2,49 €
Erschrocken sah sie ihn an. "Du erwartest, dass ich das gesamte nächste Jahr in Venedig verbringe?" "Ich erwarte, dass du den Rest deines Lebens mit mir verbringst." Rachels Plan geht schrecklich schief! Um ihren kleinen verwaisten Neffen in die sichere Obhut seines reichen Onkels Giovanni Marcello zu geben, reist sie nach Venedig. Sogar die Paparazzi hat sie zu diesem hochbrisanten Treffen eingeladen, um den Milliardär unter Druck zu setzen. Doch was tut dieser arrogante, umwerfend aussehende Italiener? Er küsst sie heiß im Blitzlichtgewitter, behauptet, sie seien verlobt - und entführt sie in seinen opulenten Palazzo am Canal Grande! Wo er ihr einen skandalösen Vorschlag macht: Heirat!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 200
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Jane Porter Originaltitel: „His Merciless Marriage Bargain“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2348 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Monika Schott
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733710330
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de
Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.
Rachel Bern stand zitternd vor dem imposanten Portal des Palazzo Marcello. Der Wind zerrte an ihrem Mantel und ihrem Pferdeschwanz.
Der Himmel war wolkenverhangen, und das Meer flutete die Straßen Venedigs. Die stürmische Witterung erinnerte Rachel ein wenig an das Wetter in Seattle. Sie war Regen gewohnt. Und sie zitterte nicht vor Kälte, sondern vor Nervosität.
Das hier konnte komplett schiefgehen. Gut möglich, dass sie ihre und Michaels Situation mit dieser Aktion noch verschlechterte, aber sie wusste einfach nicht mehr weiter. Wenn es ihr so nicht gelänge, Giovanni Marcellos Aufmerksamkeit zu gewinnen, dann würde es ihr nie gelingen. Alle anderen Wege der Kontaktaufnahme hatte sie bereits versucht, doch es war nie etwas zurückgekommen. Sie ging ein großes Risiko ein. Aber was blieb ihr anderes übrig?
Der italienische Geschäftsmann und Milliardär Giovanni Marcello lebte sehr zurückgezogen. Er war weder per E-Mail noch telefonisch direkt erreichbar. Als Rachel endlich bis zu seinem Vorzimmer durchgedrungen war, hatte man ihr dort keine verbindliche Zusage gemacht, ihr Anliegen an den Chef der Holdinggesellschaft Marcello S.p. A. weiterzuleiten. Also stand sie nun vor seinem Familiensitz, dem Palazzo Marcello in Venedig. Durch harte Arbeit und unternehmerisches Geschick hatte die Handwerkerfamilie es im Laufe der Jahrhunderte zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Vor vierzig Jahren hatten die Marcellos damit begonnen, ihr Tätigkeitsfeld auf das Bau- und Immobilienwesen auszuweiten. Aber erst Giovanni Marcello begann, weltweit zu investieren. Unter seiner Ägide hatte sich das Familienvermögen vervierfacht, und der Name Marcello war zu einem der einflussreichsten Italiens geworden.
Der 38-jährige Giovanni stand dem in Rom ansässigen Unternehmen noch immer vor, doch Rachels Nachforschungen hatten ergeben, dass er seltener Gast im Firmensitz war und es vorzog, von Venedig aus zu arbeiten. Was der Grund dafür war, dass sie vor seiner Tür stand, erschöpft von der Reise und mit einem sechs Monate alten Baby im Arm. Er durfte sie nicht länger ignorieren. Sie würde nicht länger zulassen, dass er tat, als gäbe es sie und vor allem Michael nicht.
Mit bangem Herzen und Tränen in den Augen sah sie den Säugling an, der endlich eingeschlafen war, und bat ihn stumm um Verzeihung für das, was zu tun sie beabsichtigte. „Es ist nur zu deinem Besten“, flüsterte sie und drückte den Kleinen fester an sich. „Und ich bleibe in deiner Nähe, das verspreche ich!“
Obwohl es schlief, wand sich das Baby wie im Protest. Rachel lächelte traurig und lockerte ihren Griff. Sie hatte kein Auge zugetan, seit sie Seattle verlassen hatten. Genau genommen bekam sie seit Monaten kaum Schlaf – seitdem sie den Kleinen rund um die Uhr betreute. Mit einem halben Jahr sollte er eigentlich besser schlafen, aber vielleicht spürte er ihre Verunsicherung. Oder er vermisste seine Mutter.
Wieder zog sich Rachels Herz schmerzhaft zusammen. Wenn sie sich nach Michaels Geburt doch nur mehr um Juliet gekümmert hätte. Wenn sie nur verstanden hätte, wie verzweifelt Juliet gewesen war.
Aber Rachel konnte das Rad nicht zurückdrehen, und darum stand sie nun hier, um Michael der Familie seines Vaters zu übergeben. Natürlich nicht für immer, nur für ein paar Minuten. Nur, um auf ihn aufmerksam zu machen. Sie brauchten Hilfe. Sie war pleite und stand kurz davor, ihren Job zu verlieren. Das war nicht in Ordnung. Nicht, wenn die Familie seines Vaters helfen konnte und sollte.
Also klopfte sie nachdrücklich an die Tür. Anschließend drückte sie – für den Fall, dass man ihr Klopfen nicht gehört hatte – noch zusätzlich auf die Klingel und fragte sich, ob diese überhaupt funktionierte.
Durch den starken Wind, das Rauschen des Wassers und das Stimmengewirr der Touristen konnte sie nicht hören, ob sich im Palazzo jemand rührte. Sie wusste, dass sie beobachtet wurde, wenn auch nicht von innerhalb des Gebäudes aus, dann zumindest von den ringsum postierten Fotografen. Einer stand am anderen Ufer des Kanals, ein weiterer auf dem Balkon eines benachbarten Gebäudes und ein dritter in einer festgemachten Gondel. Rachel war froh, die Kameras zu sehen. Immerhin war sie diejenige gewesen, die den Medien den Tipp gegeben hatte, dass heute etwas Wichtiges passieren würde – und dass es mit einem Marcello-Baby zu tun hatte.
Das war nicht weiter schwierig, wenn man sein Geld mit Öffentlichkeitsarbeit und Marketing verdiente. Rachel arbeitete bei AeroDynamics, einem der größten Flugzeughersteller der Welt. Normalerweise setzte sie ihr Können ein, um neue, zahlungskräftige Kunden zu gewinnen – Scheichs, Magnaten, Sportgrößen und Stars –, indem sie die schnittigen, luxuriös ausgestatteten Jets im besten Licht dastehen ließ. Heute aber brauchte sie die Medien dafür, dass sie zu ihren Gunsten Druck ausübten. Die Bilder der Paparazzi würden die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Familie lenken, und das würde Giovanni Marcello sicher nicht gefallen. Seine Privatsphäre war ihm wichtig, weshalb er sicher alles unternehmen würde, um weiteres Aufsehen zu vermeiden. Und bis dahin musste sie dafür sorgen, dass alles in die richtige Richtung lief. Sie wollte die Marcellos nicht beschämen oder verärgern. Sie musste sie auf ihre – oder, besser gesagt, auf Michaels Seite ziehen. Gleichzeitig war ihr bewusst, dass sie mit ihrem Vorgehen auch das Gegenteil erreichen und die Familie sich noch mehr zurückziehen könnte.
Nein, das durfte sie gar nicht erst denken. Giovanni Marcello musste Michael als Familienmitglied anerkennen, und das würde er auch, sobald er sah, wie sehr sein Neffe seinem Bruder ähnelte.
Rachel wollte gerade ein zweites Mal klopfen, als geöffnet wurde. Ein hagerer, älterer Mann stand in der Tür. Der Raum hinter ihm sah riesig aus. Von der hohen Decke hing ein Kronleuchter.
Rachel blickte von dem prunkvollen Leuchter zurück zu dem Mann. Er trug einen schlichten dunklen Anzug, einen sehr einfachen Anzug. Rachel vermutete, dass er nicht zur Familie gehörte, sondern für die Marcellos arbeitete.
„Signor Marcello, per favore“, sagte sie ruhig und deutlich und hoffte inständig, dass er ihr Italienisch verstand. Sie hatte den Satz den ganzen Flug lang geübt, um ihn mit dem notwendigen Selbstbewusstsein auszusprechen.
„Il signor Marcello non è disponibile“, antwortete der Mann.
Rachel überlegte, was das wohl heißen mochte. Sie ahnte, dass es eine negative Antwort war. „È lui non a casa?“, radebrechte sie, nicht sicher, ob irgendetwas an diesem Satz richtig war. Ihr kleiner Sprachführer gab nicht allzu viel her.
„No. Addio.“
Das verstand sie. Nein und auf Wiedersehen.
Bevor der Mann die Tür schließen konnte, machte sie rasch einen Schritt vorwärts und hielt die Tür mit einem ihrer Füße auf.
„Der kleine Michael Marcello“, sagte sie auf Italienisch und sprach auf Englisch weiter, nachdem sie dem Mann das Kind in die Arme gedrückt hatte. „Bitte sagen Sie Signor Marcello, dass Michael nach dem Aufwachen sein Fläschchen braucht.“
Sie stellte die Windeltasche vor die Füße des Mannes. „Und seine Windel muss gewechselt werden. Wahrscheinlich, bevor er das Fläschchen bekommt“, fügte sie hinzu, bemüht, ruhig zu sprechen, was fast unmöglich war, weil ihr Herz raste und sie Michael am liebsten auf der Stelle wieder an sich genommen hätte. „In der Tasche ist alles, was er braucht. Falls es Fragen gibt – die Anschrift meines Hotels und meine Handynummer sind auch in der Tasche.“ Dann versagte ihre Stimme. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie wandte sich ab und ging eilig davon, bevor ihr die Tränen kamen.
Es ist zu Michaels Bestem, sagte sie sich und wischte sich die Tränen von den Wangen, als sie auf den Kanal zulief. Sei tapfer. Sei stark. Du tust das für ihn.
Das Baby würde nicht lange von ihr getrennt sein. Sie rechnete fest damit, dass Giovanni Marcello ihr folgen würde. Vielleicht nicht sofort, aber das Hotel war keine fünf Minuten per Wassertaxi entfernt.
Trotzdem fühlte sie sich ganz leer ohne Michael, und all ihre Instinkte bestürmten sie, zurückzugehen und direkt mit Giovanni zu reden. Doch wenn er nicht an die Tür kam? Wie sollte sie an ihn herankommen, um die notwendige Unterredung mit ihm zu führen?
Der hagere Alte rief mit dünner, spitzer Stimme etwas hinter ihr her. Rachel verstand nicht alles, aber ein Wort hörte sie deutlich heraus. Polizia. Drohte er ihr damit, die Polizei zu rufen? Überraschend wäre das nicht. Es wäre genau das, was sie tun würde, wenn irgendjemand ihr einen sechs Monate alten Säugling in die Hände drücken würde. Betäubt vor Sorge und Kummer konzentrierte sie sich auf ihr Wassertaxi. Der Fahrer sah sie an, und sie signalisierte ihm, dass sie aufbruchbereit war. Einen Moment später packte sie jemand mit festem Griff am Arm.
„Au“, rief Rachel. „Lassen Sie mich los!“
„Nicht wegrennen“, hörte sie eine tiefe Männerstimme auf Englisch mit sehr leichtem Akzent sagen.
Sie wandte sich um. Wegen der Strähnen, die aus ihrem Pferdeschwanz entkommen waren und ihr ins Gesicht wehten, sah sie kaum etwas. „Ich renne nicht weg“, erwiderte sie und versuchte, sich aus dem Griff des Mannes zu befreien. Doch es gelang ihr nicht. „Würden Sie bitte einen Schritt beiseitetreten?“
„Auf keinen Fall, Miss Bern.“
Nun wusste sie, wen sie vor sich hatte. Ein ehrfürchtiger Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sich die Haare hinters Ohr strich. Giovanni Marcello war nicht einfach nur groß. Er hatte beeindruckend breite Schultern, volles schwarzes Haar, helle Augen, hohe Wangenknochen und einen ernsten Mund. Sie hatte Bilder von ihm im Internet gesehen. Es gab nicht viele, weil er sich kaum in der Öffentlichkeit zeigte – ganz anders, als sein Bruder Antonio es getan hatte. Und auf jedem einzelnen dieser Bilder war er elegant gekleidet und perfekt frisiert. Makellos, glatt und hart.
In Wirklichkeit wirkte er noch härter. Mit finsterer Miene funkelte er sie aus seinen eisblauen Augen an.
Er hatte etwas Einschüchterndes. Es war, als verberge sich hinter seiner glatten Fassade etwas Düsteres, Wildes, Gefährliches. Rachel machte einen Schritt rückwärts.
„Sie haben doch gesagt, dass Sie nicht weglaufen“, donnerte er.
„Ich laufe nicht weg. Es ist nicht nötig, dass Sie mich festhalten.“
„Ich wüsste nicht, warum ich Ihnen glauben sollte. Immerhin haben Sie gerade ein Kind bei mir ausgesetzt.“
„Ich habe es nicht ausgesetzt. Sie sind sein Onkel.“
„Ich rate Ihnen, das Kind wieder an sich zu nehmen, bevor ich die Polizei rufe.“
„Rufen Sie ruhig die Polizei. Dann erfährt die Welt wenigstens die Wahrheit.“
„Ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen, als dass Sie das Kind wieder an sich nehmen …“
„Er ist Ihr Neffe.“
„… und verschwinden sollten, um Unannehmlichkeiten für alle Beteiligten zu vermeiden.“
„Ich hatte bereits etliche Unannehmlichkeiten. Sie haben ja keine Ahnung, wie schwierig es war, Ihren Aufenthaltsort zu ermitteln. Ich habe Monate gebraucht und musste einen Privatdetektiv engagieren, den ich mir eigentlich nicht leisten kann. Aber jetzt stehe ich Ihnen gegenüber, und wir können die Verantwortlichkeiten neu regeln. Ihre Unterstützung ist dringend erforderlich.“
„Ich bin für Sie und das Baby nicht zuständig.“
„Michael ist ein Marcello. Er ist das einzige Kind Ihres verstorbenen Bruders, und er sollte von seiner Familie beschützt und versorgt werden.“
„Das wird er nicht.“
„Ich denke schon.“
Er kniff die Augen zusammen. „Sie wollen mich provozieren.“
„Warum nicht? Wo Sie mich seit Monaten provozieren? Sie hatten lange genug Zeit, meine E-Mails und Anrufe zu beantworten, aber Sie haben nichts unternommen. Also bin ich nun hier, um Ihnen das zu geben, was Ihnen gehört.“ Was nicht ganz stimmte, da sie nicht vorhatte, Michael hierzulassen. Aber das musste Giovanni Marcello nicht wissen.
„Sie können nicht ganz richtig im Kopf sein, wenn Sie den Sohn Ihrer Schwester aussetzen …“
„Und Antonios Sohn“, unterbrach Rachel ihn mit fester Stimme. „Vielleicht erinnern Sie sich daran, was Sie im Biologieunterricht gelernt haben? Zur Zeugung benötigt man normalerweise zwei Menschen, und in diesem Fall waren es Juliet und Antonio.“ Sie verstummte und verkniff sich den Rest. Juliet war immer etwas weltfremd gewesen mit ihren Träumereien von der großen Liebe, teuren Sportwagen und reichen Freunden.
„Die Ergebnisse des DNA-Tests liegen in der Wickeltasche“, fuhr sie fort. „Sie finden dort außerdem die medizinischen Unterlagen und alles, was Sie zu seinen täglichen Abläufen wissen müssen. Ich habe meinen Teil getan. Jetzt sind Sie dran.“ Damit wandte Rachel sich ab, froh darüber, dass das Wassertaxi noch auf sie wartete.
Wieder hielt er sie fest, dieses Mal am Nacken. „Sie gehen nirgendwohin, Miss Bern, zumindest nicht ohne das Kind“, drohte er mit gesenkter Stimme.
Sein Griff um ihren Hals war nicht schmerzhaft, doch ihre Haut kribbelte am ganzen Körper. Es fühlte sich fast an, als hätte er sie unter Strom gesetzt. Als er sie zu sich umdrehte, bekam sie eine Gänsehaut. Alles an ihr war plötzlich überempfindlich.
Auch wenn sie keine Angst hatte, war dieses Gefühl zu intensiv, um angenehm zu sein.
„Und Sie sollten lieber nicht so grob mit mir umgehen, Signor Marcello“, antwortete sie mit heftig pochendem Herzen.
„Wieso das, Miss Bern?“
Sie sah ihm ins Gesicht. Ihre Blicke trafen sich. Auf einmal war sein Blick nicht mehr eisig. Aus seinen Augen leuchteten ihr Intelligenz, Leidenschaft und Stärke entgegen. Die Energie, die von ihm ausging, war so stark, dass sie von Rachels Körper Besitz ergriff und ein Feuer in ihr entfachte. Auf einmal kam sie sich ganz nackt vor.
Sie schnappte nach Luft und starrte erst seine markante gerade Nase und dann die zwei Falten neben seinen Mundwinkeln an. Wäre er ihr nicht so zuwider gewesen, hätte sie diese Falten schön gefunden. „Sie liefern den Paparazzi gerade reichlich Material“, flüsterte sie.
Er runzelte die Stirn.
„Es wird morgen in den Zeitungen nicht gut aussehen, wie Sie mich hier festhalten. Ich fürchte, es sind schon einige verfängliche Aufnahmen entstanden.“
„Verfängliche Aufnahmen …“ Nun schien er zu begreifen. Augenblicklich ließ er sie los und suchte die Umgebung mit dem Blick ab. Sie sah, wie er einen Fotografen nach dem anderen entdeckte.
„Was haben Sie getan?“, fragte er dann schroff. Sein Akzent war nun deutlicher zu hören.
Rachel hatte ihren ersten Treffer gelandet, und das war ihr nicht geheuer. Sie war es nicht gewohnt, gegen jemanden zu kämpfen, schon gar nicht gegen einen mächtigen Mann. Bei ihrer Arbeit unterstützte sie andere und versorgte sie mit Informationen. Dort ging es nicht darum, zu widersprechen oder jemanden herauszufordern.
„Ich habe getan, was getan werden musste“, antwortete sie mit heiserer Stimme. „Sie haben sich geweigert, Ihren Neffen anzuerkennen. Und da Ihre Familie Ihnen in allem folgt, musste ich den Druck erhöhen. Jetzt weiß die ganze Welt, dass der Sohn Ihres Bruders Ihrer Familie übergeben wurde.“
Giovanni atmete tief durch. Er war ebenso schockiert wie wütend. Ich bin ausgetrickst worden. Ausgetrickst. Von einer manipulativen, geldgierigen Amerikanerin. Er hasste Leute, die es auf das Geld anderer abgesehen hatten. Diese gierigen, egoistischen, seelenlosen Gestalten. „Sie haben die Medien hierherbestellt?“
„Ja.“
Rachel war nicht anders als ihre Schwester. Er kochte, doch das ließ er sich nicht anmerken. „Und jetzt sind Sie zufrieden mit sich.“
„Ich bin zufrieden damit, Sie aus Ihrem Versteck gelockt zu haben.“
„Jeder weiß, dass ich hier wohne, und es ist allgemein bekannt, dass ich hier auch arbeite. Ich habe mich nie versteckt.“
„Wie kommt es dann, dass wir erst jetzt miteinander reden? Ich habe zigmal versucht, Sie zu erreichen, aber Sie haben nicht einmal daran gedacht, sich zurückzumelden!“
Wie kommt sie dazu, Forderungen zu stellen? Von Anfang an hatte ihre Familie nur eines im Sinn gehabt: die Marcellos zu schröpfen. Ihre Schwester Juliet Bern war nicht in seinen Bruder verliebt gewesen, sie hatte sich nur für Antonios Geld interessiert. Und nun, wo Juliet tot war, stand diese Rachel vor seiner Tür. Widerwärtig. „Ich und meine Familie sind Ihnen nichts schuldig. Ihre Schwester ist tot, und mein Bruder ist auch tot. So ist das Leben nun einmal.“
„Juliet hat mir schon gesagt, dass Sie ein Herz aus Eis haben.“
„Glauben Sie wirklich, dass Sie die erste Frau sind, die versucht, Antonios Geld einzufangen?“ Oder meins, fügte er stumm hinzu, denn ihn hatte man auch schon zum Narren gehalten. Aber er hatte daraus gelernt. Er fiel nicht mehr so leicht auf ein hübsches Gesicht herein.
„Ich habe nicht versucht, jemanden einzufangen. Ich verliebe mich nicht in Fremde und schlafe nicht mit reichen Italienern. Ich habe ein Gewissen und moralische Grundsätze, und weder bewundere ich Sie, noch finde ich Ihren Reichtum anziehend. Allerdings wären Sie in der Lage, einem kleinen Jungen zu helfen, der dringend Unterstützung braucht.“
„Soll ich Ihnen jetzt zu Ihrem hehren Charakter gratulieren?“
„Nein. Sie sollen nur auf Ihr Gewissen hören.“
Aus den Augenwinkeln sah Giovanni, wie einer der Fotografen näher kam und dabei unablässig knipste. Es fiel ihm schwer, sich seine Wut nicht anmerken zu lassen. Unfassbar, dass es ihr gelungen war, ihn aus dem Palast hierherzulocken, wo ihn jeder sehen konnte.
Als Leiter des Familienunternehmens war er stets darauf bedacht, dass nichts aus seinem Privatleben an die Presse gelangte. Er hatte fast zehn Jahre gebraucht, um den Ruf der Firma widerherzustellen und das Unternehmen wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Am Ende konnten die Marcellos wieder stolz auf ihren Namen sein. Doch der Weg dahin war beschwerlich gewesen, es hatte unablässiger, konzentrierter Arbeit bedurft, das Ziel zu erreichen. Für einen kurzen Moment war er unvorsichtig gewesen, und schon war diese Amerikanerin dabei, die Marcellos erneut zu einem gefundenen Fressen für die Klatschpresse zu machen.
Auf keinen Fall würde er zulassen, dass Antonios Andenken von irgendwelchen geldgeilen Leuten besudelt wurde. „Diese Unterhaltung werde ich nicht auf der Straße weiterführen“, erklärte er. Normalerweise war er gut darin, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen und Konflikte zu vermeiden. Doch nun stand er hier und führte nur eine Ecke vom Canal Grande entfernt eine Seifenoper erster Güte auf. Öffentlicher ging es nicht. „Und ich werde nicht zulassen, dass Sie Schindluder mit meiner Familie treiben. Wenn es eine Story gibt, dann liefere ich den Stoff dafür, nicht Sie.“
„Dafür ist es jetzt zu spät, Signor Marcello. Diese Story ist bereits von einem halben Dutzend Kameras aufgenommen worden. Die Bilder sind wahrscheinlich in weniger als einer Stunde online. Die Klatschblätter zahlen …“
„Ich weiß sehr gut, wie das mit den Paparazzi läuft.“
„Dann ist Ihnen auch klar, was für Material sie jetzt in der Hand haben. Mich, wie ich das Baby Ihrem Angestellten überreiche, Sie, wie Sie hinter mir herrennen, und nun unser Streit vor meinem Wassertaxi.“ Sie hielt inne. „Wäre es nicht viel einfacher gewesen, einen meiner Anrufe anzunehmen?“
Er musterte sie und musste an eine Frau denken, die Rachel Bern sehr ähnlichsah.
Eine andere selbstbewusste, schöne Brünette …
Energisch schob er den Gedanken an seine ehemalige Verlobte Adelisa beiseite. Doch ihr Bild in seinem Kopf erinnerte ihn daran, dass er sich geschworen hatte, nie wieder zuzulassen, dass eine Frau Macht über ihn erlangte. Glücklicherweise wusste er, wie er die Story in eine andere Richtung abbiegen konnte. Rachel war hergekommen, um den Paparazzi Motive zu liefern, um die sich alle Blätter reißen würden. Dabei konnte er ihr behilflich sein. Er würde ihre Strategie torpedieren, indem er dafür sorgte, dass die Paparazzi etwas wirklich Aufsehenerregendes vor die Linse bekamen.
Giovanni schlang einen Arm um ihre Taille und zog Rachel an sich. Er umfasste ihr Gesicht und neigte ihren Kopf so, dass sie zu ihm aufblicken musste. In ihren grüngolden gesprenkelten braunen Augen flackerte Panik auf, bevor er den Kopf senkte und sie küsste.
Sie erstarrte und hielt den Atem an. Giovanni spürte ihre Angst und Anspannung und küsste sie sanfter. Auch wenn er sie eben voller Wut an sich gezogen hatte – es war nicht seine Art, im Zorn zu küssen.
Ihre Lippen waren weich und warm. Mit der Zungenspitze strich er über sie und spürte, wie Rachel erbebte, bevor er die Liebkosung wiederholte und behutsam ihre Oberlippe zwischen die Zähne nahm. Ein heiserer Seufzer entrang sich ihr.
Er küsste sie inniger und deutlich erregt, und sie ließ ihn gewähren. Es war Monate her, dass er einen Kuss auch nur halb so sehr genossen hatte, und er nahm sich Zeit, sie zu erschmecken und zu erspüren. Er fuhr mit der Zunge über den Rand ihrer Oberlippe und spürte, wie sie erbebte und sich ihm noch weiter öffnete.
Sie schmeckte gut und aufregend, aber gleichzeitig unschuldig. Sein Körper stand unter Strom, das Blut peitschte durch seine Adern. Mit der Hand in ihrem Kreuz drückte er sie noch enger an sich, fuhr mit der Zunge über ihre Unterlippe und umschlängelte schließlich ihre Zunge, worauf sie erneut erbebte.
Ihre atemlosen Seufzer machten ihm Lust auf mehr. Es war lange her, dass er ein solches Verlangen empfunden hatte. Von seiner letzten Geliebten hatte er sich vor eineinhalb Jahren getrennt. Danach hatte er sich zwar mit verschiedenen Frauen getroffen, aber mit keiner von ihnen geschlafen. Warum sollte er auch, wenn er keine Lust darauf hatte? Antonios Tod hatte ihn für alles unempfänglich gemacht – bis jetzt.
Unvermittelt ließ er Rachel los und trat einen Schritt zurück. Sein hart klopfendes Herz spiegelte seine heftige Erregung wieder. Rachel stand reglos da und sah ihn benommen an.
„Jetzt haben deine Fotografenfreunde etwas richtig Spannendes bekommen.“ Selbst für seine eigenen Ohren klang seine Stimme harsch. „Ich bin gespannt, für welche Geschichte sich die Medien entscheiden, nachdem wir ihnen diese Bilder geliefert haben.“ „Warum hast du das getan?“, presste Rachel hervor.
„Das hier ist meine Stadt. Wenn es eine Story gibt, dann meine, nicht deine.“
„Und was ist das für eine Story, Signor Marcello?“
„Lass es uns ein wenig einfacher machen. Ich bin Giovanni. Freunde und Verwandte nennen mich Gio. Das kannst du auch gern – und ich sage Rachel zu dir.“
„Förmlich ist mir lieber.“
„Aber es klingt falsch“, erwiderte er und strich ihr behutsam eine Strähne aus dem Gesicht. Ihre Haut war so warm und weich, und er musste an den Kuss denken, der so glutvoll und köstlich gewesen war. Noch immer hatte er Lust auf sie. Nach den vielen Monaten der Trauer und der Leere war es das erste Mal, dass er Verlangen empfand. „Wir sind keine Fremden mehr. Wir haben eine gemeinsame Geschichte. Eine Story. Und die Medien werden unsere Story sicher lieben.“
„Es gibt nur eine Geschichte. Die von Ihrem Neffen, den Sie nicht anerkennen und nicht unterstützen wollen.“
„Aber ist er denn wirklich mein Neffe?“
„Ja, und das wissen Sie ganz genau. Ich habe Ihnen die Geburtsurkunde geschickt, und wir können einen weiteren DNA-Test machen lassen, während ich hier bin.“
„Um was zu beweisen?“, fragte er.
Bevor sie antworten konnte, zog er sie wieder an sich, vergrub eine Hand in ihrem dunklen Haar und neigte ihren Kopf, um sie zu küssen. Weder verspannte noch sträubte sie sich – eher schmiegte sie sich an ihn. Als er den Kopf wieder hob, war sie ganz still und sah mit großen Augen zu ihm auf.
„Du solltest deine Gegner nie unterschätzen, Rachel“, sagte Giovanni und streichelte sanft mit dem Daumen über ihre gerötete Wange. „Und vor allem hättest du mich nicht unterschätzen dürfen.“
Rachel schwirrte der Kopf. Ihr war schwindelig, und sie hatte weiche Knie. In ihr herrschte das absolute Gefühlschaos. Was ist da eben nur passiert? Wie habe ich so schnell die Kontrolle verlieren können?