehört. Dieses leise, kaum wahrnehmbare Scharren.
„Vie-vie-vielleicht sind es ja nur Max und Paula, die uns einen Besuch abstatten wollen“, hoffte Sherlock. Dabei wusste er eigentlich ganz genau, dass es sich anders anhörte, wenn seine beiden Freunde zu Besuch kamen. Sherlock kannte Schloss Schlotterfels so gut wie seine Westentasche. Schließlich war er in diesen Mauern zur Welt gekommen. Gemeinsam mit seiner Schwester Theresia hatte er jeden Winkel des Schlosses ergründet, jeden Raum, jeden Geheimgang, jede Kammer, und dabei hatten sie auch das Geheimzimmer entdeckt, in dem Sherlock nun wohnte. Doch das alles lag lange, lange Zeit zurück. Der unter seiner Bettdecke schlotternde Sherlock Freiherr von Schlotterfels war nämlich vor über dreihundert Jahren bei einem Duell ums Leben gekommen. Seither waren er und sein Hund Lilly Gespenster.
Sherlock zuckte zusammen, als ein leises Quietschen durch das Schloss hallte. Das Gespenst schluckte. Dieses Geräusch kannte es nur zu gut.
„Jemand hat die Außentür zur Bibliothek geöffnet“, verkündete Freiherr von Schlotterfels mit Grabesstimme. „Hick! – Oh, nein!“, stöhnte er auf und presste sich beide Hände auf den Mund.
„Hick, hick!“, bahnte sich das schlotterfelssche Angsthicksen seinen Weg. Immer dann, wenn dem Gespenst vor Furcht die Perückenlocken zu Berge standen, bekam es diesen schrecklichen Schluckauf. Ein lästiges Familienerbstück.
Klack, klack-klack, klack.
Sherlock vernahm Schritte. Das ohnehin schon sehr blasse Gespenst wurde blasser und blasser, bis es sich schließlich kaum noch von der weißen Bettdecke unterschied.
„Ein Eindringling, Lilly! In meinem Schloss! Hick!“, wisperte Freiherr von Schlotterfels. „Verschwinde!“, zischte er und zog sich die Bettdecke über den Kopf.
Das Gespenst begann so heftig zu zittern, dass ihm angst und bange wurde, sein Bett könnte unter ihm zusammenbrechen.
„Sapperlot noch eins!“, stöhnte Freiherr von Schlotterfels. „Was geht hier vor sich?“
Plötzlich zerrte Lilly an der Bettdecke ihres Herrn.
„Lilly, jetzt heißt es Ruhe bewahren! Ein Einbrecher im Haus ist noch lange kein Grund, seine gute Erziehung zu vergessen!“, ermahnte das Gespenst seinen Hund.
Lilly knurrte unzufrieden und zerrte noch einmal kräftig an der Bettdecke, woraufhin sie mitsamt der Decke auf dem verstaubten Fußboden landete. Erwartungsvoll schaute sie ihren Herrn an und wedelte unternehmungslustig mit dem Schwanz.
„Du glaubst doch wohl nicht, dass ich, Sherlock Freiherr von Schlotterfels, mich in Lebensgefahr begebe!“
Lillys Schwanzwedeln wurde schneller.
„Oh?!“, stieß Sherlock entgeistert hervor. „Aber, aber … Lilly …“ Verlegen spielte das Gespenst an seinem Halstuch. „Ja, ja, Max und Paula behaupten auch immer, mir könne nichts passieren, weil ich ja sowieso schon ein Gespenst bin. Aber …“, Sherlocks rechter Zeigefinger schnellte in die Höhe, „… es ist nicht bewiesen, dass Gespenstern nichts zustoßen kann, nur weil sie Gespenster und für die Allgemeinheit unsichtbar sind, oder?“
Aus den Augenwinkeln beobachtete Sherlock, wie Lilly enttäuscht den Schwanz hängen ließ. Ein, zwei Staubwölkchen wirbelten noch in die Luft, dann gab Lilly auf.
Sherlock rang einen Moment mit sich, doch am Schluss siegte seine Eitelkeit. Entschlossen straffte er die Schultern, schwang die Beine aus dem Bett und verkündete: „Bitte, du hast es so gewollt, Lilly! Gehen wir auf Halunkenjagd!“
Freiherr von Schlotterfels zerrte sein langes, aufwendig besticktes Jackett zurecht und schwebte zur Geheimtür. Er presste sein Ohr dagegen und lauschte. Zu seiner unbeschreiblichen Erleichterung war alles still.
Lautlos klatschte er in die Hände. Lilly schwebte sofort auf seinen Arm und leckte ihm zur Belohnung für seinen Mut mit der Zunge über das Gesicht.
„Dann wollen wir mal“, entschied Sherlock mit zittriger Stimme und trat durch die Wand.
Das Musikzimmer war in helles Mondlicht getaucht. Sherlock kniff die Augen zusammen und ließ seinen Blick über die steinernen Engelsfiguren, die altmodische Sitzgruppe und das Spinett gleiten. Hier versteckte sich niemand.
Vor der Tür zum Studierzimmer machte Sherlock halt, kniff ein Auge zu und linste durch das Schlüsselloch. „Niemand zu sehen. Mir deucht, die Luft ist rein!“, flüsterte er.
Kaum hatte Sherlock das letzte Wort ausgesprochen, huschten die beiden Gespenster als milchiger Nebelstreif durch das Schlüsselloch. Auf der anderen Seite der Tür vergewisserte sich Sherlock mit eiligen Blicken in die Zimmerecken, dass hier wirklich niemand auf ihn und seine vierbeinige Freundin lauerte. Lautlos näherten sich die Gespenster ihrem Ziel, der Bibliothek.
Vor der Tür zur Bibliothek hätte Sherlock am liebsten auf dem Absatz seiner Schnallenschuhe kehrt gemacht und wäre zurück ins Geheimzimmer geflüchtet. Aber das war natürlich unmöglich. Für heute hatte er sich schon genug vor Lilly blamiert. Also kratzte er seinen ganzen Mut zusammen und krächzte heiser: „Ich komme jetzt! Ergreifen Sie lieber die Flucht! Ich warne Sie! Mein grausamer Ruf eilt mir voraus! Und ich werde keine Gnade walten lassen!“ Und schon huschten Sherlock und Lilly durchs nächste Schüsselloch hinein in die Bibliothek. Sherlock sah sich hastig um. Er musterte die Bücherregale an den Wänden, das Sofa vor dem Kamin, den Schreibtisch, und dann stockte ihm der Atem. Die Flügeltür zum Schlosspark stand sperrangelweit offen! Aber von dem Einbrecher war nicht eine Haarspitze zu entdecken.
„Niemand zugegen“, zischelte Sherlock Lilly zu. Dann brach er in lauten Jubel aus. „Haha, der Halunke hat die Flucht ergriffen!“ Das Gespenst schwebte zur Flügeltür und brüllte plötzlich sehr mutig in die Nacht hinaus: „Wer es wagt, sich an dem Eigentum meiner Vorfahren zu vergreifen, den soll der Fluch derer von Schlotterfels treffen!“ An Lilly gewandt flüsterte er kichernd: „‚Fluch derer von Schlotterfels‘! Das gefällt mir! Wieso bin ich nicht schon früher darauf gekommen?“ Aber er war mit seinen Beschimpfungen noch lange nicht am Ende: „Du feiger Hund! Komm zurück und kämpfe, wenn du dich traust, mit Sherlock Freiherr von Schlotterfels die Klinge zu kreuzen!“ Sherlock geriet so sehr in Fahrt, dass er Lilly auf den Boden setzte und wie ein Wirbelsturm unter schrecklichem Gespenstergeheule in den Park hinaussauste. „Huah, huaaah!“, tönte er und umrundete mit flatternden Rockschößen den Springbrunnen. Sein Hündchen war ihm dicht auf den Fersen.
Da flog im ersten Stock des Westflügels ein Fenster auf und Paula steckte verschlafen den Kopf in die kühle Nachtluft hinaus. „Freiherr von Schlotterfels? Was soll denn der Krach? Sie wecken noch das ganze Schloss auf!“
„Ich bin schon wach“, meldete sich Max am Fenster nebenan zu Wort und gähnte. „Ist was passiert?“, fragte er besorgt und kniff die Augen zusammen, um das Gespenst besser sehen zu können. Seine Brille lag noch auf dem Nachttisch.
„In der Tat!“, erwiderte Sherlock. „Tststststs! Während ihr gemütlich in euren weichen Kissen geruht habt, habe ich einen Eindringling aus dem Schlosse gejagt!“
„Was?“, riefen Max und Paula im Chor.
Das Gespenst verschränkte die Arme vor der Brust und nickte bestätigend.
„Schnell, kommen Sie rein!“, winkte Paula das Gespenst in ihr Zimmer.
Das brauchte sie nicht zweimal zu sagen. Im nächsten Moment schraubte sich Freiherr von Schlotterfels höher und höher in die Luft, gefolgt von Lilly, brauste durchs offene Fenster hinein in Paulas Zimmer und ließ sich auf dem Fensterbrett nieder.
„Wartet auf mich!“, rief Max. Wenige Sekunden später waren alle in Paulas Zimmer versammelt.
„Was ist passiert?“, fragten Paula und Max erwartungsvoll und beobachteten das Gespenst, das wie ein König mit übereinandergeschlagenen Beinen auf Paulas Fensterbrett thronte.
„Grundgütiger, war das eine Nacht!“, stöhnte Sherlock, während er in aller Ruhe seine Spitzenmanschetten in Form brachte. Das war die schlotterfelssche Geduldsprobe. Sherlock liebte es nämlich, im Mittelpunkt zu stehen. Er konnte gar nicht genug Aufmerksamkeit und Bewunderung erheischen. Und deshalb zogen sich seine Erzählungen meistens in die Länge wie ein zäher Kaugummi.
Das Gespenst warf seine Perückenlocken über die Schultern. „Wohlan, Lilly und ich schliefen bereits, als mich plötzlich ein Geräusch aus dem Schlaf riss …“ Und so berichtete Sherlock ausführlich, was sich im Ostflügel des Schlosses zugetragen hatte. Allerdings behielt er lieber für sich, dass er sich unter der Bettdecke versteckt und vor Angst gezittert hatte und am liebsten keinen Fuß vor die Tür seines Geheimzimmers gesetzt hätte.
„Kaum hatte ich erkannt, in welcher Gefahr wir uns befanden, zögerte ich keine Sekunde, unter Einsatz meines Lebens Schloss Schlotterfels und seine Bewohner zu beschützen“, behauptete Sherlock stattdessen.
Lilly, die sich zwischen Paulas Stofftiere ins oberste Fach eines Wandregals gekuschelt hatte, hob bei diesen Worten das Köpfchen.
Paula und Max schauten sich grinsend an. Sie kannten ihren Gespensterfreund und sie wussten nur allzu gut, wie sich die Sache wahrscheinlich wirklich zugetragen hatte.