Silvesterküsse - Petra Eggert - E-Book

Silvesterküsse E-Book

Petra Eggert

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Beschreibung

Silvesterküsse handelt um einen Liebesroman aus Verwirrungen, Verrat, Erotik, und natürlich Liebe. In Irland, Dublin.

Das E-Book Silvesterküsse wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Dublin, Liebe, Erotik, Silvester, Verwirrungen

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Inhaltsverzeichnis

Caìbìdìl 1 / Kapitel 1

Caìbìdìl 2 / Kapitel 2

Caìbìdìl 3 /Kapitel 3

Caìbìdìl 4 / Kapitel 4

Caìbìdìl 5 / Kapitel 5

Caìbìdìl 6 / Kapitel 6

Caìbìdìl 7 /Kapitel 7

Caìbìdìl 8 / Kapitel 8

Caìbìdìl 9 / Kapitel 9

Caìbìdìl 10 / Kapitel 10

Caìbìdìl 11 / Kapitel 11

Caìbìdìl 12 / Kapitel 12

Caìbìdìl 13 / Kapitel 13

Caìpìdìl 14/ Kapitel 14

Caìbìdìl 15 / Kapitel 15

Caìbìdìl 16 / Kapitel 16

Caìbìdìl 17 / Kapitel 17

Caìbìdìl 18 / Kapitel 18

Caìbìdìl 19 / Kapitel 19

Caìbìdìl 20 / Kapitel 20

Caìbìdìl 21 / Kapitel 21

Caìbìdìl 1 / Kapitel 1

Ich. Dreiundzwanzig. In der Blüte meines Lebens. Feiere gerne und viel.

Das Leben als solches besteht für mich aus Partys, Nachtleben, viel Alkohol, Zigaretten sowieso und meine Freunde.

Nach meiner Arbeit im Bistro treffe ich mich am liebsten mit meiner besten Freundin Elisabeth. Ich nenne sie nur Elli.

Unser Standard ist schon vor der Party ein Fläschchen Secco zu trinken und dann ins Getümmel zu stürzen.

Der Nutzen dieser nächtlichen Eskapaden, man lernt viele männliche Bekanntschaften kennen. Nicht das ich so eine wäre, die jede Nacht einen anderen an der Hand hätte, aber so ein Singleleben hat auch Vorteile. Schließlich will ich ein Partyleben Ala Bridget Jones nicht so leicht aufgeben. Und ich bin niemanden Rechenschaft schuldig.

Ich habe eine schöne Penthousewohnung mit Blick über der Stadt und Gott Lob, sehr nette Nachbarn, die es nicht im Geringsten stört, wenn ich mal wieder laute Gäste habe.

Vorausgesetzt, sie wurden auch eingeladen.

Zu der Wohnung gehört eine schöne Kellergarage nur für mich allein und meinem neuen himmelblauen Beetle.

Oha. Ja, ich merke. Sie riechen den Braten.

Partys, Penthouse, Beetle und nur Bistro Mitarbeiterin.

Oh nein, bitte, schmeißen Sie das Buch nicht gleich weg.

Sicherlich dachten die einen oder anderen Leser und

Leserinnen; Prima, die lebt ihr Leben aus. Richtig so. Oder der eine oder andere erkennt sich wieder. Aber! Wie es bei X-

Faktor so schön heißt; Sie glauben, das ist wahr? Ich muss Sie enttäuschen, da haben wir Ihnen einen Bären aufgebunden.

Fakt ist; ja, ich war einmal dreiundzwanzig. Klar, wer nicht.

Und am Anfang stimmte es zum Teil ja schon.

Als meine Freundin noch hier wohnte, zog ich jeden Abend mit ihr los. Sicher, ich habe auch mal in einem Bistro gearbeitet, bis ein Gast sich ständig beschwerte und ja, der Chef war auch nicht das, was er schien. Das Gehalt wurde wirklich nur selten gezahlt, bis ich erfuhr, dass der Laden pleite war und kurze Zeit später schloss. Das hieß für mich, arbeitslos. Aber ich wohnte noch bei meinen Eltern und die Phase der Partys waren schnell vorbei. Ich fand einen netten Freund, Stefan, mit dem ich mich zügig verlobte. Meine Freundin zog weg und auch mein Verlobter ging schneller, als mir lieb war. Jedoch wohnte ich immer noch zu Hause. Kurzerhand vermittelte mir mein Stiefvater eine feste Stelle in einer Fabrik. Davon konnte ich mir meine erste Wohnung leisten. Aber das Partyleben litt immer darunter. Das Ende vom Lied war, ich bin mittlerweile dreiunddreißig. Dauer Single und frustriert. Jedes Mal, wenn ich dann meine Mutter besuchte, wurde das zum Hürdenlauf der Anklagen.

„Kind, du kannst nicht ewig allein bleiben. Himmel, deine innere Uhr tickt doch. Warum hast du den Stefan auch gehen lassen? Ach, der war so vornehm und ihr beide habt so gut zusammen gepasst. Wenn ich mir euch so vorstelle. Nein, was für süße Enkelchen ich jetzt hätte.“

Öhhh, nein. Nicht das ich Kinder nicht mochte, aber ich fand, die Zeit wäre noch nicht reif genug. Na ja, und was Stefan betraf. Nun, der spielte inzwischen in einer anderen Liga. Ich meine, immerhin wusste ich jetzt, woher er immer bei meiner Mutter punktete. Von wegen `Ihr Geschirr ist so filigran und aus welchem Stoff die Gardine sei. Ich hatte keine Vorurteile gegenüber dem anderen Geschlecht zu demselben. Nur meine Mutter würde nie verstehen, dass sich Stefan geoutet hatte und nun mit Jonas zusammen lebte. Ich selber hatte damit kein Problem. Sicher, in unserer Beziehung war er immer sehr zu vorkommend und überaus nett, zu nett, aber als er mir gestand, dass er Gefühle für Jonas hegte, ich weiß nicht, aber irgendwie hatte mich das nicht einmal geschockt. Nun ja, nix war mit Enkelkindern. Sorry, Mum!

Jedenfalls musste ich mein Leben erst mal völlig neu ordnen. Es konnte immerhin nicht so weitergehen. Somit war ich voller Tatendrang und scheiterte an der Ausführung. Ich wollte etwas ändern, aber ich wusste absolut nicht was. Ich meine, was sollte ich sagen; meine Arbeit ging gut voran. Von einer einfachen Arbeiterin hatte ich mich hochgearbeitet ins Büro. Eigentlich war dies eher die Abteilung der Männerdomäne, aber das machte mir nichts aus. Im Grunde kam ich mit dem männlichen Geschlecht besser klar als mit der weiblichen Fraktion. Beziehungstechnisch wollte es auch nicht funken. Sicher, es gab viele Verabredungen, aber am Ende blieb nur dieses Kumpelhafte. Nicht das ich etwas dagegen hatte, nein, es wurde bloß ein bisschen anstrengend, wenn man sich mit Freunden und Freundinnen traf und eine nach der anderen absagte, um sich mit ihrem neuen Verehrer/innen zu treffen, oder gar ihre Verlobung bekannt gab. Nicht das ich neidisch darauf war, es nervte nur. Einer meiner besten Kollegen meinte ständig beim Frühstück,

„Kindchen.“ Er nannte mich immer so, da er nun ja sagen wir mal schon der älteren Generation angehörte. Jedenfalls sprach er im väterlichen Ton.

„Kindchen, wenn du so weiter alles in dich rein schaufelst, wirst du nie einen vernünftigen Mann finden. Mach was aus deinem Leben, du bist doch noch jung und hübsch, oder willst du ewig hier vor dich hin ackern?“ Er gab mir einen väterlichen Händedruck und drückte kurz meine Schulter, ehe er nach draußen ging, um sich eine zu rauchen. Auf der einen Seite hatte er ja recht, ich aß wirklich viel und komischerweise machte es mir nichts aus, zumindest noch nicht. Ich meine, für mein Alter sah ich ganz passabel aus, denke ich. Einigermaßen schlanke Figur. Mein Gesicht makellos. Noch keine Falten.

Gute Gene würde ich sagen. Meine Haare waren mittellang und leicht gewellt. Was die Farbe anging, wollte sich mein Haupt wohl nicht entscheiden, es war eine Mischung aus Rot, braun und blond. Nun gut, was mein Kollege sagte, schien mir schon richtig zu sein, aber es konnte ja schließlich nicht nur am Essen liegen, das sich die Männer von mir abwandten. Diesen Tag ging ich ein bisschen besonnener nach Hause und merkte, wie ich anfing zu grübeln. Was hatte ich aus meinem bisherigen Leben gemacht, außer Arbeiten. Noch nicht einmal Urlaub hatte ich woanders verbracht. Klar, hier und da Tagesausflüge, aber weiter weg fehlte es mir an gewissen Mut und ich musste auch gestehen, ich wusste nicht wohin. Am Anfang hatte ich ja noch die Vision, einmal nach Amerika zu reisen, daraus wurde dann England, und schließlich doch die Nordsee. Für sage und schreibe drei Tage. Toll! Zu Hause machte ich mir noch schnell einen Salat und beschloss, meinen nächsten Urlaub zu planen.

Es war mal wieder so weit. Ich schmiss den Laptop an und suchte nach Reiseseiten. Von draußen drang der Straßenlärm herein und am Fenster prasselte der Regen. Beste Voraussichten für eine Urlaubsplanung. Gut! Sollte ich in den Süden fahren oder an die See? Oder Berge? Auf den Bildern sah immer alles so schön und idyllisch aus. Und doch war ich mir wieder unschlüssig. Also zappte ich immer weiter und guckte ab und an nach draußen. Meine Wohnung lag im ersten Stock eines Dreifamilienhauses. Die Aufteilung war nicht sonderlich groß. Ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer mit Küchenecke, ein Bad und ein kleiner Balkon. Meine Möbel waren eher spartanisch eingerichtet. Mein Faible zu Rot war überall zu erkennen. Eine große rotbraune Couch mit Hocker, der als Tisch diente, ein brauner Wohnzimmerschrank im Kolonialstil, dazu eine kleine weiße Landhausküche. Nebenan ein Schlafzimmer in beige gehalten mit einer Seite lila Wand.

Ein weißes Bett und Schiebetürenschrank mit Nachttischen. Alles in allem fühlte ich mich recht wohl in meiner Oase. Oben kläffte schon wieder der kleine Spitz von meiner Nachbarin, Frau Sanders. Er bellte ständig, egal ob jemand vorbeiging oder eine Autotür schloss. Und richtig, es war der Postbote. Eigentlich habe ich nichts an Post erwartet, außer der üblichen Rechnungen. Ich musste dazu sagen, ich beobachtete gerne die Leute. Der Postbote hielt seine Briefe zusammen und steckte einen nach dem anderen rein, dann verschwand er wieder.

Mein Laptop blinkte. Ach was solls, dachte ich, egal ob ich die Rechnung jetzt hole oder später. Also nahm ich sie schnell herein, natürlich mit Unterstützung des Hundes. Ich sah die Briefe kurz durch. Eine Rechnung von der Telefongesellschaft, ein Katalog und Werbung. Den Stapel schmiss ich auf die anderen ungelesenen Zeitschriften und setzte mich wieder an den Rechner. Wie ich so da saß, blickte ich noch mal auf den Haufen. Etwas war merkwürdig, ein Stück von einem Brief lugte hervor. Hatte dieser Depp von Postbote wieder einen Brief von einem anderen mit eingeworfen. Das kam leider zu oft vor. Also wollte ich den Umschlag schon an die Seite legen, bis ich meinen Namen las. Donnerwetter. Ein Brief von meiner

verschollenen Freundin. Stutzig hielt ich das Papier in den Händen. Seit zig Jahren war sie wie vom Erdboden verschluckt und jetzt schrieb sie mir wieder. Nun, ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

„Ach, komm schon, Valerie, mach das blöde Ding endlich auf und du weißt es“, mahnte ich mich und setzte mich auf die Couch. Woher wusste sie eigentlich, wo ich wohnte, gut, es gab bestimmt Wege, aber wieso meldete sie sich jetzt bei mir? Also, nicht lange fackeln. Ich riss den Brief schnell auf.

Hallo, liebe Valerie,

ja, ich weiß, ich habe mich lange nicht gemeldet, sorry, aber du weißt ja, wie durchgeknallt ich immer war. Mich hielt es nie an einen Ort, war ständig unterwegs. Aber das wusstest du ja schon immer. Nun, was soll ich sagen, sicher wunderst du dich, warum ich mich ausgerechnet jetzt bei dir melde.

Stillschweigend nickte ich den Kopf und grübelte, wann ich Elli, eigentlich Elisabeth, das letzte Mal gesehen hatte. Mir fiel es nicht ein, also gut mal sehen, was sie jetzt wollte. Ich las weiter.

Mein Leben lang hatte ich dieses, sagen wir mal Partygen in mir und du weißt ja, wie exzessiv das immer ausschweifte. Das ist es, was ich nicht mehr wollte. Ich meine, hey, wir werden nicht jünger. Na ja, und du weißt auch, dass ich in der Gastro gearbeitet habe und es mir immer schon gefallen hat. Was soll ich sagen, vor drei Jahren ist meine Oma gestorben, ich hoffe, du verzeihst mir noch diesen nächtlichen Ausfall von Anruf. Ich musste kurz lachen. Ja, das war schon komisch. Vor drei Jahren klingelte plötzlich das Telefon und eine nicht sehr verständliche Stimme, was eindeutig am Alkohol lag, rief mich zu später Stunde an, genau gesagt um ein Uhr nachts. Elli stammelte etwas von ihrer Oma, die verstorben sei, und sie wollte mich doch mal besuchen, doch ich schätze, sie wusste am nächsten Tag nichts mehr davon, das war leider immer ihr Problem. Wenn sie etwas mehr getrunken hatte, gab es ständige Filmrisse. Jedenfalls hörte ich bis jetzt nichts mehr von ihr. Also steckte ich meine Nase wieder in den Brief.

Nun ja, was soll ich sagen … Ach was. Ich mach es kurz und bündig. Meine Oma hat mir eine Kleinigkeit hinterlassen und nun bin ich Besitzerin einer kleinen Art Jugendherberge/ Pension. Die betreibe ich jetzt schon ein Jahr und sie boomt ganz schön. Was mein Grund für dieses Schreiben ist. Ich weiß, es hört sich jetzt ziemlich dreist an, aber hättest du nicht Lust bei mir mit einzusteigen? Ich meine klar, einen kleinen Hintergedanken gibt es schon. Wir waren immer gute Freundinnen und die Tatsache, dass mein ehemaliger Freund, der mit einstieg, abgehauen ist, mindert nicht die Umstände, dass ich hier völlig allein bin. Aber was solls, ich kann verstehen, wenn du nein sagst, aber ich würde mich riesig freuen, wenn du dir einen Schubs geben könntest und du besuchst mich erst mal. Dann kannst du dich ja immer noch entscheiden. Ich hoffe, wir können unsere Freundschaft wieder aufleben lassen. Bis bald. Elli.

P.S. Ich hab dir schon mal ein Ticket ausgedruckt, du kannst es binnen eines halben Jahres einlösen. Falls nicht, sag mir kurz Bescheid, dann kann ich es stornieren.

Puh, das war ja mal wieder typisch Elli. Immer mit der Tür ins Haus, ohne Blatt vor dem Mund. Ich drehte den Brief so hin und her, bis mir auffiel, dass dieser gar nicht aus Deutschland kam. Ich sah mir den Briefkopf an und das Ticket dann wieder zurück und legte es kopfschüttelnd in den Schoss. Du meine Güte, Dublin, meine Freundin ist in Irland. Jetzt war ich baff. Ich las mir den Brief noch einmal genau durch. War das wirklich wahr, was da stand? Sie wollte, das ich nach Dublin komme und mit ihr dort arbeite. Valerie, dachte ich, im Grunde wäre das ein Jackpot, aber ich war von Natur ein skeptischer und unsicherer Mensch. Erst mal brauchte ich ein paar Tage, um mir alles durch den Kopf gehen zu lassen.

Jeden Tag grübelte ich mehr und mehr. Angefangen von Fragen wie; reicht mein Englisch, was ist mit Versicherungen, was, wenn ich mich mit Elli verkrache, wo wohne ich, wie lebe ich und was war mit meiner Wohnung? Wolfgang, mein Arbeitskollege, genannt Wolle, drückte mir kurz die Schulter und meinte trocken.

„Kindchen, geh! Was hast du zu verlieren. Irland ist superschön. Hier ist doch nix, was du zu verlieren hast. Ich würde an deiner Stelle gehen. Du hast doch eh noch deinen Urlaub, nimm ihn und dann ab mit dir auf die Insel, dann kannst du weitersehen.“ Er war so fürsorglich und innerlich wusste ich ja, er hatte recht. Was würde nur meine Mutter sagen? Ach was solls. Wolle hatte recht. Ich reichte meinen Urlaub ein und schon in drei Wochen sollte es für einundzwanzig Tage losgehen. Ich war so aufgeregt. Noch nie war ich irgendwo hingeflogen. Wieder gingen meine Gedanken rund. Was sollte ich mitnehmen. Schließlich durfte der Koffer zwanzig Kilo nicht überschreiten. Und wie war das irische Wetter? Oder gab es da genug Läden, um mich neu anzukleiden, ach was solls. Schließlich sollte Elli ja Bescheid wissen. Ich schrieb ihr einen kurzen Brief mit den Ankunftsdaten. Ich blöde Kuh hatte nur vergessen, ihr meine Handynummer aufzuschreiben, damit ich im Fall eines Notfalls Bescheid geben könnte. Aber egal. Jetzt musste ich nur noch warten, bis der Tag kommt. Erst mal sollte ich meine Mum davon überzeugen, dass sie meine Blumen für die Zeit goss. Die war natürlich gar nicht begeistert.

„Ach du meine Güte, Irland? Kind, was willst du denn da alleine? Und du weißt, was ich immer von dieser Elli gehalten habe.

Die war doch so durchgeknallt und du meinst jetzt wäre sie besser? Nein, nein, das kann ich nicht glauben, aber du musst wissen, was du machst.“

Sie war immer so theatralisch. Doch sie goss meine Pflanzen. Mein nun jetziger bester Freund Stefan, ja mein Ex Verlobter, half mir, mich zum Flughafen zu bringen, natürlich nicht ohne vorher mit Jonas meinen Koffer zu inspizieren. Und die beiden führten sich auf wie die letzten Diven.

„Oh Himmel, Schätzchen, so was willst du mit nehmen?“ Ungläubig hielt Jonas einen Slip in Höhe und grinste. Was war daran aus zu setzen? Ein schwarzer Sportslip. Dabei kramte er weiter und zog noch ein paar weitere Slips und Unterhemden heraus sowie eine lange Hose und einen Rolli. Natürlich immer mit diesen überzogenen Ts,Ts,Ts, und verdrehte überschwänglich die Augen. Dann riss Stefan meine Schubladen und Schränke auf. Immer mit den weitläufigen Tönen. „Oh ja das ist schick,“ und „Oh ja das sieht super aus, der muss auch noch mit.“ Alles flog in den Koffer und ich hatte kaum die Chance zu sehen, was da alles rein flatterte.

Während sich Stefan nämlich den Rest meines Gepäcks annahm, verhalf mir Jonas zu einer Medikamenteninspektion, gepaart mit der Unterstützung von einer XXL Flasche Secco, die er mir ständig nach kippte.

„Die hier nimmst du am besten vor dem Flug und alles ist Tutti. Aber nur eine, du willst ja wieder wach werden und nicht sofort wieder zurückfliegen.“ Jonas lachte und drückte mir eine kleine rosa Pille in die Hand. Die half gegen Übelkeit und

Flugangst. Mit der Unterstreichung das die schläfrig machen.

Ich nickte nur. Nach dem vierten Glas war mir fast alles egal. Weitere gefühlte Stunden war mein Koffer gepackt, ich abgefüllt, und mein Bett war zu weit weg, also schlummerte ich auf der Couch ein. Der Morgen, der danach kam, war umso berauschender. Um nicht zu sagen katastrophal. Mein Schädel brummte, mein Magen füllte sich flau an und ich sah wie ein Beagle Hund aus, völlig zerknautscht. Zu allem Überfluss waren Jonas und Stefan überpünktlich. Mit einer schier übernatürlichen guten Laune traten sie bei mir auf. Natürlich hielt mir Jonas gleich den nächsten Secco unter die Nase, ich wollte dankend ablehnen.

„Schätzchen. Den besten Weg, einen Kater loszuwerden, ist der

… einfach weiter zu trinken. Du wirst sehen, das funktioniert.

Ach Schätzchen, ich bin ja so neidisch. Irland und ausgerechnet Dublin. Ach, Stefan, könnten wir nicht auch noch in den Urlaub fliegen?“ Jonas guckte seinen Gefährten mit Hundeblick an und dieser drückte ihn kurz.

„Ach mal sehen“, sagte Stefan und schob mich ins Bad. Dort ließ ich mir erst mal alles auf gut Deutsch durch den Kopf gehen. Aber ich muss sagen, danach ging es mir wesentlich besser. Ich duschte schnell und kaum aus dem Bad drückte Jonas mir ein Croissant und Kaffee mit Schuss in die Hand.

„Das kannst du auf dem Weg zum Flughafen essen. Los, los, Schätzchen, wir müssen.“ Jonas kommandierte und ich funktionierte einfach. Auf der Fahrt turtelten die beiden, wie frisch verliebte, was mir einen kleinen Stich gab. Innerlich war ich leicht in Panik und mit meinen Gedanken schon wieder auf den Weg nach Hause.

„Glaub mir, das wird supertoll. Freu dich, du siehst eine außergewöhnliche Metropole und deine Freundin. Du bist also nicht allein. Das wird schon. Lass dich nur darauf ein und schalt mal ab.“ Stefan drückte mir kurz die Hand. Und ehe ich mich versah, steuerte er auch schon den Parkplatz vom Flughafen an. Hier tummelte sich alles und ich war ein bisschen überfordert. Doch Jonas schob mich Gänge entlang, Gassen von Einkaufspassagen und etliche Flughafen Schalter.

An einem großen Display hing dann das Schild mit Abflug und Ankunft. Dort stand auch mein Flug. Noch zwei Stunden. Bevor ich einchecken konnte, musste ich erst mal durch die Security, nur hier durften Jonas und Stefan nicht mit. Sie versprachen zu fahren, wenn der Flieger abhob, solange blieben sie vorne in dem Restaurant. Ich ging alleine zu meinem Gate und wartete dort. Jonas drückte mich noch kurz und Stefan verdrückte eine kleine Träne. Dann war ich verlassen.

Mein Koffer wurde an Bord gebracht und ich marschierte durch den Check-in. Dort legte ich meine Schuhe und Gürtel auf das Band sowie meine Tasche. Gott Lob piepte nichts und ich konnte durchgehen. In der Halle, die zu dem jeweiligen Flugsteig führte, musste ich warten. Es waren schon viele Leute hier. Ich wunderte mich, ob die alle in den Flieger passten. Vor dem Gate durfte man sich ein Tetrapack Wasser mitnehmen. Mir fiel ein, dass ich ja noch diese Arznei von Jonas hatte. Was solls. Schnell noch auf die Toilette und dann nahm ich die Pille. Ich wusste nicht, was sie bewirken würde, aber das war mir auch egal. Nach einer Stunde wurde mein Flug aufgerufen und wir konnten alle an Bord gehen. Oh Himmel, hoffentlich hatte Elli kein Fensterplatz genommen, sie wusste, das ich Höhenangst hatte. Alle drängelten sich dicht an dicht, bis in die Maschine. Jeder versuchte seinen Platz zu finden. Rucksäcke und Taschen gingen dicht an meinem Kopf vorbei. In der Mitte fand ich meinen Sitz. Ein Außenplatz am Gang. Danke Elli! Neben mir war noch ein Sessel frei.

Hoffentlich blieb er es auch. Alles wuselte herum. Nach und nach fanden auch die Letzten ihren Platz. Natürlich wurde mein Sitz neben mir auch eingenommen. Ein junger Mann mit Anzug quetschte sich durch und breitete gleich seinen Laptop aus.

Caìbìdìl 2 / Kapitel 2

Die Motoren starteten und die ganze Maschine vibrierte, daraufhin hörte man die Turbinen und das Flugzeug setzte sich in Bewegung. Erst langsam, dann immer schneller. Eine Durchsage kam aus dem Lautsprecher auf Deutsch und Englisch und eine Stewardess machte Anweisungen zur Flugsicherheit. Und schon wurde ich in den Sitz gepresst und die Maschine hob ab. Meine Ohren standen unter Druck und ich krallte mich in den Sitzplatz. Nach mehreren hundert Metern kam die Durchsage, dass wir jetzt die richtige Höhe erreicht hatten und der Verkauf von Speisen und Souvenirs ging los. Die Flugstrecke würde insgesamt zwei Stunden fünfzehn dauern. Guten Flug. Oh ja, dachte ich mir, das ging ja schon gut los. Gefühlt sämtliche Leute mussten aufs Bordklo. Innerlich hoffte ich, der Typ neben mir musste nicht auch, dann brauchte ich nicht aufstehen. Gott sei dank, war das nicht so, er bestellte sich nur viel Kaffee mit reichlich Zucker.

Allmählich machte sich auch die Pille bemerkbar. Ich wurde schläfriger und nickte immer wieder auf meiner Jacke ein. Ab und an klapperte das Geschirr, doch das bekam ich kaum mit. Im Nebel meiner Träume sabberte ich einen gut aussehenden jungen Mann an. Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd und schmollte die Lippen immerfort zu einem Kuss. Meine Arme wollten ihn ständig festhalten, doch irgendwie rutschten diese ab.

„Madam!“, säuselte die Stimme und tätschelte meine Schulter und wieder, „Madam!“ Ich weiß zwar nicht, warum er mich fortwährend Madam nannte.

„Für Dich, Valerie“, seufzte ich und schürte erneut die Lippen.

Peng! Etwas Hartes traf mich an der Seite. Ich blinzelte. Erst im Schleier sah ich den jungen Mann neben mir, der erbost seine Laptoptasche in meine Rippen rammte. Hinter ihm standen zornesrot die Stewardess und ein grinsender Pilot.

Ohhhh schei…., ich hatte geschlafen und anscheinend lebte ich meinen süßen Traum ein wenig zu exzessiv aus. Meine Finger lösten sich gerade krampfhaft von der Jacke des jungen Mannes und mit einem puterroten Kopf stammelte ich nur ein

„Oh sorry“ heraus. Ich war der letzte Passagier und ging dementsprechend mit gesenktem Haupt auf die Rampe. Wie peinlich. Die Passagiere vor mir sahen mich belustigt an. Bloß schnell weiter, dachte ich. Zügig zum Check-out und „Hello“ Dublin. Wie ging es jetzt weiter? Ich sah mir die Karte von Elli an. Ihre Herberge lag in einer Gegend, dass sich Temple Bar Viertel nannte. Es war eine kleine Nebenstraße. Doch welchen Bus musste ich nun nehmen? Auch hier hatte Elli mir eine Buskarte geschickt. Ein Bus mit Airlink. Also musste ich nur noch den grünen Bus mit der Nummer 747 suchen. Eine Gruppe von jungen Männern stampfte direkt an mir vorbei. Es müssen wohl Touristen sein. Sie sprachen eindeutig Deutsch, nun ja, eher Bayrisch. Und sie unterhielten sich über einige Pubs in Dublin. Einer von ihnen erwies sich als Rudelführer, denn er hob die Hand und meinte nur.

„Jungs, wir beginnen unsere Tour in der Temple Bar. Wer nicht mithalten kann, muss leider hierbleiben.“

Ein Grölen und schon zischten die ersten Bierdosen aus dem Flughafen Automaten. Ein Heineken. Gut. Immerhin besser als nichts.

Also beschloss ich mich heimlich an die Fünf dran zu hängen.

Natürlich so unauffällig, wie es ging.

Ich zog also mein Gepäck hinter den Fünfen her. An der Bushaltestelle blieben sie stehen und ich stellte meinen Koffer etwas ungeschickt ab. Ich muss zugeben, ich war noch leicht beduselt von der Pille. Mit ein paar ausgiebigen Armstreckungen versuchte ich mich etwas locker zu machen.

Gerade wollte ich den Arm wieder zur Seite schwenken, klatschte dieser direkt in das Gesicht eines jungen Mannes, der darauf hin auch noch über meinen Koffer stürzte.

„Damn“, fluchte es aus ihm heraus. Ich lief knallrot an. Das hatte mir noch gefehlt. Der Mann fluchte leise weiter vor sich hin, ich verstand kein Wort. Er war wohl Einheimischer.

Natürlich war ich sofort zur Stelle, um ihn auf zu helfen, doch er winkte schroff ab. Sein Hemdsärmel wies einen Riss auf und an seiner Stirn war eine kleine Wunde zu sehen. In meiner Not hielt ich ihm ein Taschentuch hin. Widerwillig nahm er es. Im gebrochenen Englisch versuchte ich ihn zu beruhigen und wollte ihm den Schaden gleich bezahlen, doch er winkte Schroff ab.

Dann kehrte er mir den Rücken zu und war auch schon weg.

Mit Schimpftriaden, Ala, stupid german tourists, ging er von dannen. Nur die fünf Bayern schienen das für sehr lustig zu empfinden. Sie grölten und hielten sich vor Lachen die Bäuche, um sich dann ihr Heineken wieder rein zu schütten. Das fing ja gut an. Den Tränen nahe schnappte ich mir meinen Koffer und zog ihn hinter mich her. Am Bordstein blieb ich leicht hängen. Ich zog und zog und ein kleiner Riss machte sich bemerkbar. Jetzt nur nicht das ganze Gepäck auf den Gehweg zerstreuen. Einer der fünf Bayern löste sich von der Gruppe und eilte zu mir.

„Nichts für ungut. Die machen nur Spaß. Nicht Ihr Tag heute?“, fragte er mich und ich schüttelte den Kopf.

„Warten Sie, ich helfe Ihnen. So, jetzt geht es. Müssen Sie auch mit dem Bus 747 fahren?“ Der junge Mann schien ja noch etwas vernünftig im Gegensatz zu seinen Kumpels. Ich nickte nur und murmelte mit zusammen gebissenen Zähnen.

„Temple Bar.“ Der Mann strahlte. „Oh, da wollen wir auch hin.

Komm, ich darf doch du sagen, schließe dich uns an. Trinkst du auch ein Bier? Hier nimm eins, du siehst aus, als könntest du es vertragen.“

So schob er mich zu den anderen. Die grinsten nur. Doch der, der mich mit sich zog, meinte.

„Die tun nichts. Eigentlich sind wir ja ganz harmlos, aber einmal im Jahr machen wir unsere Knobeltour. Ich bin übrigens der Björn. Der da hinten ist Achim, daneben der Ewald, dann der Sven und der an der Straße steht, ist der Mathias. Kommst du das erste Mal nach Dublin?“

Ich nickte stumm. Mir war das immer noch peinlich mit dem

Gesichtspatzer und murmelte nur „Ich heiße Valerie.“

Von hinten kam auch gleich schon ein „ Ja, ja, die Geierwally.“

Björn musste zwar kurz grinsen, aber dann strafte er Mathias mit einem bösen Blick.

„Entschuldige, aber die haben schon ziemlich getankt. Oh da hinten kommt unser Bus. Kann ich dir helfen?“ Er bot mir an, den Koffer zu nehmen, doch ich hielt ihn krampfhaft fest.

Der Bus stoppte und alles stürmte hin. Kaum am Busfahrer hielt ich auch schon wieder den Verkehr auf. Die Karte hatte zwei Seiten und ausgerechnet die falsche hielt ich an den Automaten. Die Menge drängte sich schon dicht an mich. Heute war nicht mein Tag. Mit zittrigen Händen versuchte ich die Karte richtig herum ein zu scannen. Erst nach geschlagenen Minuten, wie ich fand, hatte der Fahrer ein Erbarmen und zeigte mir, wie sie funktionierte. Alle atmeten hinter mir auf.

Kaum im Bus wusste ich nicht wohin. Die fünf Bayern waren nach oben gegangen, da es ein Doppeldecker war. Der jedoch war schon ziemlich voll. Ich quetschte so gerade eben meinen Koffer in das Gepäckfach. Eigentlich wollte ich meinen Koffer ja nicht aus den Augen lassen, aber stehen wollte ich auch nicht, da ich nicht wusste, wie weit es war. Nervös schaute ich mich um. Den anderen Passagieren schien es wohl auch nicht besser zu gehen. Dennoch standen sie nicht so im Weg wie ich.

„Hey Valerie. Hier oben. Komm rauf, hier ist noch ein Platz frei.“ Björn rief von oben herunter. Bevor mich die restliche Meute lynchte, trat ich die Treppe herauf wie ein Lamm zur Schlachtbank. Die fünf tranken schon ihr viertes Bier und dementsprechend war auch die Stimmung. Derbe Witze wurden gerissen, bis hin zu Lästereien in und über Gott und die Welt. Mir war jetzt so ziemlich alles egal. Hauptsache, ich kam bald an eine Dusche und endlich ein bisschen ausruhen.

Der Bus fuhr in die engsten Straßen. Erst auf die Schnellstraße. Entlang an den großen Flughafen Hotels, dann sah man nur einige grüne Felder, wo wir anschließend durch einen Tunnel fuhren, natürlich begleitet mit dem bayrischen Knobeltourgesang. Anschließend ging es weiter vorbei an den Grand-Canal-Docks und der Samuel-Beckett-Brücke. Schon hier tobte das Leben. Überall waren Menschen im Überfluss unterwegs. Langsam brach auch die Nacht an und die einzelnen Lichter der Stadt verliehen ihr noch mehr Glanz. Weiter ging es um endlose Ecken und Kanten und bei fast jeder Kurve dachte ich, der Fahrer würde jederzeit in ein Auto krachen oder gar in eine Häuserwand. Wie man hier so schön sagte, die fuhren wie der letzte Henker. Und dennoch kam man unbeschadet an. Leute stiegen ein und aus, und an einer Haltestelle wurde mal eben für fünf Minuten der Fahrer gewechselt. Im Großen und Ganzen war es für mich fast ein Kulturschock. So viele Menschen und so viele Autos sah ich eigentlich nur auf der Autobahn, aber hier, … Nun mal sehen, wie es weiter geht. Die Stimmung der fünf bayrischen Freunde wurde auch immer ausgeprägter. Sie grölten, jodelten und sangen in einer Tour. Nur Björn schien ein wenig anhänglich. Er setzte mehrere, wohl gemerkt, mehrere Biere aus und blieb lieber neben mir sitzen. Er versuchte Gentleman like mir die Fassaden fast jedes einzelnen Hauses zu erklären und welche Geschichte Irland oder vielmehr Dublin so auf sich hatte. Angefangen von der Hungersnot bis zum Umbruch. Meine Gedanken jedoch waren völlig überfordert und meine Blase meldete sich auch. Wie weit mag es noch sein, dachte ich? Ich sah mich etwas um und bemerkte eine Tafel über mir. Dort wurde jede einzelne Haltestelle angezeigt und auch per Lautsprecher durchgesagt.

Auf Englisch und Irisch. Demnach waren wir nur noch zwei Haltestellen entfernt.

Endlich angekommen, stürmten Pardon, torkelten die fünf auch mit heraus. Mitten auf der Straße, wie mir schien, hielt der Bus. Ich hatte arge Probleme, mich zu orientieren. Natürlich fiel das auch Björn auf.

„Hey Valerie, wo musst du denn hin? Vielleicht können wir dir ja noch helfen.“

Klar, ist ja nett gemeint, aber ich denke, die anderen vier wollten endlich weiter und ihrer Sauftour nach gehen. Bis Mathias brüllte.

„Ach, komm, lass die Weiber, wir wollen doch unsere Tour weiter machen. Sie schafft das schon. Komm, die Temple Bar wartet. Guinness!“, rief er und steuerte gleich die nächste Querstraße an. Björn schmulte heimlich auf meinen Zettel mit der Adresse von Elli, dann grinste er.

„Ach komm, Valerie. Du brauchst dich nicht zu schämen. Wir müssen ebenfalls zur Temple Bar und was soll ich sagen, die Herberge liegt nur ein Haus weiter. Ist auch unser Aufenthalt. So ein Zufall. Komm einfach mit. Die Jungs werden schon nichts sagen. Die kriegen eh nicht mehr viel mit“, er hielt mir übertrieben den Ellenbogen und meinte nur. „Madam! Ihr Diener steht Ihnen zur Verfügung. Wenn ich dann bitten dürfte!“

Charmant grinste er und er hatte recht. Die anderen kümmerte es nicht, die waren in ihrer Bierlaune und schwankten die Straße herunter. Ich gab mir einen Ruck und hakte mich bei Björn ein.

Immerhin besser als allein hier durch zu straucheln. An etlichen Cafès und Restaurants und Pubs ging es vorbei durch eine kleine Gasse mit einem riesigen Gebäude, welches sich als Bank entpuppte, die aber gerade renoviert wurde. Plötzlich schossen mir zahlreiche Gerüche und Menschenmengen entgegen. Ich konnte die Düfte gar nicht definieren. Zwischen Biergeruch zu mexikanischen Essen hin zu italienischen Essen, indischen und irischen Gerichten. Dazu kamen noch die vielen Dialekte. Indisch, Englisch, Deutsch, Italienisch und Chinesisch hier war alles vertreten. Viele junge Studenten drangen in Gruppen zusammen. Einige, so sah man, waren eindeutig von der Schauspielschule. In Kostüme gewandt, traten sie in Gruppen auf die Straßen. Aber auch anderen Studenten waren vertreten. Gewappnet mit Schul und Aktentaschen sowie Tablets in der Hand. Hier und da gab es auch Einzelkämpfer und natürlich Paare und ältere Leute.

Eine wirklich bunt gewürfelte Stadt.

Allmählich schmerzten meine Füße, und mein Rücken tat auch schon weh vom langen Sitzen, aber schlimmer war mein Drang zur Toilette.

Hoffentlich kamen wir bald an. Kaum eine Ecke weiter strömten hier plötzlich sämtliche Leute zusammen. Leichte Panik machte sich breit. Hier also war das sogenannte Temple Bar Viertel. Überall standen Leute mit Bier in der Hand oder aßen etwas. Musik dröhnte aus jedem Pub und wirres Stimmengewühl wurde laut. Die fünf Freunde grölten jetzt und Sven kam zu Björn.

„Björn, alter Kumpel, bring die Schnecke doch zu ihrem Hotel und sei doch so gut und nimm unsere Sachen gleich mit. Wir treffen uns dann in der Temple Bar“, er zwinkerte Björn zu und gab mir einen Klaps auf den Po. Bevor ich reagieren konnte, waren sie auch schon weg. Björn nahm zwei Sporttaschen und einen Koffer und deutete mir an, dass neben dem Pub die Herberge sei. Und was für ein Zufall, auch die fünf waren dort einquartiert. Die vier anderen verschwanden gleich in einem großen Pub an der Ecke der Straße in einem roten Haus mit ausgiebigen Blumen an den Fenstern. Vor dem Pub stand, wie bei allen Geschäften, ein Securityangestellter. Große Bierfässer dienten als Ablagetisch und ein paar Sitzbänke prangen an der Mauer. An und für sich gemütlich, wie ich fand. Doch Björn schlug den Weg neben dem Pub ein. Eine Seitengasse, wo nicht allzu viel los war. Ein paar Menschen verirrten sich hier und gingen weiter die Straße herauf, die auf die Hauptstraße führte.

Der junge Mann jedoch strebte ein Gebäude an, das blau gestrichen war. Von außen machte es nicht viel her. Eine große Tür mit Glaseinsatz und einem jungen Mann, der an der

Rezeption saß. Er kauerte etwas gelangweilt an seinem Pult. Björn strebte darauf zu. Ich wusste erst gar nicht, was los war, bis ich oben den Schriftzug las. „Ellis Accommodation“. Das also sollte es sein? Ellis Herberge. Etwas erleichtert schritt ich voran. Mit gebrochenen Englisch stammelte ich nur so was wie ob Elli im Haus ist. Der junge Mann jedoch schien mich nicht zu verstehen. Er wiederum war ein junger Inder. Also versuchte ich zu schreiben. Endlich bewegte sich der junge Mann aber auch nur, weil Björn ihm seine Buchung unter die Nase hielt.

Daraufhin setzte sich der Student in Bewegung und gab ihm ein paar Zimmerregeln und einen Chip mit der Deutung zur Treppe oder dem Aufzug. Ich stand unschlüssig herum, doch meine Blase war anderer Meinung.

„Oh ist es ok, wenn ich kurz mit rauf komme?“, stammelte ich und kniff die Beine leicht zusammen. Björn lachte nur und nickte mit dem Kopf. Wir nahmen den Aufzug. Es ging in den dritten Stock. Die Türen waren alle weiß gestrichen und ließen sich schwerfällig öffnen. Von außen sah man dem Haus gar nicht an das es so groß war. Kaum aus dem Aufzug raus, machte sich ein langer Gang breit, der sich in drei weiteren Etagen gabelte. Rechts ging es zu zwei Räumen weiter, dann geradeaus und nochmals links zu einem anderen Zimmer und einer Treppe. Über dem Zugang war noch ein Aufgang zu einer Terrassenplattform. Wir gingen den Flur geradeaus entlang. Hier reihte sich ein Zimmer an Zimmer. Aus manchen hörte man lautstarke Musik und aus anderen kreischten ein paar Frauen.

„Junggesellinnen Abschied“, meinte Björn trocken. Am Ende des Flures hielt er an und steckte seine Chipkarte in den Türschlitz. Etwas zögerlich trat ich mit hinein, aber ich ließ meinen Koffer mitten im Gang stehen. Schnell hielt ich Ausschau nach dem stillen Örtchen, welches sich gleich hinter der Tür befand. Ich nutzte die Gelegenheit und war sichtlich erleichtert. Jetzt erst konnte ich einen Blick in den Raum riskieren. Es war ein großes Fünfbett Zimmer. Zwei Etagen Betten und ein Einzelbett mit jeweils einem kleinen Nachtschrank und einem Kleiderschrank. Überall an den Wänden waren Graffitis angebracht, teilweise von der Stadt selbst und natürlich von seinen berühmten Sängern, unter anderem U2 und Bob Geldorf. Aber ich dachte, für die meisten, die nur Party machen wollten, wie die hier anwesenden Bayern, würde es wohl reichen. Ich war jedenfalls fürs Erste erleichtert. Im wahrsten Sinne. Jetzt musste ich nur noch Elli finden.

Björn stand da, wie ich meine, in einer gewissen Haltung. Ich kann es nicht beschreiben, aber irgendwie eine freudige Erwartung.

Erhoffte er sich tatsächlich mehr? Als ich herauskam, drückte ich mich gleich an ihm vorbei und schnappte mir meinen Koffer.

„Ich …, ähm, ich glaube, ich gucke mal nach Elli. Ich meine, ich will ja schließlich nicht auf der Straße pennen.“

Wie eine Blöde grinste ich und schob mich in den Flur. Björn lachte nur und lehnte sich lässig an den Türrahmen.

„Hey, kein Problem, hier ist bestimmt noch ein Bett frei“, er grinste. Ich hielt nur meinen Daumen hoch und lachte lauthals. Ob sich das wie eine Irre anhörte, war mir ehrlich gesagt egal.

Ich wollte nur auf mein Zimmer und erst mal etwas entspannen. Gerade wollte ich um die Kurve des Flures biegen, hörte ich auch schon Björn hinter mir her laufen.

„Hey, wenn du heute nichts vorhast oder nicht weißt, wohin du sollst, komm doch einfach in die Temple Bar, wir sind heute den ganzen Abend da. Würde mich freuen.“ Björn grinste und ich nickte nur. Ich gab ihm keine Antwort, so blieb mir alles offen. Mit meinem Koffer und einer Tasche in der Hand stieg ich in den Fahrstuhl und düste zu dem Inder.

„Ist Elli jetzt da?“, fragte ich ihn noch mal. Doch der junge Mann ignorierte mich. Er kaute auf seinem Kaugummi und schnippte immer mit dem Kugelschreiber herum, dabei versuchte er krampfhaft ein Kreuzworträtsel zu lösen. Bevor ich ihm eine saftige Meinung gegeigt hätte, wobei ich auch nach passenden Wörtern suchte, hörte ich ein lautes Geschrei aus der Küchenecke. Das war eindeutig Elli. Ihre rauchige Stimme war unverkennbar. Sie schrie gerade einen Bediensteten der Küche zusammen. Ich konnte nicht alles verstehen, nur so viel, das es ekelhaft ist und in ihrer Herberge so was nicht gibt. Dann knallte eine Tür, ein stinksaurer Küchenmitarbeiter stürmte an mir vorbei und im selben Atemzug rauschte Elli mit einer Kippe auch an mir vorüber, direkt auf die Straße. Mit offenen Mund blieb ich stehen, lachte kurz und trabte hinter ihr her. Draußen stand ein kleiner Tisch, an dem sich Elli lehnte und der Rauch ihrer Kippe schoss hoch hinaus. Ich stellte mich einfach neben sie und schon ging es los.

„Kannst du dir das vorstellen. So ein Idiot. Er weiß genau, das ich eine Ecke extra für deutsche Touristen habe mit Fleischwurst und Salami und Graubrot, aber nein, dieser Hirni ignoriert das einfach. Boah, ich bin so wütend.“ Elli stieß eine große Rauchwolke aus und sah sich genervt um. Ich wartete noch immer geduldig und grinste von einem Ohr zum anderen. „Was? Was gibt es denn da zu grinsen, Valerie?“ Die junge Frau, sah mich erst genervt an, dann starrte sie.

„Ohhhhh mein Gott, Val?“ Dabei drückte sie ihre Zigarette aus und stürmte auf mich los.

„Meine Güte, Valerie, warum hast du nichts gesagt? Lieber Himmel, ich hätte dich doch abgeholt. Seit wann bist du da? Ach scheiß drauf, komm her, meine Liebe, lass dich drücken!“ Elli zog mich an sich heran und auch ich war überglücklich, sie endlich zu sehen. Draußen unterhielten wir uns. Elli erzählte mir, dass sie diese Herberge einst erworben hatte. Diese sah vorher ziemlich heruntergekommen aus. Und Elli investierte einiges um den Laden, wie sie es nannte, wieder einigermaßen in den Griff zu kriegen. Allerdings war diese Herberge schon von Anfang an herunter gekommen und hatte keinen guten Ruf.

Caìbìdìl 3 /Kapitel 3

Elli fing an zu renovieren und stellte Personal ein, dieses jedoch erwies sich als äußerst unprofessionell. Hauptsächlich Studenten, die nur einen Job für den Übergang suchten. Elli jedoch war so blind und ließ sich darauf ein. Hauptsache, sie hatte ein paar Leute, die ihr halfen. Ihre Naivität war ihr Nachteil, seitdem lief das Geschäft auch eher schleppend. Elli hatte ein bisschen resigniert und lies alles etwas schleifen. Was ich da tun sollte, wusste ich nicht, bis jetzt. Elli eröffnete mir ihr Angebot.

„Also gut, Val, ich habe genug Know-how, um eine Kneipe zu schmeißen und zu kellnern, das liegt mir im Blut, wie du weißt, aber ein Geschäft oder vielmehr ein Hotel oder Herberge zu führen, waren für mich bisher Herausforderungen, die ich unterschätzt hatte. Ganz ehrlich, ich hatte gehofft, du könntest mir helfen. Ich meine, organisieren, planen, ach, ich weiß nicht. Einfach mit mir zusammenarbeiten.“ Elli sah so verzweifelt

aus. Ich war mit mir am Hadern. Nun. Hier Urlaub zu machen war ja eine Sache, aber gleich bleiben und alles aufgeben, das war eine andere Sache. Sicher, was hatte ich zu verlieren? Es war …, nun, es war einfach die Tatsache der Unendlichkeit. Elli bot mir an, zwei Wochen hier zu verbringen und vielleicht ihr etwas unter die Arme zu greifen und dann könnte ich ja weiter sehen.

Na ja, klar, würde ich das machen, schließlich war sie einst meine beste Freundin. Wir fielen uns wieder in die Arme und Elli zeigte mir mein Reich. Es war eine Dachgeschosswohnung direkt über der Herberge. Zusammen mit Elli würde ich dort erst mal wohnen. Sicher, ich hatte ein eigenes Bett, aber im selben Schlafzimmer wie meine Freundin. Ich hatte kein Problem damit. Die Wohnung war sehr schön. Schlicht, aber schön. Es gab ein Schlafzimmer mit zwei Betten. Das Bett, welches meines war, gehörte wohl mal Ellis Freund, aber das war ja vorbei, hoffte ich. Nicht das er plötzlich auftauchte und Anspruch anmeldete. Jedenfalls gab es noch ein Wohn-Esszimmer. Die Küche wurde mit einer Theke abgetrennt und ging zu dem Wohnzimmer über. Da drin befanden sich eine große Couch, ein Tisch und eine Anbauwand mit TV. Direkt an der Wand ragte ein kleiner Balkon, der über der Temple Bar thronte und man einen weiten Blick über das ganze Viertel hatte. An und für sich eine super Lage. Das Bad reihte direkt im Flur an, mit einer großen Dusch/Wanne und Toilette sowie Ablageflächen. Sicher, essen konnte man im Wohnzimmer am Tisch, aber die Wohnung war auch nur für zwei ausgestattet, was ja völlig reichte. Elli erzählte mir bei einem Kaffee auf dem Balkon, dass sie insgesamt zehn Zimmer hatte. Zwei große mit jeweils fünf Betten als Gemeinschaftszimmer, wie bei Björn. Es war ja auch typisch für Party oder Rucksack Touristen. Der Rest war aufgeteilt mit jeweils drei Zimmern, die größer waren, dass man noch ein Zustellbett hinzufügen konnte für Familien mit ein oder zwei Kindern, die restlichen waren ganz normale Zweibettzimmer. In der mittleren Etage gab es einen Gemeinschaftsraum zum Frühstücken oder auch selber kochen, wer mochte. Auf dem Flur befand sich noch eine kleine Terrasse für Raucher oder Leute die sich etwas Ruhe und Luft gönnen wollten. Im Grunde war diese Herberge eine Goldgrube, direkt im Temple Bar Viertel. Alle Pubs, Restaurants und Giftshops waren vertreten, natürlich auch McDonald` s. Sicher, die meisten beschrieben das Viertel als pures Touristenviertel, aber auch viele Einheimische ließen sich hier nieder und nicht zu vergessen die traditionelle Temple Bar selbst. Ein einheimischer Pub von je her. Regelmäßige live Musik und gemütliche Runden. Ich jedenfalls wollte mir erst mal die ganze Sache angucken. Hieß …, ich chillte ne Runde.

Während Elli ihrer Arbeit nachging, duschte ich und machte mich etwas frisch, dann aß ich eine Kleinigkeit. Elli hatte Pizza besorgt. Nach zwanzig Uhr gesellte sie sich zu mir. Wir redeten über vergangene Geschichten und lachten und tranken. Meine Freundin meinte, unsere alten Zeiten müssten mit einem Bacardi-Cola aufgefrischt werden. Böser Fehler! Aus einem wurden vier. Und unsere Stimmung gelangte auf dem Höhepunkt. Vergessen die Flugreise, die Angst, das Ungewohnte. Leider, so muss ich sagen, haben wir von dem Abend nicht mehr viel gehabt. Ich fiel ins Bett, während Elli auf dem Sofa einschlief.

Geplant war ein Abstecher durch die Pubs. So schnell wie ich eingeschlafen war, wurde ich daraufhin unsanft herausgerissen. Ein Poltern ging durch das Haus und Stimmengewirr machte sich breit. Schlaftrunken schaute ich aus dem Fenster und musste feststellen, das es große Guinnessfässer waren, die in den Kellerräumen gelagert wurden.

Die Gespräche jedoch kamen eindeutig aus Ellis Herberge. Schnell nahm ich eine Dusche und zog mich an. Nun, zum Frühstücken gab es nicht wirklich viel. Um genau zu sagen, eine Maus hatte mehr zu essen als Elli im Kühlschrank. Es war gegen neun Uhr und einige Gäste wuselten herum. Keine Spur von Elli, mal wieder. Innerlich fragte ich mich, was ich eigentlich hier machen sollte? Ein langhaariger Bursche im weißen T-Shirt schob einen Wagen durch die Gänge. Das war wohl einer vom Reinigungspersonal. Er schob den Wagen mit Bettwäsche und Handtüchern sowie Reinigungsmittel von Zimmer zu Zimmer. Ich wollte ihn fragen, ob er wüsste, wo Elli war, doch schon war die Tür zu und auf der Treppe hörte man wieder Stimmen. Schnell rannte ich hin und knallte mit Elli zusammen.

„Oh Schätzchen tut mir leid. Aber ich hab gerade keine Zeit. Sei so gut und geh doch erst mal frühstücken, hier die Straße runter ist ein süßes kleines Bistro ` Das Neros `, ich komme in einer halben Stunde auch hin. Bestellst du mir einen Kaffee Latte und ein Croissant mit. Danke! Und verzeih mir, aber wir besprechen gleich alles.“ Flugs war sie wieder weg.

Sie brüllte einem Angestellten hinterher und dieser zuckte nur die Schultern. Ok, dachte ich mir, also such ich mal das Bistro auf.

Draußen war es angenehm. Nicht zu kühl und nicht zu warm. Einige Leute waren unterwegs. Hauptsächlich schienen es Geschäftsleute oder Studenten zu sein. Wieder war da dieses Stimmengewirr aus zahlreichen Sprachen. Die meisten Geschäfte hatten noch zu und wenn, waren sie dabei gerade zu öffnen. Viele Restaurants wurden angeliefert, aber auch einige Cafès hatten schon auf und es roch herrlich nach Kaffee. Lange brauchte ich nicht suchen, die Straße hoch erschien das Bistro.

Es sah sehr gemütlich aus.

Große Glasfenster luden ein, um hinein zu schauen. Es hatte grüne Fensterläden und von außen erkannte man einige Tische aus Holz und direkt am Fenster eine Couch mit Sessel und Tisch in der Mitte. Es wirkte einladend und ich hatte Glück, dort noch einen Platz zu bekommen. Ich schmiss schnell meine Jacke darauf, da es hier Selbstbedienung gab und ich mir den Platz sichern wollte.

Also ging ich zur Theke, schnappte mir ein Tablett und bestellte den Kaffee Latte für Elli und für mich einen Americano Kaffee, dazu zwei Croissants mit Schokolade. Schnell wieder zu meinem Platz. Oh Mist, den Zucker hatte ich vergessen. Ich wusste noch, dass Elli immer einen Haufen Süßes in den Kaffee tunkte. Also wieder zurück zur Theke.