Falstur - Petra Eggert - E-Book

Falstur E-Book

Petra Eggert

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Beschreibung

Falstur ist ein friedlicher Ort dessen Gemeinde von Drachen bedroht wird und deren Herrscher nach der Krone sinnt. Eine kleine Gemeinschaft macht sich auf den Weg Das silberne Königreich zu retten. Eine Prophezeiung, ein Mädchen, ein kleiner Junge, zwei Diener aus Falstur sowie einige Aussätzige und manch anderes Wesen begleiten sie auf ihren Weg. Sie müssen Abenteuer überstehen um Falstur zu retten. Werden sie es schaffen, oder stellt sich der Herrscher der dunklen Magie in den Weg?

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In Gedenken an meine Tante Vera, meine Mutter Brigitte und meinem Mann Dietmar. Drei Menschen die in der Blüte ihres Lebens herausgerissen wurden. Des weiteren danke ich meinen Kindern Vivian und Benedikt. Vor allem danke ich auch Christian ohne den ich dieses Werk nicht vollenden konnte.

Inhaltsverzeichnis

Textbeginn

Die Prophezeiung

Der Auftrag

Wolfharde und Krupplugen

Rettung naht

Drunach

Seltsame Begegnungen

Trimlinge

Der Plan

Das Dorf

Alte Freunde

Angriff

Trebor

Sturm im Flug

Unter der Erde

Arev

Neuigkeiten

Ein neuer Weg

Tertan

Hoffnungsschimmer

Licht am Ende

Zarthon

Bei den Uls

Finstere Pläne

Gorom

Der Weg zurück

Das Ende?

Ein unerwaretes Gesicht

Es lebe der König

Hinweise

Die Drachenkrankheit

Eigentlich war Goroms Leben so, wie er es sich vorstellte. Nun ja, er kannte ja auch nichts anderes. Wie jeden Tag sortierte er Briefe, setzte mal wieder Stempel unter Anträge, die wichtig waren, und Anträge, die noch ausstanden.

Unsinnige Anträge, wie Gorom fand. Überhaupt konnte er nicht verstehen, wozu man diesen ganzen Aufwand trieb. Für ihn war es nur reine Zeitverschwendung. Immerhin hatte er ein für sich zufriedenes Leben. Wenn er so nachdachte, kannte er ja nichts anderes und niemand konnte ihm das Gegenteil zeigen. Also sortierte er auch an diesem Tag seine Anträge. Peinlichst genau legte er seine Akten in die dafür vorgesehene Ablage und kennzeichnete sie mit einem Großen, „E“ wie erledigt. Im Grunde las er die Akten nie durch. Er musste lediglich auf das Zeichen eines grün verzierten Kranzes mit Blumendruck achten, das waren die Aufträge des Königs und die mussten unverzüglich behandelt werden. Alles andere musste dann warten. Gorom flitzte gewichtig hin und her, auch wenn andere meinten, das es ziemlich lustig aussah, schließlich war er ein Gehilfe des Königs und das erfüllte ihn mit Stolz. Das war nicht immer so; der fleißige Gehilfe kam eines Tages mit einem kleinen Säcklein über den Schultern in das Reich von Falstur. Der kleine, unscheinbare Mann stand damals vor den riesigen Toren der Stadt. Seine Kleidung hatte wirklich schon bessere Zeiten gesehen. Er war noch ein junger Spund und erkundete die Welt mit großen Augen, doch hier die Türme zu sehen, die selbst über die Mauer ragten, flößten ihm schon Respekt ein. Mit offenem Mund starrte er auf die Mauern und bemerkte nicht die Wachen, die ihn anstarrten. Zwei mausähnliche Gestalten sahen ihn an.

„Sag, Junge, hast du kein Zuhause? Willst du hier nur rumstehen oder auch reinkommen?“, Gorom sah erst jetzt die beiden und erschrak leicht beim Anblick der langen Speere.

Einer der Kreaturen sabberte, weil er gerade eine matschige Birne verspeiste. Die wulstigen Hände, die einer der Wachen hatte, sahen aus wie zwei Schweinepfoten mit fünf Fingern. Ihre Körper waren, soweit man das einsehen konnte, muskulös gebaut und ein langer dürrer Hals ragte über die Mauern. Darauf saß ein mausähnlicher Kopf. Die Ohren stammten eindeutig von einer Maus und die Nase zierte spitz das wiederum Schweine, ähnliche borstige Gesicht. Lange Schnurrhaare ragten über den dünnen Lippen und auch der Rest war ziemlich behaart, wenn er nicht gerade in den braunen Lederpanzer gedrängt war. Gorom staunte noch immer und vorsichtig lugte er in die Stadt rein. Er kannte Falstur nur aus dem Hörensagen. Sein Großvater hatte ihn immer gewarnt, hierher zu kommen.

„Der ganze Prunk und schnöde Mammon wird dich unter gehen lassen und so einen Knirps wie dich würde sowieso niemand einstellen.“ Schließlich kam Goroms Familie vom Lande. Dort zählte die Gemeinschaft. Alles war friedlich, na ja, abgesehen von manchen Gesellen, der hin und wieder auf der Durchreise war und ab und an einen zu viel über den Durst getrunken hatte. Eines Tages sogar erzählte Goroms Großvater von der Idee seines Enkels und wettete um fünf Taler, das er spätestens nach drei Tagen zurückkehren würde.

Vor Hunger würde er angekrochen kommen. Das bekam ein dünner, blasser Mann mit Fledermausohren und Glatze mit.

Seine Ohren spitzten sich und wie ein Schatten trabte er an.

Leise zischte er durch die Zähne, dass er die Wette annahm.

Es war ein finsterer Geselle und grau schien seine Seele zu sein, doch Großvater Elliot nahm die Herausforderung an.

Natürlich hatte er schon einige Braunbiere getrunken und erachtete die Sache nicht weiter ernst. Der hagere Mann rieb sich die Hände und steckte die Taler ein. Daraufhin ward er nicht mehr gesehen. Elliot ärgerte sich am nächsten Tag über den Verlust, aber Gorom zog sich zurück. Er machte sich so seine Gedanken. Warum sollte er eigentlich nicht in die Stadt gehen, schließlich war er nicht dumm und ein junger Burscheaus dem Nachbarort hatte es auch dorthin verschlagen.

Regelmäßig schickte er fein verschnörkelte Briefe und schrieb so seltsam gehoben. Großvater Elliot verdrehte stets die Augen, wenn er das las.

„Siehst du, so geht das mit dem schnöden Dasein. Pah, Gehabe “, er spuckte aus und die Sache war erledigt, nicht aber für Gorom. Fasziniert von den Briefen und den Erzählungen verrannte er sich immer mehr in die Idee eines Tages diese Stadt zu sehen. Jetzt stand er vor ihr.

Er wollte gerade einen Schritt durch das schwere Braune Eisentor tun, als ein schnaubendes Pferd direkt auf Gorom zupreschte. Ein Mann in silberner Kleidung wetzte wie der Teufel an ihm vorbei. Er schluckte nur noch Staub und hustete wie wild. Die Wachen amüsierten sich prächtig, bis einer von ihm seine matschige Birne fallen ließ und sie mit einem lauten Platsch in Goroms Gesicht klatschte. Die kleine Gestalt sah jetzt wirklich bedauernswert aus. Überall der Staub und Dreck und dazu die klebrige Masse. Das war nun wirklich nicht das, was Gorom erwartet hatte. Er schaute kurz hoch, doch die beiden Wachen waren verschwunden.

Heimlich versteckten sie sich hinter der Mauer und feixten.

Nur ihre Lanzen wackelten leicht hin und her. Gorom schlich nun langsam in die Schatten der Mauern. Er suchte einen Brunnen und fand ihn schließlich an einer Wand. Schnell tauchte er sein Gesicht in das kühle Nass. Er spritzte seine Kleidung ab und trank einen Schluck. Jetzt konnte er sich beruhigt umsehen. Das Leben brummte eindeutig hier.

Geschäftige Leute liefen umher wie die Bienen. Alles war so sauber und glänzte. Ja richtig, es glänzte und glitzerte tatsächlich.

Funkelnde kleine Glitzersteine schimmerten durch den feinen staubigen Sand. Selbst der Sand war wie Puderzucker, doch was war, wenn es regnete? Das war eine von vielen Fragen, die ihm später noch beantwortet würden. Er schaute sich um und imposante Türme reihten sich auf. Mit majestätischer Höhe stachen sie mit ihrem Glanz in der Sonne. Alle Dächer wirkten im silbrigen Schein.

Spitze Türme, Kuppeldächer und flache Häuser zierten die Stadt. Auf dem Marktplatz, wo er sich befand, standen einzelne Marktstände in feinen Leinentüchern und filigrane Tücher, worauf die Frauen ihre Waren anboten. Es sah alles so edel aus und man hatte Angst, auch nur irgendetwas an zu fassen. Selbst die Frauen, die ihre Waren verkauften, trugen silberne Kleidung. Sollte er hier wirklich eine Anstellung finden? Seine Zweifel fingen an zu steigen und er dachte insgeheim an seinen Großvater. Sollte er recht behalten? Gorom beschloss erst mal weiter zu sehen, wer weiß, ob es nicht nur hier so war. Es musste noch andere Winkel und Ecken geben, die ihm zusagten. Mit seinen kleinen Beinen, denn er war wirklich nicht recht groß, watschelte er über den Marktplatz. Sein Mund blieb offen vor lauter Staunen und überall an jedem Stand verweilte er, um sich all die Dinge anzusehen, die die Leute dort anboten. Äpfel so rot wie Blut und doch mit glänzendem Schimmer, aber auch Tücher aus blassblauen Farben. Alles glänzte und es gab zum Verwundern von Gorom irgendwie keine richtigen kräftigen Farben. Alles schimmerte und glänzte nur so und doch war es farblos.

Gorom schlenderte weiter auf der Hoffnung, noch ein Fleckchen zu finden. Ein wenig war er enttäuscht. Mit leicht hängendem Kopf sah er die Gestalt nicht, die ihm entgegenkam. Er prallte mit ihr zusammen und mit einem Lauten peng krachte er zu Boden. Nur noch verblasst sah Gorom eine Gestalt davon laufen.

Als er wieder zu sich kam, lag er, wie auch anders, auf einem blass- blauen Bett mit Schimmer. Eine Person wetzte gewichtig hin und her und die spitzen Schuhe wippten nur so mit. Die hagere Gestalt murmelte immer wieder; “Oje oje, wie bring ich ihm das nur bei?“ Gorom rieb sich die Augen.

Nur schwer und etwas verschwommen sah er allmählich wieder. Er blickte sich um und musste überrascht feststellen, wo er sich befand.

Alles glänzte von einer Kuppel hinab, wie als wenn er im Himmel sei. Blass-blaue Glitzersteine flimmerten herab, dazu waren am Rand der Kuppe wieder diese Verschnörkelungen von einem grün-verzierten Kranz mit Blumendruck. Überall funkelte es. Sogar der kleine Tisch neben ihm glitzerte durchsichtig und der Boden war mit hoch glänzenden Marmorplatten belegt. Selbst die Schuhe des hageren Mannes glänzten wie im Spiegelbild. Gorom hingegen lag auf einem großen, mit blauen Satin bezogenen Himmelbett.

Der Bursche wetzte im Zimmer auf und ab und murmelte immerfort mit ein paar Zetteln in der Hand.

„Wie soll ich das nur meinem Herrn bei bringen?“, dabei wuselte er sich immer wieder durch sein Haar und starrte zu Gorom, dieser guckte ihn an und versuchte leicht zu lächeln, doch der andere Mann schüttelte verständnislos den Kopf. Er blickte ihn eine lange Sekunde an und kam dann plötzlich schulterzuckend auf ihn zu.

„Ach es nützt nichts, ich muss es ihm ja doch sagen, sei es drum.“ Dann erst wandte er sich an Gorom. „Geht es dir gut? Bist du wohl auf, um, ähm, zu meinem Herren zu gehen?“ Gorom nickte stumm und folgte dem hageren Mann einem langen, schmalen Flur entlang. Nur schemenhaft bekam er alles mit, da ihm sein Schädel noch brummte und ihm leicht schwindelig war. Plötzlich prallte er mit dem Mann zusammen.

„Also wirklich kannst du nicht, na egal. Wenn wir da jetzt rein gehen, wirst du so höflich sein und deinen Mund erst auf machen, wenn ER dich fragt, aber nur dann. Verstehst du das?“

Der Mann sah ihn skeptisch an und Gorom musste sich zusammenreißen, nicht doch noch seinen Mund zu öffnen.

Beim Anblick jedoch von diesem riesigen Tor, vor welchem sie jetzt standen, blieb ihm ohnehin derselbe offen stehen.

Ein Quietschen und Ächzen ging durch die Scharniere und nur ganz langsam öffnete sie sich einen Spalt, soweit das die beiden durch passten. Die hagere Person trat in halb gebückter Haltung in den herrschaftlichen Saal. Er lief quer durch den Raum. Um große hölzerne Tische mit prunkvollen Stühlen herum, dann immer weiter, bis er vor einer Art riesigen Thron anhielt. Dort tuschelte er mit einem anderen Mann gewichtig hin und her. Dieser schaute aus der Entfernung mit einem kleinen Monokel zu Gorom. Der junge Mann kam aus dem Staunen nicht mehr raus, und ehe er sich versah, stand der andere Bursche wieder vor ihm.

Er sah nicht sehr erfreut aus.

„Kannst du lesen und schreiben?“, fragte er kurz und knapp und Gorom nickte nur. Tja, so trug es sich zu.

Schon seit mehreren Jahren stand er nun im Dienst des Königs von Falstur. Warum und wieso, wusste er bis heute nicht genau. Es wurde gemunkelt, dass Milton, der andere Mann, ihn damals auf der Straße aus Versehen umgestoßen hatte und Gorom so unglücklich stürzte, das er sich den Kopf stieß, das Milton nichts anderes übrig blieb, als ihn in die Dienste des Herren zu bringen. Für den König war es eh eine lästige Angelegenheit, einem Burschen Geld in den Rachen zu werfen, wenn er sowieso für ihn arbeiten konnte. Zudem kamen nicht alle Tage junge, kräftige Burschen freiwillig nach Falstur um hier Arbeit zu finden, also beschloss er für Milton eine Entlastung zu arrangieren. Das funktionierte sehr gut und Gorom arbeitete wirklich gerne hier. Na ja, auch wenn er sich manchmal etwas mehr Abwechslung wünschen würde, als nur dumme Anträge zu verzeichnen. Doch er war zufrieden und froh. Mittlerweile war er so an seine Arbeit gewohnt, das, wenn er wirklich mal außerhalb von Fasltur musste, sich höchst unwohl befand. Ihm behagte es nicht sehr auf Reisen zu gehen, deshalb blieb er auch meistens im Palast. Akten und Schriftstücke gab es ja genügend.

Gorom lebte nicht schlecht. Er hatte regelmäßiges Essen, einen Schlafplatz und das direkt im großen Turm des Palastes. Dort konnte er nachts die Sterne leuchten sehen. Ein rundes Fenster, umringt mit tausend von kleinsten Kristallen und in der Mitte ein großer, prunkte aus der Dachluke. Ein einzelnes Bett stand neben dem Fenster und neben dem Kamin ragte ein alter ausrangierter Sessel. Milton sollte ihn auf Befehl des Königs wegwerfen, da er schon zu lange den Keller des Palastes vollstopfte, doch irgendwie hatte Gorom Gefallen an dem alten Ding empfunden und wollte es in seiner Dachstube halten. Er meinte, es würde ihn ein kleines bisschen an zu Hause erinnern. Nun, viel gab es für Gorom nicht zu wissen. Er arbeitete und stempelte und sortierte und lieferte aus, doch eigentlich sollte er sich insgeheim fragen, was es wirklich war, was Falstur so ausmachte und ihn hier hielt? Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte. Je länger man in Falstur war, desto gewohnter wurden seine Tätigkeiten und alles andere vergaß man mit der Zeit. So auch Gorom. Ab und an überkamen ihn Gedanken an seine Familie, dann machte er sich aus reiner Routine Notizen und versandte sie nach Ablage.

Das tat er schon viele Jahre. Wie auch jetzt. Er stempelte, sortierte, stempelte, sortierte und so weiter.

Eigentlich passierte in Falstur so gut wie nie etwas, es sei denn, jemand hatte seine Ware nicht korrekt verkauft oder stand an einem falschen Stand, doch diesmal lag irgendetwas in der Luft.

Milton, der sonst immer zuverlässig war und routinemäßig arbeitete, stapfte jetzt geschäftig, fast gehetzt den Flur entlang. Leises murmeln begleiteten seine Schritte. Die silberbestickten Schuhe wippten hin und her, so das der hagere Mann aufpassen musste, nicht der Länge nach am Boden zu liegen. Verzweifelt umklammerten seine spitzen, langen Finger eine weiße Pergamentrolle unter seinem silberfarbenen Jackett. Milton wetzte so schnell, dass die Spitzen der Jacke im Lufthauch wie ein Schleier in der Luft wehte. Die stechenden grünen Augen stierten gehetzt den Gang entlang, während sein dünner Mund immer wieder leise Worte flüsterten.

Die Prophezeiung

„Herrje! Herrjemine!“ Immer weiter ging er den schwarz - weiß marmorierten Gang, bis er vor einer goldenen, riesigen Tür stand. Ein kurzes Atmen und das Zurechtrücken seines silbernen Hutes, der ständig über seine spitzen Ohren rutschte.

Mit fester Hand drückte er die Klinke herunter und trat ein.

Ein kalter Lufthauch streifte sein Gesicht und der Duft nach Lavendel mit einem Hauch von Minze stieg ihm in die Nase.

Milton räusperte sich kurz und blieb in voller Erwartung stehen.

Ein riesiger Eichentisch durchzog majestätisch den großen Raum. Filigrane Bögen mit einem zarten Blütenmuster hielten Einzug über verschnörkelte Rundbögen und Fenster.

Am Ende des Tisches prunkte ein silbern geschmückter Stuhl.

Nicht jene Sitzmöbel, wie man sie sonst so sieht, nein, es war ein großer thronartiger Stuhl. Der Sitz schimmerte mit Silber - gedrehten Fäden. Die Lehne bestand aus Gold mit Silber, während der Kranz aus winzig kleinen zusammengesteckten Blumen in Weiß und natürlich Silber glänzte. Nur eine einzige, etwas größere Blüte thronte in der Mitte mit goldenen Schimmer.

In dem Stuhl kauerte ein kleines Männchen, das, so sah es aus geschäftig über seinen Büchern saß. Doch der Schein trübte. Milton stand immer noch starr und angespannt am Ende des Tisches. Er wusste, dass es unhöflich war, eine Obrigkeit bei seiner Arbeit zu stören, aber auch, dass dringende Maßnahmen Außergewöhnlichkeiten hervorriefen.

Zumal er ein leises grunzen hörte, dass darauf schließen lies, welches die Person nicht ganz so gewichtig schien. Milton tippte ungeduldig mit dem rechten Fuß auf und ab, so das die Spitze wie eine Spindel hin und her federte.

Der Mann auf dem Stuhl regte sich einen kleinen Hauch, doch das Grunzen ging weiter. Milton war nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, wenn es nötig wäre, würde er bis zum Morgengrauen warten, aber jetzt hatte er leichte panische Züge. Er hustete anfangs ganz sanft und dann immer lauter.

Erst als die Obrigkeit sich schlafend umdrehte, hörte Milton beschämt auf. Stocksteif stand er da und der König raunzte leicht gereizt. Es kam schließlich nicht oft vor, dass er aus seinem Mittagsschlaf gerissen wurde. Zumal es fast nie einen triftigen Grund gab. Mürrisch steckte er sich eine Weintraube in den Mund und wedelte mit dem anderen Arm zu Milton.

„Was um alles in der Welt kann so wichtig sein, das du mich gerade jetzt störst? Hat das nicht Zeit oder ist Gorom mit seiner Arbeit hinterher, das kein Fach mehr frei ist?“, doch Milton ruckelte nervös hin und her. Es behagte ihm nicht sehr seinen Herrn zu stören und ihm zu widersprechen, doch dies ließ wirklich keinen Aufschub.

Er griff sein Pergament und hielt es krampfhaft fest, um es seinem Herren zu zeigen. Dieser nahm die Rolle und faltete es auf seinem Thron aus. Er murmelte und murmelte, dann sah er Milton an und las wieder. Plötzlich stand er auf und ging zu seinem halbrunden, mit Edelsteinen eingefassten Fenster und starrte hinaus. Er hatte einen herrlichen Rundblick über sein Reich. Selbst seine Kuppel, in der er thronte, konnte er drehen, so das er sehen konnte, was vor seinem Palast passierte.

Falstur war nicht groß, aber auch nicht klein. Es bestach mit seiner Einzigartigkeit. Jeder in diesem Land unterstand dem König. Manche waren mit der Wahl nicht sehr zufrieden, da er ihnen zu schnörkelig erschien. Alles was für den König zählte, war seine filigrane Vernarrtheit in allem, was glitzerte.

Natürlich gestattete er jedem, der es nicht wollte, sein eigenes Leben zu führen, wie er es wollte, aber auch denen, die zu ihm wollten, gewährte er ein Heim. Somit war jeder zufrieden.

Was aber jetzt keiner wahrhaben wollte, war die Tatsache, dass diese Idylle auch mal erschüttert werden konnte.

Milton wollte nicht unhöflich sein, aber er versuchte einen Blick auf das Pergament zu erhaschen. Er wusste nur, dass ein Reiter aus dem fernen Ydollia völlig ramponiert und abgehetzt aufgetaucht war und dieses Pergament in den Händen hielt mit den Worten, es ginge um Leben und Tod und den Bestand der Menschheit von Ydollia.

Natürlich war das für die Bewohner von Falstur pure Aufregung. Wenn jemand in die Stadt kam und es so eilig hatte wie der Reiter, so sollte das nichts Gutes bedeuten.

Noch immer schaute König Aram angestrengt aus dem Fenster und Milton wartete. Er hatte sich schon lange in Geduld geübt, dass er fast im Stehen einschlief, bis ihn die Stimme des Monarchen herausriss.

„Himmel Milton, ich fürchte, wir müssen den Rat versammeln. Das ist alles noch furchtbarer, als ich dachte. Ich wusste wohl von der Gefahr, aber das sie eines Tages doch noch kommt, damit hätte ich nie gerechnet. Trommel den Rat zusammen, wir treffen uns im gläsernen Saal.“ Damit drehte sich König Aram um und eilte in seine Gemächer. Trotz aller Gefahren musste er sein Aussehen wahren, also zog er sich seine silberne Robe über und setzte seine Krone auf. Auch Milton machte sich auf den Weg. Er lief an Gorom vorbei, ohne ihm Auskunft zu geben. In der Halle, hinter einer schlichten verschnörkelten Tür mit silbernen Kranz, die, so sagte man, nur im Notfall geöffnet werden durfte, befand sich ein schmaler Schlitz. Milton holte einen kleinen Schlüssel aus seiner Jacke und steckte ihn in das Gebinde. Dieser knirschte und ächzte, dann fiel eine kleine Klappe über den Kranz und eine Uhr in der Halle ertönte mit einem Sekundenzeiger.

Monoton zählte die Stimme von sechs rückwärts.

Jetzt musste sich Milton beeilen. Bevor der Zeiger auf null ging, schlug die Klappe zu und niemand könnte sie je wieder öffnen. Milton kramte an seinem Schlüsselbund und fand endlich den kleinen Bronzefarbenen. Schnell steckte er ihn in den Schlitz, noch ehe die Stimme eins sagen konnte, klappte die Tür auf. Der hagere Mann stöhnte leicht.

„Puh, das war knapp. Ich werde auch immer älter.“

Eine Schatulle lag vor ihm, winzig klein, doch als er sie aufmachte und einen Gegenstand rausholte, wurde dieser immer größer und größer. Schnell schleppte er das Ding zum Fenster und blies kräftig hinein. Ein ohrenbetäubender Hall schallte durch das ganze Reich. Milton lief schon fast blau im Gesicht an, ehe der Ton verebbte. Dann schlug der hagere Mann auf eine flache Seite und in Sekundenschnelle schrumpfte das Horn in sich zusammen. Dieses schloss Milton wieder in die Klappe. Gorom staunte nur. So etwas hatte er in all seinen Jahren hier noch nie gesehen. Er verstand den Aufruhr nicht so recht. Nur, dass er sich in Geduld üben musste. Der kleine Mann wagte nicht, Milton zu stören, er wusste, wenn er in Eile war, war es unhöflich, ihn anzusprechen, also wartete er.

Ehe sich Gorom versah, schwang die Tür auf und der König rauschte herein. Auch das war selten, da der König so gut wie nie sein Gemach verließ. Kaum konnte sich Gorom verbeugen, huschte Aram an ihm vorbei und blieb plötzlich stehen. Wieder in Verbeugung kam der König auf ihn zu.

Er musterte ihn von Kopf bis Fuß, wobei Gorom nur seine silbernen Schuhe begutachten konnte. Er sah, wie sein großer Zeh ständig wackelte und auf und ab hüpfte. Der König schnalzte immer wieder mit der Zunge und Gorom lag ein Glucksen im Rachen, welches er aber unterdrücken musste, um nicht gleich loszulachen.

„Wie lange seid Ihr schon in meinen Diensten?“, donnerte der König los und Gorom verschluckte sich. Ein heiseres Krächzen kam von ihm.

„Ich Herr? Oh, ich bin seit sieben Jahren in euren Diensten, Herr!“, druckste Gorom herum, bemüht die gebückte Haltungzu halten. Ts, ts, ts, hörte er den König murren. Kaum wandte er sich ab, befahl er wieder im Gehen.

„Nimm einen Block und folge uns, aber halte deinen Mund geschlossen!“ Gorom verstand nicht ganz, bis Milton ihn unsanft hochzog, ihm einen Federstift und Tinte und eine Pergamentrolle in die Hand drückte, dabei schob er ihn vor sich her. Die kleinen Füße hatten alle Mühe Schritt zu halten.

Selbst wenn die Tatsache bestand das der König, na ja auch nicht gerade schlank war, um nicht zu sagen, er verschrieb sich der Völlerei, so ging er eiligen Schrittes voran.

„Du kannst von Glück reden, das er dich bemerkt hat. Es ist ein höchst großes Privileg und ich hoffe, dass du es zu schätzen weißt. So ein Unglück!“

Gorom verstand noch immer nicht. Außer Atem fand er keine Worte. Er wunderte sich nur, wie viele Wege es durch den Palast ging. Gänge, die er zuvor nicht kannte. Er wusste, dass der Palast groß war. Doch so etwas hatte er auch noch nie gesehen.

Es ging um Biegungen, Rundgänge, kleine Hallen, große Hallen über kleine Höfe in Katakomben, bis sie in einem versteinerten Flur stehen blieben. Hier hörte der Gang auf und eine rote Ziegelmauer versperrte ihnen den Weg.

Der König orderte Milton zu sich. Dieser klopfte dreimal auf drei verschiedene Steine, nebenbei zog er eine Art kleine Pfeife heraus, blies hinein und ein weiterer Fels klappte in die Mauer ein, noch einmal pustete er und noch ein Stein fiel, dann trat Milton zur Seite und befahl Gorom wegzusehen.

Alle anwesenden Diener mussten sich umdrehen und man konnte nur ein knacken hören, dazu knirschte die Wand und ein rumpeln erschütterte leicht den Boden. Jetzt durfte jeder wieder zusehen.

Vor ihnen breitete sich eine große goldene Tür auf. Der König trat ein und alle folgten ihm. Zuletzt ging Gorom.

Kaum hatte er sich an die Dunkelheit gewöhnt, blendete ihn ein grell weißes Licht. Es brannte richtig in den Augen. Erst nach Minuten, die Milton ihn mitzog, konnte er wieder etwas erkennen. Er erschrak leicht. Da standen zig Männer in silbernen Umhängen und Kapuzen. Es mussten mindestens dreißig gewesen sein, doch was war das? Er sah Milton dreifach und auch sich selber sah er doppelt. Gorom rieb sich die Augen. Was ging hier vor sich? Der hagere, dünne Mann lächelte leicht arrogant und flüsterte.

„Umwerfend nicht wahr? Ich hatte dasselbe Gefühl am Anfang wie du, auch jetzt ist es immer noch imposant zu sehen. Das ist der gläserne Spiegelsaal. Er dient nur für seltene und außergewöhnliche Versammlungen. Du musst dich da hinter das Podest stellen und jedes Mal, wenn der König redet, musst du dir Notizen machen, über alles, was geredet wird. Beeil dich!“

Er zeigte ihm das Podest und schob ihn leicht dahin. Etwas mulmig und mit wackligen Beinen ging Gorom zu den Stufen. Er musste aufpassen, nicht daneben zu treten, denn er konnte kaum unterscheiden, ob es eine Treppe war oder nicht.

Alles in dem Raum blinkte und glänzte wie in einem sonnendurchfluteten Eispalast. Nur schwer konnte der kleine Mann erkennen, wie viele Herren wirklich hier waren. Hinter einer Glastür stand eine ramponierte Person, die bloß darauf wartete, reingelassen zu werden. Es war der Reiter von Ydollia. Mit einem Kopfnicken begann der König.

„Meine Herren, ich danke Ihnen für die Übereinkunft. Es ist wirklich lange her, dass ich eine Konferenz einberufen musste, doch diesmal ist es wieder an der Zeit. So leid es mir tut. Ich bedauere die Umstände und wenn auch nur ein Funken von dem übereinstimmt, die uns dieser Reiter übermittelt, so fürchte ich, wird dies nicht die Letzte sein. Ich vermute dennoch, dies wird erst der Anfang aller Umstände sein. Bitte!“, dabei sah er zu Milton und dieser verstand sofort. Er schritt zum Tor, um den Reiter Einlass zu gewähren.

Mit gesenktem Kopf, aber dennoch stolzer Haltung trat dieser zum Podest. Der Mann verbeugte sich kurz zu allen Seiten, dann fing er an zu erzählen.

„Meine Herren, mein König, ich bin hierher gekommen, um bedauerlicherweise Eure Hilfe zu fordern. Jahrelang lebten die Ydollia in Ruhe und Zufriedenheit. Wir haben stets unsere Felder bestellt, Häuser gebaut und unser Leben gewirkt, doch dieser Friede sollte nicht lange wehren. Nichts ahnend bestellte ich noch gestern unser Acker und heute stehe ich vor dem Ruin unseres Volkes und Landes. Ydollia ist so, wie es einst war nicht mehr. Eine Bestie aus der Ferne schlug wie der Teufel über unser Land. Es war nachts, als wir die Kühe und Schafe vernahmen. Ich hörte ihr jämmerliches Klagen, bis es plötzlich erstarb. Schnell rannte ich heraus, um nach zu sehen. Mitten in der Nacht wurde es helllichter Tag. Alles brannte lichterloh. Die Felder waren verbrannt, die Tiere nur noch Skelette, wie fein säuberlich abgenagt. Es war schrecklich, ich konnte nichts tun. Viele wurden verletzt und verloren ihr Hab und Gut, doch nicht genug … “, der Reiter schluckte und Goroms Hände zitterten bei jedem Buchstaben.

So etwas hatte er noch nie gehört, doch was der Reiter weiter zu berichten hatte, verschlug allem die Sprache.

„Drei unserer Maiden wurden entführt oder gar umgebracht.

Uns blieben nur ihre Mäntel und Schuhe.“ Ein Raunen ging durch die Männer und auch der König senkte leicht den Kopf.

„Deshalb meine Herren, wende ich mich an Sie, ich bitte Sie helfen Sie meinem Volk und Land!“

Milton begleitete den Reiter in eine Art Ruhezone und ging zurück zum Saal. Der König wandte sich derweil wieder an die Männer.

„Meine Herren! Ich fürchte, unsere Prophezeiung ist gekommen. Ich dachte einst, wir hätten genügend Zeit, oder sie ginge an uns vorüber. Doch jetzt ist es leider so weit.

Meine Herren, die Bestie, die einst vor Hunderten von Jahren verschollen war, ist wohl wieder zum Leben erwacht.

Niemand weiß wie und woher, doch, wir müssen dem Einhalt gebieten, bevor es zu spät ist. Niemand ahnt, wo sich die Bestie jetzt aufhält, doch ich fürchte, es wird nur eine Frage der Zeit sein, bevor sie auch uns erreicht. Vom früheren Hörensagen ist mir bekannt, das sie nicht eher ruht, bis alles Leben vernichtet ist oder zugrunde geht. Wir müssen leider zu den Waffen greifen.“

Ein Aufruhr ging durch die Männer und wildes Stimmengewirr entfachte sich. Fragen über Fragen, Ängste und Abneigung stellten sich ein. Nur ein Mann stand plötzlich auf und breitete die Hände aus, bis alles verstummte.

„Meine Herren! Herr König! Ich möchte mich zu Wort melden. Auch ich habe von den Verwüstungen gehört und aus sicherer Quelle konnte ich erfahren, das auch Nevgron betroffen sei, allerdings war das schon vor Ydollia und ich habe nichts getan, da ich es nicht für wahr hielt, doch dieser Mann belehrte uns eines besseren. Auch hier vernahm man von einer Entführung von zwei Jungfrauen und die Vernichtung derer Länder. Wir müssen herausfinden, wer diese Bestie wieder zum Leben erweckt hat und sie bekämpfen. Einst schlief die Bestie nur, doch diesmal müssen wir sie töten. Es ist an der Zeit ...“ „Meine Herren beruhigen Sie sich. Wir werden ganz sicher etwas tun, doch es liegt nicht in unserer Macht, fürchte ich. Milton, bitte die Prophezeiung!“

Der hagere Mann nickte kurz und ging zum Podest. Dort legte er einen Hebel um und in der Mitte des Saales öffnete sich eine Luke und eine Anhöhe erhob sich. Milton ging darauf zu und griff scheinbar ins Nichts, doch er hatte auf einmal ein Pergament in der Hand. Silbern natürlich rieselten feine Staubkörner herunter. Der Diener schaute zu seinem Herrn und dieser nickte kaum merklich. Milton hustete kurz und räusperte sich etwas, dann stand er gerade und aufrecht und wie Gorom fand in einer stolzen Pose da und verlas laut, das es nur so hallte das Pergament.

Die Prophezeiung verheißt diesen Inhalt!

Nur ein Wesen in Menschengestalt, welches zart im Gemüt, aber Ungestüm im Herzen zu sein vermag.

Und ein Wesen in Menschengestalt, welches Ungestüm im Gemüt, aber weich und gerecht im Herzen sein vermag, diese jemals die Tore zu Falstur finden.

Nur ihr Weg ist gewappnet, den Drachen zur Strecke zu bringen und diese Stadt wieder zum Leuchten bringen.

Die Pergamentrolle wurde zusammengerollt und Milton trat zurück. Wieder ging ein Raunen durch den Saal. Auch Gorom schluckte. Hatte er richtig gehört? Ein Drache? Das war ihm gänzlich unbekannt, nur aus Hörensagen und Geschichten kannte er diese Ungeheuer, doch hier in Falstur, das war doch unglaublich. Der König rang wieder die Arme und versuchte der Empörung Gehör zu verschaffen. Alle waren in Aufruhr und sogar Panik, selbst für solch weise Männer.

„Meine Herren, ich bitte Sie, es ist bestimmt schrecklich, aber ich fürchte, uns bleibt nichts anderes übrig, hier sind andere Mächte am Werk und nur die zwei, jene, die beschrieben sind, können uns helfen.“ „Wer bitte soll denn so etwas tun?“, „Woher wissen wir wer sie sind?“, „Wem können wir trauen?“, „Wer sind die beiden und woher wissen wir ob sie rechtzeitig da sind?“, Fragen über Fragen quillten herein.

„Es gibt nur einen Weg dies herauszufinden, wir müssen jemanden zu den Uls schicken, Sie haben den magischen Stein, wenn der keine Antwort bringt, fürchte ich, sind wir heillos verloren.“

Der König lies seine Schultern sinken und abermals ging ein Raunen, doch allmählich wurde es Still, bis der eine Mann sich wieder zu Wort meldete.

„Verzeiht Herr König aber bei allem Respekt, wer sollte dieses Unterfangen auf sich nehmen? Niemand ist je aus Falstur herausgekommen und ich fürchte, uns fehlt auch die gewisse Routine sowie Orientierung.“

Damit hatte der Mann nicht unrecht. Fast jeder der Anwesenden kam bis auf ein oder zwei Grafschaften weiter, hier nicht heraus. Sie waren schlichtweg überfordert, weiter zu reisen, wozu auch, sie hatten ja alles, was sie brauchten.

Unmöglich konnten sie einen Bediensteten oder gar einen Wegreisenden schicken, selbst das Vertrauen in den Wachen hielt sich in Grenzen.

Es dauerte einige stille Minuten, bis der König immer mehr anfing zu grinsen. Gorom schrieb weiter und bemerkte nicht, wie alle Augen auf ihn gerichtet waren. Selbst Milton grinste leicht, was bei ihm äußerst selten vor kam. Jetzt wurde Gorom ziemlich unruhig. Was sollte das heißen? Innerlich schüttelte er schon abwehrend den Kopf und bemerkte nicht, wie er ihn wirklich schüttelte.

Der König hielt ihn an, zu ihm zu kommen und nur widerwillig wollten seine Beine gehorchen. Doch wie immer war auf Milton Verlass. Er schubste ihn förmlich in die Mitte, dass er fast mit demKönig zusammen stieß. Einer der Herren war schon aufgebracht und herrschte laut herein.

„Herr, was um alles in der Welt hat das auf sich? Soll etwa dieser Zwerg diese bedeutende Aufgabe erledigen? Ich bitte euch, er ist ein hergelaufener Diener, bei dem noch nicht mal jemand weiß, woher er stammt, und außerdem ist er in den letzten Jahren kaum aus dem Palast gekommen, da würde es mich wundern, wenn er überhaupt die Tore der Stadt finden würde.“

Gorom war sichtlich erregt, so etwas hatte er noch nicht erlebt. Sicher, er war nicht froh, diese Aufgabe zu kriegen.

Um ehrlich zu sein, er war absolut dagegen und nur der Gedanken daran ließ ihn erschaudern, doch erstaunlicherweise hörte er sich selber sagen.

„Ich muss doch bitten, meine Herren, es ist gewiss eine Tatsache, das ich der Diener des Königs bin und auch gewiss noch bis vor Jahren nicht aus dem Palast gekommen bin, aber ich bin dennoch kein Feigling und habe schon viel von den Ländern gesehen. Auch wenn mein Erscheinen eher fragwürdig ist, so versichere ich, bin ich genau dafür geeignet, diese Aufgabe zu bewältigen.“

Ehe er sich überlegte, was er da sagte grinste der König noch mehr und Gorom selbst hätte sich so Ohrfeigen können. Jetzt war es zu spät, es blieb ihm nur die Hoffnung das sie gegen ihn sind, doch einer der Männer klatschte begeistert in die Hände.

„Wie dem auch sei, ich denke, wir haben unseren Mann gefunden und wenn er seine Aufgabe gut bewältigt, nun, so sei ihm eine reiche Belohnung gewiss, ansonsten wenn er versagt, tja, so würde ich meinen, ist es bei allem Respekt, auch kein Verlust. Doch ich würde sagen, er dürfte nicht alleine gehen, schließlich kennt er nicht alle Gepflogenheiten unseres Landes oder Stämme.“

Damit waren alle einverstanden. Milton griente derweil noch immer, war er doch froh, wieder sein Revier für sich zu haben. Doch schnell wurde ihm klar, das dies nicht lange währen sollte, denn diesmal schaute ihn der König grinsend an und Milton blickte sich suchend um. War da jemand hinter ihm, oder grinste der König nur weil er diese Lösung gefunden hatte? Aram griff den Diener am Arm und zog ihn leicht mit sich.

„Mein lieber Milton, Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, welche Ehre euch zuteil wird. Ihr seid gewieft und ausgesprochen intelligent, Ihr kennt jede noch so kleine Karte von Falstur und auch die Leute. Wer also sollte nicht besser geeignet sein, diesen treuen Diener auf seinem Weg zu begleiten?“ Der König griff Milton noch fester, dass es fast wehtat. Was hatte er da gerade gesagt? Begleiten? Ausgerechnet Gorom und dann durch das Land. Das konnte doch nur ein Irrtum sein. Er mit diesem Zwerg in der Wildnis, sogar in einem Zelt oder Holzbau, oder was auch immer, übernachten. Er setzte schon an zu protestieren, aber ein donnernder Applaus ließ ihm keine Wahl.

Ein bisschen Stolz ergriff ihn, als er die jubelnden Männer sah und das leichte Glänzen in den Augen des Königs. Erst als er auf dem Gang war und alle Ratsherren wieder auf dem Weg in ihre Gemächer, fand er seine halbwegs verlorene Haltung wieder. Eher zaghaft meldete er ansatzweisen Protest ein.

„Herr, ich will mich ja nicht beklagen, aber wer soll sich um euch kümmern während meiner Abwesenheit. Ich meine, Ihr wisst, ich kenne alles hier im Palast und eure Wünsche.“

Er grinste verlegen und nervös. Das durfte doch alles nicht wahr sein, dachte er innerlich und hörte die schlurfenden Schritte von Gorom, als wenn er zum Schafott gebracht würde. König Aram aber regte sich kaum und flüsterte leise zu Milton.

„Mein lieber Milton, ich weiß um eure Sorge und kann euch beruhigen, wenn irgendetwas Wichtiges sein sollte, so kann ich dies auch bewältigen. Sicher, es wäre nicht so perfekt, wie Ihr es tut, aber Ihr müsst verstehen, was von euch abhängt, ist die gesamte Zukunft von Falstur. Ich bitte euch, macht euch um mich keine Sorgen, ich werde mich um euch Sorgen müssen, wenn Ihr zweifel habt und das macht mich ein bisschen traurig. Sagt, seid Ihr eurer Aufgabe gewachsen?“, er sah Milton von der Seite an und durch den Mann ging ein gewisser Schauer. Eine solche Bürde hatte er sich nie erträumen lassen. Natürlich, es war keine ungefährliche Aufgabe, aber er als Retter von Falstur? Seine kühnsten Träume wurden wahr. Mit stolzgeschwellter Brust ging er neben den König und all seine Ängste waren wie im Nu verflogen.

Die darauf folgenden Tage wurden dazu genutzt, um Vorbereitungen zu treffen. Taschen wurden sorgfältig gepackt, Karten studiert und Proviant durfte nicht fehlen.

Auch wenn es Milton nicht behagte, ausgerechnet mit Gorom auf zu brechen, so fand er sich doch für den Zwerg verantwortlich und vor allem für seinen König. Gorom hingegen versuchte das Unvermeidliche auf zu schieben, solange es ging, doch es half nichts. Er musste sich seinem Schicksal ergeben und wenn er Glück hatte, würde er da heile heraus kommen. Er musste einfach.

In der Nacht schlief er sehr unruhig sowie fast gar nicht. Er malte sich wüste Dinge aus, die ihm passieren konnten.

Angefangen von Durst, Hunger, Insekten, die ihn beißen, bis Verbrennungen und Drachen, die ihn jagten. Er wollte auf keinen Fall so ohne Weiteres aus dem Palast gehen und stand deshalb in der Nacht auf, um sich an seinem Schreibtisch zu setzen. Das Mondlicht schien ihm gerade in sein Turmzimmer und spiegelte sich in tausend funkelnde Farben. Er war sich sicher, das würde er schmerzlich vermissen. Ebenso sein Bett. Er hatte schon früher auf einem Strohbett genächtigt und nachdem er hier im Palast war und in diesem weichen Prunkbett schlief, würde er wissen auch dies zu vermissen. Er hatte vergessen, wie es war, auf Reisen zu gehen. War er doch früher voller Tatendrang und Neugier, so war er jetzt eher bange, sein Nest zu verlassen. Zu sehr hatte er sich eingeigelt und den Palasttrott aufgesogen. Jetzt die weite Welt zu sehen, war ihm nicht ganz geheuer. Würde er dem gewachsen sein, oder würde er aufgeben, bevor er angefangen hatte? Er wusste, ihm blieb nicht viel. Der König hatte es beschlossen und er konnte dankbar dafür sein, dass er dieses Leben hier hatte und diese Chance. Jetzt war es an ihm, die Aufgabe zu erledigen. Er griff zu Feder und Tinte und fing auf einem verschnörkelten Blatt an zu schreiben.

Meine geliebte Familie, fing er an. Er ließ all seinen Gefühlen freien Lauf, jedoch mit Bedacht darauf, nicht allzu viel auszuplaudern, da die Sache geheim schien und höchster Priorität unterlag. Er durfte nicht zu viel preisgeben, also schrieb er über seinen Alltag und alles andere.

Der Aufrag

Am Ende faltete er das Papier und setzte seine Siegel darauf, um es sicher in seinem Postfach zu verstauen.

Hier sollte es erst geöffnet werden, wenn seine Mission gescheitert wäre.

Am nächsten Tag war es so weit. Die abenteuerliche Reise konnte beginnen!

Draußen vor den Palasttoren warteten schon ein paar Diener.

Sie waren bepackt mit Jutesäcken, Decken, Trinkflaschen und Kleidung, neben ihnen stand ein Muli und klagte vor sich hin, so als wenn es wüsste, was auf ihn zukommen würde.

Auch Gorom und Milton staunten nicht schlecht.

Nun, Gorom kannte es schon, auf Esel zu reiten, oder zumindest das derselbe ihn begleitete, schließlich waren sie deutliche Lasten gewohnt und konnten so ihre Nahrung und alles andere tragen. Als er auf Milton sah, musste er sichtlich schmunzeln. Der hagere Mann rümpfte angewidert die Nase und hielt sich übertrieben ein Taschentuch vor. Mit seinen schwarzen Handschuhen griff er etwas zu pingelig wie Gorom meinte die Zügel des Tieres. Er schaute entsetzt und verständnislos zugleich zu seinem König und wollte schon ansetzen zu maulen, doch Aram kam ihm zuvor.

„Mein lieber Milton, wie ich sehe, seit Ihr schon bestens mit euren neuen Gefährten vertraut. Ich bin sicher, sie werden sich an ihn gewöhnen, schließlich nimmt er ihnen alle Arbeit ab. Nun denn, ich wünsche ihnen beiden viel Glück, auf das eure Mission erfolgreich sei.“

Kaum wandte er sich zum Gehen, da kam ein weiterer Diener angerannt. Es war eher der Stallbursche. Das jedoch konnte man kaum von den anderen Unterscheiden, da er ja auch wie alle anderen einen silbernen Frack anhatte, nur an seinen Schuhen erkannte man den Stall und das Stroh. Der Mann winkte gehetzt hinter den beiden her. Auch der König schaute auf ihn und schlug sich fast vor dem Kopf.

„Oh ja richtig, das haben wir ja völlig vergessen! Um mit uns Kontakt zu halten, nehmt bitte den Adeul mit, er wird uns eure Nachrichten zu kommen lassen. Ach ja, und denkt dran, genügend Proviant mit zu nehmen. Ihr wisst ja wieso!“

Gorom schaute Milton an und dieser guckte äußerst griesgrämig. Das hatte zu seinem Glück noch gefehlt. Ein Adeul! Jetzt sah der hagere Mann zu Gorom. Ja, richtig, Gorom hatte wohl schon öfter von Adeuls gehört, aber nie gesehen. Diese Biester waren äußerst aggressiv und bissig sowie an sehr hohe Ansprüche gewohnt. Ein leichtes Grinsen huschte über Miltons Gesicht. Das war seine Gelegenheit.

„Oh Herr, natürlich werden wir den Adeul mitnehmen. Wir werden gut auf ihn aufpassen, nicht wahr Gorom?“, der andere Mann zuckte die Schulter und nickte. Was hatte er sonst erwartet, dachte er, dass wir ihn verhungern lassen oder aussetzen? Er war schließlich ihr Nachrichtenüberbringer.

Nichts ahnend nahm er den Käfig, der noch zugedeckt war.

Nur ein Quieken mit einem grunzenden Ton ließ erahnen, das sich dort drunter etwas befand.

Gorom hob vorsichtig die Decke ab. Ehe er sich versah, biss ihn das Tier in den Finger. Milton konnte sich ein grunzen, nicht verkneifen. Er musste sich schließlich die Hand vor den Mund halten, um sich zusammen zu reißen. Erst als er den König ansah, schluckte er kurz und sah verlegen weg. Gorom steckte sich den Finger in den Mund und lutschte wie ein Baby daran.

Da dies jetzt auch geklärt war, konnte ihre Reise endlich beginnen.

Der gesamte Palast stand zum Abschied bereit. Manch einer schaute mitleidvoll, andere wiederum applaudierten und andere hoben zum Glückwunsch die Daumen.

Eine alte Frau gab ihnen noch einen Beutel mit Kräutern, die ihnen Glück bringen sollten. Milton fand, dass sie abscheulich stanken, doch Gorom ging das nahe und bedankte sich. Vielleicht war Milton einfach schon zu lange im Palast und diesmal musste Gorom lachen. Er wusste, es gab Gerüche und Dinge, die er noch vom Lande kannte und mit denen er aufgewachsen war. Aber der hagere Mann war einer dieser typischen Stadt, genauer gesagt, Palastmenschen.

Er kannte lediglich die Gerüche, die er im Palast oder im Hof roch. Sicher, er war auf dem Lande geboren, aber seit seiner Geburt hatten seine Eltern nur noch im Herrschaftshaus gearbeitet. Natürlich gab es auch arbeiten, die erforderlich waren und nicht ganz nach seiner Nase gingen, aber er wusste, die musste er kurzfristig machen, deshalb steckte Milton das stinkende Zeug, wie er meinte, schnell in einer der Rucksäcke.

Die beiden traten durch das Tor und von oben tropfte ein Klecks mit klebrigen Brei herunter mitsamt einem heulen, allerdings einem übertriebenen heulen. Die beiden Wachposten lagen sich schluchzend in den Armen.

„Oje, huhu, oje, jetzt müssen sie in die andere und dunkle Welt, ach so ein Unglück. Ach herrje, ob sie jemals wiederkehren? Kommen sie wohl am ganzen Stück zurück, oder kommt allein ihr Unterteil hier an? Was, wenn man ihre Leiber vertauscht oder gar nur ihre Asche? Ach, wir dürfen nicht daran denken.“ „Aber Bruder, sie ziehen doch aus, die Welt, unsere Welt, zu retten, sie werden Helden werden, wenn auch vielleicht nur Tote Helden.“

Er zwinkerte den beiden schelmisch zu. Im gleichen Augenblick krümmten sich die beiden Brüder vor lachen und mussten sich die Tränen aus den Augen wischen, dabei flutschte ihnen die Birne aus der Hand und platschte direkt auf Milton. Dieser empörte sich lauthals und angeekelt, doch es blieb keine Zeit. Sie mussten endlich weiter.

Kaum waren die beiden durch das große Tor gegangen, rummste es mit einem lauten Knall ins Schloss, das es nur so krachte und leichter Silberputz bröckelte von der Mauer.

Dann wurde es Still und sie waren auf sich selbst gestellt.

Erst etwas unschlüssig standen die beiden herum, bis Gorom die Schulter zuckte und meinte mit einem heimlichen Blick zum Tor.

„Es nützt ja doch nichts, wir müssen endlich gehen. Sei es drum!“ Er packte den Käfig und surrte ihn an den Esel fest.

Dieser wollte allerdings erst nach einer Möhre weiterziehen.

Er war schon ziemlich verwöhnt und Gorom verstand nicht, warum sie ausgerechnet ihn mit nehmen mussten. Auch der Adeul gab erst Ruhe, nachdem er ein Stück rohes Mausefleisch bekam. Na toll, dachte der kleine Mann, das fängt ja gut an, ehe wir in das Reich der Uls kommen, sind wir ohne Proviant.

Auch Milton stöhnte leicht vor sich, dabei sah er in den Himmel. Noch schlimmer als stinkende Tiere und Beißende, obendrein war ihm das Wetter ein Gräuel. Egal ob die Sonne schien, er konnte schwitzen, nicht leiden, oder wenn es regnete, er hasste es, nass zu werden, aber auch Wind oder Schnee verabscheute er. Wie kam er jetzt auf Schnee? Ja, richtig, zwischen den Reichen der Uls und Syrda kam eine Stelle, die als unumwindbar schien. Sie war völlig mit Schnee und Eis bedeckt. Wenn sie es denn bis dahin schafften. Auch Gorom machte sich Gedanken, doch er wagte sie in Gegenwart von Milton nicht zu äußern. Er biss die Zähne zusammen und trabte weiter hinter seinem Weggefährten her. Es würde eine beschwerliche Reise werden. Außerdem wusste niemand, wann die Bestie wo auftauchte. Wenn sie Pech hatten, konnte das Raubtier gleich hinter dem nächsten Wald hausen, sie wussten, es war tückisch und den beiden ziemlich überlegen.

Von Weitem zog ein leichtes Grollen auf. Milton schlang sich seinen silbernen Mantel enger um. Er zitterte leicht und murmelte vor sich.

„Das ausgerechnet mir. Womit habe ich das verdient? Wäre ich doch nie … “, ein Donner schlug in den annähernden Wald ein. Milton blieb unwillkürlich stehen, nur Gorom ging unbeirrt weiter. Er schüttelte leicht den Kopf.

„Das ist doch nur ein normales Gewitter, das zieht gleich weiter. Ts, ts.“ Dabei stapfte er an dem hageren Mann vorbei.

Milton hielt nicht viel von Zusammenarbeit, dafür hatte er zu lange alleine gelebt. Jetzt, beim Anblick der dunklen Wolken, zog er es doch vor, lieber in der nähe des ehemaligen Dorfmenschen zu laufen. Es nützte ja alles nichts, sie mussten zumindest eine Weile miteinander auskommen.

Also schloss er auf und ging wie ein Lamm, das zur Schlachtbank musste, neben ihn her.

Es war schon ein herrliches Bild, wenn man zumindest fremd war und die beiden sah. Der eine mit seinen spitzen Ohren und silbernen Hut, dabei hager und schlank, um nicht zu sagen dürr. Dann mit seinen spitzen, fein bestickten Schuhen und seinem silbernen glänzenden Anzug. Neben ihn ein kleiner, etwas korpulenter Mann, der, wie man meinte, in der Ferne wie ein Gnom aussah. Er hatte sich einen schwarzen alten Mantel umgehangen, der im Wind nur so flatterte. Seine kleinen Beinchen scharrten mit ein paar festen Filzschuhen über den Boden. Er hatte das grüne Wams an und trug schwarze Flatterhosen, dabei hatte er bei diesem Wetter einen alten spitzen Hut aus seiner Truhe gekramt, die ihn vor Wasser schützte. Früher hatte Gorom ein feines, glattes Gesicht, doch mit den Jahren ließ er immer mehr einen Bart wachsen, der mittlerweile eine graue Form angenommen hatte. Das Gesichtshaar kräuselte sich lang am Kinn herunter, den er sich geflochten hatte, ganz besonders stolz war er auf seinen Schnauzer. Er hatte ihn, seit er hier angekommen war, wachsen lassen. Jetzt hatte er den Schnauzer geflochten und ihn zusammen gebunden. Er sah etwas griesgrämig aus, aber es war so seine Art. Auch er hatte sich seiner neuen Umgebung angepasst.

Nach mehreren Minuten, die sich als ganze Stunde entpuppte, beschloss Milton schließlich das Schweigen zu brechen.

„Ähm, woher weißt du so viel vom Wetter? Ich meine, könnte das nicht auch diese, tja, diese Bestie gewesen sein?“ Gorom versuchte weiter seinen Weg zu gehen. Erst jetzt drehte er sich zu seinem Begleiter um. Er schaute ihn leicht skeptisch an. Wie er so da stand, musste Gorom lächeln, es war schon ein Schauspiel, welches sich hier abspielte.

Ausgerechnet Milton auf Drachenjagd. Auch Gorom verstand nicht ganz, warum ausgerechnet er diese Mission starten musste, obwohl hatte der König eine andere Wahl? Es gab nicht viele, die in seinen Diensten standen und einiges um und über das Reich wussten. Deshalb ließ die logische Erklärung es zu, warum es die beiden tun mussten. Gorom war von je her mit dem Land vertraut, und Milton studierte alles rund um den Palast.

Gorom lief jetzt etwas langsamer.

„Als Kind früher hatte mein Vater mich oft mit auf die Jagd genommen. Schließlich brauchten wir Nahrung, na ja, und dann sind wir manchmal tagelang unterwegs gewesen.

Deshalb hatten wir viel Zeit, über einige Dinge zu reden, auch über das Wetter, er hatte mir damit einiges beigebracht.“

Etwas gedankenverloren schlurfte er weiter. Es gab sicher nicht viel, was er noch über seine Familie wusste, auch als er damals fortging, war sein Vater nicht sehr erbaut. Heimlich hatte sich Gorom davon geschlichen, um seiner Familie zu beweisen, das es auch noch woanders Arbeit gab und wo man leben konnte. Erst nach zwei Wochen hatte er den Mut gehabt, seinem Vater zu schreiben, jedoch ohne Erfolg.

Immer wieder fasste er ein paar Zeilen zusammen, doch anscheinend konnte ihm sein alter Herr nicht verzeihen. Nach etwa zwei Jahren kam ein Brief mit ein paar winzigen Mitteilungen, in denen stand, dass sein Vater verstorben sei.

Gorom war am Boden zerstört, doch er stürzte sich seitdem in mehr Arbeit und konnte so einiges vergessen, bis jetzt.

Milton hingegen kannte Gorom nicht genug, um seine Vergangenheit zu kennen, er war auch zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um sich noch um andere zu kümmern.

Er wusste nichts über das Leben auf dem Lande, allenfalls vom Lesen.

„Das war sicher sehr spannend für dich. Ich meine, soweit ich denken kann, hat mein Vater nie so etwas getan, na ja, wir haben auch schon immer in Falstur gelebt, da ist so was ja anders. Was glaubst du, werden wir bis zur Dunkelheit wohl ein Dorf erreichen, um dort ein Gasthaus zu suchen?“ Milton ging jetzt neben ihn her, hatte er doch zu viel Angst, dass das Gewitter wiederkam.

Im Palast hätte er sich in seine Gemächer verkrochen, wenn ein Unwetter drohte, das taten alle dort so. Es war eine absolute Premiere, dass Milton weiter wie zehn Meter vom Herrenhaus weg war. Er hatte panische Angst, wollte sie aber gegenüber einem niederen Angestellten nicht preisgeben, das war unter seiner Würde. Gorom war schon jetzt genervt.

„Ein Gasthaus? Himmel wir können froh sein, wenn wir den Wald noch vor der Dunkelheit erreichen. Hier auf dem Feld möchte ich jedenfalls nicht übernachten. Wir müssen ein Dickicht suchen, um dort zu nächtigen.“

Der hagere Mann verstand nicht richtig. Hatte er sich verhört; im Wald nächtigen, bei all den Tieren und Ungeziefer? Das konnte der Zwerg doch nicht ernst meinen.

Empört und etwas geschockt meinte er.

„Aber hier können wir doch besser sehen, wenn uns ein Tier angreifen will oder sonst was. Außerdem in so einem Dickicht kann man doch gar nichts sehen und ich denke, es wird bestimmt unangenehm und eng.“ Milton grunzte leicht, doch Goroms Kopf wurde bald rot vor Wut. Der war ja noch dämlicher, als er annehmen konnte, dachte er. Wäre er doch lieber alleine gegangen. Der kleine Mann drehte sich zornig zu Milton und funkelte ihn an.

„Himmel ich weiß nicht, wie der König jemals auf die Idee kommen konnte, dich mit zu schicken. Ich erklär dir das jetzt ganz einfach; wenn wir hierbleiben, wird uns jedes Tier jede Bestie als Freiwild ansehen und uns angreifen, ausrauben und ermorden. Im Dickicht ist es sicher, wir haben dort ein Versteck und können uns vor den Tieren schützen sowie vor dem Wetter. Wenn du allerdings darauf bestehst, hier im freien zu nächtigen, bitte, ich halte dich nicht auf. Ich muss dich ja nicht an die Dringlichkeit dieses Auftrages erinnern.“

Der hagere Mann schien leicht irritiert über diesen Ausbruch.

Er murmelte beleidigt vor sich hin.

„Schon gut, schon gut. Deswegen brauch man ja nicht so aus der Haut fahren.“ Mit erhobenem Kopf ging er schnurstracks auf den Wald zu. Gorom dagegen war erst ein wenig sauer, doch jetzt bereute er es leicht. Immerhin kannte Milton ja nichts anderes. Er versuchte hinter dem großen Mann her zu kommen, doch dieser war schneller.

Während die beiden weiter liefen, fing der Adeul plötzlich an zu kreischen. Immer lauter wurde er und auch der Esel fing auf einmal an nervös zu scharen. Das gefiel Gorom gar nicht.

Wolfharde und Krupplugen

Die Nacht brach allmählich an und es waren noch ein paar Meter bis zum geschützten Wald. Der kleine Mann versuchte die beiden Tiere zu beruhigen. Erst wollte er dem Adeul ein Stück Fleisch geben, das er aber verweigerte, auch der Esel ließ seine Möhre außer Acht. Milton dagegen war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er davon nichts mitbekam. Er ging noch stolzen Hauptes voran.

Gorom war mittlerweile ein paar Meter weiter hinter ihm.

Plötzlich blieb er angespannt stehen. Er lauschte in die Ferne.

Ganz weit hinten konnte man einzelne Lichter vom Palast erkennen. Dort war der Himmel noch klarer und heller, doch vor ihnen braute sich eindeutig ein Unwetter zusammen und die unbarmherzige Nacht griff nach ihnen. Der Wind pfiff ihnen leicht um die Ohren. War da nicht auch ein anderes Geräusch? Er lauschte. Nein. Langsam ging er weiter. Da war es wieder. Es hörte sich an wie ein schnaufen. War er das vielleicht und die Natur spielte ihm nur einen Streich? So musste es sein, meinte er und wollte schon weiter gehen. Ein, zwei Schritte. Wieder dieses schnaufen. Er drehte sich um, da waren doch zwei funkelnde Augen, die auf ihn zukamen.

Gorom rieb sich die Augen. Das waren Glühwürmchen, dachte er erst, doch das schnaufen wurde lauter und die Augen waren paarweise angeordnet. Jetzt sah er auch von der Seite ein paar Augen und von Gegenüber auch. Das konnte nicht wahr sein. Ein Leichtes heulen ließen ihn die Nackenhaare aufstehen. Erst langsam, dann immer schneller zog er den Esel mit sich und begann zu laufen. Außer Atem keuchte er neben Milton und zeigte völlig aus der Puste nach hinten. Der hagere Mann war aber zu eingeschnappt, um auf seinen Begleiter zu hören und hob demonstrativ seinen Kopf noch höher. Jetzt reichte es Gorom.

„Du verzogener Fatzke, ich versuche dir deinen Hintern zu retten. Wir müssen schneller laufen, da hinten von allen Seiten des Feldes kommen junge Wolfharde auf uns zu. Wir müssen zum Wald oder wir sind Frischfutter für die.“

Er zeigte aufgeregt nach hinten und drehte Milton mit Gewaltdahin, da dieser keine Anstalten machte, es sich anzusehen.

Erst sah der hagere Mann nichts, doch beim zweiten Hinsehen blitzten ihn zwei Augenpaare an und ein weißes, spitzes Gebiss tat sich auf. Panik machte sich breit. Die beiden mussten zusehen, so schnell wie möglich den Wald zu erreichen. Während die beiden rannten, kam das Rudel auch immer näher. Milton schwitzte Wasser und Blut, das hatte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht erhofft.

Das hatte niemand gesagt. Es war eindeutig ein Vertragsbruch vom König, und er beschloss, wenn er jemals dieses Desaster überlebte, würde er Aram einen saftigen Brief schreiben. Erst mal aber mussten sie diesen Bestien entkommen.

Beide zogen jetzt wie wild an dem Esel, der sich ziemlich sträubte. Diese Tiere waren bei Gefahr fast wie gelähmt und ergaben sich so leicht ihrem Schicksal. Aber die beiden waren auf die Hilfe des Esels angewiesen. Also schoben und zogen sie ihn so gut es ging. Auch das Kreischen des Adeuls machte es ihnen nicht leichter. Anhand dieses Geschreis folgte die Meute ihnen um so mehr.

Immer näher kamen die Bestien und Milton versuchte seine Stimme wieder zu finden.

„Wo … , woher weißt du das, dass es junge Wolfharde sind? Was … , was sind überhaupt … Wolfh …“, er strauchelte leicht und japste nach Luft. Gorom konnte ihn gerade noch auffangen und zog ihn so gut es ging am Arm weiter. Auch er war jetzt außer Puste. Zu lange war es her, dass er gerannt war. Auf Falstur ging alles gemächlich zu, ohne Eile, selbst wenn mal ein Antrag schnell erledigt werden musste, so hieß das nicht innerhalb von Minuten, da konnte es schon einmal ein, zwei Tage dauern, man nahm es eh nicht genau. Jetzt mit seiner Beleibtheit kam er ganz schön ins Schwitzen.

„Wolfharde sind hundeähnliche Bestien, die äußerst gefräßig sind. Sie nehmen, was sie kriegen können, was sich bewegt und laut ist. Der Unterschied bei Jung Wolfharden ist der, dass sie noch nicht fliegen können, da sie noch nicht ausgewachsen sind. Sonst hätten sie uns längst erwischt.

Trotzdem sind sie schnell und hungrig.“ Milton hustete.