Sie können sich mal gern haben! - Jumi Vogler - E-Book

Sie können sich mal gern haben! E-Book

Jumi Vogler

4,8

Beschreibung

Natürlich haben Sie längst gemerkt, dass der Satz normalerweise lautet: "Sie können mich mal gern haben!" Und Sie wissen: Er ist nicht liebevoll gemeint. Mit der Doppeldeutigkeit des Titels sind wir mittendrin im Thema: Die meisten Menschen haben einander nicht gern. Sie mögen sich nicht, sie beneiden sich, sie bekämpfen sich. Warum? Weil sie sich selbst nicht mögen! Alle negativen Gedanken und jedes negative Handeln basieren auf mangelnder Selbstliebe. Und Selbstliebe hat einen schweren Stand in unserer Gesellschaft. Sie ist nicht en vogue, gilt bestenfalls als egoistisch und arrogant. Etwas für Leute, die keine Ahnung von Geld, Wirtschaft , Politik und Kriegen haben. Frauen also. Und ein paar weichgespülte Männer. Das ist natürlich Unsinn! Selbstliebe ist die Basis für das Positive in Ihrem Leben. Selbstliebe hat mit einer veränderten Haltung zu sich und zur Welt zu tun. Selbstliebe bedeutet, zu lieben, zu leben, zu lachen. Und in diese drei Schritte ist das Buch auch unterteilt. Der erste Teil handelt vom Lieben. Denn Lieben ist die Voraussetzung für alles. Der zweite Teil handelt vom Leben. Wie es Ihnen gelingen kann, ein Leben voller Sinn, Leidenschaft, Liebe, auch in Krisen, im Leid, mit Genuss und Vergnügen zu leben. Denn Liebe hat nur einen Sinn, wenn Sie sie leben. Der dritte Teil beschäftigt sich mit dem Lachen. Das Lachen, der Humor, das Vergnügen, die Komik, die Heiterkeit hebt den Menschen weit über sein eigenes Schicksal hinaus. Auf allen drei Etappen finden Sie Übungen, die Sie leicht umsetzen können.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 182

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (40 Bewertungen)
34
6
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis
Vorwort: »Sie können sich mal gernhaben!« – Wie bitte?
Lieben
Selbstliebe? Das ist doch wie Selbstbefriedigung!
Selbstliebe oder: Eigentlich bin ich ganz anders!
Der Weg zur Selbstliebe oder: Gibt es da keine App?
Selbstliebe? Das ist doch nur was für Verlierer, oder?
Ein Leben voller Liebe, Glück und Freude oder: Alles Gehirnwäsche!
Selbstliebe: Loslassen. Vergeben. Heilen
Leben
Lieben Sie sich und das Leben, und das Leben liebt Sie zurück!
Wut ist gut oder: Das Märchen von den negativen Gefühlen
Das Glück finden oder: Warum ein Leben wollen, wenn man Geld und Erfolg haben kann?
Der Held Ihres Lebens sind Sie! oder: Mut braucht Angst
Liebe ist … vielfältig und nicht nur ein Wort
Genießen Sie Ihr Leben! In jedem Augenblick
Lachen
Schwan sein, Schwente oder Ente? oder: Perfektionismus tötet Liebe
Bringen Sie Ihre Krise zum Lachen! oder: Wie Sie die Tomatenkiste loslassen
Lieben, Leben, Lachen – die wahre Erfolgsstrategie
Anhang
Anmerkungen
Literatur
Über die Autorin
Impressum

Vorwort: »Sie können sich mal gernhaben!« – Wie bitte?

Doch, genau! So ist es! Der Satz heißt natürlich normalerweise: »Sie können mich mal gernhaben!« Das wäre auch schön! Gemeint ist aber das genaue Gegenteil, nämlich: »Sie können mich mal am … lecken!« Also nichts wirklich Freundliches. »Sie können sich mal gernhaben!« bedeutet natürlich nicht, dass dieses Buch als Anleitung zum Selbsthass gedacht ist. Ganz im Gegenteil! Aber das haben Sie sich natürlich schon gedacht, liebe Leserinnen und Leser, denn Sie haben ja auch den Untertitel »Sich selbst lieben lernen« gelesen. Und deshalb dieses Buch gekauft. »Sich selbst lieben lernen«, das ist das Thema dieses Buches. Ich gratuliere Ihnen dazu, dass Sie sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Das machen nämlich nicht so sehr viele Menschen. Verglichen mit der Anzahl der Weltbevölkerung. Das ist tatsächlich ganz und gar unüblich. Leider.

Mit der Doppeldeutigkeit des Titels sind wir aber schon mittendrin im Thema. Dem Einander-zum-Teufel-Wünschen und Das-Gegenteil-Sagen. Die meisten Menschen überall auf der Welt haben einander gar nicht mal so gern. Sie mögen sich nicht, beneiden sich, sind wütend, manchmal hassen sie einander sogar und bekämpfen sich. Oft sind wir voller Urteile anderen gegenüber. Woher kommt das bloß? Es kommt daher, dass wir uns selbst nicht mögen. Denn so, wie wir mit anderen umgehen, so gehen wir auch mit uns selbst um. Eigentlich ganz einfach. Aber ziemlich erschreckend.

Wir leben in Unfrieden/Krieg mit anderen, weil wir in Unfrieden/Krieg mit uns selbst leben. Aggression, wie auch immer sie geartet ist, bestimmt unser Handeln. Hinter der Aggression lauert die Selbstverachtung, die Angst, nicht geliebt zu werden, der Selbsthass. Hinter der Aggression und der Aggression sich selbst gegenüber klafft eine tiefe Wunde. Und die darf nicht heilen. Denn bevor sie heilt, müsste man sie anschauen. Und das tut weh. Die meisten Menschen haben jede Menge Wunden, die schmerzen. Und wer will schon noch mehr Schmerz?

Den Kampf mit sich selbst, den ureigenen Schmerz kann man hervorragend mit Angriff auf andere als beste Verteidigung abwenden. Ich kenne das. Und wie ist es mit Ihnen? Kennen Sie das auch?

Alle negativen Gedanken basieren auf mangelnder Selbstliebe. Sie sind das Resultat von Erziehung und unserem Anpassungsprozess an die Gesellschaft. Sie fußen auf Erfahrungen aus der Vergangenheit. Und haben eine Welt in uns und im Außen, in der Realität erschaffen, die uns nicht glücklich macht. Aber anstatt glücklich zu werden und uns mit Selbstliebe zu umgeben, greifen wir zu Surrogaten, zu Ersatz: Gier, Neid, Geld, Erfolg, Macht, Drogen aller Art, Sex, Medien, schlechten Beziehungen, ungeliebten Jobs, den falschen Freunden usw.

Wir machen uns abhängig. Alles ist besser, als sich selbst zu lieben. Die Selbstliebe nämlich ist nicht en vogue. War sie nie. Sie passt einfach nicht in unser System. Außerdem ist sie anstrengend. Selbstliebe gilt bestenfalls als egoistisch und arrogant. Schlimmer noch, die Selbstliebe, die ja die Liebe zu anderen, also auch zu Geschäftspartnern, Politikern, Fußballspielern, Kunden, Schwiegereltern und Finanzbeamten und allen, die man sonst so nicht mag, mit einschließt, gilt als naiv. (Sie wissen doch: So, wie wir mit uns umgehen, gehen wir auch mit anderen um. Wenn wir uns lieben, können wir auch andere lieben. So ist das.) Selbstliebe gilt als etwas für Leute, die keine Ahnung von Geld, Wirtschaft, Politik und Kriegen haben. Etwas für Frauen also. Und für ein paar weichgespülte Männer. Für Verlierer also.

Und das ist natürlich Unsinn! Selbstliebe hat mit einer veränderten Haltung zur Welt zu tun. Während ich das schreibe, bombt, mordet, vergewaltigt der IS, der »Islamische Staat«, die griechische Regierung wehrt sich gegen die Sparauflagen der EU, weil es der Bevölkerung schlecht geht, Pegida ist noch nicht ganz, aber fast gescheitert, nicht aber die Ausländer- und Asylantenfeindlichkeit, und die Mutter von nebenan brüllt jetzt schon seit drei Tagen. Genauso wie ihr Kind.

Unsere Welt wird von der Ökonomie, dem globalen Kapitalismus, gnadenlos beherrscht, der Mensch an sich spielt nur noch als Konsument, Ressource, Humankapital und Wähler eine Rolle. Er spürt das, der Mensch, und hat Angst. Er fühlt sich nicht sicher, nicht geborgen. Und er hat recht. Tatsächlich ist auf die Sicherheit im Außen kein Verlass. Wir haben hier in West-Europa schon sehr viel Glück gehabt mit einem 70-jährigen Frieden. Niemand weiß, wie lang er noch dauert.

Die Sicherheit in uns selbst ist letztlich die einzige Sicherheit von Bestand. Und die erfordert eine disziplinierte Arbeit an sich selbst, die Arbeit an der Liebe zu sich selbst. Da kommen wir nicht drum herum. Um die Arbeit und die Selbstliebe. Denn nur die Selbstliebe gibt Sinn. Sinn, der weit über Ökonomisches hinausgeht und beständiger ist. Der sich als Liebe und Fürsorge auch in liebevolles Handeln umsetzt.

So weit, so gut. Die Leserinnen und Leser, die meine Bücher kennen, werden sich jetzt vielleicht fragen: »Wieso schreibt die Frau jetzt über Selbstliebe? Die hat doch immer über Humor geschrieben. Das ist ja komisch.« Ja, das ist echt komisch. Und tragisch war der Anlass auch. Ich komme zu dem Thema Selbstliebe wie die meisten anderen auch. Durch eine Krise. In meinem Fall waren es gleich zwei. Eine geschäftliche und eine gesundheitliche. Ich habe jemandem vertraut, der mein Vertrauen enttäuschte. Lange habe ich daran geknabbert. Das ist mittlerweile überwunden. Ich begann, mir Gedanken darüber zu machen, wie ich den Rest meines Lebens leben will. Welchen Sinn ich meinem Leben gebe. Dann kam der gesundheitliche Schlag. Einige von Ihnen wissen es, ich leide seit 16 Jahren an einer schweren chronischen Polyarthritis. Nun ja, mit einer chronischen Krankheit gebe ich mich noch lange nicht zufrieden, und deswegen habe ich mir eine zweite »angelacht«. Eine Lungenkrankheit. Machen Sie sich keine Sorgen, ich pfeife nicht auf dem letzten Loch. Aber wenn Sie zwei so schwere Krankheiten bekommen, dann stellen Sie Ihren Lebensstil und Ihre Lebenseinstellung und eigentlich alles auf den Prüfstand. Das habe ich getan und tue es auch noch. Kurz gesagt ist das Thema »Selbstliebe« mein Lebensthema.

Inzwischen habe ich Menschen getroffen, die sich ebenfalls mit Selbstliebe und Liebe auf unterschiedlichste Arten und Weisen auseinandersetzen, und sie haben mir eine neue Welt eröffnet. Weil Schreiben mein originäres kreatives Talent ist, teile ich mit Ihnen nun sehr gerne meine Erkenntnisse. Und hoffe, Ihnen ebenfalls Inspiration zu geben und den Impuls für ein Leben voller Selbstliebe und Liebe.

Und nun zur »Gebrauchsanweisung« für das Buch.

Es ist in drei Teile gegliedert. Diese drei Teile stellen die Etappen des Weges zur Selbstliebe und zu einem erfüllten Leben dar. Der erste Teil handelt vom Lieben. Denn Lieben ist die Voraussetzung für alles. Er handelt auch von Spiritualität. Denn das Ziel jeder Spiritualität ist die Liebe. Die mit der Selbstliebe beginnt. Hier erfahren Sie, was es mit der Selbstliebe auf sich hat. Wieso sich nur wenige die Zeit nehmen, sie zu erlernen und zu erleben. Sie erkennen, wie Sie die Selbstliebe in Ihr Leben integrieren. Und sich und andere lieben lernen.

Der zweite Teil handelt vom Leben. Wie es gelingen kann, ein Leben voller Sinn, Leidenschaft, Liebe, auch in Krisen, im Leid, mit Genuss und Vergnügen zu leben. Denn Liebe hat nur einen Sinn, wenn man sie lebt.

Der dritte Teil beschäftigt sich, das war doch klar, mit dem Lachen. Mein Humor ist mir ja nicht vergangen. Er ist nur noch »chronischer« geworden. Das Lachen, der Humor, das Vergnügen, die Komik, die Heiterkeit hebt den Menschen weit über sein eigenes Schicksal hinaus. Und wenn der Humor mit der Liebe gepaart ist, dann besitzt er Weisheit. Der Humor.

Auf allen drei Etappen finde Sie Übungen und Meditationsvorschläge, die Sie leicht umsetzen können. Lassen Sie sich Zeit beim Lesen und beim Üben. Geduld, leider eine meiner kleinsten Stärken, ist wesentlich für die Liebe. Ich weiß es nur zu gut!

Manche Überschriften sind recht provokativ. Das ist Absicht. Ich habe versucht, in ihnen alle Einwände, die ich selbst gehört habe, aufzugreifen und zu widerlegen. Um Ihnen mitzuteilen, dass Sie sich mit Ihren Zweifeln nicht allein auf den spirituellen Weg machen.

Wenn Sie am Ende des Buches angelangt sind, dann sind Sie schon ein gutes Stück des Weges gegangen zu einem erfüllten Leben in Liebe. Die Selbstliebe und die Liebe aber bleiben eine lebenslange Herausforderung.

Ihre Jumi Vogler

Lieben

»Alles, worauf die Liebe wartet, ist die Gelegenheit.«

Cervantes Saavedra, Dichter

Diese Gelegenheit wollen wir ihr, der Liebe, nun geben. Indem wir uns aktiv bemühen: erst um die Selbstliebe und dann um die Liebe. »Was? Aktiv bemühen? Um die Liebe? Quatsch! Die Liebe kommt, wenn sie kommen soll. Das hat gar nichts mit mir zu tun! War bisher halt Pech! Immer die Falschen erwischt. Wird schon«, das mag die eine oder der andere denken.

Es ist üblich zu glauben, dass Liebe einfach so existiert. Freischwebend im Raum. Nur nicht immer in dem Raum, in dem wir uns gerade aufhalten. Die Selbstliebe hat mit der Liebe nichts zu tun. Ganz im Gegenteil. So meinen viele. Und deswegen brauchen wir uns auch gar nicht mit ihr zu befassen.

Sich selbst lieben, das wollen die Menschen nicht unbedingt. Lieben, das wollen alle. Oder besser: geliebt werden. Unter Liebe versteht man im Allgemeinen, außer der Liebe zu Kindern und Familie, vor allem die Liebe zwischen Partnern und die erotische Liebe. (Die beiden Liebesarten können und dürfen sich überschneiden.)

Viele Menschen sind fest davon überzeugt, dass die »richtige« Liebe dann kommt, wenn uns der »richtige Partner/die richtige Partnerin« begegnet. Wir sind allen Ernstes der Meinung, dass Liebe nichts, aber auch gar nichts mit uns selbst zu tun hat. Sondern, natürlich, nur mit dem Gegenüber. Das muss uns dann lieben. Und zwar genau so, wie wir das wollen. Allerdings wissen wir gar nicht, wie wir das wollen. Wie die Liebe aussehen soll. Macht nix! Der andere muss es ja wissen!

Wehe dem, der es versucht, uns zu lieben! Er kann nur alles falsch machen. Und wenn er das tut, dann tauschen wir eben den »richtigen Partner« gegen einen viel »richtigeren« aus. Und beginnen das Spiel von vorne. Bis wir keine Lust oder keine Puste mehr haben. In Deutschland scheitert jede zweite Ehe. Sie können ja mal im Freundeskreis durchzählen.

Wir glauben auch nicht, dass Liebe mit Arbeit zu tun hat. Schon gar nicht mit der Arbeit an der Liebe zu uns selbst. Und die beinhaltet Annehmen, Fürsorge, Verstehen, Vergeben, Geben. Sich selbst Liebe geben. Denn Lieben bedeutet Geben.

Erich Fromm schreibt in seinem Werk »Die Kunst des Liebens«:

»Liebe ist grundsätzlich unteilbar, man kann die Liebe zu anderen ›Liebes-Objekten‹ nicht von der Liebe zum eigenen Selbst trennen. Echte Liebe ist Ausdruck inneren Produktivseins und impliziert Fürsorge, Achtung, Verantwortungsgefühl und ›Erkenntnis‹. Sie ist kein ›Affekt‹ in dem Sinn, dass ein anderer auf uns einwirkt, sondern sie ist ein tätiges Bestreben, das Wachstum und das Glück der geliebten Person zu fördern.«1

Und:

»… dass mein eigenes Selbst ebenso sehr Objekt meiner Liebe sein muss wie ein anderer Mensch. Die Bejahung des eigenen Lebens, des eigenen Glücks und Wachstums und der eigenen Freiheit ist in der Liebesfähigkeit eines jeden verwurzelt, das heißt in seiner Achtung, seinem Verantwortungsgefühl und seiner ›Erkenntnis‹. Wenn ein Mensch fähig ist, produktiv zu lieben, dann liebt er auch sich selbst; wenn er nur andere lieben kann, kann er überhaupt nicht lieben.«2

Da wird sehr schnell deutlich, dass wir sehr wenig Ahnung von der Selbstliebe und der Liebe haben. Aber woher sollen wir auch? Glauben Sie, dass das Mädchen, das der Kaste der Unberührbaren, der niedrigsten Kaste in Indien, angehört, jemals Selbstliebe erfahren hat? Dass Terroristen viel Selbstliebe empfinden? Die Flüchtlinge aus Syrien? Oder die Soldaten, die das Grauen des Krieges überall auf der Welt erlebt haben? Die Nachkommen der afrikanischen Sklaven in den USA oder die Frauen in Nigeria, die von Boko Haram verschleppt wurden? Vielleicht die Frauen in Saudi Arabien, die als Menschen zweiter Klasse gehalten werden? Die Taliban? Oder Menschen, die keine sinnvolle Arbeit mehr finden und von Harz IV leben? Oder wir? Als Kinder oder Enkelkinder von Eltern, die das NS-Regime und den Zweiten Weltkrieg irgendwie überlebt haben? Die meisten von uns haben niemals erfahren, was Selbstliebe bedeutet. Selbstliebe steht auf keinem Lehr- oder Erziehungsplan. Und Liebe auch nicht. Das ist das Drama. Das Drama des Lebens auf der Welt.

Und so sieht unsere Welt auch aus: Kriege, Armut, Ausbeutung, Versklavung, Unterdrückung. Auf der anderen Seite beispielloser Reichtum, beispiellose Ausbeutung und Gewinnmaximierung. Beispiellos wegen der Konzentration auf den eigenen Profit. Beispiellos wegen des völligen Fehlens von Mitgefühl. Da können wir uns gleich an die eigene Nase fassen. Wie groß ist denn unser Mitgefühl? »Die Flüchtlinge aus Syrien, denen werfen wir das Geld hinterher. Und hier bei uns wird alles teurer. Unsere Straßen sind marode, unsere Schulen verrotten. Und die bekommen alles neu. Und machen zum Dank unsere schönen Asylantenheime kaputt.« Wie oft habe ich solche Sätze in den letzten Wochen gehört. Das völlige Fehlen von Mitgefühl und Fürsorge erschüttert mich. Und nicht nur in diesem Fall.

Wir sind nicht getrennt. In einer globalen Welt sind wir alle miteinander verbunden. Unser Handeln hat Auswirkungen auf andere. Leider eher negative als positive. Noch. Warum ist das so? Die Antwort ist ganz einfach. Die Menschheit glaubt an den Mangel. Wir glauben, dass wir in einer Welt des Mangels leben. Unser gesamtes politisches und wirtschaftliches System weltweit ist auf den Mangel ausgerichtet. Wer den Mangel vor Augen hat, muss kämpfen. Muss um sein Leben kämpfen. Muss in die Konkurrenz gehen. Koste es, was es wolle. Wer sich und andere im Mangel sieht, dem fehlt es an Selbstliebe und Liebe. Auch wenn er oder sie großen Erfolg und Reichtum erwirtschaftet hat. Denn unser Glauben an eine Welt des Mangels erschafft eine Welt des Mangels.

Probieren Sie es selbst aus, wie Gedanken des Mangels und des Defizits verändern. Probieren Sie es aus, seien Sie Ihr eigenes mentales Versuchskaninchen.

* * *

Damit beginnen wir die Übungen auf Ihrem Weg zur Selbstliebe und Liebe.

Am besten ist es, Sie besorgen sich ein hübsches Notizbuch oder Tagebuch, dem Sie den Titel geben: »Mein Weg zur Selbstliebe und Liebe«. Schreiben Sie Ihre Erkenntnisse über Ihre Fortschritte, aber auch Ihre Schwierigkeiten möglichst täglich auf. Auch Ihre Zweifel und die Angst, dass Sie nun endlich verrückt geworden sind. Sind Sie nicht. Sonst wäre ich es auch. Und alle anderen Leserinnen und Leser. Sie sind in bester Gesellschaft. In der Gesellschaft von Menschen, die einen anderen Weg zu sich selbst, zu anderen Menschen, zu ihren Leben finden wollen.

Suchen Sie sich für alle Übungen einen bestimmten Platz aus, an dem Sie sich wohlfühlen und Ihre Ruhe haben. Ich übe immer in meinem kleinen Wintergarten mit Blick auf Berlin. So bin ich mit der Stadt und den Menschen und mit mir verbunden. Noch etwas, solche spirituellen Übungen brauchen Disziplin und Zeit und Geduld. Sie funktionieren auch nicht wie Harry Potters Zauberstab. Sie müssen schon dabeibleiben. Ich verspreche Ihnen, wenn Sie das tun und die Übungen wiederholen, werden sich Erkenntnisse, ja überraschende Erkenntnisse einstellen.

Übung Nr. 1

Schließen Sie die Augen. Und nun erzählen Sie sich die folgende Geschichte, auch wenn sie gar nicht Ihrer Meinung entspricht:

»Die Welt ist ungerecht. Nie bekomme ich das, was ich verdiene. Nicht an Zuneigung und Aufmerksamkeit. Nicht von meinem Kindern. Oder meinem Partner. Wenn ich wenigstens genügend Geld hätte. Alle anderen haben auch mehr. Die denken alle nur an sich. Diese Egoisten. Von mir bekommt keiner mehr etwas.«

Wiederholen Sie diese Sätze ungefähr fünf Minuten lang. Sie werden spüren, wie Sie sich mit negativer Energie füllen.

Und nun das Gegenexempel.

Übung Nr. 2

Schließen Sie wieder die Augen, atmen Sie tief ein und aus und beginnen Sie mit der ersten Meditation dieses Buches, ebenfalls fünf Minuten lang:

»Möge ich von Herzenswärme erfüllt sein.

Möge ich gesund sein.

Möge ich mich friedlich und gelassen fühlen.

Möge ich glücklich sein.«(*)

Diese buddhistische Meditation ist zweieinhalbtausend Jahre alt. Sie dient dazu, Herzenswärme, Fürsorge und Freundlichkeit sich selbst und anderen gegenüber anzuregen. Ich selbst habe anfangs jeden Tag mit diesen Versen meditiert. Ganz wie Sie wollen, können Sie Ihre Meditationszeiten verlängern. Aber langsam. Sitzen und sich konzentrieren ist nicht ganz so einfach. Schauen, Sie, ob es Ihnen hilft, sich friedlicher, liebevoller, verbundener zu fühlen. Das wird nicht von Anfang an klappen. Wenn Sie wollen, schreiben Sie Ihre Erfahrungen in Ihr Selbstliebe-Buch.

(*) Jack Kornfield, Frag den Buddha und geh den Weg des Herzens, Neuausgabe im Ullstein Taschenbuch Verlag, Berlin 2004, S. 37

Wie Meditation klappt

Anfangs macht Sie das Meditieren vielleicht verrückt. Meditieren ist nicht ganz einfach. Es bedeutet, sich zu konzentrieren. Ganz besonders achtsam, also fokussiert, zu sein. Das ist das Schwierige daran. Wir sind es nicht gewohnt, uns auf Wesentliches zu konzentrieren. Wir denken Tausende Gedanken. Manchmal sogar gleichzeitig. Wir befinden uns fast immer in der Vergangenheit oder der Zukunft. Viele unserer Gedanken denken wir jeden Tag. Vor allem die negativen. Die meisten Lehrer und Bücher empfehlen eine Meditation auf einem Meditationskissen oder auf einem Stuhl. Ich bin da nicht dogmatisch. Weil ich Schmerzen habe, meditiere ich meistens auf einer Art Liegestuhl mit schräg gestellter Rückenlehne. Es geht nur darum, nicht einzuschlafen. Meditation bedeutet, wach zu sein. Suchen Sie sich eine ruhiges Eckchen oder einen stillen Raum, in dem Sie meditieren.

Es gibt ganz unterschiedliche Arten der Meditation. Eine davon ist, nur den Atem zu beobachten. Die andere funktioniert mit einem Mantra, wie das über die Herzenswärme. Ich kenne auch Menschen, die bearbeiten ein Thema, indem sie dazu Gedanken ins Bewusstsein dringen lassen. Ich selbst arbeite mit verschiedenen Meditationen. Täglich. Es hilft sehr, sich zu konzentrieren und die eigene Energie zu lenken. Auch wenn anfangs die Gedanken Purzelbäume schlagen. Das Gehirn verrückt wird. Es will denken. Was es will und wie viel.

So ein Gehirn muss man erziehen. Mit Geduld. Einfach die Gedanken vorbeifliegen lassen und sie nicht zu verdrängen versuchen. Nehmen Sie sie wahr, begrüßen Sie sie mit »Guten Tag!« oder »Ihr schon wieder« und verstricken Sie sich nicht in ihnen. Konzentrieren Sie sich wieder auf den Vers. Manchmal machen mich die Gedanken wahnsinnig oder die Tatsache, dass es auf einmal an den verschiedensten Körperstellen ziept und juckt und schmerzt. Auch gestandenen Meditations-Profis, die jeden Tag eine Stunde und in Retreats viel länger meditieren, passiert das. Unser Verstand ist einfach so, er muss denken, alles einordnen. Das ist sein Job. Er kann es einfach nicht ertragen, zur Ruhe zu kommen.

Stellen Sie sich vor, alle Menschen auf dieser Welt, ALLE, beginnen jeden Morgen mit dieser kleinen Herzenswärme-Meditation. Es würde die Welt verändern. Denn es bringt sie zu sich, in die Gegenwart und in die Liebe. Die Menschen.

Selbstliebe? Das ist doch wie Selbstbefriedigung!

So ist es! Selbstliebe hat wirklich mit Selbstbefriedigung zu tun. Mit der Befriedigung und der Befriedung des Selbst. Natürlich verknüpfen wir das Wort Selbstbefriedigung sofort mit Sexualität. Mit Masturbation. Und das war in meiner Jugend etwas sehr Schlimmes. Eine Sünde. Bei dieser an sich angenehmen Tätigkeit sollte das Gehirn schrumpfen, das Rückenmark auslaufen und die Hände abfaulen. So die gängige Erziehungspraxis. Ich hoffe, verehrte Leserinnen und Leser, Sie haben es unversehrt überstanden.

Der Titel ist ein alter Kalauer. Selbstliebe, das heißt doch, dass man irgendwie an sich selbst rumspielt. Das ist ein schöner Gedanke: die Übungen zur Selbstliebe als wunderbares Spiel zu begreifen. Als Spiel mit und an sich selbst. Denn Spiele sind immer ernsthaft. Beobachten Sie mal Kinder beim Spielen. Sie sind mit höchster Konzentration bei der Sache.

Meine Mutter hat sich bei dem Wort »Befriedigung« geschüttelt vor Ekel. Selbstbefriedigung war etwas ganz und gar Sündiges. Und alles, was mit Selbstliebe zu tun hatte, sich selbst mögen, gut für sich sorgen, sich durchsetzen, verteidigen, das hat sie wütend gemacht. Sie hat es als Unrecht empfunden. Meine Mutter war eine intelligente, lebenslustige Frau. Sie hat Sprachen studiert, sprach mehrere fließend, war attraktiv, temperamentvoll und auch kurzfristig als Konzertsängerin unterwegs. Sie hat in meinem Vater einen 15 Jahre älteren, erfolgreichen Juristen geheiratet. Beide hielten sich in den Kreisen der oberen Einhundert der kleinen katholischen Stadt auf, in der ich geboren wurde, als einziges Kind dieser Verbindung.

Hört sich ganz gut an, oder? Aber in meiner Mutter lebten zwei Persönlichkeiten: Mrs. Jekyll und Mrs. Hyde. Mrs. Hyde war eine prügelnde, unkontrollierte Alkoholikerin, die das Kind hasste, immer wieder aufs Brutalste zuschlug und dem jungen Mädchen systematisch Steine in den Lebensweg zu legen versuchte. Meine Mutter starb im Alter von 65 Jahren an ihrer Alkoholkrankheit. Einer ihrer letzten Sätze war: »Ich habe mein Leben verpfuscht.«

Ich war ein unglückliches Kind. Das aber seine Trauer, seinen Schmerz nicht zeigen durfte. Ich beschäftigte mich schon früh allein. Um mir Trost zu spenden und um der Einsamkeit zu entgehen. So hat sich wohl meine Fantasie entwickelt. Und mein Humor. In meinem Buch »Erfolg lacht! Humor als Erfolgsstrategie« beschreibe ich, dass Humor die Fähigkeit besitzt, Leben zu retten. Bei mir tut er das bis heute.