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Eine Gebrauchsanweisung für alle, die sich für die chinesische Sprache interessieren oder interessieren sollten: Touristen, Geschäftsreisende, angehende wie fortgeschrittene Lerner finden hier eine Unmenge nützlicher Informationen. Wie ist das Chinesische strukturiert? Wo tun sich Europäer besonders schwer? Mit welchen Tricks umschifft man diese Problembereiche? Und vor allem: Was muss man wirklich können, um den Einstieg in die Sprache zu schaffen? Im Zentrum steht die praktische Anwendbarkeit des Gelernten: von der Anleitung "wie schlage ich ein Zeichen im Wörterbuch nach" bis zur Frage "wie kommt die Schrift in den Computer". Ein vergleichbares Werk existiert auf Deutsch bisher nicht.
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Seitenzahl: 207
Françoise Hauser
Gebrauchsanweisung Chinesisch
So funktioniert die meistgesprochene Sprache der Welt
Mit 16 Abbildungen
Reclam
2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Stefan Schmid Design
Foto (Einkaufsstraße in Kowloon, Hongkong) © NAS / Alain Evrard / OKAPIA
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2018
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-960719-1
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-010993-9
www.reclam.de
1. Einführung
2. Pensum und Ziele
3. Der erste Steckbrief: Was macht Chinesisch so chinesisch?
4. Die Schriftzeichen: Meisterübung fürs Gehirn
5. Umschriften: Wie zwingt man chinesische Zungenbrecher in ein Alphabet?
6. Überblick über die Grammatik
7. Wann ist ein Wort ein Wort?
8. Willkommen in Babel: Namen erkennen und übersetzen
9. Chinesisch und Computer
10. Modernes und klassisches Chinesisch (Wenyan)
11. Lernmethoden und Tricks
12. Weiterführende Literatur – Quellen im Web – Apps
Anhang 1: Vergleich der wichtigsten Umschriften
Anhang 2: Lösungen zu den Übungen
Stichwortverzeichnis
Wichtige Sätze
Die Aussprache des Chinesischen
Hinweise zur E-Book-Ausgabe
Tabellen
Die Silben des Chinesischen
Liste der 224 Radikale
Die 100 wichtigsten Radikale
Liste der Aussprache-Elemente (Phonetika)
Die 22 Grundstriche
Dominante Radikale
Wer in eine fremde Stadt fährt, besorgt sich einen Reiseführer und vielleicht, je nachdem wie lange er bleiben möchte, auch einen Stadtplan. Schließlich heißt es zu Anfang, einen generellen Überblick zu bekommen. Wo liegt das Zentrum? Wie weit ist es zum Flughafen? Kann man die Stadt zu Fuß erkunden oder wird ein Taxi nötig sein? Und was kostet eine Taxifahrt eigentlich?
Warum eigentlich gehen wir bei Fremdsprachen nicht genauso vor? Vieles spräche dafür, vor allem, wenn es sich um eine so fremde und unbekannte Sprache wie das Chinesische handelt. Denn genauso wie man sich über die Vorzüge und schönsten Aussichtspunkte einer Stadt informiert, sich nach Kriminalität und potentiellen Gefahren erkundigt, tut auch der Lernende gut daran, leichte und schwierige Aspekte von vornherein auszumachen: Wo liegen die Probleme? In welchen Bereichen ist mit großem Lernaufwand zu rechnen? Wo darf man auch einmal schludern und die Feinheiten erst später ausfeilen? Genau darum geht es in dieser Gebrauchsanweisung. Sie ist kein Sprachlehrwerk an sich, sondern eine Art Stadtplan, der dem Lernenden helfen soll, sich von vornherein einen guten Überblick über die Materie zu verschaffen, und ihn befähigen, den besten Weg zum Ziel zu suchen.
Gerade über die chinesische Sprache gibt es eine Vielzahl von Mythen, Fehlinformationen und eine Menge unberechtigter Ängste. Die wahren Schwierigkeiten wiederum werden oft übersehen und der Lernaufwand kolossal unterschätzt. Dass Chinesisch in der Tat keine ganz einfache Sprache ist, zeigen die hohen Abbrecherquoten im Sinologiestudium. Andererseits: Keine andere Sprache der Welt hat so viele Muttersprachler wie das Chinesische. Über 1,2 Milliarden Menschen wachsen weltweit mit einem der chinesischen Dialekte auf – und diese Zahl beinhaltet nicht einmal all die Millionen, die Chinesisch als zweite Alltagssprache beherrschen. Hinzu kommen nach Angaben der chinesischen Regierung rund 40 Millionen Menschen, die weltweit Chinesisch lernen. Allein im deutschsprachigen Raum wird Chinesisch an rund 40 Universitäten und zirka 120 Schulen und mehr als 100 Volkshochschulen unterrichtet. Nicht zuletzt sorgen auch die 2006 gegründeten Konfuzius-Institute für steigende Zahlen. Insgesamt lernen derzeit mehr als 10 000 Menschen in Deutschland Chinesisch1. Zudem hat sich Hochchinesisch zu einer der wichtigsten Handelssprachen Asiens entwickelt. Können so viele Menschen irren?
Gleich ab der ersten Stunde wird der Chinesisch-Lernende mit allerhand furchterregenden Tatsachen konfrontiert. So ist es für Europäer nur schwer zu verstehen, dass die Tonhöhen einzelner Silben bedeutungstragend sind: Wer den falschen Ton erwischt, bestellt im Restaurant Zucker (糖táng) anstatt Suppe (汤tāng) oder freut sich (was erheblich peinlicher ist) über die vergeigte Prüfung eines Kommilitonen, weil er 可惜kěxī (›schade‹, ›bedauerlich‹) mit 可喜kěxǐ (›erfreulich‹) verwechselt. Oft liegt das Fettnäpfchen nur eine kleine Ton-Nuance entfernt. Und man muss sich nichts vormachen: Die nächsten 20 Jahre werden die Töne den angehenden China-Fachmann am Telefon sofort entlarven. Nur wenigen gelingt es je, das Chinesische so gut zu meistern, dass ihn nicht seine Fehler und sein Akzent sofort als Ausländer zu erkennen geben. Andererseits: Wie viele Deutsche gibt es, die wirklich akzentfrei Englisch oder Französisch sprechen?
Genauso wahr ist aber auch: Das Chinesische ist weitaus weniger furchterregend, als es auf den ersten Blick scheint. Denn was diese Sprache dem Lernenden in phonetischer Hinsicht zumutet, macht sie mit ihrer Grammatik wieder wett. Diese ist so einfach gestrickt, dass es dem deutschen Muttersprachler zuweilen schwerfällt, sich derart vage auszudrücken.
Zudem zeichnet sich Chinesisch durch einen großen Unterschied zwischen geschriebener und gesprochener Sprache aus. Wer in Frankreich die Sprache lernt, zum Beispiel beim Aufenthalt in einer Gastfamilie, tut sich auch mit dem Lesen oder Schreiben nicht besonders schwer, auch wenn das Französische vor seltsamen Orthographie-Regeln nur so strotzt. Mit dem Erwerb des Alphabets stehen dem Lernenden prinzipiell alle Werkzeuge zur Verfügung, die er zum Lesen braucht. Der Schritt zur Schrift ist dann nur noch ein kleiner. Rechtschreibfehler mögen den Franzosen dann noch amüsieren, unverständlich wird das Geschriebene dadurch noch lange nicht.
Im Chinesischen stellt sich die Lage jedoch völlig anders dar: Egal wie perfekt sich der Lernende mündlich ausdrückt, so kann er bei aller Eloquenz noch lange kein einziges Zeichen lesen – oder gar schreiben! Denn die Zeichen geben nicht, so wie im Falle eines Alphabets, einen verlässlichen Lautwert wieder, sondern einen Sinn, der erst einmal unabhängig von der Aussprache besteht. Rein theoretisch könnte man also Chinesisch lernen, ohne sich den Zeichen zu widmen. Oder umgekehrt: Lesen lernen, ohne auch nur ein Zeichen laut vorlesen zu können, ohne ein Wort der gesprochenen Sprache zu verstehen. Auch wenn es durchaus Lehrwerke gibt, die so vorgehen, ist es wenig sinnvoll. Doch ist dies nicht jedem Lernenden von Anfang an gegenwärtig.
Allgemein fällt es dem Lernenden schwer einzuschätzen, welche Aspekte wirklich wichtig sind. Gerade weil Chinesisch so viele unbekannte Herausforderungen birgt. Viele Übungen und Feinheiten erscheinen dem westlichen Chinesisch-Schüler erst einmal überflüssig: Warum ist es überhaupt wichtig, die Zeichen in einer genau festgelegten Strichfolge schreiben zu lernen? Wieso wird angehenden Sinologen immer wieder KalligraphieUnterricht empfohlen, obwohl doch absehbar ist, dass es der ungelenke Europäer auch mit viel Übung kaum auf das Niveau eines Grundschülers schaffen wird?
Die Antworten auf diese Fragen sind nicht für jeden Studenten gleich. Wer eine neue Wohnung mit Möbeln einrichten will, muss die Ausmaße der einzelnen Zimmer kennen. Ähnlich verhält es sich mit dem Chinesischen. Je nach Lernziel und angestrebtem Aufwand empfiehlt sich ein unterschiedliches Vorgehen. Oder um es anders zu sagen: Angehende China-Wissenschaftler brauchen andere sprachliche Fertigkeiten als Menschen, die einen längeren China-Aufenthalt planen und Chinesisch lernen, um sich als Expat in der neuen Umgebung zurechtzufinden. In diesem Buch geht es daher auch darum, dem Lernenden einen groben Maßstab an die Hand zu geben
An dieser Stelle sei angemerkt: In diesem Buch geht es immer um das Hochchinesische (auch Mandarin, 普通话 Pǔtōnghuà), die offizielle Staatssprache der Volksrepublik China. In Taiwan und Singapur wird sie als 国语 Guóyǔ (»Landessprache«) bezeichnet, die Unterschiede sind jedoch gering.
Daneben gibt es eine Vielzahl von Dialekten und anderen chinesischen Sprachen wie das Kantonesische 广东话 oder das taiwanische Taiyu 台语, das südliche Minnanhua 闽南话, Hakka 客家话 oder Hokkien 福建话 aus der Provinz Fujian. Der Unterschied zwischen Dialekt und Sprache ist dabei nicht immer einfach und oft eine Frage der Definition. Vom Prinzip her funktionieren sie jedoch wie Mandarin.
In der Regel wurden hier die reformierten Kurzzeichen der Volksrepublik China verwendet (siehe auch Erläuterungen in Kapitel 4), wie sie auch in Singapur, Malaysia und anderen Ländern mit großen chinesischen Bevölkerungsgruppen verwendet werden. Hong Kong und Taiwan schreiben jedoch weiterhin mit den traditionellen Langzeichen.
Egal, welcher Version sich der Lernende widmet, die Grundfragen sind dieselben. Die grundlegende Botschaft dieses Buches übrigens auch: Chinesisch ist erlernbar und, wenn auch anders als oft angenommen, eine spannende und lohnende Angelegenheit. In kaum einem Land der Welt werden selbst rudimentäre Sprachkenntnisse so begeistert aufgenommen wie in China.
Wie lange muss man lernen, um sich verständigen bzw. lesen zu können? Welche Prüfungen und Zertifikate gibt es?
Verführerisch locken Buchtitel wie Chinesisch in 30 Stunden im Regal – das griffige Versprechen, in überschaubarer Zeit eine Sprache zu meistern, die im allgemeinen für Europäer als kaum erlernbar gilt. Doch kann es wirklich so schnell gehen?
Die Antwort lautet natürlich: Nein. Denn zum einen stecken hinter den versprochenen 30 Stunden nicht die Übungsstunden in Echtzeit, sondern 30 Lektionen, die in der Tat die absoluten Minimal-Basics vermitteln, mit denen sich eine rudimentäre und funktionale Konversation zu den wichtigsten Reisethemen führen lässt. Das ist nicht schlecht, geht aber sicher nicht als solide Sprachkenntnis durch. Derartige Versprechen sind daher allesamt, egal auf welcher Methode sie basieren, nur begrenzt ernst zu nehmen.
Trotzdem ist Chinesisch eine Sprache, die sehr schnell erste Erfolgserlebnisse bietet: Von der Schrift einmal abgesehen, erweist sich die gesprochene Sprache als gar nicht so schwer, wie der Europäer befürchtet. Aufgrund der simplen Grammatik lernt der Student schnell, zumindest essentielle Alltagsbedürfnisse zu bedienen. Einkaufen, nach dem Preis fragen oder im Taxi die Nutzung des Taxometers anzumahnen, all diese Tätigkeiten lassen sich nach wenigen Wochen des Sprachstudiums auch auf Chinesisch erledigen.
Wer sich auf die gesprochene Sprache beschränkt, kommt anfangs recht schnell voran. Ohne den Ballast der Zeichenschrift dauert es nicht zwingend länger, Chinesisch zu lernen als beispielsweise Spanisch. In den europäischen Sprachen mögen zwar erfreulich viele Wörter miteinander verwandt sein – wie viele es wirklich sind, merkt man erst, wenn man eine nicht-europäische Sprache lernt! –, andererseits besticht Chinesisch mit einer simplen Grammatik (siehe Kapitel 6).
Langfristig ist es jedoch eine Milchmädchenrechnung, die chinesische Schrift links liegen zu lassen. Aus vielerlei Gründen:
– Ohne Kenntnis der Zeichen bleibt der Lernende auf ewig Analphabet. Der positive Effekt des Spracherwerbs, sich vor Ort freier bewegen zu können, fällt also weg. Gerade fernab der klassischen touristischen Routen.
– Es fehlt die Möglichkeit, Bücher und Zeitschriften zu lesen und damit die Sprachkenntnisse zu festigen.
– Komplexe chinesische Texte sind in egal welcher Umschrift aufgrund der vielen gleichlautenden Wörter kaum zu verstehen.
– In China werden zahlreiche Dialekte gesprochen. Wer nur die Umschrift beherrscht, tut sich schwer mit der Verständigung und kann im Zweifelsfalle nicht einmal im Wörterbuch nachschlagen.
Dass gerade die Zeichen einen enormen Lernaufwand bedeuten, muss dem Lernenden jedoch von Anfang an klar sein. Denn während man eine englische oder andere europäische Vokabel nach drei- oder viermaligem Vergessen letztlich mit großer Wahrscheinlichkeit dauerhaft im Gehirn verankert, kann es bei chinesischen Zeichen mehr als doppelt so lange dauern, bis sie der europäische Lernende auf Anhieb wiedererkennt. Der Sinologe John DeFrancis fasst es so zusammen: »Grob geschätzt ist es 5 Prozent schwieriger, Chinesisch sprechen zu lernen als Französisch sprechen zu lernen, Chinesisch lesen ist rund fünfmal so schwer zu lernen, wie Französisch zu lesen.«2 Allerdings gibt es auch hier allerhand Methoden, die Erinnerungsleistung zu vereinfachen und über die einzelnen Bestandteile der Zeichen Eselsbrücken zu bauen (siehe Kapitel 11).
In diesem Zusammenhang stellt sich dem Lernenden eine Frage, die auf Fachfremde geradezu abstrus wirken muss: Ab wann ist man eigentlich offiziell des Lesens und Schreibens kundig?
In den europäischen Sprachen gestaltet sich die Antwort einfach: Wer die rund 25–30 Zeichen des jeweiligen Alphabets beherrscht und daraus Wörter basteln bzw. sie als Wörter entziffern kann, ist »Alphabet«. Wer es nicht kann, ist »Analphabet«. Doch wie sieht es in der Zeichen-Schrift aus?
In der Volksrepublik China setzen die Behörden einen minimalen Wissensschatz von rund 800 Zeichen voraus,3 um als lese- und schreibkundig zu gelten. Mit rund 2500 Zeichen lassen sich fast alle Texte problemlos lesen, mit rund 6000 Zeichen gilt man als »gebildet«. Manch ein Bücherwurm mag es gar auf bis zu 10 000 Zeichen schaffen. Für westliche Studenten liegt die magische Grenze bei rund 1000 Zeichen: Auch wenn sich damit noch lange keine philosophische Abhandlung erschließt, könnte man theoretisch bereits 89 Prozent eines Textes verstehen.4
Anzahl der Zeichen
Anteil an durchschnittlichen Texten
100
42 Prozent
300
64 Prozent
500
75 Prozent
800
85 Prozent
1000
89 Prozent
1500
94 Prozent
2000
97 Prozent
2500
99 Prozent
3000
99,2 Prozent
Der Konjunktiv steht hier jedoch ganz zu Recht, denn auch dieses Faktum ist an eine kleine Bedingung geknüpft: Genauso wichtig wie die Zahl der Zeichen, ist die Zahl der Zeichen-Kombinationen, die der Lernende beherrscht. Denn längst sind die meisten Wörter des Chinesischen zwei- oder mehrsilbig (siehe Kapitel 7). Es genügt daher nicht, die einzelnen Zeichen (zì) 字 zu lernen, sondern man muss auch die Kombinationen (cí 词 = Wörter) erkennen. Wer rund 2000 Zeichen lesen kann, versteht nicht zwingendermaßen die rund 5000 wichtigsten Wörter.
Kurzum, die wirklich wichtige Frage lautet also nicht, »wie viele Zeichen kann ich lesen«, sondern »wie viele Wörter kenne ich?« – wie in anderen Sprachen auch. Sture Zeichen-Paukerei nach Häufigkeitslisten ist daher nur begrenzt sinnvoll. Besser ist es, gleich ganze Wörter zu lernen. Zum Beispiel mit Hilfe eines Lehrbuchs oder durch die Lektüre eines Buches und Nachschlagen des fehlenden Vokabulars.
Wer eine Sprache lernt, der will sich hin und wieder beweisen: Wie gut bin ich wirklich? Wer dabei nicht die Belegschaft der China-Restaurants der näheren Umgebung aufreiben will, entscheidet sich irgendwann einmal dazu, einen Sprachtest zu absolvieren. Auch auf dem Arbeitsmarkt ist es sinnvoll, seine chinesischen Sprachkenntnisse belegen zu können.
Der klassische Sprachtest für das Hochchinesische, ähnlich wie beispielsweise der TOEFL im Englischen, ist der staatliche chinesische 汉语水平考试 Hànyǔ Shuǐpíng Kǎoshì, kurz HSK genannt, der im Jahr 1990 eingeführt wurde und seit Mitte der 1990er weltweit regelmäßig abgehalten wird.
2010 wurde der HSK durch die 新汉语水平考试 Xīn Hànyǔ Shuǐpíng Kǎoshì ersetzt.5 Derzeit wird er mehrmals jährlich in China abgehalten. Im deutschsprachigen Raum kann er zudem zweimal jährlich an den Konfuzius-Instituten beispielsweise in Hannover, Berlin, Erlangen, Frankfurt und Zürich abgelegt werden6 und wird auf folgenden Niveau-Stufen angeboten:
HSK Stufe 1 (= europäischer Referenzrahmen A1):
Sprachniveau: Sie verstehen einfache Sätze auf Chinesisch und können diese in einfachen Gesprächen anwenden.
Prüfungsinhalt:
– 150 Vokabeln
– 180 Schriftzeichen
– Test des Hör- und Leseverständnisses
Dauer: 40 Minuten.
HSK Stufe 2 (= europäischer Referenzrahmen A2):
Sprachniveau: Sie sind in der Lage, sich über vertraute Alltagsthemen auf Chinesisch zu unterhalten.
Prüfungsinhalt:
– 300 Vokabeln
– 360 Schriftzeichen
– Prüfung des Hör- und Leseverständnisses
Dauer: 65 Minuten.
HSK Stufe 3 (= europäischer Referenzrahmen B1):
Sprachniveau: Sie sind in der Lage, im Alltagsleben, Studium und Berufsleben eine eigene Meinung auf Chinesisch zu vertreten. Während einer Reise in China können Sie die meisten Kommunikationsprobleme selbständig lösen und sich auf Chinesisch verständigen.
Prüfungsinhalt:
– 600 Vokabeln
– 660 Schriftzeichen
– Prüfung des Hörverständnisses, Leseverständnisses und Schreibens
Dauer: 90 Minuten.
HSK Stufe 4 (= europäischer Referenzrahmen B2):
Sprachniveau: Sie sind in der Lage, sich über allgemeine Themen zu unterhalten, und können sich relativ flüssig mit Muttersprachlern verständigen.
Prüfungsinhalt:
– 1200 Vokabeln
– 1500 Schriftzeichen
– Prüfung des Hörverständnisses, Leseverständnisses und Schreibens
Dauer: 105 Minuten.
HSK Stufe 5 (= europäischer Referenzrahmen C1):
Sprachniveau: Sie sind in der Lage, Artikel chinesischer Zeitungen und Zeitschriften zu lesen, chinesische Fernsehsendungen zu verstehen und auf Chinesisch einen Vortrag zu halten.
Prüfungsinhalt:
– 2500 Vokabeln
– 3000 Schriftzeichen
– Test des Hörverständnisses, Leseverständnisses und Schreibens
Dauer: 125 Minuten.
HSK Stufe 6 (= europäischer Referenzrahmen C2):
Sprachniveau: Sie können von Ihnen gelesene oder gehörte Informationen auf Chinesisch leicht verstehen, und können Ihre eigene Meinung mündlich wie schriftlich uneingeschränkt ausdrücken.
Prüfungsinhalt:
– 5000 Vokabeln
– 6000 Schriftzeichen
– Test des Hörverständnisses, Leseverständnisses und Schreibens
Dauer: 140 Minuten.
Übungstests gibt es unter www.chinesetesting.cn und www.hanban.edu.cn.
Es gibt drei verschiedene Niveaustufen für die mündliche Prüfung, die getrennt von der schriftlichen Prüfung abgelegt werden kann.
Elementarstufe:
Wortschatz: 200 Vokabeln
Umfang: 27 Fragen in 17 Minuten
Gehörtes wiederholen: 15 Fragen in 4 Minuten
Fragen hören und darauf antworten: 10 Fragen in 3 Minuten
Fragen beantworten: 2 Fragen in 3 Minuten (7 Minuten Vorbereitungszeit)
Grund- und Mittelstufe:
Wortschatz: 900 Vokabeln
Umfang: 14 Fragen in 21 Minuten
Gehörtes wiederholen: 10 Fragen in 3 Minuten
Bild beschreiben: 2 Fragen in 4 Minuten
Fragen beantworten: 2 Fragen in 4 Minuten (10 Minuten Vorbereitungszeit)
Oberstufe:
Wortschatz: 3000 Vokabeln
Umfang: 6 Fragen in 24 Minuten
Gehörtes wiederholen: 3 Fragen in 7 Minuten
Text vorlesen: 2 Minuten
Fragen beantworten: 2 Fragen in 5 Minuten (10 Minuten Vorbereitungszeit für das Vorlesen des Textes und das Beantworten der Fragen)
Während der HSK allgemeine Chinesisch-Kenntnisse abfragt und beispielsweise zur Einstufung von Nicht-Muttersprachlern im chinesischen Bildungswesen benutzt wird, richtet sich der BCT Business Chinese Test 商务汉语考试 an all jene, die ihre Sprachkenntnisse im beruflichen Umfeld nachweisen wollen (www.bcthome.cn). Der Test wurde von der Universität Beijng für das Office of Chinese Language Council International entwickelt und besteht aus den zwei voneinander unabhängigen Prüfungen BCT »Hören und Lesen« und BCT »Sprechen und Schreiben«. Je nach Test-Ergebnis wird der Prüfling einer der folgenden fünf Stufen zugeordnet. Für die Stufe 1 wird aus verständlichen Gründen kein Zertifikat ausgestellt.
Stufe 1:
Unfähig, sich im geschäftlichen Umfeld auf Chinesisch zu verständigen.
Stufe 2:
Beherrscht grundlegende Unterhaltungen auf Chinesisch im geschäftlichen Umfeld.
Stufe 3:
Kann sich relativ wirksam im geschäftlichen Umfeld auf Chinesisch verständigen.
Stufe 4:
Kann sich vergleichsweise gut im geschäftlichen Umfeld auf Chinesisch verständigen.
Stufe 5:
Kann sich angemessen im geschäftlichen Umfeld auf Chinesisch verständigen.
Des weiteren gibt es seit 2004 noch den New YCT Youth Chinese Test 中小学生汉语考试 (www.chinesetesting.cn), der sich an Schüler unter 15 Jahren richtet und in folgenden Stufen angeboten wird:
New YCT
Erforderlicher Wortschatz
Europäischer Referenzrahmen
YCT Level I
080 Wörter
–
YCT Level II
150 Wörter
A1
YCT Level III
300 Wörter
A2
YCT Level IV
600 Wörter
B1
Alternativ zum volksrepublikanischen HSK, dessen Texte natürlich allesamt in Kurzzeichen gehalten sind, bietet sich für Lernende, die sich auf Langzeichen spezialisiert haben, der taiwanische TOP Test of Proficiency – Huayu bzw. Test of Chinese as a Foreign Language TOCFL華語文能力測驗 (www.tw.org/huayu bzw. www.sc-top.org.tw) an.
Auch er wird auf vier Stufen abgehalten:
Level
Unterrichtsstunden
Vokabular
Beginners
(Anfänger)
mindestens 360 Stunden
Chinesischunterricht
800 Wörter
Basic
(Elementarstufe)
720 bis 960 Stunden
Chinesischunterricht
1500 Wörter
Intermediate
(Zwischenstufe)
960 bis 1920 Stunden
Chinesischunterricht
5000 Wörter
Advanced
(Fortgeschritten)
mehr als 1920 Stunden
Chinesischunterricht
Außerhalb Taiwans wird der Test im deutschsprachigen Raum auch an der Freien Universität Berlin, der Universität Heidelberg, der Universität Göttingen und an der Formosa Sprachschule in Düsseldorf abgehalten. In Österreich führen die Universität Wien und in der Schweiz die Universität Zürich den Test durch.
Der Westen ist sich einig: Chinesisch ist unglaublich schwer zu lernen. Doch stimmt das eigentlich? Was unterscheidet das Chinesische von den indogermanischen Sprachen?
Chinesisch gehört zu den sino-tibetischen Sprachen und ist damit verwandt mit dem Tibetischen und den burmesischen Sprachen. Der Begriff »Chinesisch« ist im übrigen ein wenig irreführend: Wer in Europa Chinesisch lernt, stellt vor Ort in China nicht selten fest, dass vor allem in Südchina die Menschen eine komplett andere Sprache zu sprechen scheinen – und oft ist diese Einschätzung nicht schlechten Sprachkenntnissen geschuldet, sondern ganz einfach wahr!
De facto gibt es gleich eine ganze Reihe chinesischer Sprachen. Oft werden sie als Dialekte bezeichnet, ein Ausdruck, der die Bedeutung dieser Sprachen herunterspielt und in der Sprachwissenschaft ziemlich umstritten ist, denn die Unterschiede zwischen dem hochchinesischen Pǔtōnghuà 普通话 und beispielsweise dem südlichen Fújiànhuà (auch als Hokkien oder Min bekannt) oder dem Shanghaihua sind weitaus größer als beispielsweise zwischen dem Bayrischen und dem Hochdeutschen.
So wird ein Deutscher auf Hochchinesisch als déguórén bezeichnet, in Shanghai jedoch als dagoni und im Süden Taiwans als diggolang. Nur wenn es um die schriftliche Version geht, sind sich alle einige, dass es 德国人 heißen muss. Auch das Wort »ich« zeigt die großen Unterschiede: Auf Shanghaihua heißt es ala, im Hochchinesischen wo, im Kantonesischen ngo. Ein chinesischer Muttersprachler aus Beijing dürfte oft nicht viel mehr Kantonesisch oder Minnanhua verstehen als ein deutscher Besucher. Lesen kann er es freilich schon, denn die geschriebene Sprache ist nahezu identisch: Da die Zeichen keine verlässliche Information zur Aussprache tragen, können sich quasi alle ihrer bedienen.
Für europäische Lernende kann es sich übrigens als überaus frustrierend erweisen, wenn sich die Früchte monatelangen Lernens nicht einmal im China-Restaurant anständig anwenden lassen: Mit ein wenig Glück handelt es sich nämlich bei den Pächtern um vietnamesische Staatsbürger chinesischer Herkunft, die zu Hause Kantonesisch sprechen.
Dennoch gibt es gute Gründe, sich ausgerechnet der Hochsprache Pǔtōnghuà (in Anlehnung an die kaiserlichen Beamten des Alten China wird sie manchmal auch als Mandarin bezeichnet) zu widmen, um die es auch in diesem Buch geht: Als offizielle Staatssprache der Volksrepublik China und Taiwans (dort als 国语 Guóyǔ bezeichnet), hat sie sicher die größte Bedeutung und ist die Lingua franca des chinesischen Sprachraums. Rund eine Milliarde Menschen dürften weltweit Hochchinesisch sprechen. Wie viele davon wirklich ihren Alltag mit der Hochsprache bestreiten, ist schwer zu schätzen. Vor allem in den Randgebieten Chinas werden auch zahlreiche andere Sprachen gesprochen, während außerhalb Chinas große chinesische Bevölkerungsgruppen in Malaysia, Thailand, Indonesien und anderen Ländern Südostasiens leben, die das Hochchinesische mehr oder minder beherrschen. Was sie natürlich nicht davon abhält, sich auf dem Markt, unter Freunden oder zu Hause doch auf Minnanhua, Shanghaihua oder Kantonesisch zu unterhalten. Vor allem in abgelegenen Regionen Chinas, also überall dort, wo selbst Radio und Fernseher noch Luxus sind und die Menschen daher nur selten mit der Hochsprache zu tun haben, kann es mitunter ein wenig dauern, bis sich ein Dorfbewohner findet, der Pǔtōnghuà nicht nur versteht, sondern auch aktiv spricht.
Ein wichtiges Merkmal des Chinesischen ist die auffällige Homophonie. »Irgendwie klingt auf Chinesisch alles gleich« vermuten denn auch Menschen, die sich mit der Sprache noch nicht besonders intensiv auseinandergesetzt haben – und liegen damit nicht einmal falsch! Denn in der Tat ist das Hochchinesische extrem lautarm und verfügt über einen geringen Silbenschatz. Während das Deutsche rund 10 000 verschiedene Silben kennt, auf die man theoretisch bei der Wortbildung zurückgreifen könnte, sind es im Chinesischen nur rund 400.
Tabelle aller Silben des Chinesischen
Tabelle aller Silben des Chinesischen (Fortsetzung)
Auch ohne viel Gefühl für Mathematik kann sich der Lernende ausrechnen: Das ist definitiv zu wenig, um einen anständigen Wortschatz zu bilden. Kein Wunder, dass sich das Chinesische zu einer tonalen Sprache entwickelt hat: Je nachdem, in welcher Tonhöhe beziehungsweise mit welcher Tonmelodie eine Silbe ausgesprochen wird, verändert sich ihre Bedeutung. Es macht also einen großen Unterschied, ob eine Silbe beispielsweise langgezogen gleichlautend ausgesprochen oder aber abrupt nach unten zu Ende geführt wird. Diese Tonhöhen zu unterscheiden und selbst reproduzieren zu können, fordert dem westlichen Lernenden anfangs viel Gewöhnung ab. Zwar mögen auch in den indogermanischen Sprachen Töne hin und wieder eine Rolle spielen – ein Beispiel wäre hier der Unterschied zwischen einem fragenden und einem resoluten Nein –, jedoch ganz sicher nicht in diesem Ausmaß.
Insgesamt kennt das Hochchinesische die folgenden vier verschiedenen Tonhöhen:
Die 4 Töne des Chinesischen
Durch diesen Trick vervierfacht sich die Anzahl der Silben mit einem Schlag. Für den Ausländer lauern hier jedoch viel Frustration und allerhand Fettnäpfchen. Denn wir Langnasen tun uns schwer mit den Tönen. Für manch einen »Ton-tauben« Lernenden dauert es Wochen, bis er die Töne nicht nur sicher erkennen, sondern auch reproduzieren kann. Vielleicht unterschätzen Anfänger daher schon aus purem Selbstschutz oft die Bedeutung der Töne? Bei allen Schwierigkeiten sind sie jedoch nicht zu vernachlässigen. Wer tonlos spricht, ist schlicht nicht verständlich: Die Verwechslungsgefahr von qĭng wèn (»darf ich fragen«) mit qĭng wĕn (»darf ich küssen«) ist noch ziemlich lustig, wer shíshī (»etwas umsetzen«) und shìshì (»versterben«) verwechselt, greift schon eher daneben. Und das sind nur zwei Beispiele von Tausenden von potentiellen Missverständnissen.
Nicht minder schwierig sind die verschiedenen Laute, die es im Deutschen nicht gibt und die dem westlichen Lernenden schwerfallen: ji oder qi, ju, xu oder qu, zhi oder chi … viele Menschen hören den Unterschied einfach nicht. Die meisten Menschen können, je nach Muttersprache, nur ein ganz bestimmtes Set von Phonemen, den lautlich kleinsten Einheiten, unterscheiden. Leider sind die Phoneme, die zum Beispiel die deutsche Sprache benutzt, nicht ganz genau deckungsgleich mit den Phonemen des Chinesischen. Während Neugeborene noch alle rund 70 Phoneme der menschlichen Sprachen unterscheiden können, geht diese Fähigkeit im Laufe des ersten Lebensjahrs erst einmal verloren. Kein Wunder, dass sich viele Lernende mit typisch chinesischen Lauten schwertun. Tröstlicherweise ist dieser Vorgang jedoch nicht irreversibel: Mit ein wenig Übung gelingt es dann doch noch, die Unterschiede zu hören und letztlich zu reproduzieren.7