Singapur - Reiseführer von Iwanowski - Françoise Hauser - E-Book

Singapur - Reiseführer von Iwanowski E-Book

Françoise Hauser

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Beschreibung

Singapur ist ein faszinierender Stadtstaat, facettenreich und multikulturell, eine wahre Metropole des 21. Jahrhunderts, die sich in vielem von anderen Städten Asiens unterscheidet. Im Durchschnitt bleiben Reisende lediglich zwei bis drei Tage – was schade ist, denn Singapur lohnt einen längeren Aufenthalt. Für die beiden Autoren Françoise Hauser und Volker Häring ist Singapur dank des hohen Lebensstandards, der sauberen Luft, des vielen Grüns, der exquisiten Küche und der freundlichen Bewohner eine der lebenswertesten Städte überhaupt. Die fünfte Auflage des Iwanowski Reisehandbuchs Singapur wurde gründlich aktualisiert, um alle neuen Trends abzubilden, wie zum Beispiel das futuristische Parkgelände „Gardens by the Bay", die Renaissance des Stadtviertels Kampong Glam und das riesige S.E.A. Aquarium. In den Reisetipps wird die ganze Erfahrung der beiden Asien-Experten deutlich, die dem Leser die fremde Kultur nahebringen und auf alle Reisebudgets eingehen. Die 30 Detailkarten sind erstmals auch per QR-Code auf das Smartphone oder das Tablet kostenlos downloadbar, sodass der Reiseführer auch einmal im Hotel bleiben kann. •Gründlich überarbeitet, neues Cover, jetzt mit Karten-Download per QR-Code •Ganzjährig bereisbar – Hauptreisezeit ist von März bis September •Beliebtes Stop-over-Reiseziel – etwa 4 % Besucherzuwachs in 2014

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Françoise Hauser Volker Häring

Singapur

Im Internet:www.iwanowski.de Hier finden Sie aktuelle Infos zu allen Titeln, interessante Links – und vieles mehr!Einfach anklicken!Schreiben Sie uns, wenn sich etwas verändert hat. Wir sind bei der Aktualisierung unserer Bücher auf Ihre Mithilfe angewiesen:[email protected]

Singapur 5. Auflage 2016

© Reisebuchverlag Iwanowski GmbH Salm-Reifferscheidt-Allee 37 • 41540 Dormagen Telefon 0 21 33/26 03 11 • Fax 0 21 33/26 03 [email protected]

Titelfoto: @inlovepai/ Fotolia.com Alle anderen Farbabbildungen: s. Bildnachweis S. 255 Lektorat und Layout: Annette Pundsack, Köln Innenkarten: Klaus-Peter Lawall, Unterensingen; Astrid Fischer-Leitl, München Reisekarte: Klaus-Peter Lawall, Unterensingen Titelgestaltung: Point of Media, www.pom-online.de Redaktionelles Copyright, Konzeption und deren ständige Überarbeitung: Michael Iwanowski

Alle Rechte vorbehalten. Alle Informationen und Hinweise erfolgen ohne Gewähr für die Richtigkeit im Sinne des Produkthaftungsrechts. Verlag und Autoren können daher keine Verantwortung und Haftung für inhaltliche oder sachliche Fehler übernehmen. Auf den Inhalt aller in diesem epub erwähnten Internetseiten Dritter haben Autoren und Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung dafür wird ebenso ausgeschlossen wie für den Inhalt der Internetseiten, die durch weiterführende Verknüpfungen (sog. „Links“) damit verbunden sind.

ISBN epub: 978-3-86457-175-6

1. EINLEITUNG

Vom Sündenpfuhl zum konfuzianischen Idealstaat

2. LAND UND LEUTE

Geschichte Singapurs

Landschaftlicher Überblick

Klima

Politik und Wirtschaft

Das politische System

Auf dem Weg zum kleinen Tiger: das Wirtschaftswunder Singapur

Gesellschaftlicher und kultureller Überblick

Der Vielvölkerstaat: die Ethnien und Religionen Singapurs

Feiertage und Feste

Chinesische Feiertage • Islamische Feiertage • Indische Feiertage

Die Sprachen Singapurs

Die Medien

Singapur-Knigge

In chinesischer Gesellschaft • In indischer Gesellschaft • In muslimischer/malaiischer Gesellschaft

Singapurs Kulturlandschaft

3. SINGAPUR ALS REISEZIEL

Allgemeine Reisetipps von A–Z

Das kostet Sie der Aufenthalt in Singapur

4. SINGAPUR ENTDECKEN

Tourenvorschläge

Entlang des Singapore River und an der Marina Bay

Redaktionstipps

Spaziergang

Fullerton Hotel • Merlion • Marina Bay Sands Hotel • Gardens by the Bay • Asian Civilisations Museum • Boat Quay • Clarke Quay • Robertson Quay • Reisepraktische Informationen

Der Colonial Core

Redaktionstipps

Spaziergang

Old Parliament House (Arts House) • National Gallery • St.Andrew’s Cathedral • Raffles City • Padang und Esplanade-Park • Esplanade Theatres on the Bay • Civilian War Memorial • Chijmes • Cathedral of the Good Shepherd • Armenian Church • Singapore Philatelic Museum • Peranakan Museum • National Museum of Singapore

Fort Canning Park und die Battle Box

Old Hill Street Police Station/MICA-Building • Fort Canning Park • Fort Canning • Fort Canning Centre • Geschichtslektion aus Wachs: die Battle Box • Reisepraktische Informationen

Central North: Von der Bras Basah Road bis zum Rochor Canal

Redaktionstipps

Spaziergang

Raffles Hotel • Singapore Art Museum • Maghain Aboth Synagoge • Church of Saint Peter and Paul • Saint Joseph’s Church • Bugis • Kuan Im Tong Tempel • Sri Krishnan Tempel • Sculpture Square • Parkview Square • Suntec City • Singapore Flyer • Reisepraktische Informationen

Kampong Glam (Arab Street)

Redaktionstipps

Spaziergang

Sultan Moschee • Sultan Gate • Hajjah Fatimah Moschee und Alsagoff Arabic School • Malabar Moschee • Gewürze und Roti Prata • Reisepraktische Informationen

Little India

Redaktionstipps

Spaziergang

Tekka Market • Maggi Beer Garden und India Arts Belt • Little India Arcades • Dunlop Street • Abdul Gaffoor Moschee • Angullia Moschee • Sri Veeramakaliamman Tempel • Sri Srinavasa Perumal Tempel • Leong San Tempel • Sakyamuni Buddha Gaya Tempel • Mustafa Centre • Reisepraktische Informationen

Rund um die Orchard Road

Redaktionstipps

Spaziergang

Hilton Hotel • Goodwood Park Hotel • Peranakan Place • Emerald Hill • Cairnhill Road • Little Tokyo • Istana • Botanischer Garten • Reisepraktische Informationen

Der Financial District

Redaktionstipps

Spaziergang

Bank of China • Clifford Pier • Raffles Place • Raffles Quay • Reisepraktische Informationen

Chinatown

Redaktionstipps

Spaziergang

Chinatown Heritage Centre • Trengganu und Smith Street • Sago Lane & Sago Street • Jamae Moschee • Sri Mariamman Tempel • Eu Yan Sang Clinic und Thye On Ginseng Medical Hall • Ann Siang Hill • Amoy Street • Al Abrar Moschee • Thian Hock Keng Tempel • Nagore Durgha Schrein • Tempel der Buddhazahn-Reliquie • Reisepraktische Informationen

5. AUSSERHALB DES ZENTRUMS

Entlang der Küste nach Osten

Redaktionstipps

Spaziergang

Reisepraktische Informationen

Changi und der Osten

Redaktionstipps

Changi Prison Museum

Changi Village und Changi Beach Park

Pasir Ris Park

Reisepraktische Informationen

Der Westen

Redaktionstipps

Southern Ridges

Holland Village

Chinese Garden und Japanese Garden

Singapore Science Centre

Haw Par Villa

Jurong Bird Park

Bukit Timah Nature Reserve

Bukit Batok Town Park

Gillman Barracks

Singapore Discovery Centre

Snow City

Reisepraktische Informationen

Singapurs grüner Norden

Redaktionstipps

Lian Shan Shuang Lin Kloster (Siong Lim Tempel)

Kong Meng San Phor Kark See Tempel

MacRitchie Reservoir Park

Zoo von Singapur

Woodlands und Kranji War Memorial

Sungei Buloh Wetland Reserve

Reisepraktische Informationen

Auf der anderen Seite der Grenze: Johor Bahru

Reisepraktische Informationen

6. DIE INSELN

Sentosa Island

Redaktionstipps

Reisepraktische Informationen

Pulau Ubin

Reisepraktische Informationen

Kusu Island

Sisters’ Islands und Pulau Hantu

St. John’s Island und Lazarus Island

7. ANHANG

Literatur/Buchempfehlungen

Stichwortverzeichnis

Bildnachweis

Weiterführende Informationen

Sir Stamford Raffles: Ein Sonderling schreibt Weltgeschichte

Asiatische Werte und Konfuzius

Im Reich der Geister

Schlemmen für die Gesundheit

Raus aus der Bettenburg

Die wichtigsten Shoppingcenter

Ein Mann verändert Asien: „Rubber Ridleys“ Visionen

Im Reich der Peranakan

Kartenverzeichnis

Bukit Timah Nature Reserve

Central North

Central North: Reisepraktisches

Changi

Chinatown

Chinatown: Reisepraktisches

Colonial Core

Colonial Core: Reisepraktisches

Financial District

Geylang/Katong

Johor Bahru

Kampong Glam

Klimadaten

Little India

Little India: Reisepraktisches

Der Norden

Orchard Road

Orchard Road: Reisepraktisches

Pulau Ubin

Robertson Quay und Mohamed Sultan Road: Reisepraktisches

Sentosa Island

Singapore River

Singapur mit Teil-Malaysia

Singapur-Zentrum

St. John’s Island, Sisters’ Islands, Kusu Island, Lazarus Island

Südlich des MacRitchie Reservoir Parks

Der Westen

Republik Singapur Gesamtübersicht

MRT-Plan

Alle Karten zum Gratis-Download, siehe dazu Seite 255

Vom Sündenpfuhl zum konfuzianischen Idealstaat

Singapur? Schon allein die Erwähnung des Namens lässt hartgesottene Traveller aufseufzen. „Asien für Anfänger“ lautet das Urteil vielerWeltenbummler, die der Stadt gerne Sterilität unterstellen, fast so als seien Dreck und Chaos Teil der Definition des asiatischen Kontinents. In der Tat fehlt der Stadt Singapur vieles, was in anderen Ländern des Kontinents zum Alltag gehört: Schmutz, Kriminalität und Korruption wird man hier fast vergeblich suchen. Auch der tägliche Kampf gegen den Kleinbetrug, der darwinistische Straßenverkehr vieler Nachbarländer und die üblichen tropischen Gesundheitsprobleme bleiben dem Reisenden erspart. Stattdessen ist selbst der kleinste Straßenstand garantiert blitzsauber, jede behördliche Leistung zeitnah ohne Schikane erhältlich und Bildung selbstverständlich.

Was der Europäer in Singapur erlebt, mag in der Tat für Asien nicht gerade typisch sein – und doch repräsentiert es das, was sich viele Asiaten insgeheim wünschen: Lee Kuan Yew, der Gründer und strenge Vater Singapurs, hat beinahe erreicht, was viele Bürger in Fernost offen oder insgeheim anstreben – den konfuzianischen Idealstaat. Und gerade das macht Singapur so viel asiatischer als viele andere Länder. Der hohe Lebensstandard, die saubere Luft, viel Grün, eine exquisite Küche und natürlich die überaus freundlichen Bewohner tun ihr Übriges dazu, Singapur in eine attraktive Stadt zu verwandeln.

Nicht zuletzt konnte sich aus dem freundlichen Miteinander der Kulturen eine bunte Stadt entwickeln, deren ethnische Viertel nicht zu Museumsdörfern degradiert wurden, sondern eher als typische Aushängeschilder der Ethnien gelten können. Wer je abends durch Little India geschlendert ist oder sich dem Nachtleben des Clarke Quay hingegeben hat, wird das Adjektiv „steril“ sicher nicht mehr verwenden wollen.

Der durchschnittliche Reisende bleibt lediglich zwei bis dreiTage in der Stadt, doch wer sich Zeit nimmt für Singapur, wird schnell feststellen, dass die Stadt selbst nach zwei oder drei Wochen noch überaus spannend bleibt. Für uns jedenfalls ist sie eine der lebenswertesten Städte Asiens.

Ein großer Dank geht an See Weng Choy, der Volker Häring im Singapurer Nachtleben mit Rat und Tat begleitet hat.

Françoise Hauser und Volker Häring

Geschichte Singapurs

„Das moderne Singapur hat seine Ursprünge 1819. Nichts, was vorher auf dieser Insel geschah, ist von Bedeutung, um die aktuelle Lage zu verstehen“, ließ 1969 der singapurische Geschichtsprofessor Tregonning anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Stadt verlauten – provokante, aber wahre Worte. Was im Übrigen nicht bedeutet, dass Singapur keine Geschichte hat, sondern lediglich auf den Umstand verweist, dass die neuere Geschichte nicht zwangsläufig auf der älteren aufbaut.

Viele Aspekte der singapurischen Geschichte liegen auch heute noch im Dunkeln. Größtenteils hat dies einen geradezu trivialen Grund: Lange Zeit blieb der kleine Handelsposten von derWeltgeschichte recht unberührt, sodass es wohl niemandem notwendig schien, Singapurs Vorkommnisse für die Nachwelt aufzuzeichnen. Erst die Ausgrabungen auf dem Fort Canning Hill lieferten „handfeste“ Beweise für frühere Besiedlungen.

Sicher ist, dass Singapur lange als Temasek bekannt war und abwechselnd von verschiedenen Königreichen Südostasiens kontrolliert wurde.Ab dem 7. Jahrhundert war die Insel ein (wenn auch recht unbedeutender) Teil des Srivijaya-Großreiches, das im 14. Jahrhundert vom javanischen Majapahit-Königreich abgelöst wurde. Nicht überall traf dieser Machtwechsel auf Zustimmung, und als sich gen Ende des 14. Jahrhunderts der Adlige Parameswara gegen die Javaner erhob und sich selbst zum König der Malaien ausrief, konnte er durchaus auf Rückhalt in den abgelegenen Ecken des Reiches hoffen. Von den Majapahit nach Sumatra getrieben, flüchtete er sich auf die Riau-Inseln.

Das historische Singapur (National Museum of Singapore)

In den 1390er-Jahren schließlich zog er sich nach Temasek zurück. „Seehafen“, so die wörtliche Übersetzung, schien ein recht profaner Name für den Wohnsitz eines Königs, sodass die Insel in Singapura – Löwenstadt – umbenannt wurde. Der Legende nach soll der Parameswara bei einem Erkundungsausflug einen Löwen erblickt haben, was ihn zu diesem neuen Namen inspirierte (eine aus biologischer Sicht sehr unwahrscheinliche Geschichte). Auf jeden Fall plante der Prinz von hier aus seine eher unköniglichen Piratenüberfälle, mit denen er nicht nur seinen Hof unterhielt, sondern auch den Zorn der Handelsnationen Siam und Java auf sich zog und daher nach wenigen Jahren wieder vertrieben wurde. Der bis dahin relativ erfolglose Herrscher floh nach Norden und gründete, zum Islam konvertiert und nunmehr unter dem Namen Iskander Shah regierend, das Sultanat von Malakka, das fortan auch Singapur zu seinen Territorien zählte.

Bereits Ende des 16. Jahrhunderts hatten auch die Briten den Blick gen Osten gewandt: Mit der Gründung der East India Company (EIC) im Jahr 1600 sollte das holländisch-portugiesische Monopol im Gewürzhandel gebrochen werden. Lange Zeit hielt die EIC das exklusive Recht für den britischen Asienhandel und blieb daher der wichtigste Importeur indischer und chinesischerWaren. Nachdem in Indien zahlreiche Handelsposten geschaffen worden waren, galt es den Seeweg von Indien nach China zu sichern.

Besonders das Nadelöhr der Malakka-Straße zwischen Sumatra und Malaysia war eine problematische Strecke, genauso anfällig für Angriffe durch die europäischen Konkurrenten wie durch einheimische Piraten. Nur wenige Jahrzehnte später übernahm Großbritannien auch die holländischen Besitzungen in Südostasien (Malakka, Bencoolen und Java), um sie nicht in die Hände der Franzosen gelangen zu lassen.

East India Company (National Museum of Singapore)

Und es war Stamford Raffles, ein Angestellter der EIC, dem die Verwaltung von Java und Sumatra übertragen wurde. Doch schon 1816 schien es strategisch günstig, Java an die Holländer zurückzugeben, um sie als Verbündete auf der Seite der britischen Krone gegen Frankreich zu wissen. Im Fernen Osten freilich waren die Holländer nun wieder ernste Konkurrenten. Immer deutlicher wurde es, dass auch der südliche Zugang zur Straße von Malakka durch einen britischen Posten gesichert werden musste.

Ausdehnung des Britischen Empire 1821

Während des allgemeinen Gerangels um die Vorherrschaft in Asien, dümpelte Singapur, wie viele andere Inseln der Region nur ein lokaler Handelsposten, vor sich hin. Anderen Quellen zufolge war das Eiland ein verrufenes Piratenquartier, dessen Bewohner den vorbeisegelnden Handelsschiffen auflauerten.

Im Jahr 1812, nach dem Tode Sultan Mahmuds von Riau-Johor, war ein Streit um dessen Nachfolge entbrannt: Die Bugis, eine einflussreicheVolksgruppe der Region, unterstützten den jüngeren Sohn Tengku Abdul Rahman, während die Malaien auf den erstgeborenen Tengku Hussein setzten. Nach holländischer Intervention wurde der Machtkampf zugunsten des Jüngeren entschieden und Hussein zog sich auf eine entlegene Insel des Archipels zurück. Besonders einflussreich war der Sultansposten allerdings ohnehin nicht mehr: De facto lag die Macht bei einer ganzen Riege von Staatsbeamten, von denen der „Temenggong“, eine Art oberster Richter, Singapur verwaltete.

Bei seiner Ankunft in Singapur im Jahr 1819 handelte Raffles mit beiden BrüdernVerträge aus, in denen Hussein fortan als „seine königliche Hoheit Sultan Hussein Mohammed Shah, Sultan von Johor“ auftrat. Ein geschickter Schachzug – erhielt doch Hussein so unter britischem Schutz einen Teil der Rechte, die ihm bisher verwehrt geblieben waren, und Raffles einen denkbar einfachen Verhandlungspartner, der wenig zu verlieren hatte und ihm günstig alle Legitimationen verschaffte. Dem Sultan wurde unter anderem das lebenslange Wohnrecht auf dem Gelände von der Küste bis zum Rochor River zugesprochen, sowie eine Rente von 5.000 spanischen Dollar aus der Schatulle der East India Company. Singapur wurde damit am 29. Januar 1819 ein Teil des Britischen Empire.

Stadtentwicklungsplan für Singapur – der Jackson Plan

Als Freihafen zog Singapur schnell Händler aller Nationalitäten an. Endlich bot sich die Gelegenheit, die holländischen Handelsrestriktionen zu umgehen! Die Stadt wuchs in atemberaubendem Tempo: 1821 war Singapur auf 5.000 Bewohner angewachsen, darunter 3.000 Malaien, mehr als 1.000 Chinesen und 500 Bugis, nur drei Jahre später lebten bereits 10.000 Menschen in der Stadt. Und Raffles hatte große Pläne mit dem neuen Besitztum. Zwar blieb er in Bencoolen stationiert, engagierte sich aber stark in Singapur.

Viele seiner sozialen und wirtschaftlichen Visionen waren für ihre Zeit außergewöhnlich: Er ließ nicht nur Sklaverei und Glücksspiel verbieten, sondern auch einen genauen Stadtentwicklungs- und Besiedlungsplan entwerfen (bekannt als Jackson Plan).

Die De-facto-Verwaltung der Stadt übergab er 1819 dem ehemaligen Statthalter von Malakka, Colonel William Farquhar, nur um ihn bei seinem nächsten Besuch wieder zu feuern: Mit Entsetzen stellte Raffles 1822 fest, dass sich Farquhar in vielen wichtigen Punkten nicht an seine Instruktionen gehalten hatte. Der Sklavenhandel mit Kulis blühte, gegen Gebühr wurden Lizenzen für den Opiumhandel und für Spielsalons verkauft. Zudem hatte Farquhar gegen den explizitenWillen Raffles’ den europäischen Händlern erlaubt, Warenhäuser an den Flussufern zu errichten.

Derweil wurde auf dem internationalen Parkett der Status Quo Singapurs gesichert: Im März 1824 unterzeichneten Großbritannien und die Niederlande den LondonerVertrag, in dem Ost-Indien in zwei klare Einfluss-Sphären geteilt wurde: Die Gebiete nördlich der Straße von Malakka wurden den Briten zugeschlagen, während die Holländer die Region südlich davon kontrollierten. Malakka kam damit in britische Hände, während das ehemals englische Bencoolen unter holländische Verwaltung geriet. Im folgenden Jahr schließlich zementierte die East India Company den Status Quo und kaufte dem hoch verschuldeten Sultan von Johor die Insel komplett und unwiderruflich ab. Nur zwei Jahre später bildete die EIC aus Penang, Malakka und Singapur die Straits Settlements, deren Verwaltung ab 1832 von Singapur aus erfolgte, 1851 aus Kostengründen aber in die Hand des Generalgouverneurs von Indien gelegt wurde. Die Einwohnerzahl der Stadt stieg derweil kräftig an.

In den Docks wurden Arbeitskräfte gebraucht. Meist waren es junge Chinesen, Inder und Malaien, die den Weg nach Singapur fanden. Frauen waren freilich kaum darunter. Ihnen war in den Herkunftsgebieten nicht nur die Ausreise verboten, es passte schlichtweg auch nicht zum Bild der Frau in den traditionellen Gesellschaften, das Glück im Ausland zu suchen.

Mitte des 19. Jahrhunderts betrug die Männer-Frauen-Ratio 15:1. 1856 wurde daher sogar eine Prämie ausgeschrieben, für alle, die eine Ehefrau mitbrachten. Prostitution, Glücksspiel und Kriminalität prosperierten derweil in der testosterongeladenen Gesellschaft, ein wahrer Sündenpfuhl! Um die 80.000 Einwohner hatte Singapur 1860, dafür aber keine Kanalisation, kein nennenswertes Gesundheitswesen und straßenweise Elendsquartiere.

Wirtschaftlich blieb Singapur aber auf Erfolgskurs. Praktisch die gesamten Zinnund Kautschuk-Erträge der malaiischen Halbinsel wurden über den Hafen von Singapur abgewickelt. Auch die ersten Öllager entstanden, sodass die Stadt Ende des 19. Jahrhunderts zum wichtigsten Hafen Asiens avancierte und selbst weltweit auf Platz sieben rangierte. Kein Wunder, dass auch die Bevölkerung kontinuierlich weiter wuchs: 1900 waren es noch ca. 250.000 Einwohner, doch schon 1930 hatte sich die Zahl auf eine halbe Million verdoppelt. Und das, obwohl dieWirtschaftskrise der 1920er-Jahre auch an Singapur nicht spurlos vorüberging: Die Gummi-Preise fielen schlagartig ins Bodenlose;Arbeitslosigkeit und Emigration waren die Folge.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt verabschiedeten die Briten eine Quotenregelung für chinesische Einwanderer. Frauen waren davon allerdings ausgenommen, sodass sich innerhalb weniger Jahre das Geschlechterverhältnis ausbalancierte. Erstmals begannen die Einwohner sich in Singapur heimisch zu fühlen, wurden Familien gegründet und Kinder geboren, entstand nun eine „echte“ einheimische Bevölkerung. Für viele erscheint diese Zeit heute noch als der Beginn der singapurischen Gesellschaft.

Denkmal für indische Einwanderer in Telok Ayer

Politisch blieb die Lage jedoch turbulent. Inspiriert durch die Entwicklungen in China, entstand auch in Singapur eine kommunistische Bewegung, die sich 1930 in Malayan Communist Party (MCP) umbenannte. Und eine weitere Bedrohung zeichnete sich am Horizont ab: Das japanische Kaiserreich hatte längst ein Auge auf die Rohstoffe Malayas geworfen. Nachdem sich Japan in den 1930er-Jahren große Teile Chinas einverleibt hatte und in den Zweiten Weltkrieg eingetreten war, griffen die Truppen des Tenno 1941 Malaya an und überrannten im Februar 1942 Singapur.

Eine wahre Schreckensherrschaft begann für die Bewohner der Stadt:Willkürlich richtete die japanische Geheimpolizei jeden hin, der auch nur im Entferntesten in die Kategorie „Widerstandskämpfer“ fallen konnte. Meist traf es junge, chinesische Männer, doch auch die britischen Bewohner wurden interniert. Hunger und Krankheiten waren in Syonan (Licht des Südens), so der neue japanische Name, an der Tagesordnung, mehr als 100.000 Menschenleben soll die Besatzungszeit gekostet haben. Kurze Zeit nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 kapitulierten die Japaner und die Briten kehrten zurück nach Singapur. Die britische Aura der Unbesiegbarkeit war freilich dahin.

Sowohl in Malaya als auch in Singapur regte sich Widerstand gegen die Briten: Kommunistische Aufstände verunsicherten die Kolonialherren so sehr, dass 1948 ein Ausnahmezustand verhängt wurde, der die nächsten zwölf Jahre überdauern sollte. Zudem blieben die allgemeinen Lebensumstände erst einmal sehr schlecht – auch dies nagte am britischen Herrschaftsanspruch. Immer wieder kam es auch in Singapur zu Streiks und Auseinandersetzungen. Besonders die gebildete Mittelschicht verlangte nach Mitbestimmung.

„Der Feind hört mit“ – britisches Propagandaplakat

1953 berief die Kolonialregierung die nach ihrem Leiter Sir George Rendell benannte Rendell-Kommission, mit der Weisung, eine neue politische und konstitutionelle Struktur für Singapur auszuarbeiten. Nach langen Beratungen empfahl Rendell zumindest eine partielle Autonomie, wobei innere Sicherheit, Justiz, Finanzen, Verteidigung und Außenpolitik unter britischer Kontrolle bleiben sollten.

Zudem sollte im April 1955 in allgemeinen Wahlen eine Ein-Kammer-Legislative gewählt werden.

Zusammen mit den Kommunisten hatte es die die People’s Action Party (PAP) geschafft, große Teile der Bevölkerung hinter sich zu vereinen. Eine Verbindung, die aufgrund großer politischer Differenzen nicht lange halten sollte:Während der moderate Flügel dieVereinigung mit Malaysia befürwortete, favorisierten die Kommunisten ein kommunistisches, unabhängiges Singapur. 1961 nannte sich der kommunistische Flügel Barisan Sosialis und verließ die PAP.

Historisches Foto – Nationalfeiertag (National Museum of Singapore)

Um den Malaien die Angst vor einer chinesischen Übermacht zu nehmen, wurden auch die vorrangig malaiischen Gebiete Sabah und Sarawak in den malaysischen Staat integriert und nach langen Verhandlungen im September 1963 die Föderation von Malaysia ins Leben gerufen. Besonders Indonesien konnte sich mit dieser Veränderung nicht anfreunden – eine derart große Regionalmacht vor der Haustür war dem Inselreich suspekt – und so kam es zwischen den beiden Staaten immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen, der Konfrontasi, die erst nach dem Sturz Sukarnos (erster Präsident Indonesiens) 1966 enden sollte.

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Sir Stamford Raffles: Ein Sonderling schreibt Weltgeschichte

Allein die Gründung Singapurs hätte Raffles zu einem Platz in den Geschichtsbüchern verholfen – doch seine wichtigsten Leistungen liegen auf ganz anderem Gebiet: Als einer der ersten Kolonialherren beschäftigte er sich intensiv mit der einheimischen Kultur und verlieh der englischen Herrschaft in Südostasien ein humaneres Gesicht – vielleicht weil er selbst seine hohe Position mit viel Einsatz erarbeiten musste, denn Raffles stammte durchaus nicht aus „gutem“ Hause: 1781 als Sohn eines Kapitäns geboren und mit nur zwei Jahren Schulbildung, tritt er 1795 als kleiner Angestellter in die Londoner East India Company ein. Sein geradezu streberhafter Fleiß erweckt das Interesse der Vorgesetzten, die ihm 1805 eine gewaltige Beförderung zukommen lassen: Er wird zum Assistenten des Gouverneurs von Penang ernannt. Hier leitet er nicht nur größtenteils die Verwaltungsgeschäfte der Kolonie, sondern lernt als einer der wenigen Kolonialangestellten Malaiisch und springt hier und da als Übersetzer ein, wenn sich die offiziellen Vertreter als allzu unfähig erweisen. Privat beginnt er mit der wissenschaftlichen Erfassung der malaiischen Kultur und verursacht nebenbei noch einen handfesten Skandal, als er die zehn Jahre ältere Witwe eines indischen Chirurgen heiratet.

Hat Großes bewirkt … (National Museum of Singapore)

Als Java 1811 den Briten zufällt, ist Raffles’ große Stunde gekommen: Er wird zum Gouverneur der Insel ernannt und darf nun nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Er schafft Zwangsarbeit, Folter und Sklavenhandel ab, reformiert in wenigen Jahren das Kolonialsystem und befiehlt die Suche nach der verschollenen Tempelanlage von Borobudur nahe Yogyakarta, die daraufhin aus der vulkanischen Asche ausgegraben und restauriert wird. Nur wenige Jahre später, 1816, fällt Java an die Holländer zurück, und Raffles krönt sein indonesisches Intermezzo mit einer zweibändigen Geschichte Javas, die ihm zusammen mit seinen anderen Errungenschaften den Titel „Sir“ einbringt.

Seine weitere Karriere führt ihn im Jahr 1818 nach Bencoolen (Bengkulu) auf Sumatra. Dort führt er als Gouverneur das allgemeine Schulwesen ein und leitet ganz nebenbei aus der Ferne den Aufbau Singapurs. Den steilen Aufstieg der Stadt erlebt er jedoch nicht mehr: Von Malaria geplagt, stirbt er 1826 einen Tag vor seinem 45. Geburtstag in London.

… Sir Stamford Raffles (National Museum of Singapore)

Landschaftlicher Überblick

Wer Singapur auf dem Globus sucht, muss gute Augen haben: Der kleine Punkt an der Südspitze der malaiischen Halbinsel ist in der Realität gerade einmal etwas mehr als 685 km2 groß. Mit 42 km maximaler Breite und 23 km maximaler Länge ist die Insel so klein, dass sie, proportional gesehen, auf den meisten Karten gar nicht dargestellt werden dürfte. Und wenn sie trotzdem erscheint, dann wohl, weil hier einer der reichsten Staaten Asiens liegt, der es ohne nennenswerte Rohstoffe geschafft hat, innerhalb weniger Generationen in die Liga der wohlhabenden Nationen aufzusteigen.

Anderthalb Breitengrade nördlich des Äquators liegt dieses Wirtschaftswunder, nur durch die Meerenge von Johor von Malaysia getrennt. Zwei Brücken verbinden Singapur mit dem Nachbarn – und eine Trinkwasserleitung, die die Abhängigkeit des Stadtstaats von Malaysia verdeutlicht.

Noch vor weniger als 200 Jahren war die Insel von immergrünem, dichtem tropischem Regenwald bedeckt. Heute sind nicht einmal 5 % dieser Walddecke übrig, einzig das Naturschutzreservat Bukit Timah besteht aus ursprünglicher Vegetation. Einen Hauch des „originalen“ Singapur bietet jedoch die kaum besiedelte, vorgelagerte Insel Pulau Ubin im Osten Singapurs, wo neben Affen, Ottern und Wildschweinen sogar noch Kobras und Pythons leben.

Gute Augen muss man haben, um Singapur auf dem Satellitenfoto zu erkennen

Trotz des geringen Anteils an unberührter Natur ist Singapur eine sehr grüne Stadt. Nur die Hälfte desTerritoriums ist bebaut – und das bei einer Bevölkerung von immerhin 5,5 Millionen (2015) Menschen, von denen allerdings deutlich weniger die singapurische Staatsbürgerschaft besitzen. Der Rest der Fläche besteht aus Parks, landwirtschaftlichen Feldern und Naturreservaten. Ökologische Fragen werden in Singapur ernst genommen und Umweltschutz, für asiatische Verhältnisse, sehr großgeschrieben. Die positiven Entwicklungen lassen sich nicht übersehen: Wenn nicht gerade brennende Wälder der benachbarten Staaten die Umwelt verpesten, muss sich in Singapur niemand scheuen, tief durchzuatmen. Kaum eine andere asiatische Großstadt darf sich so klarer Luft rühmen.

Neben der Hauptinsel gibt es gut 60 weitere Inseln – eine Zahl, die übrigens stetig abnimmt, denn dank der Landgewinnungsprogramme werden hier und dort auch kleine Inseln einverleibt. Überhaupt sind alle Zahlen zu Fläche und Größe mitVorsicht zu genießen: Platz ist knapp in der aufstrebenden Metropole, und so wird fleißig „angebaut“. Die Beach Road beispielsweise lag einst am Strand, heute muss man schon ein ordentliches Stück laufen, um von dort bis zur Küste zu gelangen. Etwa 20 % Flächenzuwachs verzeichnet die Insel seit den 1960er-Jahren, und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

Auf dem Weg nach Pulau Ubin

Singapurs Reichtum, Geschichte, ja die Existenz der Stadt selbst, lassen sich auf die strategisch höchst günstige Position der Insel zurückführen: An der Straße von Malakka gelegen, der wichtigsten Seeverbindung zwischen dem indischen und chinesischen Kulturraum, war Singapur schon immer ein Treffpunkt der Händler. Mit dem Nordost-Monsun segelten die chinesischen Händler seit Jahrhunderten entlang der malaiischen Ostküste bis zu ihrer südlichsten Spitze. Während der Wartezeit bis zum Beginn des entgegengesetzten Südwest-Sommermonsuns, der zurück in die Heimat führte, wurde mit indischen Händlern verhandelt.

Auch Schiffe, die vom Indischen Ozean in Richtung des südchinesischen Meeres segelten, mussten die Straße von Malakka passieren. Besonders mit dem Beginn der Kolonialzeit wurde diese Strecke zu einem strategischen Punkt, der von Holländern und Briten gleichermaßen begehrt war. Trinkwasser und Proviant lud man hier nach, später, mit der Dampfschifffahrt, wurde Singapur auch zu einer bedeutenden Ladestation für Kohle. Bei allen politischen und historischenVeränderungen, die sich seither ergeben haben, hat Singapur seine Bedeutung als Hafenstadt bewahren können: Hier befindet sich der größte Container- und Ölhafen der Welt, dessen Raffinerien das Rohöl aus den Nachbarstaaten Malaysia, Indonesien sowie anderer Nationen verarbeiten.

Parallel dazu gelang es Singapur in den letzten 30 Jahren, den Dienstleistungssektor erheblich auszubauen. Mit Erfolg: Als zweitreichstes Land Asiens (nur Japan steht ein wenig besser da) kann sich die Stadt viele Errungenschaften leisten, die auch dem Reisenden zugutekommen. Vom topmodernenVerkehrswesen (inklusive einer geradezu frostig klimatisierten U-Bahn, von der man in Europa nur träumen mag) bis zur einwandfreien medizinischenVersorgung steht Singapur Europa in Sachen Lebensqualität in nichts nach. Ganz besonders erfreulich ist auch, dass dabei fast alle Singapurer von der Entwicklung profitieren konnten, wie zum Beispiel ein Blick auf den Immobilienmarkt zeigt: Acht von zehn Singapurern sind Eigentümer ihrer Wohnung.

Klima

Ewig währender Sommer, so lässt sich das Klima Singapurs knapp zusammenfassen. Nur 137 km trennen die tropische Stadt vom Äquator – und so liegen die Temperaturen rund ums Jahr zwischen 28 und 33 °C.

Dazu kommt die für Europäer teils recht anstrengende Luftfeuchtigkeit von gut 90 %. Jahreszeiten gibt es nicht, dafür aber leichte Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen unter dem Einfluss des Monsuns. Am angenehmsten wird die Zeit des Nordost-Monsuns empfunden, wenn die Temperaturen in der Regel um einige Grad fallen. Ganz ohne Preis ist aber auch diese klimatische Erleichterung nicht zu haben: In dieser Zeit regnet und stürmt es öfter als sonst.

Im Butterfly Park & Insect Kingdom

Politik und Wirtschaft

Das politische System

Auch wenn es zuweilen anders erscheint, Singapur ist eine Demokratie, zumindest auf dem Papier und mittlerweile zumeist auch in der Realität. Das britische System stand Pate, was Institutionen, Legislative und Wahlrecht betrifft. Seit der Unabhängigkeitserklärung 1965 fanden in Singapur alle vier bis fünf Jahre Parlamentswahlen statt, aus denen die People’sAction Party (PAP) meist als klarer Sieger hervorging. Nur einmal, 1991, feierte die Opposition einen bescheidenen Erfolg und errang vier Sitze im Parlament, was im Lager der PAP eine fast panikartige Reaktion auslöste, die daraufhin Wahlkreise umorganisierte und Oppositionskandidaten unter Druck setzte.

Bei den Parlamentswahlen 2006 erhielt die PAP, trotz eines Stimmenverlustes von 9 %, 82 der 84 Sitze, auf die Worker’s Party (WP) und die Singapore Democratic Alliance entfielen je ein Sitz. Die Teilnahme und Wahl von Oppositionspolitikern wird, neben psychologischem und wirtschaftlichem Druck auf unliebsame Kandidaten, durch Details im Wahlrecht erschwert, zuweilen gar unmöglich gemacht. 2011 erreichte die PAP 80 von 87, 2015 83 von 89 Sitzen, während die WP 6 Sitze erhielt, mit weiteren teils bzw. nicht stimmenberechtigen Abgeordneten.

Offizielles Staatsoberhaupt ist der Präsident, der bis zu einer Verfassungsänderung 1991 vom Parlament ernannt wurde, seit 1993 jedoch vom Volk gewählt wird. Der Präsident erfüllt vor allem repräsentative Aufgaben, hält seit 1991 jedoch auch ein, allerdings sehr eingeschränktes, Vetorecht. Unnötig zu erwähnen, dass auch die jeweiligen frei gewählten Präsidenten zumindest PAP-nahe waren. Das augenblickliche Staatsoberhaupt ist Tony Tan (chinesisch:Tan Keng Yam).

Nicht wenige Kommentatoren sehen Singapur als Autokratie, in der der jeweilige Regierungschef die Rolle des unanfechtbaren, aber auf das Allgemeinwohl bedachten gütigen Herrschers spielt. Dies gilt sicher für Lee Kuan Yew, mit gewissen Einschränkungen für dessen Nachfolger Goh ChokTong, der Singapur von 1990 bis 2004 regierte und (noch) für Lee Kuan Yews Sohn, Lee Hsien Loong, dem seitdem die Regierungsgeschäfte obliegen. Ungeachtet unbestreitbarer autokratischer Tendenzen gibt sich Singapur als demokratischer Staat, mit offiziell freien Wahlen und freier Meinungsäußerung. Wo jedoch westliche Demokratien Wert auf Disput und eine agile Opposition legen, dominiert in Singapur zumeist der Gedanke der Harmonie und der „Good Governance“. Salopp ausgedrückt:Wo der regierende Politiker es gut mit seinem Volk meint und es diesem auch nicht gerade schlecht geht, stört eine nörgelnde Opposition allenfalls und ist auch dementsprechend zu behandeln.

Tatsächlich hat der Durchschnitts-Singapurer kein großes Interesse an politischer Partizipation, worauf die Wahlpflicht (!) im Stadtstaat bereits hinweist (Wer nicht zur Urne schreitet, wird von der Wählerliste gestrichen und hat fortan weder aktives noch passives Wahlrecht). Solange die Wirtschaft brummt und die persönlichen Freiheiten jenseits der organisierten politischen Meinungsäußerungen nicht eingeschränkt werden, rührt sich nicht viel Opposition in Singapur.

Der zweitgrößte Hafen der Welt

Auf dem Weg zum kleinen Tiger: das Wirtschaftswunder Singapur

Unter der starken Hand Lee Kuan Yews ging Singapur neue Wege. Außenpolitisch suchte Lee neue Allianzen, die den wackligen geopolitischen Status Singapurs festigen sollten. So war Singapur einer der Gründungsstaaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) und wurde im Jahr 1970 Mitglied in der Bewegung der blockfreien Staaten (Non-Aligned Movement NAM), dem losen Zusammenschluss der unabhängigen Nationen.

Vor allem die Mitgliedschaft im ASEAN stabilisierte die Beziehungen zu den rivalisierenden Nachbarn Malaysia und Indonesien, beide ebenfalls im ASEAN vertreten. Sie brachte Singapur zudem einige bedeutendeVorteile im regionalen Außenhandel. Die innenpolitische Strategie der PAP konzentrierte sich auf die Kernprobleme der wirtschaftlichen Entwicklung und der sozialen Stabilität. Kritische Stimmen verweisen noch auf einen dritten Aspekt der Politik der PAP: Die Erhaltung der eigenen Machtposition. Hierin liegt auch der Kern der politischen Debatte, die die Entwicklung Singapurs seit der Unabhängigkeit begleitet: Die Frage, ob Eigennutz oder Allgemeinwohl die Prämisse Lee Kuan Yews und der PAP war. Wie man diese Frage auch immer beantworten mag, unbestreitbar ist, dass der Erfolg Singapurs vor allem maßgeblich auf die Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik der PAP zurückzuführen ist.

Bis in die späten 1960er-Jahre zog Singapur sein Einkommen vor allem aus dem Handel, der mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachte. In der Folgezeit setzte die Regierung große Anstrengungen daran, diese Abhängigkeit zu reduzieren und vor allem das produzierende Gewerbe und den Aufbau des Finanzdienstleistungssektors zu fördern. Kernpunkt dieser Strategie war vor allem die massive Förderung des Bildungsbereichs. Eine Nation ohne Rohstoffe kann sich nur durch herausragende Ergebnisse auf dem Bildungs- und Technologiesektor behaupten, dies war der PAP klar.

Große Summen wurden in den Ausbau des Bildungssystems gesteckt, Englisch und Mandarin wurden als wichtige Weltsprachen gefördert. Gleichzeitig nahm der Staat in großem Umfang steuernden Einfluss auf die Wirtschaft. Über die GLCs (Gouvernement Linked Companies) hält der Staat bis heute Anteile an mehr als 500 inländischen Unternehmen und übt so Kontrolle über etwa zwei Drittel des inländischen Firmenvermögens aus. Zudem wurde der Service- und Dienstleistungssektor gefördert und ausgebaut und ausländische Investoren mit Steuervergünstigungen ins Land gelockt. Mit der Ansiedlung von Erdölfirmen wie Shell und Esso wurde Singapur Mitte der 1970er-Jahre drittgrößter Raffineriestandort weltweit und war ab 1979 der größte Hafen der Welt, musste diesen Rang aber mittlerweile an Shanghai abtreten. Seit Ende der 1960er-Jahre erreichte Singapur eine durchschnittliche Wachstumsrate von 9 %, die Arbeitslosigkeit fiel von 12 % Mitte der 1960er-Jahre bis auf 3 % Anfang der 1980er-Jahre. Bereits in den 1970erJahren war Singapur wichtigster Finanzumschlagsplatz Südostasiens.

Weitere dringende Probleme, denen sich die PAP nach der Unabhängigkeit gegenübersah, waren die große Einkommensdisparität, die ethnische Heterogenität sowie die schlechten Lebens- und Wohnbedingungen eines Großteils der singapurischen Bevölkerung. Das Housing and Development Board (HDB), das kurz nach der Unabhängigkeit den Singapur Improvement Trust ablöste, sorgte in der Umsetzung eines großangelegten staatlichen Wohnungsbauprogramms dafür, dass die Einwohner der Slums sukzessive in die Housing Estates am Stadtrand umzogen und ihre Wohnung nicht selten, mit staatlicher Förderung, über die Jahre auch kauften.

Bildung und Kultur sind die wichtigsten Ressourcen des Stadtstaats

Heute ist Singapur eines der Länder mit dem größten Anteil privaten Wohnungsbesitzes weltweit und die unmenschlichen Wohnverhältnisse gehören im Stadtstaat heute größtenteils der Vergangenheit an. Die noch von Raffles eingeführte strikte Trennung der Ethnien wurde durch die Housing Estates aufgehoben. Die Regierung setzte große Anstrengungen daran, die Gleichberechtigung der einzelnen Volksgruppen und eine von Ethnien unabhängige singapurische Identität zu schaffen. Mit dem Presidential Council for Minority Rights im Jahr 1973 setzte die Regierung ein bis heute bestehendes Gremium ein, das dieVolksgruppen Singapurs vor Diskriminierung und Benachteiligung der verschiedenen Ethnien durch neu verabschiedete Gesetze schützen soll. AllenVorwürfen zum Trotz, die chinesische Bevölkerungsmehrheit zu privilegieren, betonte Lee Kuan Yew immer die Gleichheit aller Bevölkerungsgruppen Singapurs und propagierte die asiatischen Werte als gemeinsame moralische und ideelle Grundlage aller Ethnien Singapurs. Heute wacht das Ministry of Community Development, Youth and Sports (MCYS) darüber, dass die verschiedenen Ethnien gleichermaßen gefördert werden. Immerhin erledigt das Ministerium seinen Job so gut, dass auch deutsche Städte hin und wiederVertreter des MCYS einladen, um mehr über das multikulturelle Konzept Singapurs zu erfahren.

Die Gleichstellung der Religionen und Ethnien wird im Stadtstaat Singapur betont

Die wirtschaftliche Erfolgsstory Singapurs ging jedoch auf Kosten der individuellen Freiheit seiner Bewohner und deren Rechte. Mit der Ablösung Lee KuanYews durch Goh ChokTong im Jahr 1990 versprachen sich viele eine Liberalisierung des politischen Systems. Tatsächlich versuchte die PAP, wenn auch nur auf kosmetischer Ebene, größere Partizipation der Bürger Singapurs zu gewährleisten.

Seit 1993 wird der Präsident vom Volk gewählt und hat ein gewisses politisches Mitspracherecht, obwohl seine Aufgaben vor allen Dingen repräsentativ sind. Bereits seit den 1980er-Jahren erlaubt die geänderte Verfassung, Kandidaten der Opposition, die mehr als 15 % der Wählerstimmen in ihrem Wahlkreis erringen, als sogenannte Non-Constituency Members of Parliament (NCMP) ins Parlament zu berufen.

Zumindest auf kultureller Ebene hat sich Singapur seit Anfang der 1990er-Jahre gewandelt. Der PAP ist durchaus bewusst, dass das langweilige Image der Stadt sich langfristig negativ auf die wirtschaftliche Stärke Singapurs auswirken kann. Die Sorge, dass ihr Rückhalt in der jüngeren Generation, die die entbehrungsreichen Anfangsjahre nur vom Hörensagen kennt, schwindet, führt dazu, dass die PAP große Anstrengungen daransetzt, das Bild der Stadt in der Weltöffentlichkeit zu korrigieren. „Wir müssen uns demThemaVergnügen widmen, wenn wir im 21. Jahrhundert konkurrenzfähig bleiben wollen“, ließ die Regierung verlauten.

Heute ist Singapur nicht mehr die blitzblanke und langweilige Metropole, als die sie immer noch bezeichnet wird. Dennoch kehren jedes JahrTausende gut ausgebildete junge Singapurer ihrer Stadt den Rücken und suchen ihr Glück im Westen, der neben guten Karrierechancen auch ein größeres Maß an individueller Freiheit bietet.

Und auch zu Hause im Wirtschaftswunderland Singapur zeigt die Fassade erste größere Risse. Die Asienkrise 1997 und die weltweite Rezession nach den Terroranschlägen 2001 gingen auch nicht spurlos an Singapur vorbei. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit schrumpfte das BIP im Jahr 2001 um 2 %. Auch die SARSKrise im Jahr 2003 forderte ihren Tribut in Singapur. Auch wenn Singapur seither wieder zurück auf die Erfolgsspur gefunden hat und heute einen mit Deutschland vergleichbaren Lebensstandard hat, wurde es doch deutlich, dass der Stadtstaat sein politisches System überdenken muss.

Anfang 2004 wurde Lee Hsien Loong, ältester Sohn Lee Kuan Yews, Singapurs neuer Premierminister. Wie bereits 1990, als seinVorgänger Goh ChukTong sein Amt antrat, erwarten Beobachter eine politische Liberalisierung unter Lee. Im Mai 2006 verteilte er im Rahmen des „Progress Package“ 2,6 Milliarden SGD aus staatlichen Überschüssen an das Volk, gestaffelt nach Bedürftigkeit und Verdienst. Bei den im gleichen Monat stattfindenden Wahlen gewann die PAP 82 von 84 Sitzen im Parlament.

Mittlerweile hat sich die wirtschaftliche Lage weitgehend erholt. 2012 verfügte Singapur über ein Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen von rund 60.000 SGD – 37-mal so viel wie in 1965! Seit 2010 steht Singapur im „Doing Business Report“ der Weltbank fortlaufend an erster Stelle: Nirgendwo in der Welt sonst ist es so leicht und unbürokratisch, Geschäfte zu tätigen.

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Asiatische Werte und Konfuzius

Eine der vielen Geschichten über Konfuzius, der von 551 bis 479 v. Chr. in China gelebt hat, erzählt von einer seiner Reisen. Er kam durch ein kleines Dorf und sah eine alte Frau einsam auf einer Bank vor ihrem Haus sitzen. „Hast Du keinen Mann?“, fragte der Weise. „Vom Tiger gefressen!“, antwortete die Frau. „Und Deine Söhne?“, hakte Konfuzius nach. „Auch vom Tiger gefressen!“, erwiderte sie. „Was ist mit Töchtern, Schwiegersöhnen, Enkeln?“ „Ebenfalls vom Tiger gefressen!“ Irritiert fragte Konfuzius die Frau, warum sie denn immer noch in der Gegend wohne, wenn der Tiger doch so gefährlich wäre. „Wir haben hier eine gute Regierung“, kam sofort die Antwort. „Eine schlechte Regierung ist schlimmer als ein gefräßiger Tiger!“, konstatierte der Weise und ging seines Weges. Tatsächlich trifft diese Geschichte in gewissem Maße auch auf Singapur zu. Auch wenn die meisten Bewohner des Stadtstaats durchaus nicht unkritisch ihrer Regierung gegenüberstehen und mit dem einen oder anderen „politischen Raubtier“ leben müssen, alles in allem können und wollen sich die Singapurer nicht unbedingt über ihre Regierung und deren Politik beklagen.

Konfuzianische Werte spielen in Singapur eine wichtige Rolle

Zwar wird der Aufstieg Singapurs rückwirkend immer auch mit den konfuzianischen Wurzeln seiner Premierminister erklärt, ein wirkliches öffentliches Thema zur Erklärung der Singapurer Erfolgsgeschichte wurde der Konfuzianismus allerdings erst in den 1990er-Jahren. Dies lag einerseits daran, dass man im Westen wie in China mit Erstaunen auf den Stadtstaat am Äquator blickte und nach genehmen Erklärungen suchte. Für China war Singapur der Beweis, dass wirtschaftliche Entwicklung auch jenseits einer totalen „Verwestlichung“ stattfinden konnte und keinesfalls demokratische Strukturen für einen wirtschaftlichen Erfolg vonnöten sind. Im Westen blickte so manch ein von Parlamenten und Wahlausgängen abhängiger Regierungschef mit Neid nach Südostasien und fand seinen Gefallen an dem singapurischen System. Konfuzianismus als zugrundeliegende Ideologie zu sehen, war hier der kleinste gemeinsame Nenner.

Für China war dieser Erklärungsversuch am ehesten mit der Situation der Festlandchinesen vergleichbar. Im Westen war der Staatskonfuzianismus ein Mythos, der vor allem in der Debatte der „Asiatischen Werte“ Anfang der 1990erJahre en vogue war und eher vom Unverständnis westlicher Wissenschaftler zeugte. Oft vergaß man nur allzu gern, dass Singapur mehr ist als nur eine chinesische Kultur und eine der Ursachen seines Erfolgs eben auch der Multikulturalismus seiner Bevölkerung darstellt. Die Singapurer Regierung war jedoch auch nicht ganz unschuldig an der Konfuziusdebatte: Da in den 1980er- und 1990er-Jahren eine Generation in Singapur heranwuchs, die die Gründungsjahre nicht mehr miterlebt hatte und der Singapurer Politik und deren Vertretern zunehmend kritisch gegenüberstand, war der Appell an die asiatischen Werte und deren Herausstellung durch die Obrigkeit auch der Versuch, eine nationale Identität auf der Basis der Gemeinsamkeit zu schaffen. Gemeinsinn, Obrigkeitshörigkeit, Bildungsbeflissenheit sind die Stichworte, die die Singapurer Öffentlichkeit bis heute dominieren.

Ein Spaziergang durch Singapur mündet an jeder Ecke, Hauswand und Straßenkreuzung an einem Propagandaplakat, das die Bürger zur Müllvermeidung, Rattenbekämpfung und zur Sauberkeit anhält, vor Verbrechern warnt und Rauchern, Kaugummikauern und Skateboardern drakonische Strafen androht.

Tatsächlich gibt man sich seitens der singapurischen Regierung inzwischen Mühe, nicht die konfuzianische, sondern die asiatische Tradition in den Vordergrund zu stellen. Lee Kuan Yew drückt dies so aus: Asiaten hätten wenig Zweifel, dass eine Gesellschaft, die das Gemeinwesen höher schätzt als das Individuum, ihren (den gesellschaftlichen) Interessen eher dient als der amerikanische Individualismus. Gemeinschaft statt Individuum, sozialer Staat statt Demokratie, gerechter, omnipotenter Herrscher statt windiger Populist von Volkes Gnaden, so lässt sich die Singapurer Herrschaftsphilosophie auf den Punkt bringen.

Ob nun konfuzianisch oder allgemein asiatisch, entlang der Westküste des Pazifiks findet diese Staatsphilosophie viele Bewunderer.

Ob es nun an den asiatischen Werten liegt, am konfuzianischen Erbe oder der Weitsicht Lee Kuan Yews, Singapur steht als Beispiel für eine über Jahrzehnte betriebene, kluge Wirtschaftspolitik, die eine Stringenz aufweist, wie sie in einer Demokratie westlichen Verständnis kaum möglich ist. Das macht Singapur vor allem für die autoritär geführten Länder Ost- und Südostasiens zum attraktiven Vorbild.

Für Sauberkeit und die Einhaltung von Regeln sollen die allgegenwärtigen Verbotsschilder sorgen

Gesellschaftlicher und kultureller Überblick

Der Vielvölkerstaat: die Ethnien und Religionen Singapurs

Im offiziellen Regierungsjargon bezeichnet sich Singapur gerne als Schmelztiegel der Kulturen. De facto handelt sich aber eher um ein freundliches Nebeneinander von diversen Volksgruppen, die sich zwar als Singapurer verstehen, sehr wohl aber ihre eigenen Traditionen, Anschauungen und Religionen bewahrt haben. In Zeiten, in denen das Ideal der multikulturellen Gesellschaft dem Rest der Welt viel Kopfzerbrechen bereitet, lohnt sich ein Blick auf Singapur. Längst nicht alle Fragen sind im Stadtstaat optimal beantwortet – trotzdem gibt es hier, vor allem im Vergleich zum benachbarten Malaysia, auffallend viele kulturell gemischte Freundesgruppen, Ehepaare und vor allem gemeinsame Schulklassen.

Gesellschaftlich gesehen hatte Singapur sicher keinen einfachen Start: Ein wirres Durcheinander Hunderter von Volksgruppen kollidierte hier, meist ohne jegliche Bildung, von Armut getrieben, fernab der Heimat, ohne Familie oder Freunde und überwiegend männlich. Innerhalb weniger Jahre vervielfachte sich zudem die Zahl der Einwohner, hauptsächlich gespeist von weiteren Einwanderungswellen. Bis heute ist Singapur ein buntes Gemisch geblieben, auch wenn es um Bildung und soziale Fragen heute ungleich besser steht.

Um die Zahl der Konflikte von vornherein gering zu halten, ließ Raffles den verschiedenen Ethnien im Stadtentwicklungsplan von 1822 getrennte Siedlungsgebiete zuweisen, deren Umrisse auch heute noch mit den meisten ethnischen Vierteln übereinstimmen. Damit nicht genug, unterschied Raffles die Siedler auch nach regionaler Herkunft, sodass sich beispielsweise chinesische Einwanderer, je nach Heimatbezirk, straßenweise gebündelt wiederfanden. Zwar konnten damit viele Reibungspunkte umgangen werden, alle Konflikte konnte jedoch auch diese Politik nicht vermeiden. Damals wie heute trafen auf engstem Raum Religionen aufeinander, deren Vorstellungen sich schon in elementaren Fragen völlig unterschieden. Hinzu kam die britische Kolonialpolitik, deren unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Ethnien auf der gesamten malaiischen Halbinsel noch viele Jahrzehnte später für politischen und sozialen Sprengstoff sorgen sollte.

Anders als im Rest der malaiischen Halbinsel besteht der Großteil der singapurischen Bevölkerung – 76,4 %, um es genau zu sagen – heute aus den Nachfahren chinesischer Einwanderer, weshalb Singapur zu „Greater China“ gezählt wird. Zu Recht: Auch wenn politisch nur wenig an die Volksrepublik China erinnert, so ist die Dominanz der chinesischen Kultur im Alltag kaum zu übersehen. In den meisten Familien wird ein chinesischer Dialekt gesprochen, und das Leben in den chinesischen Tempeln ist so aktiv wie eh und je. Ein kulturell homogener Block sind die Chinesen freilich nicht: Ihre Glaubenswelt ist eine bunte Mixtur aus verschiedenen Religionen. Statistisch gesehen ist der Buddhismus dabei am stärksten vertreten. Mehr als eine Million Singapurer bekennen sich offiziell zum Buddhismus der Mahayana-Variante, wie sie in Ostasien allgemein verbreitet ist (de facto dürften es aber erheblich mehr sein, zählt man die „Gelegenheits-Buddhisten“ hinzu).

In Singapur bestehen die Religionen nebeneinander

Diese sehr individuelle Religion bedeutet eine lebenslange Suche nach der Wahrheit, Erkenntnis und Erlösung, wobei die Tugenden Wohltätigkeit, Toleranz und Selbstlosigkeit als Pfeiler des Buddhismus gelten. Buddha zeigt dabei den Weg, doch der Gläubige muss ihn selbst gehen, seine eigene Erkenntnis finden. Erst dann kann er ins Nirwana eingehen. Menschen, die diesen letzten Schritt nicht vollziehen, um anderen Menschen bei der Suche zu helfen, werden Boddhisattvas genannt.

Vor allem die Bodhisattva Guanyin wird im chinesischen Raum glühend verehrt und ist in fast jedem Tempel zu finden, egal, welcher chinesischen Religion er geweiht ist. Der fließende Übergang zu den anderen Glaubensschulen Chinas ist für Europäer nur schwer zu verstehen. Im chinesischen Volksglauben konkurrieren die Religionen nicht, sondern werden eher komplementär wahrgenommen. Im Klartext bedeutet dies, dass immer gerade der Heilige oder Gott in den Vordergrund rückt, dem man in der aktuellen Lebenssituation besonders große Kompetenz zutraut.

Vor einer Prüfung macht es beispielsweise Sinn, im konfuzianischen Tempel ein Opfer zu bringen, ist doch der große Philosoph vor allem für seinen Bildungseifer bekannt. Entgegen vieler westlicherVorurteile ist der Konfuzianismus ansonsten keine Religion im eigentlichen Sinne, denn er verzichtet auf Götter oder andere transzendentale Vorstellungen. Die Lehre des Konfuzius war und ist jedoch gesellschaftlich sehr prägend: Regiert wird perVorbild und Abschreckung (und einfacher ließe sich die singapurische Politik wohl kaum zusammenfassen), wobei die Pflichten und Rechte des Einzelnen je nach gesellschaftlicher Stellung sehr klar definiert sind. Gleichgestellte Beziehungen kennt der Konfuzianismus nicht, dafür aber eine deutliche Hierarchie.

Geht es um seelischen Ausgleich, medizinische Fragen oder magische Aspekte, wenden sich die meisten Chinesen eher dem Daoismus zu. Diese Philosophie soll dem Menschen helfen, in Einklang mit dem Kosmos zu leben, zur kindlichen Unbekümmertheit zurückzufinden, kurzum, ein glückliches Leben zu führen. Auch der Daoismus war einst lediglich eine philosophische Schule, wurde im Laufe der Jahrhunderte aber mit so vielen Göttern und Heiligen angereichert, dass selbst der zutiefst Gläubige nicht das gesamte Pantheon überblicken könnte.

Im Westen besonders bekannt ist die chinesische Geomantik Fengshui, die ebenfalls aus dem Daoismus entstand: Nur wenn sich Gebäude, Gräber und Gärten harmonisch in die Landschaft einfügen, ist der Fluss der kosmischen Kräfte gesichert, werden Dämonen von Haus und Hof abgehalten.

Wünsche können schriftlich formuliert werden

Der Übergang von Daoismus zu Geisterglauben und Ahnenverehrung