Sizilianische Rache - Ann Baiano - E-Book + Hörbuch

Sizilianische Rache Hörbuch

Ann Baiano

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Beschreibung

An einem heißen Sommermorgen in Palermo reißt ein Anruf den Journalisten Luca Santangelo aus dem Schlaf. Panisch bittet ihn sein Sohn Diego, sofort an die Westküste Siziliens zu kommen. Während eines nächtlichen Ausflugs auf die unbewohnte Insel Mozia wurde Diego in den Ruinen einer antiken Siedlung Zeuge eines Raubzugs – und entdeckte die Leiche eines jungen Mannes. Schnell wird Diego zum Hauptverdächtigen. Um seinen Sohn vor dem Gefängnis zu bewahren, beginnt Luca den wahren Täter zu suchen und verstrickt sich tief in eine generationsübergreifende Geschichte um Betrug, Rache und eine blutige Tradition Siziliens …

Luca Santangelo - ein pfiffiger Reporter ermittelt unter der Sonne Italiens.

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Zeit:6 Std. 28 min

Sprecher:Martin Umbach
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Über das Buch

An einem heißen Sommermorgen in Palermo reißt ein Anruf den Journalisten Luca Santangelo aus dem Schlaf. Panisch bittet ihn sein Sohn Diego, sofort an die Westküste Siziliens zu kommen. Während eines nächtlichen Ausflugs auf die unbewohnte Insel Mozia wurde Diego in den Ruinen einer antiken Siedlung Zeuge eines Raubzugs – und entdeckte die Leiche eines jungen Mannes. Schnell wird Diego zum Hauptverdächtigen. Um seinen Sohn vor dem Gefängnis zu bewahren, beginnt Luca den wahren Täter zu suchen und verstrickt sich tief in eine generationsübergreifende Geschichte um Betrug, Rache und eine blutige Tradition Siziliens …

Luca Santangelo – ein pfiffiger Reporter ermittelt unter der Sonne Italiens.

Über Ann Baiano

Ann Baiano, Jahrgang 1973, studierte Romanistik und lebte viele Jahre auf Sizilien. Sie hat Romane aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt, bevor sie anfing, Krimis zu schreiben.

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Ann Baiano

Sizilianische Rache

Luca Santangelo ermittelt

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Nachbemerkung

Impressum

1

Leise plätscherte das dunkle Wasser, als sie vorsichtig in das kleine Holzboot mit seinen von der Sonne ausgeblichenen roten und blauen Streifen stiegen. Silbriges Mondlicht lag noch über der Lagune, und dort, gar nicht weit entfernt, zeichnete sich in der Dämmerung der Umriss der kleinen Insel Mozia ab. Es würde wieder ein heißer Tag werden, dachte Diego, als er sich an dem alten, rostigen Hilfsmotor zu schaffen machte. Der ruckelte und spuckte, dann zerschnitt ein Geräusch die Stille, das wie das Aufjammern eines gequälten Tiers klang.

Als Giulia hinter ihm kicherte, zuckte er zusammen und drehte sich um: Kein Mensch war am Ufer zu sehen, die Landstraße lag verlassen da, ebenso der kleine Hafen, an dem tagsüber die Fähren nach Mozia ablegten. In der Ferne sah er die Lichter von Marsala in der Dämmerung schwächer werden.

»Setz dich, es geht los«, forderte er Giulia auf, die sich gerade eine Zigarette anzündete. Sie zog ihre Highheels aus und setzte sich auf eine der beiden morschen Holzbänke. Es roch nach abgestandenem Wasser und verfaultem Fisch. Diego rümpfte die Nase und schaute in das pechschwarze Wasser. Voller Algen und Schlamm, das konnte man bei dem Licht nicht sehen, aber er erinnerte sich, dass er sich jedes Mal vor dem Lagunenwasser geekelt hatte, wenn er hier gewesen war.

»Fahr los, wenn die Sonne aufgeht, will ich drüben sein.« Giulia kicherte wieder und warf die langen hellbraunen Haare zurück. Er war froh, dass sie den Sommer auf Sizilien verbrachte nach dem Jahr in Rom, in dem sie sich nur selten gesehen hatten: Ihr Studium der Archäologie und die Hauptstadt hatten sie vollkommen absorbiert, und er war vor Eifersucht fast verrückt geworden. Am liebsten wäre er auch nach Rom gegangen und hätte dort Jura studiert, aber sein Vater wollte, dass er erst einmal in Palermo zeigte, wie ernst er es mit dem Studium meinte. Typisch, sein Vater war meistens ein Spielverderber, und Giulia konnte er nicht besonders leiden … Jetzt wollte Diego wenigstens im Sommer so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen. Auf den Club in Marsala hatte er heute eigentlich schon um drei Uhr keine Lust mehr gehabt, ein lahmer DJ und komische Leute – nicht zu vergleichen mit denen in Palermo, aber Giulia wollte tanzen und immer weiter tanzen und hatte ihn wieder und wieder an die Bar geschickt. Dann hatte sie die Idee gehabt, nach Mozia überzusetzen. »Bitte, bitte, die Insel ist wunderschön, ich zeig dir, wo wir gerade graben. Komm schon, dort sind wir ganz allein …«

Letzteres hatte Diego überzeugt, denn die phönizischen Ausgrabungen, von denen sie dauernd erzählte, interessierten ihn nicht besonders.

Langsam tuckerte das kleine Boot über die Lagune der Insel entgegen. Das Wasser sah in der taubengrauen Dämmerung dunkel und bodenlos aus, obwohl die Lagune höchstens anderthalb Meter tief war. Er fröstelte, als ein leichter Wind aufkam. Giulia hatte sich noch eine Zigarette angezündet, seine Lederjacke über die Schultern geworfen und erzählte von den Phöniziern, von der sagenhaften Stadt, die sie einst auf der kleinen Laguneninsel Mozia erbaut hatten, von den Ausgrabungen, an denen sie teilnehmen durfte, und von dem geheimnisvollen Opferplatz, den sie vor ein paar Tagen entdeckt hatten.

»… Baal, das war ein grausamer Kriegsgott, und die Phönizier haben ihm oft ihre erstgeborenen Söhne geopfert, damit er sie und ihre Familien verschont. Die Kinder wurden erst gesteinigt und dann verbrannt …«

Diego gruselte es – was für eine schreckliche Geschichte. Oder hatte Giulia sich das ausgedacht? Phönizier waren doch Griechen – waren die nicht sehr fortschrittlich gewesen? Er hielt Kurs auf die Insel und fragte sich, ob es schlau gewesen war, das sorgsam vertäute Boot einfach mit dem Taschenmesser loszuschneiden. Was, wenn der Besitzer früh fischen fahren wollte? Wie sollte er das Ding je wieder festbekommen? Er schaute auf die Uhr: Es war kurz vor sechs, ging da jemand fischen?

»Guck mal, da!«, riss ihn Giulias Stimme aus seinen Gedanken. Sie war aufgesprungen und brachte den alten Kahn ordentlich ins Schwanken. Die Insel lag nun direkt vor ihnen, leise schlug das Wasser an die kleinen Buchten. Und plötzlich sah er es auch – Licht, dort auf der Insel.

»Du hast gesagt, da ist nachts keiner. Wir drehen um! Ich habe keine Lust, Ärger zu bekommen.« Diegos Stimme war heiser vor Aufregung, er räusperte sich. Was für eine dämliche Idee, romantisch war das jetzt echt nicht.

»Nein, warte, da ist sonst nachts wirklich keiner, die Insel ist unbewohnt – vielleicht versucht jemand, ins Museum einzubrechen. Mach den Motor aus!« Diego ließ den Motor absaufen. Er griff zu den Rudern, die schwerer waren, als er gedacht hatte, und ruderte die letzten Meter bis zu einer der kleinen mit Kieselsteinen übersäten Buchten.

»Schneller!«, flüsterte Giulia, als er das Boot auf den Strand zog. »Siehst du das? Da drüben, die Lichter – dort ist das Museum! Los, komm!«

»Giulia, warte! Lass uns abhauen! Wenn das wirklich Diebe sind – ich hab hier noch nicht mal Empfang …«

Er tippte hektisch auf seinem Handy herum, nichts, kein einziger Balken.

»Feigling, komm schon!« Giulia verschwand barfuß zwischen den Büschen, während Diego das Boot höher auf den Kies zog. Hätte noch gefehlt, dass es abtrieb und sie nicht mehr wegkamen. Als er sich umdrehte, konnte er sie nicht mehr sehen und begann zu fluchen. Er kannte die Insel im Gegensatz zu ihr, die seit Wochen jeden Tag hier verbrachte, überhaupt nicht. War sie dort langgegangen? Er versuchte, sich einen Weg durch die dichte Macchia zu bahnen.

»Was für eine beschissene Idee«, murmelte er, dann stolperte er über etwas, das wie ein Steinhaufen aussah.

»Minchìa!« Er hielt sich das Knie, seine Hose war aufgerissen, er sah Dreck und ein paar Blutstropfen.

»Verdammte Scheiße!« Mühsam rappelte er sich auf, als er hinter sich ein Rascheln hörte. Er fuhr herum und schrie vor Schreck auf. In der Dämmerung stand eine alte Frau. Die Gesichtszüge waren durchfurcht von Falten. Sie war in Lumpen gehüllt, und auf ihren Schultern lag eine schwarze Strickstola, deren Enden sie in den knochigen Händen hielt. Um den Kopf standen ihr wirr die weißen Haare. Als sie anfing zu lachen, klang es wie das Meckern einer Ziege. Er schrie noch einmal und rannte dann weg, so schnell er konnte. Durch dichtes Gebüsch, die Zweige peitschten ihm ins Gesicht, seine Füße verfingen sich in Disteln, immer wieder strauchelte er, riss sich aber hoch und stürzte weiter, bloß weg von der alten Hexe.

Als er sich schließlich umdrehte, sah er die Alte nicht mehr. Sein Herz schlug bis zum Hals, immer wieder drehte er sich in alle Richtungen um. Wo war er? Und wo war dieses verdammte Museum? Mühsam versuchte er, sich zu orientieren, und merkte, dass er in die falsche Richtung gelaufen war. Er musste Giulia finden, sie von dem blöden Museum wegholen und dann verschwinden. Die dümmste Idee aller Zeiten – von wegen unbewohnt, hier war nachts mehr los als in Marsala …

Immer wieder zuckte er zusammen, wenn er ein Rascheln hörte oder ein Vogel zu zwitschern begann. Er fühlte, wie ihm der Schweiß über die Stirn rann, obwohl es noch kühl war, und sein Knie tat weh. Verzweifelt versuchte er, in der Macchia, zwischen Ginsterbüschen, Zwergpalmen, Süßklee und Agaven, eine Art Weg auszumachen. Da vorn, das sah aus wie ein Trampelpfad. Links von ihm lichtete sich das Dickicht, er sah eine Steinmauer und darunter eine Grube voller Geröll – und blieb stocksteif stehen. Ein Körper lag dort, seltsam verkrümmt.

Am liebsten wäre er weggerannt, aber er konnte sich nicht bewegen. Schließlich nahm er seinen ganzen Mut zusammen, kletterte vorsichtig in die Grube und drehte den reglos Daliegenden um. Das schmale Gesicht kam ihm bekannt vor, die schwarzen glatten Haare, die dichten schwarzen Brauen, die helle Haut mit den vielen Leberflecken. Giacomo! Diego wurde übel. Giacomo Leoni, Giulias Kommilitone. Der Streber, dessen Vater die Exkursionen der Fakultät sponserte. Von dem Giulia manchmal geschwärmt hatte, weil er einfach »alles wusste«. Diego war eifersüchtig geworden, dann hatte sie nicht mehr über ihn geredet. Vor ein paar Wochen hatte Diego ihn auf einer Party kennengelernt, nur kurz, weil der andere kaum geredet, in einer Ecke gestanden, ein Bier getrunken hatte und dann schnell verschwunden war. Jetzt klebte ihm Blut an der Stirn und am Hinterkopf, und die Augen waren geschlossen. Atmete er? Diego hielt sein Ohr an den Mund des Jungen und lauschte. Vielleicht ganz schwach? Er suchte hektisch nach dem Puls, am Hals, dann am Handgelenk und war sich nicht sicher, ob es pochte oder ob das sein eigener Puls war, der verrücktzuspielen schien.

»Giacomo, Giacomo, hey, hörst du mich?« Nichts. Er musste erste Hilfe leisten, jemanden anrufen. Aber sein Handy zeigte immer noch keinen Empfang an.

»Cazzo, und jetzt?« Er beugte sich wieder über Giacomo und rüttelte unentschlossen an seiner Schulter. Dann versuchte er, sich an den Erste-Hilfe-Kurs zu erinnern, den er vor seiner Führerscheinprüfung gemacht hatte. Beatmen musste er ihn und irgendwie auf die Brust drücken. Er versuchte es ein paarmal, ohne Reaktion. Der Körper fühlte sich warm an, aber er konnte keinen Atem wahrnehmen.

»Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Panik erfasste Diego. Er stand auf und rannte los, er musste Hilfe holen. In der Ferne hörte er ein Motorengeräusch und Schreie, er rannte schneller und schneller, Schweiß lief ihm über das Gesicht.

Der Mond stand nur noch als blasse Sichel am Himmel, die ersten Sonnenstrahlen warfen ein fahles hellblaues Licht auf die Insel, auf die hellen Steine, das Gebüsch und die gelben, violetten und pinkfarbenen Blumen, die überall wucherten, sich das zurückholten, was die Studenten Jahr für Jahr freizulegen suchten: die merkwürdigen steinernen Grundrisse, die Diego nicht einordnen konnte, Haufen von Schutt und Geröll. Da vorn war endlich das Museum.

»Giulia! Giulia, wo bist du?«

Diego schrie, so laut er konnte, jetzt wollte er die Stille übertönen, die auf der Insel herrschte und ihm Angst machte. Als er den kleinen bungalowartigen Bau erreichte, in dem das Museum untergebracht war, sah er, dass die Tür aufgebrochen war.

»Giulia?«

Nichts. Vorsichtig schob er die Tür auf und ging in den niedrigen Raum. Vitrinen voller Tonscherben säumten die grauen Wände, größere Vasen und Töpfe standen auf der Erde. Schnell lief er durch die übrigen drei Räume. Keine Spur von Giulia, nur Vitrinen voller Zeug, unendlich viele kleine Figuren, Schmuck, primitives Werkzeug.

»Giulia, cazzo, wo bist du?«

»Diego? Diego!«

Diego rannte aus dem Museum, als er sie rufen hörte, dann sah er Giulia, die winkend auf ihn zukam, auch sie vollkommen außer Atem.

»Sie sind abgehauen, drei Männer, mit einem Motorboot, und haben sie mitgenommen! Die Statue! Der Jüngling von Mozia! Schnell, lass uns die Polizei rufen, ich hab hier keinen Empfang! Da unten an der Anlegestelle ist es besser, los …«

Sie keuchte und strich sich das von Schweiß verklebte Haar aus der Stirn. Diego packte sie am Arm.

»Giulia, da hinten liegt Giacomo, er ist schwer verletzt. Eine alte Frau rennt hier rum, ich weiß nicht, was sie damit zu tun hat. Krankenwagen, wir brauchen einen Krankenwagen!«

Giulia wurde kreidebleich, machte sich von ihm los und trat einen Schritt zurück.

»Giulia, hörst du mich? Wir müssen Hilfe holen …«

»Giacomo? Giacomo Leoni? Was hast du mit ihm gemacht?«

»Was soll ich gemacht haben? Ich sag doch, da rennt eine alte Frau rum, ich wollte weg und sehe Giacomo da liegen …«

Sie starrte ihn reglos an.

»Unten an der Anlegestelle ist Empfang, sagst du?« Diego drehte sich um und lief in Richtung Ufer, das Handy in der Hand.

»Komm, komm, komm schon, na endlich …«

Ein Balken erschien auf dem Display, dann noch einer.

Luca Santangelo wälzte sich in einem unruhigen Schlaf, als das Telefon klingelte. Er fuhr hoch und sah auf die Uhr: 6:57.

»Hallo?« Er räusperte sich.

»Pa …«

Mit einem Schlag war er hellwach. Sein Sohn. Um diese Uhrzeit.

»Diego, wo bist du? Was ist los?«

»Ich bin auf Mozia, mit Giulia, hier ist einer verunglückt, ein Kommilitone von Giulia. Giacomo Leoni, der braucht einen Arzt. Und die haben das Museum ausgeräumt, diese Statue ist weg, die berühmte, und eine alte Frau rennt hier rum, so eine Hexe, die mich verfolgt, Pa, du musst …«

Er sprang aus dem Bett, das Handy ans Ohr geklemmt und versuchte gleichzeitig, sich anzuziehen und irgendeinen Sinn im Wortschwall seines Sohnes auszumachen.

»Diego, beruhige dich, noch mal von vorn! Was machst du auf Mozia, cazzo?«

»Giulia wollte dahin, sie wollte mir was zeigen …«

Luca stöhnte, natürlich, diese Giulia. Den ganzen Winter über hatte Diego die Wochen und Tage bis zu den Semesterferien und Giulias Rückkehr aus Rom gezählt, und jetzt hing er dauernd mit ihr in Marsala herum, wo sie mit ihren Kommilitonen während der Ausgrabungen untergebracht war … Wie viel hatte Diego getrunken? Er versuchte, den aufkeimenden Ärger zu unterdrücken. Das alles ergab keinerlei Sinn.

»Diego, hör mir zu, wenn jemand verletzt ist, musst du sofort die Polizei und den Krankenwagen anrufen. Subito, verstehst du?«

»Hab ich, Pa, die sind unterwegs …«

»Ich fahr gleich los, ruf mich an, wenn ihr die Insel verlasst. Anderthalb Stunden brauche ich.«

Als Luca Santangelo sein Motorrad aus dem engen Hausflur wuchtete und auf den kleinen Platz vor seinem Haus trat, atmete er tief durch. Das Viertel im Herzen der Altstadt Palermos schien zu schlafen, wahrscheinlich waren dies die einzigen zwei Stunden, in denen sich Stille über die engen Gässchen senkte, nachdem immer mehr Lokale und Restaurants eröffneten und hier Nacht für Nacht gefeiert wurde. Nur sein Sohn hatte die grandiose Idee, nachts nach Mozia zu fahren … Er schaute nervös auf die Uhr, als ihm Silvio Alajmo einfiel, sein Freund aus Studienzeiten, der in Marsala wohnte – der wäre schneller da. Vielleicht wussten die in Marsala ja auch schon Bescheid, vielleicht hatte Silvio Frühdienst bei KRONOS. Seit einem Dreivierteljahr hatte Luca Santangelo, seines Zeichens Journalist – und das mit großer Leidenschaft –, wieder einen Job. Zwar nicht bei einer Zeitung, wie er gehofft hatte, aber bei KRONOS, immerhin der größten italienischen Nachrichtenagentur. Und als er im Büro in Palermo anfing, hatte er sich gefreut, als er entdeckte, dass Silvio, eigentlich ein Fotograf, Korrespondent in Marsala war. Zusammen hatten sie darüber gelacht, dass sie sich ausgerechnet so wiedergefunden hatten – über einen Job, den sich beide nicht gewünscht hatten, der bei näherer Betrachtung aber nicht so schlecht war: Sie schrieben nicht mehr selbst, aber ihr Nachrichtenticker erreichte die sizilianischen und die italienischen Medien, manchmal sogar die ganze Welt. Und sie waren näher dran, entschieden, was zur Nachricht wurde und was nicht. Nach der leidvollen Erfahrung beim Giornale Siciliano, wo man ihm gekündigt hatte, als Luca unliebsam geworden war und über die schrieb, denen keiner ans Bein pinkeln durfte, war er ganz zufrieden damit, in der Anonymität der Agentur Nachrichten aus Palermo und Sizilien in die Welt zu verschicken.

Silvio Alajmo klang verschlafen, als er nach dem dritten Versuch endlich ans Handy ging, versprach ihm aber, sofort loszufahren.

»Was für eine alte Frau, Luca?«

»Keine Ahnung, ich sag doch, ich hab kein Wort verstanden, nur waren definitiv Leute auf der Insel, die dort nichts zu suchen haben, und einer der Studenten aus Rom ist verletzt.«

»Ich fahr gleich los, in einer Viertelstunde bin ich da.«

Lucas altes Motorrad, eine BMW R 80 von 1982, sein ganzer Stolz, klang in der Stille der engen Gassen noch lauter als sonst. Schnell ließ er die Altstadt hinter sich und fuhr auf die Stadtautobahn, vorbei an Einkaufszentren, hässlichen Hochhäusern und raus aus der Stadt in Richtung Westen.

Er gab Gas und versuchte noch einmal, Diegos wirre Reden in einen Sinnzusammenhang zu bringen. Aber sosehr er sich auch bemühte, es blieb konfus, und er konnte seine BMW nur zu Höchstleistungen antreiben, um möglichst schnell nach Mozia zu kommen. Inzwischen war er bei Alcamo, bald endete die Autobahn. Das letzte Stück musste er auf der Landstraße zurücklegen, die parallel zum Meer verlief. Er sah Trapani in der Ferne, dahinter die Umrisse der drei Ägadischen Inseln, Favignana ganz nahe, dahinter Levanzo und Marittimo, die sich scharf umrissen und dunkel aus dem Wasser erhoben. Die Küste war hier vollkommen flach, dann tauchten die Salinen zwischen Trapani und Marsala auf, an deren Ende die Lagune lag. In der Morgensonne glitzerten und funkelten die schneeweißen Salzberge. Einige waren mit ockerfarbenen Ziegelsteinen abgedeckt. Dazwischen erhoben sich kleine Windmühlen mit rot gestrichenen Flügeln. Er gab Gas, ließ die Salinen hinter sich. Da waren auch schon die Lagune und die Anlegestelle nach Mozia.

Er sah schon von weitem, dass dort einiges los war: Polizei, Krankenwagen und sechs oder sieben Autos standen am Ufer. Darunter auch Silvio Alajmos uralter Porsche Carrera. Luca sprang vom Motorrad und rief Diego an.

»Wo bist du?«

»In Marsala, auf der Polizei …«

Diegos Stimme klang dünn am Telefon.

»Okay, ich komme, warte da auf mich.«

Er war erleichtert, als ihm jemand von hinten auf die Schulter tippte und er Silvio sah – das Gesicht sonnenverbrannt, die weißen Haare ganz kurz geschnitten, mit blaugrünen Augen, ungewöhnlich groß für einen Sizilianer und schlank. Um den Hals baumelte ihm, wie immer, ein Fotoapparat, Luca hatte den Freund noch nie anders gesehen.

»Luca, na endlich! Diego haben sie mit nach Marsala genommen, ich bin gerade zurück von Mozia.«

»Was ist denn eigentlich los?«

Silvio räusperte sich. »Zur falschen Zeit am falschen Ort. War nicht die richtige Nacht für einen romantischen Ausflug auf die Insel – mal abgesehen davon, dass der Fischer, dessen Boot die beiden ›geliehen‹ haben, nicht gerade begeistert ist. Aber das eigentliche Problem ist: Offensichtlich hat jemand das Museum ausgeraubt, der Jüngling von Mozia ist weg.«

»Die Statue? Warte mal, die sollte doch eh nach Rom zu einer Ausstellung.«

»Genau, das sollte sie, aber erst übermorgen. Da wäre sie offiziell abgeholt worden. Nicht heute Nacht. Giulia ist in Richtung Museum gelaufen und hat zwei Männer beobachtet, die ein großes Paket abtransportiert haben.«

»Und wo war Diego?«

»Tja …« Silvio schaute ihn ernst an. »Diego ist in eine andere Richtung gelaufen. Da hat er eine alte Frau gesehen und dann die Leiche gefunden.«

Luca zuckte zusammen und starrte den Freund entsetzt an. »Dieser Student … Giacomo Leoni … ist tot?«

»Ja. Genick gebrochen und Kopfverletzung. Mord oder Unfall, das wissen sie noch nicht.«

2

Silenzio, Signori, per favore …« Unsicher schlug der kleine, dickliche Commissario auf den nicht sonderlich sauberen Schreibtisch: Da klebten Zigarrenasche und braune Tabakkrümel, obwohl auf dem Kommissariat natürlich nicht geraucht werden durfte, und auf dem hellen Holz waren überall bräunliche Ringe zu erkennen, wo der Commissario zahllose Espressotassen abgestellt hatte. Es roch nach abgestandenem Rauch in dem hohen, dunklen Raum mit den nackten Wänden, die nur eine vergilbte Karte von Sizilien zierte. Die Fensterläden waren fest verschlossen, und im bläulichen Licht der Neonleuchten sahen die sechs Personen, die sich in diesem ungastlichem Raum versammelt hatten, allesamt fahl und ungesund aus.

Der Commissario selbst war höchstens einen Meter siebzig groß, hatte einen dichten schwarzen Schnurrbart und buschige Brauen über kleinen dunklen Augen, während seinen Kopf nur noch ein spärlicher Haarkranz zierte. Die Jacke seiner Uniform spannte über dem mächtigen Bauch, die Finger waren kurz und dick und die Fingerspitzen gelb verfärbt. Offensichtlich passierte in Marsala selten etwas, denn der Commissario war überfordert. Und zwar hoffnungslos. Er schien froh zu sein, den Schreibtisch zwischen sich und der Welt zu haben, und überlegte wohl fieberhaft, was als Nächstes zu tun sei.

Giulia saß schluchzend auf einem abgewetzten Ledersessel neben der Tür. Seit der Nachricht, dass Giacomo Leoni tot war, hatte sie sich nicht mehr beruhigen können. Luca war es nicht gelungen, einen zusammenhängenden Bericht über die Ereignisse auf Mozia von ihr zu bekommen, sie hatte immer wieder hysterisch zu weinen begonnen, und so hatte er schließlich aufgegeben. Ihre Wimperntusche war inzwischen von Tränen aufgelöst und über das ganze Gesicht verschmiert, und die langen Haare hingen ihr strähnig über die Schultern. Neben Diego, der im Gegensatz zu Giulia schockstarr wirkte und kaum auf Ansprache reagierte, hatte sich ein kleiner hagerer Mann mit wettergegerbter Haut und wirrem grauem Haar aufgebaut und schimpfte wütend auf ihn ein.

»Das ist Diebstahl, einen Herzinfarkt hab ich fast bekommen, als ich heute früh das Boot nicht gesehen habe. Was bildet ihr euch ein?«

»Signore, ich verstehe, dass Sie wütend sind, aber wir haben gerade erfahren, dass jemand gestorben ist – vielleicht ermordet. Da ist es doch …«

»Was geht mich das an? Ich habe mein Boot heute Morgen nicht gefunden«, unterbrach der Kleine Luca und schüttelte drohend die Faust.

»Ich kann mich für meinen Sohn nur entschuldigen, aber bitte lassen Sie es gut sein …«

Luca schaute den Commissario an, der jetzt zustimmend nickte und ein zaghaftes »Lass gut sein, Giuseppe« in den Raum warf.

Aber der kleine Hagere redete sich immer mehr in Rage, und bald gab Luca es auf, ihn beruhigen zu wollen. Fünfzig Euro wollte er für den Schreck auch nicht annehmen, es ging ihm ums »Prinzip«, um »Gerechtigkeit«. Derweil versuchte Silvio, aus dem Commissario herauszubekommen, wie es nun weiterging. Der Leichnam von Giacomo Leoni war in der Rechtsmedizin, musste von seinen Eltern identifiziert und dann untersucht werden.

»Silenzio, Ruhe!« Der Commissario räusperte sich noch mal und nahm offensichtlich seinen ganzen Mut für eine Ankündigung zusammen.

»Erst mal möchte ich keine Presse hier haben. Wir sind in einer laufenden Ermittlung …«

»Es läuft doch noch gar nichts, Commissario«, sagte Silvio und lächelte ihn freundlich an. »Oder? Was wissen Sie denn? Schon Rückmeldung von der Spurensicherung? Hat die Gerichtsmedizin bereits angerufen?«

Der Commissario blinzelte nervös. »Das geht Sie nichts an, bitte verlassen Sie den Raum. Und Sie auch«, wandte er sich an Luca.

»Ich bin hier nicht als Vertreter von KRONOS, sondern als Vater, der seinen Sohn in einer schwierigen Situation begleitet.«

Der Commissario blinzelte noch hektischer und strich sich über den Schnurrbart. »Na gut, aber Sie müssen gehen«, wandte er sich an Silvio. »Und du auch, Giuseppe, ich nehme keine Anzeige wegen Diebstahl auf – das Boot ist wieder da, und die fünfzig Euro Schadensersatz wolltest du nicht.«

Während der Hagere noch tief Luft holte, packte Silvio ihn am Ärmel und zog ihn aus dem Zimmer. »Ich warte draußen«, rief er Luca über die Schulter zu.

Nervös raschelte der Commissario mit ein paar Papieren, die auf seinem Schreibtisch lagen, während die Tür hinter Silvio ins Schloss fiel.

»So, jetzt der Reihe nach – ich nehme eure Aussagen auf … Und Sie beide warten bitte auch draußen, bis ich Sie rufe, erst einmal ist das Mädchen dran!«

Der Commissario legte so viel Entschlossenheit in seine Stimme, wie er konnte, und Luca sah ein, dass Diego und er den Raum tatsächlich verlassen mussten. Giulia sah ihnen ängstlich nach und fing wieder heftiger an zu schluchzen. Luca musste Diego an der Schulter rütteln, um ihn aus seiner Schockstarre zu wecken. Er roch Zigaretten, Alkohol und Schweiß – das T-Shirt seines Sohnes hatte dunkle Flecken unter den Achseln. Diegos dunkelbraune Locken waren ebenfalls schweißverklebt, und seine dunklen Augen sahen müde aus. Er tat Luca leid – und regte ihn gleichzeitig unheimlich auf, wie so oft.

Auf dem Flur war von Silvio und dem kleinen Fischer keine Spur mehr, und Luca checkte sein Handy. Er hatte es auf lautlos stellen müssen, weil Diegos Mutter Gianna, von der er seit langem getrennt war, im Zehnminutentakt anrief. Nur mit Mühe hatte Luca sie davon abhalten können, sich ins Auto zu setzen und auch nach Marsala zu kommen. Das hatte noch gefehlt – Gianna hier vor Ort, die ohnehin zur Hysterie neigte und aus allem, was Diego zustieß, ihm, Luca, einen Vorwurf machte. Seit ihrer Trennung war Luca an allem schuld – ob Diego Zahnschmerzen hatte oder eine schlechte Note in der Schule oder an der Uni, ob er sich mit seiner Mutter stritt oder zu viel Geld ausgab, ob er falsch parkte oder ohne Helm mit seinem Roller durch die Stadt raste – immer war Luca schuld: weil er sich nicht um seinen Sohn kümmerte oder nicht genug zahlte. Seit er eine Art Beziehung mit Ada führte, der Frau, die er kennengelernt hatte, als er seine große Wohnung nach der Kündigung beim Giornale Siciliano hatte verlassen müssen und eine kleinere mitten in der Altstadt von Palermo genommen hatte, in einem Palazzo, in dem auch sie zur Miete wohnte, war Gianna besonders zickig. Luca stöhnte. Er hatte ihr nichts von Ada erzählt, dafür aber Diego, nachdem sie einmal zu dritt einen Tag ans Meer gefahren waren. Diego musste Gianna fasziniert von Ada berichtet haben – von ihrem Aussehen, den tiefschwarzen Haaren, die in einem akkuraten, etwas altmodischen Bob um ihr schmales Gesicht fielen, den großen dunklen Augen und dem schön geschwungenen Mund. Und ihrem Beruf, dem Diego vorher noch nie wirklich begegnet war, in seiner Welt war man Arzt, Anwalt, Apotheker oder Journalist wie sein Vater – aber niemand übersetzte französische Kriminalromane. Diego hatte sogar einen Roman von Simenon, den Ada übersetzt hatte, gelesen. Natürlich wurde Gianna da eifersüchtig … Obwohl sie sich längst nicht mehr für Luca interessierte. Zusammen würden sie es keine Stunde mehr aushalten. Luca seufzte und strich sich über den grau melierten, kurzen Vollbart. Sie hatten es eigentlich nie miteinander ausgehalten, aber dann war Gianna schwanger geworden, und sie hatten es einige Jahre lang versucht. Beide waren erleichtert gewesen, als Luca gegangen war, aber das hätte Gianna nie zugegeben, die sich in der Opferrolle gefiel und all die Jahre mit seinem schlechten Gewissen gespielt hatte.

Er schaute noch mal auf sein Handy: Ada hatte ihm eine SMS geschrieben. Ach ja, eigentlich waren sie heute Abend verabredet gewesen. Er schaute auf die Uhr – gleich zwölf. Wann er zurück nach Palermo konnte, wusste er nicht. Schnell antwortete er ihr und schilderte ihr kurz die Lage. Diego war rausgegangen, um eine Zigarette zu rauchen, und kam jetzt mit Silvio zurück.

»Luca, ich habe ein paar Anrufe gemacht, die ersten Ergebnisse aus der Rechtsmedizin haben die erst am Nachmittag. Dann kommen auch Giacomos Eltern, die sind schon unterwegs, der Vater war wohl gerade in Rom. Kannst du so lange warten? Ich würde gern mit ihnen reden.«

»Klar bleibe ich hier.«

»So, Diego, jetzt erzähl uns doch noch mal genau, was passiert ist. Vor allem von der alten Frau, die du gesehen hast.«

Luca runzelte die Stirn. »Bist du dir da wirklich sicher? Ich meine, wenn ich Giulia richtig verstanden habe, war da keine Frau – jedenfalls hat sie sie nicht gesehen …«

»Pa, natürlich nicht, sie war ja woanders, sie ist zu dem Museum gelaufen!«

»Und wieso bist du nicht bei ihr gewesen?«

»Ich bin gestolpert, und dann war sie weg. Ich kenn mich auf Mozia nicht aus, bin in die falsche Richtung gelaufen, und dann war da plötzlich diese Hexe. Die sah gar nicht aus wie eine Frau …«

»Wo soll die denn hergekommen sein? Was für ein Schwachsinn, Diego!«

»Lass mal«, mischte sich Silvio ein. »Diego, woran erinnerst du dich? Jedes Detail ist wichtig – wie sie aussah, was sie anhatte.«

Luca stutzte. Glaubte sein Freund etwa an diese seltsame Erscheinung? Er wollte Diego nicht bloßstellen, hatte aber Angst, dass er mit Giulia noch einen Joint geraucht hatte, bevor sie nach Mozia gefahren waren. Oder wer weiß was genommen hatte …

Nach Diegos Beschreibung schien die Alte eher ein Gespenst als ein Mensch zu sein, und Luca wurde immer ungeduldiger, während Silvio immer wieder nachfragte. Luca räusperte sich und wollte gerade einhaken, als ein kleiner, magerer Mann, der den linken Fuß nachzog, in Begleitung eines Polizisten das Kommissariat betrat.

»Madonna Santa Santissima, ich habe nichts gesehen, gar nichts! Was wollt ihr von mir?« Er musste um die vierzig sein, trug eine Brille mit Gläsern, die so dick waren wie ein Flaschenboden, und sein großer Kopf sah merkwürdig deformiert aus. Der Polizist versuchte vergeblich, ihn zu beruhigen. Jetzt mischte sich Silvio ein.

»Komm, beruhige dich, Marcello, der Commissario ist gleich für dich da. Vielleicht kannst du helfen – keiner kennt Mozia so gut wie du.« Silvio legte dem Männlein fürsorglich den Arm um die Schulter. Der begann zu jammern.

»Der Jüngling, der Jüngling, seit Jahren sag ich, dass wir eine Alarmanlage brauchen oder dass ich nachts dort schlafen sollte – jeder kann auf die Insel, und ich schließe um acht alles zu und bin dann weg, weg, weg. Matri Santa Santissima …« Er hatte sich auf einen Stuhl fallen lassen und die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Sein magerer Oberkörper schwankte vor und zurück, die Stimme klang hoch und näselnd.

Luca starrte ihn erstaunt an, aber Silvio gab ihm ein Zeichen und begann freundlich, auf diese seltsame Erscheinung einzureden.

»Marcello, beruhige dich, kannst du dich an irgendetwas erinnern, was in den Tagen zuvor anders war als sonst? Irgendetwas Ungewöhnliches? Merkwürdige Besucher?«

Marcello antwortete nicht, stattdessen zog er jetzt an seinem grauen Sweatshirt, in dessen Ärmel Löcher waren, und schwankte weiter vor und zurück.

Silvio hockte sich vor ihn. »Marcello, du bist vielleicht der Einzige, der den Fall aufklären und helfen kann, die Statue zu finden. Der Commissario braucht dich …«

Marcello hob den Kopf und starrte Silvio an. »Nein, da war nichts, die üblichen Touristen. Keiner bleibt lange im Museum«, sagte er anklagend. »Sie machen ein paar Fotos vom Jüngling, dann sind sie weg. In der Snackbar, essen panini. Schauen sich das Museum gar nicht richtig an, dabei ist es ein gutes Museum. Ein sehr gutes!« Jetzt starrte er Silvio empört an.

»Marcello, versuch, dich zu erinnern. An jedes Detail. Alles könnte wichtig sein. Was ist gestern passiert?«

»Was soll gestern passiert sein? Matri Santa …« Wieder fing Marcello an zu jammern, riss sich aber dann zusammen und fuhr fort: »Ich habe wie immer morgens um zehn aufgeschlossen, dann sind zwanzig Minuten später die ersten Touristen gekommen. Ich habe ihnen die Tickets verkauft und aufgepasst, dass sie nichts anfassen in den Räumen.«

»Und dann? Abends, als die Letzten weg waren?«

»Ich schließe um achtzehn Uhr. Dann mache ich sauber. Das ist wichtig.« Er begann wieder zu wippen. »Die Leute sind achtlos, sie werfen alles auf den Boden, überall findet man Müll. Ich mache alles sauber, bevor ich gehe, ich fege jeden Raum aus, jeden Tag, und freitags wische ich alles nass aus. Aber gestern war nicht Freitag, also habe ich nur den Boden gefegt und allen Müll aufgesammelt. Den tue ich in eine Tüte und nehme ihn mit rüber aufs Festland. Aber mir ist nichts aufgefallen, nichts, nichts, nichts … Zwei Tage bevor der Jüngling auf Transport gehen sollte, nach Rom, zu der Ausstellung. Ich habe gewarnt, gewarnt davor, ihn herzugeben, und jetzt ist er gestohlen worden und kommt nie mehr zurück, nie mehr …« Wieder hatte er die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und jammerte leise vor sich hin.

»Und in der Nacht an Land? Dein Wohnwagen steht doch in der Nähe der Straße, hast du nichts gehört?«

Marcello starrte Silvio misstrauisch an. »Ich wache nur tagsüber im Museum, nachts habe ich frei. Wer da alles nachts vorbeikommt, wenn ich da Wache halten müsste … Matri Santa Santissima …«

Silvio war aufgestanden und schaute Marcello mitleidig an, als die Tür aufging und der kleine Commissario Diego und Luca hineinrief.

»Luca, komm doch danach in die ›Sirena Ubriaca‹, die Wine Bar hier um die Ecke, ja? Dann besprechen wir alles Weitere. Komm, Marcello, das dauert hier noch eine Weile, ti offro un caffè.«

Eine Stunde später verließ Luca das Kommissariat und trat in die gleißende Mittagshitze. Diego hatte alles genau so zu Protokoll gegeben, wie er es ihm erzählt hatte. Der kleine dicke Commissario hatte eifrig mitgeschrieben, ihn dann mit wichtigtuerischen Gesten unterschreiben lassen, um ihn schließlich zu entlassen – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er sich bereithalten müsse, weil er jederzeit noch einmal befragt werden konnte …

Der Himmel war tiefblau, und die Gassen der kleinen Altstadt von Marsala waren wie ausgestorben. Der mächtige Dom an der Piazza della Repubblica wirkte vollkommen überdimensioniert, seine helle barocke Fassade dominierte den Platz und warf jetzt, kurz nach eins, kaum Schatten. Die Sonne war unerbittlich, ihr Licht blendete Luca trotz seiner dunklen Ray-Ban. Das helle Leinenhemd war längst schweißnass, und seine Lederjacke fürs Motorrad trug er über dem Arm. Schnell überquerte er den Platz und bog in eine der engen Gassen ein. Giulias Vater war vor einer halben Stunde in Marsala eingetroffen und hatte seine Tochter abgeholt – und bei der Gelegenheit angeboten, Diego mit zurück nach Palermo zu nehmen. Der war erleichtert gewesen, Luca sah, dass er sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten konnte.

In der kleinen Wine Bar war Silvio der einzige Gast. Luca schaute sich um und schüttelte den Kopf.

»Jedes Mal, wenn ich hier bin, fällt mir auf, wie ausgestorben es ist – hier in Marsala, in den Salinen von Trapani, auf Favignana und Mozia … als wären nur die Bauten und die Landschaft übrig, aber die Menschen verschwunden. Während wir uns in Palermo vor Gedrängel kaum retten können«, sagte er, während Silvio dem verschlafen wirkenden Kellner zuwinkte und um ein weiteres Glas Wein und einen Teller Antipasti bat.

»Ein wenig ist es doch auch so – dieser Teil der Insel hat seine große Zeit hinter sich: Mozia vor vielen Jahrhunderten, als die Phönizier hier siedelten. Eine lange Zeit, von 800 vor Christus bis zur Zerstörung der Siedlung 400 vor Christus. Eine der drei wichtigsten Phöniziersiedlungen des Mittelmeerraums – strategisch günstig gelegen zwischen Afrika und Spanien und Sardinien.« Er trank einen Schluck Wein.

»Kaum vorstellbar, Mozia ist winzig klein. Dass das mal ein wichtiger Stützpunkt war …«

»Ja«, sagte Silvio langsam, »das ist seltsam. Aber das ist nicht alles – denk mal an die Salinen bei Trapani, bis 1700 war Trapani der wichtigste Salzhafen des Mittelmeers.« Silvio war jetzt in seinem Element. Luca lehnte sich zurück und ließ den Freund reden.

»Und dann der Wein! Im neunzehnten Jahrhundert bis zum Beginn des zwanzigsten, als von hier aus Süßwein, der Marsala, in die ganze Welt exportiert wurde. Damit war es in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts vorbei, andere Weine wurden wichtiger, der Geschmack änderte sich. Im zwanzigsten Jahrhundert blieb uns die Mattanza, der Thunfischfang, und die Thunfischfabriken, denk nur an die große Tonnara auf Favignana.«

»Die Mattanza? Gibt es die eigentlich noch?«

»Ist auch vorbei, der letzte Rais hat aus der Mattanza ein Touristenspektakel gemacht, und die paar Thunfische, die auf den alten Wegen an Favignana vorbeischwimmen, werden auf hoher See gefangen, verarbeitet und gleich nach Japan verkauft. Die zahlen am meisten. Die Mattanza hat einmal ganz Favignana Arbeit gegeben. Lange her … Tanit und Baal, die alten phönizischen Gottheiten, das Salz, der Wein und nun auch noch der Thunfisch – alles vorbei. Geblieben sind ein paar eindrucksvolle Bauten, Reiher und Flamingos in den Salinen, da kannst du eine Tour machen und Vögel beobachten – nicht dass viele Touristen herkommen und sich dafür interessieren, aber das war’s. Aus und vorbei. Es ist, wie du sagst: Die Menschen haben diese Landschaft verlassen, nur die Sonne bleibt uns unerbittlich treu und taucht alles in ein gleißendes Licht.«

Nachdenklich schaute Silvio in sein Weinglas. Er kam aus Marsala und hatte mit Luca in Palermo studiert. Dass er danach zurück in seine Heimatstadt gehen wollte, war immer klar gewesen, obwohl es hier kaum Arbeit gab. Silvio wollte Fotograf werden, er fotografierte, seit er ein kleiner Junge war, und immer die Gegend, in der er geboren und groß geworden war. Mit vierzehn hatte er zum ersten Mal auf Favignana die Mattanza fotografiert. Tagelang war er mit den Tonarotti unterwegs gewesen und hatte die riesigen Netze fotografiert, die mächtigen silbernen Leiber der Thunfische und ihren Kampf gegen die Fischer, das türkisfarbene Wasser, das sich nach und nach blutrot färbte, die sonnengegerbten Gesichter der Männer, ihre Hände voller Schwielen.

Als Luca ihn in Palermo an der Universität kennen lernte, hatte ihm Silvio irgendwann all seine Fotos gezeigt. Und Luca hatte nicht verstanden, wieso der andere so wie er Politologie studierte. Silvio war ein Künstler, die Kamera war sein Ausdrucksmittel. Er, Luca, wollte schreibend die Welt verändern, er wollte Sizilien verändern und nicht länger schweigen zu dem, was um ihn herum geschah. Silvio war politisch so interessiert wie er, aber seine Leidenschaft blieb die Fotografie. Nach dem Studium hatten sie sich aus den Augen verloren, Luca hatte sich in Palermo in seinen Kampf gestürzt, hatte begonnen, für eine linke Tageszeitung zu schreiben. Das war die beste Zeit gewesen, dort hatte man ihn nicht zensiert, sondern im Gegenteil seine Artikel gefeiert. In den neunziger Jahren dann hatte die Zeitung vor dem Aus gestanden. Und Luca hatte beim Giornale Siciliano angeheuert, wo seine Artikel immer wieder aus dem Blatt flogen oder gekürzt wurden. Nach dem Mord an seiner Exfreundin im vergangenen Jahr hatte Luca in einem Artikel Unstimmigkeiten aufgezeigt, die den Verdacht auf den neuen Freund der Ermordeten lenkten – einen einflussreichen Mann in Palermo –, und war gefeuert worden. Zwar hatte er recht behalten, aber zurück zur Zeitung wollte er nicht. Den feisten, schmierigen Chefredakteur, der den Stadtgrößen nach der Pfeife tanzte und die Wahrheit nur zu gern verschleierte, konnte er nicht ertragen. Als die Nachrichtenagentur KRONOS ihm eine Stelle anbot, nahm er an – dort konnte man ihn nicht so leicht zensieren. Und er war näher dran an dem, was in Palermo und auf Sizilien geschah.

»Tanit, Baal und die Statue des Jünglings – wer interessiert sich plötzlich für Mozia? Und was hat es mit der alten Frau auf sich? Du scheinst Diego die Geschichte ja geglaubt zu haben – im Gegensatz zum Commissario.«

Luca schob sich eine der bruschette in den Mund, die der Kellner inzwischen gebracht hatte, und sah Silvio aufmerksam an.

»Die Statue ist der bedeutendste phönizische Fund, der jemals auf Mozia gemacht wurde. Sie ist außergewöhnlich schön«, sagte er versonnen. »Und rätselhaft – bis heute streiten Archäologen und Historiker, ob es ein Wagenlenker ist oder eine Darstellung von Herakles. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sie gestohlen wurde, da hat Marcello recht. Mozia ist unbewacht und das kleine Museum kaum gesichert. Erstaunlich ist, dass sie jetzt gestohlen wird, kurz bevor sie zu einer Ausstellung geschickt werden sollte. Als wollte jemand verhindern, dass sie dort eintrifft und gezeigt werden kann.«

»Kann aber auch Zufall sein, oder?«

»Ja, natürlich. Und Marcello könnte jedem die Tür aufschließen. Er ist pünktlich wie ein Uhrwerk und in allem, was er tut, genau. Aber viele Dinge kapiert er nicht.«

»Du glaubst, er könnte den Dieben geholfen haben? Seine Verzweiflung klang echt.«

»War nur so eine Idee. Ich glaube auch nicht, dass Marcello sich so verstellen kann.«

»Was für einen Wohnwagen hast du gemeint?«

»Marcello wohnt in einem Wohnwagen nicht weit von der Bootsanlegestelle nach Mozia. Eigentlich müsste er mitkriegen, wer sich nachts dort rumtreibt. Der Commissario muss ihn befragen, er ist zwangsläufig verdächtig. Der Schwarzhandel mit Antiquitäten blüht.«

»Schwarzhandel mit Antiquitäten? Davon geistert ja immer mal wieder was durch die Medien. Aber lohnt sich das denn auch in Italien?« Luca schaute Silvio erstaunt an.

»Raub, gefälschte und falsche Gutachten – da gibt es verschiedene Methoden. Vor ein paar Wochen ist in Agrigent im Museum eingebrochen worden, es fehlen wertvolle Vasen und der gesamte Schmuck der Aphrodite – Ketten, Ringe, Armschnallen. Und ist nicht auch in Palermo eingebrochen worden? Im Palazzo Abatellis?«

Luca erinnerte sich vage an die Meldung. »Ja, die Diebe haben zwei griechische Statuen mitgenommen und versucht, die Verkündigung des Antonello da Messina zu stehlen, die wunderschöne Madonna, der Stolz des Museums. Die war aber in einer Vitrine gesondert gesichert, und sie haben aufgeben müssen. Das können also keine Profis gewesen sein – dass das Madonnenbild in einer Vitrine geschützt ist, weiß eigentlich jeder.«

Silvio lachte. »Du traust den Herren generell zu viel zu. In Erice lebt dieser Professor, Ettore Lagioia, ein Historiker, der Jahrzehnte an der Universität von Palermo gelehrt hat und inzwischen emeritiert ist. Er hat sich als Gutachter einen Namen gemacht. Es wurde immer mal wieder vermutet, dass er nicht ganz sauber ist und dabei hilft, Antiquitäten zu verschieben … Aber natürlich hat es nie Beweise gegeben, Ermittlungen wurden vorzeitig eingestellt, Akten sind verschwunden. Das Übliche.« Silvio trank einen Schluck Wein. Dann winkte er dem Kellner und bestellte zwei Gläser Marsala. »Den musst du probieren. Er stammt aus den Weingütern der Philipsons – inzwischen haben sie längst verkauft, aber der Wein heißt immer noch so. John Philipson hat 1891 die Insel Mozia gekauft. Die Philipsons haben mit Süßwein ein Vermögen gemacht, außerdem hatten sie Dampfschiffe und Thunfischfabriken auf Favignana. Englische Kaufleute, die sich Ende des achtzehnten Jahrhunderts hier niedergelassen haben und die Region wirtschaftlich dominierten. John Philipson hat sich allerdings weder für Wein noch für Thunfisch interessiert, er war Hobbyarchäologe und Ornithologe. Er war schon damals überzeugt davon, dass auf Mozia Phönizier gesiedelt haben und dort eine Menge auszugraben sei. Und so hat er kurzerhand die Insel gekauft.«

Der Wein hatte eine goldbraune Farbe und roch intensiv nach Rosinen, Holz und Sonne. Als Luca den ersten Schluck nahm, breitete sich eine süßliche Wärme in seinem Magen aus.

»Der ist wirklich phantastisch!«, sagte er. Silvio nickte. »Perfekt zu einer cassata. Leider gibt es hier nur diese trockenen cantuccini …«

»Also«, nahm Luca den Faden wieder auf. »Es ist seltsam, dass die Statue gerade jetzt gestohlen worden ist, aber nicht, dass sie überhaupt gestohlen wurde. Aber was hat der Raub der Statue mit Giacomo Leonis Tod zu tun? Hat der Junge etwas beobachtet und musste deshalb sterben?«

»Warum war er überhaupt auf der Insel? Wenn sein Tod etwas mit der Statue zu tun hat, muss er vorher von dem geplanten Raub gewusst haben und deshalb auf die Insel gefahren sein.«

»Wir müssen die Eltern fragen. Wie Giulia gesagt hat, ist Giacomos Vater Archäologe. Er war Professor am Institut in Rom, an dem Giulia und Giacomo studieren, ist aber inzwischen emeritiert. Offensichtlich fördert er die Exkursionen der Studenten nach Mozia immer noch.«

»Es könnte doch auch Zufall sein. Diego hat erzählt, dass Giacomo eigenbrötlerisch gewesen ist, immer allein unterwegs. Vielleicht wollte er einfach die Insel für sich allein haben und hat dann die Diebe überrascht.« Er zögerte. »Und was ist mit der alten Frau? Wo kommt die her?«

Silvio trank sein Glas aus. »Die alte Frau? Ich habe da so eine Idee, wer das sein könnte. Aber …« Er zögerte. »Die Statue interessiert sie bestimmt nicht. Und weshalb sie Giacomo Leoni töten sollte, weiß ich auch nicht …«

»Sie müssen meine Frau entschuldigen«, sagte der elegant gekleidete ältere Herr mit den schlohweißen Haaren, die ihm in Wellen um das Gesicht fielen. Er trug einen gut geschnittenen Dreiteiler aus hellbraunem Leinen. An der Weste sah man eine goldene Uhrenkette, seine Two Tones waren dezent eierschalenfarben und dunkelbraun. Luca konnte sich nicht erinnern, solche Schuhe je in natura gesehen zu haben – für ihn waren sie Kinorequisiten. Er schaute auf seine eigenen staubverschmierten Turnschuhe und beschloss, sich endlich wieder einmal ordentliche Schuhe zu kaufen. Romolo Leoni war eine imposante Erscheinung, groß, mit markantem Gesicht, einer langen geschwungenen Nase und einem entschlossenem Kinn. Doch trotz aller beeindruckenden Äußerlichkeiten zeichnete sich der Schock der letzten Stunden deutlich auf Leonis Gesicht ab, sein Blick war müde und verschleiert, und sein rechtes Augenlid zitterte.

Jetzt streichelte er seiner Frau liebevoll über die Schulter. Delia Leoni war klein und schmal, die große schwarze Sonnenbrille verdeckte das Gesicht fast vollständig. Das blonde Haar hatte sie streng zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Ihre Schultern zuckten, und sie versuchte krampfhaft, die Tränen zurückzuhalten. Die Leonis hatten erst den Leichnam ihres Sohnes identifiziert und dann mit dem Commissario gesprochen. Als sie aus dem Kommissariat kamen, hatten Silvio und Luca das Ehepaar angesprochen. Romolo Leoni hatte gezögert, hatte sich dann aber einverstanden erklärt, mit ihnen in die kleine Bar an der Piazza zu gehen, um ihre Fragen zu beantworten. Luca hatte sich darüber gewundert, dass die beiden nach dem, was sie hinter sich hatten, überhaupt noch mit ihnen, zwei Journalisten, sprachen. Aber Romolo Leoni wollte wissen, was Diego und Giulia erzählt hatten. Irgendwann hatte seine Frau leise zu weinen begonnen, war aufgestanden und ein paar Schritte auf die Piazza hinausgegangen.

»Bitte entschuldigen Sie meine Frau. Es ging ihr schon vor dieser Tragödie nicht gut. Die Nerven …«