Siebenundneunzig - Emmi Schneider - E-Book

Siebenundneunzig E-Book

Emmi Schneider

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Beschreibung

Frauen erzählen von wichtigen Momenten aus ihrer Vergangenheit und davon, wie diese Momente ihr weiteres Leben beeinflusst haben. Ob es nun ein zufällig wiederentdecktes Halstuch ist, ein zerknüllter Zettel oder 17 Bände eines Tagebuchs – das Leben ist voller Überraschungen! Was oft ganz harmlos daherkommt und sich als Zufall tarnt, kann sich letztlich zu einer Kehrtwendung auf dem bisherigen Lebensweg entwickeln.

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Seitenzahl: 94

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Siebenundneunzig

Kurzgeschichten

Emmi Schneider

© 2025 Emmi Schneider

Website: www.schneiderschreibt.de

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:

[email protected]

ISBN Softcover 978-3-384-49133-6

ISBN E-Book 978-3-384-49134-3

Für all die tapferen Frauen da draußen, die sich täglich den Herausforderungen des Lebens stellen und damit die Gesellschaft zusammenhalten.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

Der Zettel

Das Halstuch

Liebes Tagebuch

Der Minikratzbaum

Siebenundneunzig Lebensjahre

Über die Autorin

Siebenundneunzig

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

Der Zettel

Über die Autorin

Siebenundneunzig

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Der Zettel

Annegret, 49 Jahre

Zu den wenigen Erinnerungen, die ich wie einen wertvollen Schatz hüte, gehört ein kleiner quadratischer Zettel. Er ist nicht besonders schön anzusehen, hat weder einen von Kinderhand gemalten bunten Rahmen, noch steht ein kunstvolles Gedicht darauf geschrieben. Stattdessen wirkt der Rand sogar ziemlich schlampig, denn das Papier wurde eilig und ohne Sorgfalt aus einem Notizblock herausgerissen. Die Rede ist von jenen kleinen Blöcken, die zusammen mit Briefpapier, Couverts und einem Kugelschreiber meistens auf dem Schreibtisch in Standard-Doppelzimmern von Mittelklassehotels liegen und für schnelle Notizen gedacht sind. Was für mich zählt, und was mir den Zettel so unersetzbar wertvoll macht, sind die paar Worte, die handschriftlich draufgekritzelt sind. Sie sind ein Symbol für eine große Liebe, die mein Leben damals ganz schön auf den Kopf gestellt hat. Damit verbunden ist allerdings auch eine der schwersten Entscheidungen, die ich jemals zu treffen hatte. Ich hätte niemals gedacht, dass mich das Schicksal vor eine derart schwere Prüfung stellen würde. Aber wie das eben im Leben so ist, kommt es erstens anders als man zweitens denkt.

Vor einigen Jahren, ich hatte gerade meinen 44. Geburtstag gefeiert, habe ich mich im Internetchat in einen Mann verliebt, der in der Türkei lebte. Diese Liebe traf mich bis ins Mark und stellte meinen gerade erst gefundenen Lebensplan völlig auf den Kopf. Ich musste mir die Frage stellen, ob ich mein bisheriges Leben aufgeben und zu ihm in seine Heimat ziehen sollte. Aber erst einmal der Reihe nach.

Meine erste Ehe war nicht unbedingt unglücklich gewesen, aber eben auch nicht zu hundert Prozent glücklich. Wir hatten jung geheiratet und bekamen früh unsere beiden Kinder. Als wir uns nach fast 24 Ehejahren trennten, waren unser Sohn und unsere Tochter deshalb schon so gut wie erwachsen Wir trennten uns beinahe im Einvernehmen, denn wir hatten uns einfach auseinandergelebt. Es gab keinen großen Streit, keine Dramen und keine Katastrophen, und trotzdem tat die Scheidung weh. Viele meiner Freundinnen prophezeiten mir, dass ich jetzt erst einmal in ein tiefes Loch fallen würde. Aber das Gegenteil war der Fall. Ich konzentrierte mich voll und ganz darauf, mir mein eigenes Leben neu einzurichten und dazu gehörte vor allem auch meine Arbeit.

Meine Arbeit: Das war ein kleiner aber feiner Friseursalon, den ich nach der Trennung neu eröffnete und ihn nur mit Unterstützung einer Aushilfe ganz alleine stemmte. Friseurin war schon immer mein Traumberuf gewesen und der Sprung in die Selbstständigkeit machte mein berufliches Glück perfekt. Ich schuftete zwar jetzt viel mehr als zu der Zeit, in der ich in einem anderen Salon angestellt gewesen war, aber das machte mir nichts aus. Ganz im Gegenteil. Ich wusste ja, dass sich die Mühe lohnte, denn ich arbeitete jetzt nur für mich und für meinen beruflichen Erfolg. Nachdem ich durch die Scheidung auch finanziell schauen musste, wie ich über die Runden kam, ergab es sich ganz von selbst, dass ich meine volle Aufmerksamkeit auf den Salon richtete. Ich plante sogar, eine zweite Friseurin einzustellen und einen Home-Service anzubieten. Ich fühlte mich wie beflügelt, war voller Motivation und kümmerte mich mit viel Elan darum, mein neues Leben aufzubauen. Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit, das waren dabei die wichtigsten Punkte, die mich beschäftigten und um die sich alle meine Bemühungen drehten. Männer, eine neue Liebe, eine Affäre oder auch nur eine nette Bekanntschaft – das waren keine Themen für mich. Oft genug hätte ich die Möglichkeit gehabt, einen Mann kennenzulernen. Aber ich dachte gar nicht daran, mich wieder fest zu binden. Stattdessen fühlte ich mich frei und losgelöst von allen unliebsamen Verpflichtungen und diese neue Situation in meinem Leben genoss ich sehr. Deshalb ging ich immer ziemlich schnell auf Distanz, sobald mir ein Mann zu nahe kam.

Warum ich trotzdem auf diversen Singlebörsen im Internet unterwegs war, lässt sich leicht erklären. Irgendwo tief in mir drin wartete die Frau, der es gut tut zu flirten und ‚wenn der Flirtpartner lediglich virtuell daran beteiligt ist, kann ja nicht viel passieren - so kann mir keiner zu nahe kommen und ich kann trotzdem meinen Spaß haben‘, dachte ich. Aber genau das war die Falle, die mir das Leben stellte. Denn wenn ich im realen Leben einen Flirt sehr schnell beenden konnte, fiel mir das im virtuellen Chat viel schwerer. Ich erkannte manchmal den Moment nicht, in dem ich im wirklichen Leben sofort die Reißleine gezogen hätte.

So kam es, dass ich mich viel zu oft, zu lange und vor allem zu intensiv immer wieder mit demselben Mann im Chat traf. Von Anfang an hatte er mich fasziniert. Er hieß Cem, war 45 Jahre alt, geschieden wie ich und sehr charmant. Da ich ja nur flirten und niemals ein reales Treffen vereinbaren wollte, achtete ich nicht auf den Wohnort. Und weil er seine äußerst charmanten Sätze in gutem Deutsch schrieb, kam ich auch nicht so schnell auf die Idee, dass mein perfekter Flirt in der Türkei lebte. Als ich es bemerkte, war es mir auch egal, denn wie gesagt, treffen wollte ich mich sowieso nicht mit ihm. Die Entfernung spielte keine Rolle.

Zwei Wochen lang schrieben wir uns fast täglich. Wir trafen uns abends im Chat, tagsüber bekam ich Mails von ihm aufs Handy. Ich spürte, dass ich diesem Mann vertrauen konnte und der Gedanke, auch tagsüber von ihm etwas zu hören oder zu lesen, gefiel mir. Deshalb hatte ich ihm schon sehr bald meine Handynummer gegeben in der Hoffnung, dass er sich oft melden würde. Das tat er auch. Jeder Nachricht fieberte ich ungeduldig entgegen und ich ertappte mich dabei, dass ich mein Handy ständig bei mir trug, um auf Nachrichten von ihm sofort reagieren zu können.

Cem schrieb mir jeden Tag mehrere SMS und Mails. „Ich freue mich auf dich heute Abend“, oder „Was machst du grad, ich denk an dich“. Mit der Zeit wurden die Botschaften immer gefühlvoller. „Ach wenn du nur hier wärst“, oder sogar „ich sehne mich nach dir“, war da zu lesen.

Seine Aufmerksamkeiten gingen mir runter wie Öl. Ich genoss es, derart mit Worten verwöhnt zu werden und – oh Wunder – auch ich dachte eigentlich pausenlos an den Mann aus dem Chat, den ich nicht persönlich kannte, dessen Stimme ich noch nicht einmal gehört hatte und den ich trotzdem nicht aus meinem Kopf bekam.

Dann schickten wir uns Bilder aufs Handy und was ich sah, nahm mich sofort gefangen. Cem war ein dunkelhaariger, braungebrannter Mann mit kernigen Gesichtszügen, aber mit sanft dreinblickenden braunen Augen. Ein Südländer also, wie er im Buche steht. Er brachte mit überschwänglichen Worten seine Begeisterung über meine Fotos zum Ausdruck. „Wunderschön“, war noch das Harmloseste, was er zu meinen Haaren, meinem Gesicht und zu meiner Figur sagte. Naja, ich war mit meinen damals 44 Jahren eine durchaus attraktive Frau. Da ich schon immer auf meine Figur geachtet habe, bin ich auch jetzt, zwanzig Jahre später, immer noch schlank. Auf meine weiblichen Kurven war ich schon immer stolz und Cem gefielen sie offensichtlich auch recht gut. Zumindest das, was ich ihm zu sehen erlaubte.

Das erste Telefonat war gleichzeitig der erste Schritt, der unseren Flirt aus der unverbindlichen Virtualität mitten hinein ins reale Leben führte. Eines Abends schrieb er mir im Chat, er wolle unbedingt meine Stimme hören. Er bat mich, ihn anzurufen oder ihm zu erlauben, dass er mich anruft. Wieder war ich von seinem feinen Gespür für mich begeistert. Obwohl wir ja schon lange gegenseitig unsere Handynummern hatten, rief er nicht einfach an, sondern fragte höflich.

„Ja“, antwortete ich und es fiel mir auch gar nicht schwer, den nächsten Schritt zu wagen, denn noch immer war ich der Überzeugung, dass wir uns niemals persönlich gegenüber stehen würden.

„Hallo meine Schöne“, das war seine ersten Worte an mich am Telefon. Mir blieb fast das Herz stehen. Seine Stimme traf direkt auf meine Seele. Sie klang warm, männlich, zärtlich, vielversprechend und sehr erotisch. Sein südländischer Akzent und alles andere, was ich von ihm wahrnehmen konnte, verdrehten mir auf der Stelle den Kopf.

„Hallo Cem“, begrüßte ich ihn unbeholfen. „Wie geht´s dir?“ Etwas Dümmeres ist mir nicht eingefallen, aber ich war dermaßen hin und weg, dass es nur für höfliche Konversation reichte.

„Jetzt, wo ich dich höre, geht es mir sehr gut“. Seine Worte waren Balsam auf meiner Seele.