Sind Präterito-präsentia Modalverben oder sind Modalverben Präterito-präsentia?  - Untersucht an den Entwicklungen zum Neuhochdeutschen - Angelika Hennig - E-Book

Sind Präterito-präsentia Modalverben oder sind Modalverben Präterito-präsentia? - Untersucht an den Entwicklungen zum Neuhochdeutschen E-Book

Angelika Hennig

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2003
Beschreibung

Magisterarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Germanistik - Linguistik, Note: sehr gut, Universität Osnabrück (Sprach- und Literaturwissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: In der deutschen Gegenwartssprache besteht eine verbale Sonderklasse, der lediglich sechs Verben angehören: Die Präterito-Präsentia. Mit Ausnahme von dem Vollverb nhdt. wissen, handelt es sich bei den übrigen Präterito-Präsentia um Modalverben, nämlich nhdt. dürfen, können, mögen, müssen und sollen. Umgekehrt besteht die Gruppe der Modalverben aus den genannten Präterito-Präsentia außer wissen und dem Modalverb nhdt. wollen. Letzteres weist in seiner Formenbildung Analogien zu dem Flexionsmuster der Präterito-Präsentia auf. Es stellt sich die Frage: "Sind Präterito-Präsentia Modalverben oder sind Modalverben Präterito-Präsentia?" Es scheinen zwei gleichwertige Antworten nebeneinander zu stehen. Jedoch besteht eine solche Bindung von Flexionsklassenzugehörigkeit und verbaler Funktion im synchron neuhochdeutschen Gesamtverbsystem sonst nicht, und ein Blick in die Sprachdiachronie zeigt, daß sich hinter dem nhdt. Befund ein Grammatikalisierungsprozeß verbirgt: Das ist die Funktionalisierung eines in morphologischer Hinsicht vereinheitlichten Flexionsmusters durch die Knüpfung an eine sich parallel dazu formierende Gruppe von Modalverben zum Neuhochdeutschen. Dieser Grammatikalisierungsprozeß wird mit der vorliegenden Arbeit untersucht und dargestellt. Exemplarisch erfolgt dies anhand der sprachhistorischen Entwicklungen zum Neuhochdeutschen. Neu ist dieses Phänomen innerhalb der Sprachwissenschaft nicht. Jedoch besteht kaum Literatur, die sich mit der Darstellung in Form eines möglichst vereinfachten Überblicks über diesen Prozeß befaßt. Im anderen Fall entzieht sich dies meiner Kenntnis. Deshalb stützt sich diese Arbeit hauptsächlich auf Birkmann (1987) , der diesen Prozeß anhand eines komplexen Modells und anhand eines detaillierten und umfangreichen Quellenmaterials darstellt; zu komplex, zu detailliert und zu umfangreich für einen einfachen Überblick. Die vorliegende Arbeit steht damit als Versuch, den ohnehin schon komplexen Sachverhalt ohne theoretischen Hintergrund möglichst einfach darzulegen.

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Inhaltsverzeichnis
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Page 1

Sind Präterito-Präsentia Modalverben

oder

Sind Modalverben Präterito-Präsentia?

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1

VORWORT 3

1 EINLEITUNG 5

2 FORSCHUNGSEINBLICK 7

2.1 BIRKMANN (1987): „PRÄTERITO-PRÄSENTIA“

2.2 JONGEBOER (1985): „IM IRRGARTEN DER MODALITÄT“

2.3 VATER (1975): „WERDEN ALS MODALVERB“

3 ZUM BEGRIFF DES PRÄTERITO-PRÄSENS 13

3.1 DIE DIACHRONIE: ORIGINÄRE PRÄTERITO-PRÄSENTIA

3.2 DIE SYNCHRONIE: PRÄTERITO-PRÄSENTISCHES LEXEM/

FLEXIONSMUSTER

4 ZUM BEGRIFF DES MODALVERBS 22

5 PRÄTERITO-PRÄSENTIA, IHR FLEXIONSMUSTER UND MODALVERBEN 29

6 VOM ORIGINÄREN PRÄTERITO-PRÄSENS ZUM PRÄTERITO-

PRÄSENTISCHEN FLEXIONSMUSTER/ LEXEM 38

6.1 GOTISCH 39

6.1.1 GOTISCHWILJAN

6.2 ALTHOCHDEUTSCH

6.2.1 ALTHOCHDEUTSCHWELLEN

6.3 MITTELHOCHDEUTSCH

6.3.1 MHDT.WELLEN/ WOLLEN

6.4 FRÜHNEUHOCHDEUTS CH

6.4.1 FRÜHNEUHOCHDEUTSCHWELLEN/ WOLLEN(Ö/Ü)

6.5 NEUHOCHDEUTSCH

6.5.1 NEUHOCHDEUTSCHWOLLEN

6.6 ZUSAMMENFASSUNG

7 VOM ORIGINÄREN PRÄTERITO-PRÄSENS ZUM MODALVERB 76

7.1 GOTISCH

7.2 ALTHOCHDEUTSCH

7.3 MITTELHOCHDEUTSCH

7.4 FRÜHNEUHOCHDEUTS CH

7.5 NEUHOCHDEUTSCH

7.6 ZUSAMMENFASSUNG

8 FAZIT 106

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ABBILDUNGEN

Abbildung 1: Veränderung der Verbalsemantik am Beispiel idg. *woida.

Abbildung 2: Morphologische Auswirkungen einer veränderten Verbalsemantik

Abbildung 3: Starke, schwache und präterito-präsentische Flexion

Abbildung 4: Originäres Präterito-Präsens oder präterito-präsentisches Lexem?

Abbildung 5: Modalverb oder präterito-präsentisches Lexem/ Flexionsmuster?

Abbildung 6: Die Herausbildung eines präterito-präsentischen Musters schematisch

Abbildung 7: Die Formierung einer einheitl. Gruppe von Modalverben schematisch

Abbildung 8: Die Herausbildung eines präterito-präsentischen Musters und die Formierung

einer einheitl. Gruppe von Modalverben schematisch 107

Abbildung 9: Originäre Präterito-Präsentia, präterito-präsentische(s) Lexeme/

Flexionsmuster und Modalverben schematisch 110

TABELLEN

Tabelle 1: Merkmalsmatrix des nhdt. präterito-präsentischen Flexionsmusters.....................20

Tabelle 2: Merkmalsmatrix zur Abgrenzung der nhdt. Modalverben.......................................26

Tabelle 3: Merkmalsmatrixen im Vergleich: präterito-präsentisches Flexionsmuster/ Lexem

und/ oder Modalverb ................................................................................................................31

Tabelle 4: Die gotischen originären Präterito-Präsentia im Überblick.....................................41

Tabelle 5: Got.wiljanund das Merkmal [± Vokaldifferenz] .....................................................45

Tabelle 6: Got.wiljanund das Merkmal [± Null-Allomorph]...................................................45

Tabelle 7: Die ahdt. originären Präterito-Präsentia im Überblic k .............................................47

Tabelle 8: Ahdt.wellenund das Merkmal [± Vokaldifferenz] ..................................................52

Tabelle 9: Ahdt.wellenund das Merkmal [± Null-Allomorph].................................................52

Tabelle 10: Die mhdt. originären Präterito-Präsentia im Überblick..........................................54

Tabelle 11: Mhdt.wellen/ wollenund das Merkmal [± Vokaldifferenz] .................................59

Tabelle 12: Mhdt.wellen/ wollenund das Merkmal [± Null-Allomorph] ...............................60

Tabelle 13: Die fnhdt. originären Präterito-Präsentia im Überblick.........................................62

Tabelle 14: Fnhdt.wellen/ wollen (ö/ü)und das Merkmal [± Vokaldifferenz].......................64

Tabelle 15: Fnhdt.wellen/ wollen (ö/ü)und das Merkmal [± Null-Allomorph].....................65

Tabelle 16: Die nhdt. originären Präterito-Präsentia im Überblick...........................................66

Tabelle 17: Nhdt.wollenund das Merkmal [± Vokaldifferenz]................................................69

Tabelle 18: Nhdt.wollenund das Merkmal [± Null-Allomorph]..............................................69

Tabelle 19: Die originären Präterito-Präsentia zum Nhdt. als Gesamtmatrix..........................72

Tabelle 20: Die gotischen Lexeme mit Modalverbfunktion im Überblick..............................79

Tabelle 21: Die ahdt. Lexeme mit Modalverbfunktion im Überblick.......................................85

Tabelle 22: Die mhdt. Lexeme mit Modalverbfunktion im Überblick.....................................90

Tabelle 23: Die fnhdt. Lexeme mit Modalverbfunktion im Überblick.....................................94

Tabelle 24: Die nhdt. Lexeme mit Modalverbfunktion im Überblick......................................97

Tabelle 25: Die Modalverbfunktion zum Nhdt. als Gesamtmatrix .........................................102

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VORWORT

Im Verlauf meines sprachwissenschaftlichen Studiums kam es Semester für Semester zur Konfrontation mit einem Terminus: Den Präterito-Präsentia. Schon allein das nur schwer artikulierbare Wort sorgte für Verwirrung und Abschreckung; noch mehr aber die damit verbundenen Schlagworte, wie ‚verloren gegangenes Präsens‘, ‚Reste besonderer Verbalbildungen‘, ‚verbalsemantische Uminterpretation‘ und ‚Ablautreihen‘. Zu bedenken ist, dass schon allein letztere mit ihren ‚Grund-‘, ‚abgetönten Grundstufen‘, ‚Schwund-‘‚ und ‚Dehnstufen‘ das Ausmaß der Leistungskapazitäten eines herkömmlichen Studierendengedächtnisses bis an seine Grenzen auszulasten, wenn nicht zu überfordern vermochten. „Und dann auch noch die Präterito-Präsentia“, dieser gedankliche Stoßseufzer entstieg den Tiefen der Studierenden, zumindest war dies, das Zutreffen dieser Interpretation vorausgesetzt, von manch schiefem Gesichtsausdruck meiner Mitstudierenden abzulesen. Kaum jemand wusste am Ende eines Semesters noch, wie das war mit den Präterito-Präsentia. Das Wort hatte man wohl schon irgendwo, irgendwann einmal gehört, wegen der zu schwierigen Artikulation aber nicht in den aktiven Wortschatz übernommen und nach Zwischenlagerung im Kurzzeitgedächtnis schnell ad acta gelegt. „Und d ann auch noch ein Zusammenhang zu den Modalverben?“. Mit dieser Frage war der Zustand völliger Überforderung endgültig erreicht, und es eröffnete sich das Universum der Modalität bzw. der Gedanke „Hast du das verstanden?“

Wenn auch nicht wie ein Fels in der Brandung, so soll diese Arbeit den oben dargestellten Verwirrungen und Schrecken doch wie ein ‚Kieselchen‘ entgegen stehen. Sie soll dazu verhelfen, ein wenig Licht in das Dunkel um die Präterito-Präsentia zu bringen und für das „normale“ Studierendengedächtnis ein wenig haft- und haltbarer zu machen. Viel Neues um das Phänomen Präterito-Präsentia wird diese Arbeit nicht leisten können; dafür ist das Thema zu alt, ungefähr so alt wie das Germanische. Neu ist allerdings die Art und Weise der Darstellung, mit dem Ziel einen Überblick über die sprachhistorischen Entwicklungsprozesse der Gruppe der Präterito-Präsentia zu geben. Das ist die Darstellung eines Grammatikalisierungsprozesses, der sich anhand der Herausbildung eines

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präterito-präsentischen Flexions musters bei paralleler Knüpfung der ihm zugehörigen Lexeme an die syntaktisch/ semantische Funktion mit der Eigenschaft ‚Modalverb‘ manifestiert. Exemplarisch ist dies anhand der sprachhistorischen Entwicklungen zum Neuhochdeutschen aufgeführt. Einfacher ausgedrückt heißt das: In der vorliegenden Arbeit werden Lexeme sortiert; einmal hinsichtlich ihrer Formenbildung, ein anderes Mal hinsichtlich ihrer Bedeutung, dies wenn man vom Gotischen absieht, vom Althochdeutschen bis zum Neuhochdeutschen.

Wenn diese Arbeit abgesehen davon, dass die Sache mit den Präterito-Präsentia und der Modalität gar nicht so schlimm ist, auch noch dazu beiträgt, zu vermitteln, dass Sprachwissenschaft auch Spaß machen kann, dann ist ihr Ziel mehr als erreicht.

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1 EINLEITUNG

In der deutschen Gegenwartssprache besteht eine verbale Sonderklasse, der lediglich sechs Verben angehören: Die Präterito-Präsentia. Mit Ausnahme von dem Vollverb nhdt.wissen,handelt es sich bei den übrigen Präterito-Präsentia um Modalverben, nämlich nhdt.dürfen, können, mögen, müssenundsollen.Umgekehrt besteht die Gruppe der Modalverben aus den genannten Präterito-Präsentia außerwissenund dem Modalverb nhdt.wollen.Letzteres weist in seiner Formenbildung Analogien zu dem Flexionsmuster der Präterito-Präsentia auf. Es stellt sich die Frage: „Sind Präterito-Präsentia Modalverben oder sind Modalverben Präterito-Präsentia?“

Es scheinen zwei gleichwertige Antworten nebeneinander zu stehen. Jedoch besteht eine solche Bindung von Flexionsklassenzugehörigkeit und verbaler Funktion im synchron neuhochdeutschen Gesamtverbsystem sonst nicht, und ein Blick in die Sprachdiachronie zeigt, daß sich hinter dem nhdt. Befund ein Grammatikalisierungsprozeß verbirgt: Das ist die Funktionalisierung eines in morphologischer Hinsicht vereinheitlichten Flexionsmusters durch die Knüpfung an eine sich parallel dazu formierende Gruppe von Modalverben zum Neuhochdeutschen. Dieser

Grammatikalisierungsprozeß wird mit der vorliegenden Arbeit untersucht und dargestellt. Exemplarisch erfolgt dies anhand der sprachhistorischen Entwicklungen zum Neuhochdeutschen.

Neu ist dieses Phänomen innerhalb der Sprachwissenschaft nicht. Jedoch besteht kaum Literatur, die sich mit der Darstellung in Form eines möglichst vereinfachten Überblicks über diesen Prozeß befaßt. Im anderen Fall entzieht sich dies meiner Kenntnis. Deshalb stützt sich diese Arbeit hauptsächlich auf Birkmann (1987)1, der diesen Prozeß anhand eines komplexen Modells und anhand eines detaillierten und umfangreichen Quellenmaterials darstellt; zu komplex, zu detailliert und zu umfangreich für einen einfachen Überblick. Die vorliegende Arbeit steht damit als Versuch, den ohnehin schon komplexen Sachverhalt ohne theoretischen Hintergrund möglichst einfach darzulegen.

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Als verbale Untersuchungsgruppe dienen die Präterito-Präsentia der einzelnen Sprachstufen vom Althochdeutschen bis zum Neuhochdeutschen. Repräsentativ für das Germanische als voralthochdeutscher Sprachzustand steht das Gotische unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten. Aufgrund des neuhochdeutschen Befundes wird auch nhdt.wollenetymologisch berücksichtigt.

Anhand dieser verbalen Untersuchungsgruppe werden zwei

Entwicklungslinien dargestellt: Das ist zum einen die Herausbildung eines in morphologischer Hinsicht vereinheitlichten Flexionsmusters. Aufgezeigt werden morphologische Veränderungen in der verbalen Gruppe, die nicht auf Lautwandel zurückzuführen sind und damit als Anzeichen für den Grammatikalisierungsprozeß gewertet werden können. Eine zweite verbale Entwicklungslinie zeichnet die Formierung einer einheitlichen Gruppe von Modalverben nach. Dieser Prozeß zeichnet sich dadurch aus, daß es zu semantischen Veränderungen innerhalb der verbalen Untersuchungsgruppe, etwa durch semantisch konkurrierende schwache Verben, kommt.

Abschließend werden die beiden Entwicklungslinien zusammengeführt, erörtert und der Versuch einer Antwort auf die o. g. Frage gegeben.

1Birkmann (1987): Präteritopräsentia. Morpologische Entwicklungen einer Sonderklasse in

den altgermanischen Sprachen.

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2 FORSCHUNGSEINBLICK

Die beiden verbalen Gruppen der Präterito-Präsentia und der Modalverben werden in der bestehenden Forschungsliteratur unter den verschiedensten Gesichtspunkten behandelt. Unterschiede bestehen hinsichtlich der Untersuchungsperspektiven von 1.) Diachronie bzw. Synchronie, 2.) flexionsmorphologischer bzw. verbalsemantischer Untersuchung, letztere unter Fragestellungen zur Modalität, und 3.) der als Untersuchungsbasis gewählten verbalen Gruppe, Präterito-Präsentia oder Modalverben.

2.1 Birkmann (1987): „Präterito-Präsentia“

Auf dem Gebiet der flexionsmorphologischen Entwicklungen der Präterito-Präsentia in den altgermanischen Sprachen ist die diachrone Arbeit von Birkmann (1987)2grundlegend. Dies nicht nur wegen seiner theoretischen Kombination und Erweiterung der Ansätze von Wurzel (1984)3und Ronneberger-Sibold (1980)4, sondern auch wegen des umfangreichen und detailliert dargestellten Quellenmaterials. Ausgehend von den Präterito-Präsentia des Altgermanischen sind 13 Sprachen5mit nord- und süd- bzw. westgermanischem6Ursprung hinsichtlich ihrer flexionsmorphologischen Entwicklungen der verbalen Sonderklasse der Präterito-Präsentia untersucht und dargestellt.

Der Grundgedanke bei Birkmann ist,„daß in allen germ. Sprachen die Tendenz besteht, die Gruppe der Prät.präs. durch morphologischen und semantischen Wandel in eine Gruppe von Modalverben zu überführen.“7In

2Vgl. Birkmann (1987): Präteritopräsentia. Morphologische Entwicklungen einer

Sonderklasse in den altgermanischen Sprachen.

3Vgl. Wurzel (1984): Flexionsmorphologie und Natürlichkeit.

4Vgl. Ronneberger-Sibold: Sprachverwendung - Sprachsystem. Ökonomie und Wandel.

5Anm.: Der Begriff der Sprache ist in diesem Zusammenhang als ein einzelsprachliches

System aufzufassen. Der Begriff Sprache bezeichnet somit sowohl eine gegenwärtige

Sprache wie bspw. das Deutsche, als auch dessen frühere Sprachstufen. Das bspw.

Althochdeutsche ist eine frühere Sprachstufe des Gegenwartsdeutschen. Gleichzeitig stellt

es ein einzelsprachliches System dar und ist als Sprache zu bezeichnen. Birkmann (1987)

unterscheidet zwischen Sprachen und Sprachstufen (vgl. ebd. S. 1).

6Anm.: Das sind im einzelnen Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Altsächsisch,

Mittelniederdeutsch, Altfriesisch und Altenglisch als süd- bzw. westgermanische Sprachen;

Urnordisch, Gotisch, Altisländisch, Altnorwegisch, Altschwedisch, Altdänisch, Färöisch als

nordgermanische Sprachen. Vgl. Birkmann (1987), S. 1. Zur Einteilung der germ. Dialekte

vgl. König (1994), 53.

7Vgl. Birkmann (1987), S. 7.

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seinem Sprachwandelmodell, basierend auf den Ansätzen von Wurzel (1984) und Ronneberger-Sibold (1980), wird zwischen phonologisch und morphologisch bedingtem morphologischen Wandel unterschieden.8

Phonologisch bedingter morphologischer Wandel9tritt ein, wenn eine in der Sprachverwendung vorhandene Formvariante in das Sprachsystem aufgenommen wird. In Zusammenhang steht dies mit der Gebrauchsfrequenz der jeweiligen sprachlichen Einheit. Bei hochfrequenten Einheiten bleiben morphologische Irregularitäten bestehen oder werden aufgebaut. Bei niedrig frequenten Einheiten werden morphologische Irregularitäten abgebaut bzw. sie werden erst gar nicht in das Sprachsystem aufgenommen. Die Ursachen für diesen sprachlichen Wandel liegen in der Sprachökonomie. Bei hochfrequenten Einheiten ist es unter dem Aspekt des Strebens nach optimaler Kommunikation ökonomischer, möglichst viele Informationen in einer möglichst kurzen Morphkette zu übermitteln. Es entstehen in morphologischer Hinsicht eher flektierende Formen. Umgekehrt ist es ökonomischer niedrig frequente Einheiten nach anderen morphologischen Verfahren zu bilden.10

Morphologisch bedingter morphologischer Wandel11basiert auf den Prinzipien der Systemangemessenheit12und Flexionsklassenstabilität13nach (Wurzel 1984). Am wichtigsten ist für Birkmann (1987) das Prinzip der Flexionsklassenstabilität: Instabile Flexionsklassen können unter anderem durch ihre außermorphologische Motivierung stabilisiert werden. Die syntaktisch/semantische Eigenschaft „Modalverb“ ist eine solche

8Vgl. ebd. S. 50.

9Anm.: Der bei Birkmann (1987) als phonologisch bedingter morphologischer Wandel

bezeichnete Prozess basiert auf Ronneberger-Sibold (1980). Dieser Ansatz wird hier nicht

weiter diskutiert; vgl. dazu Birkmann (1987), S. 33 -45; Ronneberger-Sibold (1980).

10Vgl. Birkmann (1987), S. 33, 38, 46, 50 - 51.

11Anm.: In der traditionellen Terminologie analog zu Analogiebildung aufzufassen.

Theoretischer Hintergrund dieses Terminus bei Birkmann (1987) ist Wurzels (1984) Ansatz

zur „Flexionsmorphologie und Natürlichkeit“. Dieses Modell wird nicht weiter erörtert;

vgl. dazu Birkmann (1987), S. 21 -33, Wurzel (1984).

12Anm.: Terminus von Wurzel (1984):„Systemangemessenheit ist der

Übereinstimmungsgrad eines Paradigmas (und damit einer Flexionsklasse),[...]mit den

systemdefinierenden Struktureigenschaften einer Sprache“.(vgl. Wurzel (1984), S. 86 -

87.) Systemdefinierende Struktureigenschaften sind die in einem Flexionssystem einer

Sprache realisierten Eigenschaften aus einem Inventar von Parametern, die zur

typologischen Charakterisierung und Klassifizierung von Flexionssystemen dienen. (vgl.

Wurzel (1984), S. 82.

13Anm.: Terminus von Wurzel (1984); vgl. ebd. S. 116 -153; Birkmann (1987), S. 27.