Skin Deep - Das Gesicht des Todes - Gary Braver - E-Book
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Skin Deep - Das Gesicht des Todes E-Book

Gary Braver

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Beschreibung

Der Preis der Schönheit … Der Psychothriller »Skin Deep – Das Gesicht des Todes« von Bestsellerautor Gary Braver jetzt als eBook bei dotbooks. Wenn Perfektion zur tödlichen Falle wird … Ein wahnsinniger Serienmörder hat es auf die schönsten Frauen Bostons abgesehen. Eine nach der anderen stirbt qualvoll in ihrem eigenen Apartment, mit einem kunstvoll drapierten Seidenstrumpf makaber zur Schau gestellt. Detective Steve Marcarian steht vor dem härtesten Fall seiner Karriere, der auch über seine Zukunft entscheiden wird: Wegen immer häufigerer Blackouts droht er, die Kontrolle über sein eigenes Leben zu verlieren. Verbissen setzt Marcarian alles daran, den Fall möglichst schnell aufzuklären, bevor der Mörder sein nächstes Opfer wählt. Als seine eigene Ehefrau Dana plötzlich spurlos verschwindet, bleibt ihm nicht viel Zeit, um zu handeln – und gleichzeitig wächst eine dunkle Befürchtung in ihm: Ist am Ende er selbst der Killer? »Ein hervorragender Medizinthriller, scharf gezeichnet, mit einer Prämisse, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Gary Braver ist ein verdammt guter Autor.« Bestsellerautor Douglas Preston Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Medizin-Thriller »Skin Deep – Das Gesicht des Todes« von Gary Braver wird alle Fans von Tess Gerritsen begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Wenn Perfektion zur tödlichen Falle wird … Ein wahnsinniger Serienmörder hat es auf die schönsten Frauen Bostons abgesehen. Eine nach der anderen stirbt qualvoll in ihrem eigenen Apartment, mit einem kunstvoll drapierten Seidenstrumpf makaber zur Schau gestellt. Detective Steve Marcarian steht vor dem härtesten Fall seiner Karriere, der auch über seine Zukunft entscheiden wird: Wegen immer häufigerer Blackouts droht er, die Kontrolle über sein eigenes Leben zu verlieren. Verbissen setzt Marcarian alles daran, den Fall möglichst schnell aufzuklären, bevor der Mörder sein nächstes Opfer wählt. Als seine eigene Ehefrau Dana plötzlich spurlos verschwindet, bleibt ihm nicht viel Zeit, um zu handeln – und gleichzeitig wächst eine dunkle Befürchtung in ihm: Ist am Ende er selbst der Killer?

»Ein hervorragender Medizinthriller, scharf gezeichnet, mit einer Prämisse, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Gary Braver ist ein verdammt guter Autor.« Bestsellerautor Douglas Preston

Über den Autor:

Gary Braver ist das Pseudonym des amerikanischen Autors Gary Goshgarian. Nach seinem Schulabschluss studierte er Physik und machte schließlich seinen Doktor in englischer Literatur. Während seiner Arbeit als Dozent begann Braver mit dem Schreiben seiner Spannungsromane, die in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet wurden. Zusammen mit der Bestsellerautorin Tess Gerritsen schrieb er den erfolgreichen Thriller »Die Studentin«.

Die Website des Autors: garybraver.com/

Bei dotbooks veröffentlichte der Autorseine packenden Wissenschaftsthriller »Eternal – Gefährliche Entdeckung und »Flashback – Tödliche Erinnerung«, sowie den Psychothriller »Skin Deep – Das Gesicht des Todes«.

***

eBook-Neuausgabe Juni 2023

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2008 unter dem Originaltitel »Skin Deep« bei Forge Book, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2008 unter dem Titel »Die Maske« bei Heyne, München.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2008 by Gary Braver

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2009 by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Stefan Hilden ©HildenDesign unter Verwendung mehrerer Motive von Shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-659-7

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Gary Braver

Skin Deep – Das Gesicht des Todes

Thriller

Aus dem Amerikanischen von Sepp Leeb

dotbooks.

Für Kathleen, Nathan und David

ERSTER TEIL

Kapitel 1

»Wenn gutes Aussehen töten könnte.«

Terry Farina war zufrieden mit dem Bild, das sie im Spiegel bot. Sie fuhr sich durch die Haare und zog sich die Lippen nach, dann drehte sie sich zur Seite, um sich im Profil zu begutachten. Dank ihrer tollen Figur hielt das hautenge schwarze Satinkleid auch ohne Träger. Es schmiegte sich an ihren Körper wie Lack.

Ihr Herz hatte einen kleinen Freudentanz vollführt, als er seinen Besuch angekündigt hatte. Er würde in zehn Minuten vorbeikommen, hatte er gesagt, weshalb sie sich hastig ans Aufräumen gemacht hatte. Die Post ließ sie in einem Küchenschrank verschwinden, sonstigen Kram packte sie in den Geschirrspüler und herumliegende Bücher und Papiere stopfte sie in den Kleiderschrank. Gerade als sie ihr Notebook zuklappte, klopfte er an die Wohnungstür.

Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf und öffnete ihm. »Ein Mann, ein Wort.«

Er hielt eine Flasche Champagner hoch. »Etwas zum Feiern.«

»Das ist aber nett. Danke.« Sie schloss die Tür und führte ihn ins Wohnzimmer. Er trug einen glänzenden Jogginganzug und Laufschuhe.

»Mannomann«, sagte er bewundernd. »Du hast dich aber rausgeputzt.«

»Ich hab das Kleid gerade anprobiert, als du anriefst. Deshalb hab ich es einfach angelassen.«

Er musterte sie von oben bis unten und ließ den Blick zum Schluss kurz auf ihrem Ausschnitt ruhen. »Du siehst aus wie geradewegs der Vogue entsprungen.«

»Du übertreibst maßlos.«

Er hob die Augen zu ihrem Gesicht, und der Ausdruck in ihnen löste einen wohligen Schauder in ihr aus. Sie nahm ihm den Champagner ab, gab ihm einen Kuss auf die Wange und führte ihn in die Küche.

Sie lebte inzwischen acht Monate in dem Apartment und hatte es mit postmoderner Extravaganz eingerichtet, ein Duncan-Fife-Sofa und dazu Teakstühle und -tische, Silberlampen und Aquarelle. Aber ihn interessierten weder die Einrichtung noch die Sammlerstücke.

»Mach doch schon mal die Flasche auf.« Sie reichte ihm den Champagner und ging zwei Gläser holen. »Das war wirklich eine gute Idee, so spontan vorbeizukommen.«

»Finde ich auch.«

Auf seinem Gesicht lag eine merkwürdige Intensität. Sie beobachtete ihn, wie er die Folie und den Draht entfernte und mit einer schwungvollen Bewegung, gefolgt von einem leisen Knall, den Korken herausdrehte. Sie nahm ihm die Flasche ab und machte sich daran, die Gläser zu füllen.

»Für mich bitte nichts.«

»Du wirst mich doch nicht etwa allein trinken lassen?«

»Na ja, schön, aber nur einen winzigen Schluck.« Seine Augen flatterten kurz.

»Was hast du denn, geht es dir nicht gut?«

»Ach, nur ein bisschen Kopfschmerzen.«

»In dem Hängeschrank neben deinem Kopf ist eine Packung Tylenol.«

»Ich hab schon was genommen. Es wird gleich besser.«

Sie reichte ihm das Glas. »Auf was sollen wir trinken?«

Ohne etwas zu erwidern, blickte er kurz in das Glas. Er wirkte leicht abwesend, so, als wäre er in Gedanken ganz woanders. Vielleicht waren es die Kopfschmerzen. Er hatte ihr einmal erzählt, dass sie manchmal richtig schlimm werden konnten.

»Wie wär’s mit: auf einen Neuanfang?«

Sie strahlte. »Darauf trinke ich gern.« Sie stieß mit ihm an und nahm einen Schluck. »Hast du Hunger? Viel habe ich zwar nicht anzubieten, nur ein paar Cracker und Erdnussbutter – nicht unbedingt das, was zu Champagner passt.«

»Nein, danke, ich habe schon gegessen.« Er nahm einen kleinen Schluck und sah sie mit glasiger Erwartung an.

»Gehen wir doch ins Wohnzimmer«, sagte sie und führte ihn zum Sofa.

Er setzte sich neben sie und beäugte wieder ihre Brüste. »Ist das Kleid neu?«

Sie spürte, dass er etwas bemüht Konversation zu machen versuchte. »Ich habe es vor ein paar Monaten gekauft, aber ich finde, es ist etwas zu eng.«

»Überhaupt nicht. Es steht dir hervorragend.«

Sie dankte ihm und nippte an ihrem Glas. Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Du trinkst ja gar nichts.«

»Ich hole schon noch auf.« Er hob sein Glas, ließ es aber gleich wieder sinken.

Er war sichtlich nervös. Sie legte ihre Hand auf sein Bein und tätschelte es. »Was hast du denn? Warum so aufgeregt?« Es gab wirklich keinen Grund für ihn, sich in ihrer Gegenwart unbehaglich zu fühlen, und trotzdem benahm er sich, als wäre es seine erste Verabredung mit einer Frau.

Er sah auf die Uhr. »Ich weiß, dass du morgen früh raus musst.«

Ihre Freundin Katie wollte gegen acht vorbeikommen, um mit ihr ein paar Tage nach Vermont zu fahren.

»Ich wollte dich nur noch mal sehen, bevor du wegfährst.«

»Tja, hier bin ich.« Sie nahm wieder einen Schluck aus ihrem Glas und spürte, wie sich in ihrem Kopf eine wohlig wärmende Glut ausbreitete. Diese Wirkung hatte Champagner bei ihr immer – es musste etwas mit den Kohlensäurebläschen zu tun haben, die dieses Prickeln hervorriefen. Sie griff nach seinem Glas und hob es. »Ich weigere mich, allein zu trinken.«

Er nahm einen kleinen Schluck und sah sie an. Seine großen unergründlichen Augen schienen sein ganzes Gesicht auszufüllen. »Du bist eine sehr attraktive Frau.«

»Danke.«

Es kam wieder zu einem verlegenen Schweigen, das sie mit einem weiteren Schluck Champagner überbrückte. Dann legte sie die Hand auf seinen Arm. Die Berührung schien ihm einen leichten Stromstoß zu versetzen, aber er zuckte nicht zurück. Dann ging plötzlich alles so schnell, dass es sogar sie überraschte. Sie beugte sich vor und küsste ihn zart auf den Mund. Seine Augen schienen von einem Strudel erfasst zu werden, als er sie ansah. Dann kam er mit seinem Gesicht näher und drückte seine Lippen zu einem langen Kuss auf ihren Mund. Er begann sich leicht zu winden und gab ein tiefes Stöhnen von sich, als sich ihre Lippen öffneten.

Plötzlich wich er zurück. »Ich habe eine bessere Idee«, flüsterte er und nahm ihre Hand.

»Ja?«

Er stand auf. »Komm mit.« Er führte sie ins Esszimmer und den Flur hinunter in ihr Schlafzimmer.

»Und was genau haben wir jetzt vor?«

Er antwortete ihr nicht. Erst als er ihr Bett sah, sagte er: »Sehr schön.«

Sie hatte erst vor kurzem ein Bett mit einem hohen weißen Metallkopfteil gekauft und dazu eine neue Garnitur Bettwäsche mit einer flauschigen weißen Sommerzudecke und bunten Kissen. Er führte sie zum Bett. Seine Hand war heiß.

»Das wird ja richtig spannend«, sagte sie.

Das Telefon neben dem Bett begann zu läuten. »Geh nicht dran.«

»Oha! Du scheinst es ja ernst zu meinen.« Vermutlich war es Katie, die mit ihr besprechen wollte, wann sie morgen vorbeikommen sollte. Sie würde sie später zurückrufen.

Sie blieben neben dem Bett stehen, und er wandte sich ihr zu. Seine Augen waren groß und dunkel, und der Ausdruck in ihnen löste ein verwirrendes Gefühl in ihrem Unterleib aus. Er küsste sie wieder.

»Vielleicht übernimmst du jetzt die Führung.«

»Wobei?«

Er fuhr mit dem Finger zärtlich ihren Hals hinab, über ihren Ausschnitt und auf ihren Bauch hinab.

Sie nahm seine Hand und gab ihm einen Kuss auf den Mund. »Du bringst mich ja richtig in Fahrt.«

»Umso besser.«

Unter seinem gierigen Raubtierblick – einem Blick, den sie kannte und genoss – begann sie sich auszuziehen. Sie streifte die Träger über ihre Schultern, fasste hinter sich und zog den Reißverschluss nach unten, dann schlüpfte sie wie eine sich häutende Schlange aus dem Kleid. Fasziniert beobachtete er, wie es sich um ihre Füße legte. Sie hob es auf und legte es auf einen Stuhl, dann nahm sie den BH ab. Ihre Nippel waren wie straffe kleine Finger, die auf ihn zeigten, und er betrachtete sie bewundernd. Sie wollte, dass er sie berührte, sie küsste, aber er wies nur mit dem Kopf auf ihren schwarzen Tanga. Also streifte sie auch den ab und legte ihn neben BH und Kleid. Dann wandte sie sich ihm zu.

»Na, mein Beauty Girl«, sagte er mit kaum hörbarer Stimme.

Sie beugte sich vor, um ihm einen Kuss zu geben, aber er nahm ihre Hand und führte sie zum Bett. »Komm doch«, sagte sie und griff nach seiner Jacke.

»Nein, leg dich hin.«

Sie merkte, wie sie eine Gänsehaut bekam, als sie sich aufs Bett setzte. »Mir wird kalt.«

»Dir wird gleich warm werden.« Er fasste in die Tasche, zog ein dünnes Päckchen heraus und reichte es ihr.

»Für mich?« Sie öffnete es, und es enthielt zwei elegante Strümpfe, seidenglatt, mit herrlichem Spitzenrand. Sie sahen sehr teuer aus. »Sie sind wunderschön. Soll ich sie gleich anprobieren?«

»Noch nicht.« Er nahm ihr einen aus der Hand und legte ihn zu ihren Kleidern auf den Stuhl. Dann nahm er ihr den zweiten ab. »Wie wär’s mit einem kleinen Spielchen?«

»Einem Spielchen?«

»Leg dich einfach hin und nimm die Hände hinter den Kopf.«

»Oh ja.« Sie lächelte und ließ sich auf das Bett zurücksinken, den nackten Körper vor ihm ausgestreckt, die Brüste dargeboten wie Opfergaben. »Wenn dich das auf Touren bringt.«

Er lächelte nicht. Er sagte nichts. Nur dieser undurchdringliche schwarze Blick.

Er legte den Strumpf über ihren rechten Fuß und zog ihn langsam auf den anderen, dann ihr rechtes Schienbein hoch zum Knie und über Oberschenkel, Bauch und Brüste. Dann führte er den Strumpf lockend wieder zu ihren Füßen hinab und das andere Bein hinauf, über das kleine getrimmte Haarbüschel und den Bauch bis zu ihrem Hals. Das machte er eine ganze Weile so, ohne ein Wort zu sagen. Aber er betrachtete sie dabei mit seltsamer Eindringlichkeit. Sie nahm an, dass das eine Art Vorspiel war, mit dem er sich in Stimmung brachte, weshalb sie sich mit wachsender Spannung darauf einließ.

Er wusste, was er tat, denn über ihre Haut huschten erregende elektrische Strudel. Sie schloss die Augen und spreizte die Beine, damit der Strumpf über die empfindliche Haut an der Innenseite ihrer Schenkel und über ihre Scham zu ihren Brüsten hinaufgleiten konnte. Die zarten Berührungen versetzten sie in wachsende Erregung, und sie begann, leise zu stöhnen und ihren Körper den kitzelnden Liebkosungen entgegenzurecken, als reagierte sie auf einen Phantomliebhaber. »Wo hast du das denn gelernt?«, hauchte sie.

»Ich hatte eine gute Lehrerin.«

Schon nach kurzem begann sie, heftig zu atmen, und konnte kaum glauben, dass er sie durch die bloßen Berührungen eines Nylonstrumpfs in solche Erregung versetzen konnte.

Als sie wenig später spürte, dass sie feucht wurde, streckte sie ihren Unterleib durch, dem zarten Stück Stoff entgegen, und stellte sich vor, es wären seine Finger, seine Lippen, seine Zunge. Aber im selben Moment entzog sich ihr die aufreizende Berührung schon wieder und kroch ihren Bauch hinauf, um ihre Brüste zu reizen. Und je länger er so weitermachte, desto mehr wünschte sie sich, er würde damit aufhören und ihr den wahren Jakob geben – sich selbst, sein Gewicht auf ihrem Körper, sein dickes Ding, das sich in ihr bewegte. Gott! Sie konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, sich selbst zu streicheln. Ihr Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an, und sie leckte sich die Lippen. Viel länger hielt sie das nicht mehr aus. »Bitte.« Sie griff nach seinem Bein.

Aber er wich wieder zurück. Sein Gesicht war eine Maske äußerster Konzentration. Aber er hatte noch nicht einmal eine Erektion. Sie hatte gedacht, er machte das für sich, aber in seiner Hose regte sich nichts. Nur seine Augen waren schwarz vor Erregung. Sie richtete sich auf und streckte die Hand nach ihm aus. »Du machst mich ganz verrückt.«

»Gut.«

Ganz langsam schlängelte sich der Strumpf über ihre Schultern und dann über ihre Brust.

»Komm zu mir«, hauchte sie.

»Gleich.«

Ein weiterer erregender Moment verstrich, bis sie dachte, sie würde jeden Augenblick explodieren. »Bitte.«

»Schließ die Augen«, sagte er sanft.

Das tat sie und hörte ihn »Ja« sagen.

Und mit einer einzigen blitzschnellen Bewegung schlang er den Strumpf um ihren Hals und zog mit aller Kraft zu.

Der Schrei blieb in ihrer Luftröhre stecken, und heraus kam nur ein kurzes ersticktes Ächzen.

Es ging alles so schnell, dass der Schock bereits eingesetzt hatte, bevor sie überhaupt begriff, was er tat. Das war kein harmloses Sexspielchen. Der Strumpf grub sich in ihren Hals wie ein Würgeisen, das ihr Blut- und Luftzufuhr abschnitt.

Allmächtiger!, schoss es ihr durch den Kopf. Das kann nicht wahr sein. Warum tut er das?

Reflexartig versuchte sie, ihre Finger unter den Strumpf zu bekommen, bevor sie das Bewusstsein verlor, aber er war sofort auf ihr, rittlings auf ihren Hüften sitzend, und drückte mit seinem ganzen Gewicht auf ihren Oberkörper, während er unerbittlich weiter zuzog. Sie flehte ihn mit ihren Blicken an, aber sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos.

Sie war unfähig, zu atmen oder sich zu bewegen, und aus ihren Armen und Beinen wich rasch alle Kraft, bis nichts mehr blieb als die Erkenntnis, dass das ihr Tod war.

In ihren letzten Sekunden bohrten sich seine Augen in die ihren, sie waren wie riesige schwarze Steine, die ihr immer enger werdendes Blickfeld ausfüllten. Das durfte einfach nicht sein. Nicht bei ihr. Nicht jetzt, wo sie vor einem Neuanfang stand.

»Böses Mädchen«, flüsterte er.

Und die Welt wurde schwarz.

Kapitel 2

Lieutenant Detective Steve Markarian schlief tief und fest an dem Sonntagmorgen, an dem der Anruf auf seinem Festnetzanschluss einging. Es war sein freier Tag und erst kurz nach neun, aber sein Captain rief an, weil in Jamaica Plain eine Frau unter verdächtigen Begleitumständen tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden war. Captain Charlie Reardon wollte, dass er sich der Sache annähme, weil die übrigen Detectives bereits mit anderen Fällen beschäftigt waren, unter anderem mit einem Doppelmord, der sich in der vorangegangenen Nacht in Dorchester ereignet hatte.

Die Adresse war 123 Payson Road, eine idyllische, von Bäumen gesäumte Seitenstraße der Center Street in einer Gegend mit schlichten viktorianischen Ein- und Zweifamilienhäusern, in denen früher vorwiegend irische Einwanderer gelebt hatten, die sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in die Mittelschicht emporgearbeitet hatten. Inzwischen waren sie in teure Eigentumswohnungen für Yuppies mit BMWs und Peg Perego-Kinderwagen umgewandelt worden.

Bei seinem Eintreffen war die Straße bereits von drei quer stehenden Streifenwagen blockiert. Vor dem Haus war gelbes Absperrband gespannt, an dem mehrere Streifenpolizisten standen. Trotz des kühlen Nieselregens hatten sich einige Schaulustige eingefunden. Am Straßenrand stand mit offener Hecktür ein weißer Kombi des Gerichtsmediziners. Im Führerhaus saß einer der Männer, die die Leiche abholten. Er unterhielt sich durch das offene Fenster mit einem Streifenpolizisten. Steve zückte seine Dienstmarke, und einer der Streifenpolizisten sagte: »Im ersten Stock. Sie bringen sie gleich runter.«

»Ist schon ein Detective oben?«

»Ja, Sergeant French.«

Steves Partner. Er ging ins Haus und nach oben. Mitten im Wohnzimmer standen Neil French, Tim Callahan, der Chef des JPPD, Bobby Mangini von der Gerichtsmedizin und ein Mann von der Spurensicherung. Sie unterhielten sich über das historische Triple Play im sechsten Inning des Red-Sox-Spiels vom Vorabend, das sich Neil mit seiner Tochter im Stadion angesehen hatte. Im Esszimmer waren die Techniker der Spurensicherung bereits dabei, ihre Sachen zusammenzupacken.

Neil sah auf die Uhr. »Das hat aber gedauert.«

Steve tat die Bemerkung mit einem Achselzucken ab. »Eigentlich hätte ich heute meinen freien Tag gehabt. Warum bist du überhaupt hier?«

»Hogans Junge hat heute ein Basketball-Turnier, deshalb haben wir getauscht.«

»Und? Womit haben wir es hier zu tun?«

»Sieht ganz nach einer missglückten Auto-Erotik-Nummer aus.«

Neil war einfarbig gekleidet, marineblauer Blazer, marineblaues Hemd und Jeans. Die dunklen Farben betonten sein rosiges Gesicht und das schüttere Haar. In seinem Mund steckte ein roter Plastikrührer, den er mit den Backenzähnen traktierte. Das tat er statt Zigarettenrauchen. Die Hälfte der Stifte auf seinem Schreibtisch war angenagt. Neil war ein Bündel an nervöser Energie, die ihn, besonders wenn er überarbeitet war, ungeduldig und aufbrausend machte. Und er war überarbeitet.

»Kein Anzeichen gewaltsamen Eindringens in die Wohnung. Keine Kratzer am Türschloss. Keine Hinweise auf einen Kampf. Keinerlei Spuren, dass jemand anders in der Wohnung war.« Beim Sprechen zuckte der rote Rührer auf und ab wie die Nadel eines Seismographen.

»Wir haben gewartet, dass Sie sie sich ansehen, bevor wir sie wegschaffen«, sagte Mangini.

»Wer hat sie gefunden?« Steves Blick fiel auf drei gerahmte Fotos auf dem Kaminsims.

»Die Streife kam gegen halb acht auf einen Notruf ihrer Freundin her. Als sie sie telefonisch nicht erreichen konnte, begann sie, sich Sorgen zu machen. Deshalb fuhr sie mit dem Auto her, und als ihr niemand öffnete, klingelte sie bei der Vermieterin, die hier im Haus wohnt. Sie hat ihr die Wohnung aufgeschlossen, und dann haben sie sie gefunden. Sie sind beide unten bei dem Streifenpolizisten, der als Erster hier war.«

»Schon irgendwelche Schätzungen, wie lang sie tot ist?«

»Schwer zu sagen. Lividität und Leichenstarre nach zu urteilen, vielleicht fünfzehn, zwanzig Stunden.«

Die Wohnung hatte den typischen viktorianischen Grundriss – Wohnzimmer, Esszimmer und Küche in einer Reihe, ein vom Essbereich abgehender Flur mit zwei Schlafzimmern. Steve folgte Neil durch das Esszimmer, in dem ein zugeklapptes Dell-Notebook unter einem Stuhl lag. In der Küche waren mehrere Techniker, die er von früheren Einsätzen kannte. »Wenn Sie so weit sind, können wir sie wegbringen«, sagte Mangini.

Steve nickte. Die Küche sah aus, als wäre dort gerade sauber gemacht worden. Das Einzige, was darauf hindeutete, dass hier auch jemand lebte, waren ein Weinglas und eine zu zwei Dritteln volle Flasche Taittinger. In dem Fingerabdruckpulver, mit dem Flasche und Weinglas bestäubt waren, waren Abdrücke zu erkennen. Die Spüle war leer. Steve sah seinen Partner an, und irgendetwas in seiner Miene ließ ihn stutzen. »Ist irgendwas?«

Neil gab ihm mit einer Kopfbewegung zu verstehen, er solle ihm in das zweite Schlafzimmer folgen, das in ein kleines Fitnessstudio mit Crosstrainer und Hanteln umfunktioniert worden war. An der Wand war das Poster einer Frau in Trainingskleidung, deren angespannter Bizeps von drei anderen Personen in Trainingskleidung mit ungläubigem Staunen bewundert wurde.

»Es ist Terry Farina.«

Steve brauchte eine Weile, bis er den Namen einordnen konnte. »Ach du Scheiße.« Auf dem Poster war ihr Haar dunkler und kürzer geschnitten, weshalb er die Frau aus den Abendkursen an der Northeastern University kaum wiedererkannte.

»Allerdings.« Neil wandte sich von dem Poster ab und ging in Richtung Schlafzimmer. »Hier rein.«

Steves Puls begann merklich schneller zu schlagen, als er seinem Partner den Flur hinunter zum Schlafzimmer folgte. Das Erste, was seine Aufmerksamkeit auf sich zog, war die eigenartige Konstruktion auf dem französischen Bett, das schräg in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers stand. An seinem Kopfteil war wie ein provisorisches Zelt ein weißes Laken über die Tote drapiert.

»Wie lange ist die Spurensicherung schon hier?«

»Ungefähr zwei Stunden. Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?«

»Der Akku meines PDA war leer.« Aus irgendeinem Grund hatte er am Abend zuvor vergessen, ihn aufzuladen. Nach dem dritten Anruf war es dem Captain schließlich gelungen, ihn über seinen Festnetzanschluss zu wecken.

Steve betrat das Zimmer, in dem es kühler zu sein schien als im Rest der Wohnung. Die Klimaanlage war ausgeschaltet. Als Steve auf das Bett zuging, stieg ihm stechender Uringeruch in die Nase. Er zog ein Paar Latex-Handschuhe an und wappnete sich innerlich, als Neil das Laken anhob, als enthülle er eine Skulptur.

Der Anblick war wie ein Schlag in den Solarplexus. Die Frau saß im Lotussitz nackt auf dem Bett. Aufrecht gehalten wurde ihr Oberkörper von einem am Kopfteil festgebundenen schwarzen Damenstrumpf, dessen Fußende um ihren Hals geschlungen war. Vermutlich zur Polsterung und um Aufschürfungen zu vermeiden, war zwischen Hals und Strumpf ein Handtuch angebracht. Infolge des Gewichts des Oberkörpers war der Strumpf straff gespannt, der Kopf war nach vorn gesackt.

Sie sah nicht aus wie die Frau, die er kannte. Sie hatte nichts Menschliches mehr. Ihre Haut war grau und ohne eine Spur von Leben. Das Gesicht war aufgedunsen und wegen des massiven Blutstaus und der Zyanose violett verfärbt. Der Mund war schlaff, und die schwarze Zungenspitze ragte wie eine Nacktschnecke durch den Schaum auf ihren Lippen. Infolge skleraler Blutungen waren die Augen mit roter Sülze gefüllte Schlitze. Die Hände waren an den Seiten zu Fäusten geballt, und zwischen den Beinen, wo sich ihre Blase entleert hatte, war ein Urinfleck.

Steve konnte keine Schrammen oder blauen Flecken an ihrem Körper sehen. Sie hatte eine sportlich schlanke Figur mit festen vollen Brüsten und kastanienrotes Haar, aber ihr Schamhaar – es war zu einem schmalen Streifen gestutzt – war dunkel.

»Wir vermuten, dass sie ohnmächtig wurde«, sagte Neil, »und alles Weitere hat ihr Gewicht erledigt.«

Steve nickte. Er hatte in seinen siebzehn Jahren bei der Polizei schon wesentlich Schlimmeres gesehen. Aus Gründen des Selbstschutzes hatte er gelernt, sich innerlich abzukoppeln, so dass er zerschundene Körper genauso unbeteiligt betrachten konnte wie ein Gutachter, der ein Unfallauto inspiziert. Aber das hier war etwas anderes. Er kannte diese Tote – die auffallend schöne Frau auf dem Poster, deren Gesicht jetzt grotesk entstellt war.

Als könnte er Steves Gedanken lesen, sagte Neil: »Nicht zu fassen.«

Terry Farina war Fitness-Trainerin in einem Studio in North Shore gewesen, in dem auch Neil einmal Mitglied gewesen war. Und Steve kannte sie von der Northeastern University, wo er einmal wöchentlich abends ein Einführungsseminar in Kriminologie hielt.

Sie hatte zur gleichen Zeit im Seminarraum nebenan einen Kurs in Psychologie besucht.

Kopfschüttelnd sah sich Steve im Zimmer um. Es hatte eine feminine Note und war vorwiegend in Mauve-Tönen gehalten, mit einem beige-grünen Berberteppich auf dem Parkettboden, einem weißen Zweiersofa mit ordentlich drapierten Kissen und mehreren Zimmerpflanzen. Auf einem kleinen runden Tisch stand ein gerahmtes Foto Terry Farinas mit einem lächelnden Begleiter. In der Ecke war eine hohe Zimmerpflanze in einem großen weißen Übertopf. Das Ambiente war viel zu heiter für das, was auf dem Bett saß.

An der anderen Wand war ein Flachbildfernseher, die Fernbedienung lag auf dem Nachttisch. Über einem Stuhl hingen ein Kleid – ein glänzendes schwarzes Teil mit Spaghettiträgern –, ein schwarzer BH und ein schwarzer Tanga. Etwas, das aussah wie der zweite Strumpf, lag neben einem Paar Schuhe auf dem Boden. Auf einem Stuhl an der Wand war ein offener grüner Koffer voll mit Kleidern. Wie Neil gesagt hatte, keinerlei Spuren eines Kampfes.

»Terry und ihre Freundin wollten heute Morgen ein paar Tage zu den Eltern ihrer Freundin nach Vermont fahren.«

Steve nickte. »Hat jemand die Leiche angefasst?«

»Nein.«

»Auch keiner von den Streifenpolizisten?«

»Er sagt, er hat sie nicht angerührt und nur die Zentrale verständigt, als er sie fand. Er heißt Larry Abraham. Steve, das haben wir bereits alles geklärt, steht alles im Bericht.«

»War das Licht an oder aus, als sie sie gefunden haben?«

»Aus.«

»Bist du sicher?«

»Ja, bin ich«, sagte Neil genervt.

Steve sah ihn an. »Was hast du denn?«

»Hör zu, wir würden jetzt gerne Schluss machen.« Er sah auf die Uhr. »Aber lassen wir das. Ich hole mir einen Kaffee. Willst du auch einen?«

»Wenn du noch mehr Koffein in dich reinschüttest, brauchst du eine Zwangsjacke.«

»Wie soll ich das jetzt verstehen?«

»Du frisst Plastik.«

»Willst du jetzt einen oder nicht?«

»Nein, schick mir Officer Abraham her.«

»Ich habe bereits eine Aussage von ihm.«

»Und ich will auch eine Aussage von ihm.«

Mit finsterer Miene verließ Neil das Zimmer.

Steve trat näher an die Tote heran. Seine Hand zitterte, als wäre ein kleiner Eisklumpen in seinem Bauch. Er hatte schon Hunderte von Toten untersucht, darunter einige, die er vom Sehen kannte – Fixer, Spitzel, Dealer, Nutten –, aber nie jemanden, den er persönlich kannte. Er holte tief Luft, um sich zu sammeln. Wegen der niedrigen Temperatur, die im Zimmer herrschte, hatte der Verwesungsprozess noch nicht eingesetzt. Er untersuchte die Leiche und machte Fotos, und als er damit fertig war, nahm er sich ihre Kleider vor. Mit einer Pinzette untersuchte er den zweiten Strumpf – das gleiche spitzenbesetzte Abschlussband wie an der Schlinge.

Nach ein paar Minuten kehrte Neil mit Bobby Mangini, einem weiteren Rechtsmediziner und dem Streifenpolizisten, der die Tote entdeckt hatte, zurück. »Sie bringen sie jetzt raus.«

»Vorher möchte ich noch mit Officer Abraham reden.« Wie auf ein Stichwort hin gingen Mangini und sein Assistent wieder nach draußen. Neil ließ sich gegen die Wand sinken und starrte Steve finster an.

Abraham war ein vierschrötiger Mann mit einem glatten jungenhaften Gesicht, der aussah wie ein Highschool-Linebacker. Der Anblick der Toten brachte ihn sichtlich aus der Fassung, und er versuchte, sie nicht anzusehen. »Wie lang sind Sie schon bei der Polizei?«

»Fast zwei Monate.«

»Da werden Sie noch Schlimmeres zu sehen kriegen«, sagte Steve. »Wer war hier, als Sie in die Wohnung gekommen sind?«

»Die Vermieterin, Jean Sabo, und die Freundin der Frau, Katie Beals.«

»War das Licht an oder aus, als die zwei Frauen die Tote entdeckt haben?«

»Sie haben gesagt, es war aus.«

»Und im Rest der Wohnung?«

»Die Vermieterin hat gesagt, in der Küche und im Wohnzimmer hätte Licht gebrannt, aber hier im Schlafzimmer nicht.«

»Haben Sie in diesem Zimmer oder in einem der anderen irgendetwas angefasst?«

»Nein, Sir.«

»Auch die Leiche nicht?«

»Ich habe an ihre Halsschlagader gefasst, um zu sehen, ob sie auch wirklich tot ist, aber sonst nichts.«

»Hat eine der beiden Frauen die Tote oder sonst etwas im Zimmer angefasst?«

»Nein, Sir. Sie waren ziemlich schockiert und haben das Zimmer sofort wieder verlassen. Ich sagte ihnen, sie sollten draußen im Flur warten.«

Steve sah wieder auf die Leiche. Die zu Fäusten geballten Hände bedeuteten, dass sie unter heftigen Schmerzen gestorben war. »Und das Bett?«

»Was soll mit dem Bett gewesen sein?«, fragte Abraham.

Steve hob das Laken an, das über die Matratze gespannt war. Auf dem Etikett stand Modell StroboMatic 10. »Das ist ein orthopädisches Bett, das sich an Kopf- und Fußteil mithilfe eines eingebauten Motors verstellen lässt. Außerdem kann man sich damit den Rücken massieren lassen.« Steve wies mit dem Kopf auf den Nachttisch. »Das ist die Fernbedienung dafür.«

»Ach so, ich dachte, die wäre für den Fernseher.«

»Sie sehen ähnlich aus. War der Motor des Betts an?«

»Nicht, dass ich wüsste.«

Steve untersuchte mit seiner behandschuhten Hand die Fernbedienung. Sie verfügte auch über einen Timermodus – für maximal eine Stunde. »Und die Klimaanlage?«

»Die war an.« Er warf einen kurzen Blick auf Neil.

»Die habe ich abgestellt«, sagte Neil. »Es war eiskalt hier drinnen.« Er hob das Klemmbrett, das er in der Hand hielt. »Steht alles hier drinnen.«

Steve nickte und sah wieder Abraham an. »Kein schöner Anblick, und dann waren auch noch die Freundin und die Vermieterin dabei, deshalb: Haben Sie das Laken über sie gebreitet?«

»Nein, Sir. Ich glaube, das waren die Jungs von der Gerichtsmedizin.«

»Die haben blaue Tücher.«

»Das Laken habe ich über sie geworfen«, sagte Neil. Er hielt ein Foto in der Hand, auf dem das Opfer zusammen mit einer anderen Frau in einem Garten zu sehen war.

»Danke, Officer. Ich komme später noch mal auf Sie zurück.« Abraham nickte und verließ das Zimmer. Steve ging auf Neil zu. »Du hast das Laken über sie gebreitet?«

»Ja. Ich habe es aus dem Schrank genommen.«

»Du könntest Beweismittel vernichtet haben.«

»Beweise wofür? Es war ein Unfall.«

»Das erklärt nicht, warum du das Laken über sie gebreitet hast.«

»Die Jungs sind hier ständig ein und aus gegangen.«

»Das sind Leichensammler! So was sehen die Tag für Tag.«

»Herrgott noch mal, ich kannte sie. Du kanntest sie.« Er stellte das Foto auf den Tisch zurück. »Ich habe sie erst erkannt, als ich das Poster sah. Eine echte Schande.«

»Das kannst du laut sagen.« Ein Polizist in der Uniform eines Sergeant kam in das Zimmer – Rick Malloy vom Jamaica-Plain-Revier. Hinter ihm waren Bobby Mangini und sein Assistent. »Verdammt scharfe Braut, das war sie.«

»Die Spurensicherung wäre so weit«, sagte Mangini. »Können wir sie jetzt in den Sack packen?«

»Augenblick noch«, sagte Steve. Die anderen sahen ihn ausdruckslos an; sie ärgerten sich, dass er so spät angerückt war und jetzt auch noch alles verzögerte. »Ich wüsste gern, ob Sie oder Ihre Mitarbeiter die Leiche bewegt haben, als Sie sie untersucht haben – sie irgendwie herumgeschoben oder verrutscht haben?«

Neil rollte genervt die Augen.

»Wir haben unter sie geschaut, wegen der Lividität. Aber sie ist ziemlich genau so, wie wir sie gefunden haben.«

»Die Haltung des Kopfs habt ihr nicht verändert?«

»Nur, um die Ligatur unter dem Handtuch zu untersuchen, aber ihr Kopf ist so, wie wir sie gefunden haben. Warum?«

»Der Winkel kommt mir eigenartig vor.« Er trat ans Bett. »Sieh dir die Ligatur an. Der ganze Druck liegt auf ihrer Kehle und auf den Venen und Schlagadern an den Seiten.«

»Klar, daran ist sie ja auch gestorben.«

Steve hob den Zopf in ihrem Nacken an, um den V-förmigen Spalt in dem gedehnten Strumpf freizulegen. »Da ist genug Platz, um einen Finger durchzustecken.«

»Na und?«, sagte Neil.

»Wie viel Erhängte hast du schon gesehen?«

Neil war über die Frage erstaunt. »Keine Ahnung. Einige.«

»Wie viel versehentliche?«

»Worauf willst du hinaus?«

»Sieh dir mal den blauen Fleck in ihrem Nacken an.«

»Das ist die Lividität.«

»Lividität kommt mit der Schwerkraft. Sieh dir mal ihre untere Gesichtshälfte an, wo der Kopf nach vorn hängt. Sie ist violett verfärbt. Das hier ist aber nicht die gleiche Farbe, wie sie von gestautem Blut herrührt. Das ist eindeutig ein Trauma.«

Mangini machte eine kleine Taschenlampe an und inspizierte die Ligatur um den Hals der Frau. »Könnte auch eine Hautabschürfung sein.«

»Sieht nach Druckspuren um den ganzen Hals aus, die meiner Ansicht nach nicht von dem Strumpf hervorgerufen worden sein können, jedenfalls nicht so, wie er jetzt ist.«

»Um das mit Sicherheit festzustellen, gibt es nur eine Möglichkeit: eine Zelluntersuchung im Labor.«

»Lassen wir machen. Außerdem trug sie ein hautenges Abendkleid und einen Tanga – kaum das, was man anzieht, um es sich auf dem Bett selbst zu besorgen. Und selbst wenn, warum hat sie in den anderen Zimmern das Licht angelassen, wenn sie schlafen gehen wollte?«

»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Mangini.

»Damit will ich sagen, dass die Spurensicherung eine komplette Tatortuntersuchung vornehmen soll, weil ich glaube, dass jemand bei ihr war.«

Neil lief rot an. »Ist das nicht ein bisschen übertrieben?«

Steve nahm seinen Partner mit auf die andere Seite des Zimmers und sagte leise: »Ich verstehe, dass du die Sache zum Abschluss bringen willst, aber ich bin nicht überzeugt, dass es ein Unfall ist. Und selbst wenn, nichts hier drinnen ist eingestaubt worden. Der Boden wurde nicht gesaugt. Niemand hat die Tote auf Vergewaltigungsspuren untersucht. So läuft die Sache normalerweise nicht.«

»Weil sich Mangini ganz sicher war. Auch die Jungs von der Spurensicherung waren sich sicher. Und ich bin mir sicher. Sie hat so eine sexuelle Privatnummer veranstaltet, aber dann wurde sie ohnmächtig und ist erstickt.« Er nahm den zerkauten Rührstab aus dem Mund. »Das ist hier nicht der Fall Portman, ja?«

»Cooler Spruch, Neil.«

Drei Monate, bevor Neil zur Bostoner Polizei gekommen war, hatte Steve die Spuren an einem Tatort falsch interpretiert und einen Mordfall zu einem Selbstmord erklärt. Daraufhin hatten die Angehörigen der Toten einen Privatdetektiv engagiert, der behauptete, die Ermittler hätten vorschnelle Schlüsse gezogen, woraufhin die Polizei unter Beschuss der Medien geraten war. Es war schlampige Arbeit gewesen und eine unausweichliche Folge seiner Probleme mit Dana: Steve hatte damals viel getrunken, war zu spät oder gar nicht zum Dienst erschienen und hatte sich bei Verdächtigen zu übermäßiger Gewaltanwendung hinreißen lassen. Seine Vorgesetzten hatten ihm eine Rüge erteilt, aber als vor sechs Monaten der Fall Portman in die Schlagzeilen gekommen war, hatte ihn Captain Reardon eine Woche vom Dienst suspendiert.

»Ich finde nur, du übertreibst ein bisschen«, sagte Neil. »Und außerdem ist es für ihre Angehörigen peinlich.«

»Kennst du ihre Angehörigen?«

»Nein, aber du hast doch die Bilder gesehen – Nichten und Neffen oder was weiß ich. Wenn wir die Sache unnötig breittreten, werden die Nachbarn draußen neugierig und fangen an, Fragen zu stellen, was hier los ist. Und dann rücken die Scheißmedien an. Darum lass uns hier jetzt alles unter Dach und Fach bringen, ja?«

»Wir werden hier alles unter Dach und Fach bringen, aber nachdem die Todesursache nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, werden wir uns dabei an die geltenden Richtlinien und Modalitäten halten.«

»Also alles streng nach Vorschrift?«

»Ja, vor allem bei jemandem, den wir kennen.«

»Umso mehr Grund, ihre Würde zu wahren.«

Steve sah Neil an. Auch er hätte am liebsten das getan, was sein Partner vorschlug: die Leiche in die Gerichtsmedizin bringen lassen und das Ganze abhaken. Aber in irgendeinem dunklen Winkel seines Innern spürte er leises Unbehagen. »Eigentlich hatte ich gehofft, es nicht sagen zu müssen, aber die Leitung hier habe immer noch ich. Und deshalb, ja, streng nach Vorschrift.«

Da ihre Partnerschaft noch nicht lange bestand, mussten sich Steve und Neil French erst noch zusammenraufen. Reardon hatte sie zusammengesteckt, weil sie sich gut ergänzten. Steve war eher der traditionelle Typ von Ermittler, der sich auf Logik, Präzision und wissenschaftliche Beweise stützte, um einen Tathergang zu rekonstruieren. Er ging systematisch und planmäßig vor und legte beim Verfassen seiner Berichte großen Wert auf Details und Ausführung. Er konnte auch gut mit Leuten umgehen, war aber manchmal allzu rücksichtsvoll. Neil dagegen war mehr der impulsive Typ, der aus dem Bauch heraus agierte und sich manchmal mehr auf Vermutungen als auf Fakten stützte. Außerdem bewies er bei Verhören erstaunliches Geschick und schaffte es als durchtriebener Schauspieler immer wieder, Verdächtige zum Reden zu bringen. Er war ein guter Polizist, und sie waren ein gutes Team. Aber das war das erste Mal in ihrer Partnerschaft, dass Neil Steve ganz offen Paroli bot. Vielleicht lag es daran, dass das Opfer eine gemeinsame Bekannte war. Oder es kamen bisher unterdrückte Ressentiments zum Vorschein, weil Neil älter und schon länger bei der Polizei war, während Steve der Ranghöhere von beiden war.

»Hört mal zu, Leute«, sagte Steve zu den anderen. »Wir haben hier ein paar Unstimmigkeiten. Deshalb möchte ich eine komplette forensische Untersuchung der Leiche: Hände und Fingernägel, DNS, Fingerabdrücke, Vaginalabstrich, Blutgruppe, Spermaspuren, Fasern, Haare – alles, was dazugehört.«

Neil wandte sich zum Gehen.

»Wo willst du hin?«

Er sah Steve verdrießlich an. »Mit der Vermieterin reden.«

»Wir werden ein paar zusätzliche Leute brauchen, um die nähere Umgebung abzusuchen, außerdem müssen wir die Besitzer aller im weiteren Umkreis geparkten Autos ermitteln und mit ihnen reden.«

Die anderen nickten.

»Des Weiteren will ich die Telefonunterlagen, und zwar für Festnetz, Handy und Büro. Außerdem ihre Notebook-Einträge und sämtliche gespeicherten und kopierten Mails. Das Gleiche gilt für ihren Anrufbeantworter sowie Adressbücher, Korrespondenz und Kreditkartenabbuchungen in den letzten achtundvierzig Stunden.« Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Und alle bekannten Lover, ehemalige und aktuelle.«

Dann nahm er das Telefon neben ihrem Bett und tippte *69, um den zuletzt eingegangenen Anruf ins Display zu holen. Neil sah ihm vom Bett aus zu. »Die von Ihnen gewünschte Nummer ist auf diesem Weg nicht zu erreichen.«

Neil wusste, was Steve tat, und sah ihn weiter an.

Steve schüttelte den Kopf. »Der letzte Anrufer hat die Anruferkennung blockiert.«

Während sich die Männer von der Spurensicherung daranmachten, eine umfassende Tatort-Untersuchung vorzunehmen, verließ Steve das Zimmer. An der Tür schaute er sich noch einmal um. Neil stand noch neben dem Bett und sah auf die Leiche von Terry Farina hinab. Er hatte Steve den Rücken zugekehrt, aber Steve hätte schwören können, dass Neil das Kreuzzeichen machte.

Kapitel 3

»Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«

Sie gingen die Treppe hinunter zur Wohnung der Vermieterin.

»Ich weiß nicht, vor vier, fünf Monaten vielleicht. Und du?«

»Vor zwei, drei Wochen.« Steve kannte Terry Farina von der Northeastern University, wo sie sich in den kurzen Unterrichtspausen ab und zu begegnet waren und in dem Dunkin’ Donuts im Erdgeschoss gelegentlich Kaffee miteinander getrunken hatten. Sie war Ende dreißig und hatte zur Auffrischung ihres Wissens verschiedene Abendkurse besucht, weil sie im Herbst wieder mit dem Studium beginnen wollte. »Dann warst du also bis heute noch nie in ihrer Wohnung?«

Neil sah Steve über seine Schulter hinweg an. »Nein, ich war bis heute noch nie hier. Sonst hätte ich es dir gesagt.«

Sie kamen unten an. Neil nahm zwei Aspirin aus einem Röhrchen und schluckte sie ohne Flüssigkeit hinunter. »Ich weiß nur, dass sie sich letztes Jahr von einem Typ getrennt hat und anschließend in die Wohnung hier gezogen ist. Ich kann es immer noch nicht glauben, aber wenn sich herausstellt, dass es irgendwas Persönliches war, sollten wir ihn uns genauer vornehmen.«

Steve klopfte an die Tür der Wohnung im Erdgeschoss, worauf ihnen Officer Abraham öffnete und sie ins Wohnzimmer führte, wo ein weiterer Streifenpolizist sowie Jean Sabo, die Vermieterin, und Terrys Freundin Katie Beals saßen. Steve erklärte den beiden Frauen, dass sie sich hinsichtlich der Todesursache nicht ganz sicher seien, und machte sie darauf aufmerksam, dass die Vernehmung freiwillig sei. Gleichzeitig bat er die Frauen, die Sache vertraulich zu behandeln. Wie es gängige Praxis war, wurden sie getrennt vernommen. Steve begann mit Mrs. Sabo und fragte sie, ob sie in den letzten 24 Stunden in der Wohnung im Obergeschoss irgendetwas gehört hätte – Stimmen, Schritte, laute Geräusche.

»Nein, aber ich muss auch sagen, dass ich nicht wirklich darauf geachtet habe. Terry war immer sehr ruhig. Außerdem hatte ich den Fernseher an.« Sie sagte, sie habe drei Geräte – eins im Schlafzimmer, einen kleinen Flachbildschirm in der Küche und einen großen im Wohnzimmer. »Dazu kommt noch, dass ich gestern fast den ganzen Tag nicht zu Hause war.«

»Wann sind Sie etwa nach Hause gekommen?«

»Kurz nach sieben.«

»Und dann haben Sie gleich den Fernseher angemacht?«

»Ja, in der Küche und im Schlafzimmer. Sie leisten mir Gesellschaft, wenn ich hier rumwerkele.«

»Und wann sind Sie gestern Abend ins Bett gegangen?«

»Gleich nach Law and Order, um zehn.«

»Und Sie können sich nicht erinnern; irgendetwas gehört zu haben?«

»Nein, ich habe nichts gehört.« Sie wandte sich Neil zu. »Sagten Sie nicht, es war ein Unfall?« Ihre Hand ging an ihren Mund hoch. »Glauben Sie, jemand hat sie umgebracht?«

»Wir sind nicht sicher, wie sie gestorben ist.«

Steve vernahm die Vermieterin noch ein paar Minuten, dann übergab er an Neil und ging in die Küche. Katie Beals, eine zierliche, attraktive 36-jährige Frau, hatte sich noch immer nicht von dem Schock erholt. Steve erklärte ihr, er wolle noch einmal alles mit ihr durchgehen, auch wenn sich Sergeant French bereits ausführlich mit ihr unterhalten habe.

»Wir wollten fünf Tage nach Vermont fahren. Aber weil ich am Samstag arbeiten musste, wollten wir erst heute Morgen losfahren.« Sie erklärte Steve, dass sie ihre Eltern hatten besuchen wollen, was mit dem Eintrag in dem Küchenkalender in Terry Farinas Wohnung übereinstimmte. »Vermont« hatte im Kästchen für Montag gestanden, »zurück« in dem für Donnerstag.

»Ich kam her, um sie abzuholen. Ich klingelte und klingelte, und dann versuchte ich sie anzurufen, über Festnetz und Handy. Von außen war nämlich zu sehen, dass Licht bei ihr brannte, und als sie nicht dranging, klopfte ich bei Mrs. Sabo.«

»Wo hat Licht gebrannt?«

»Im Wohnzimmer.«

Steve fragte sie, wie es in der Wohnung ausgesehen habe und was sie dort getan hätten und ob sie die Leiche oder sonst etwas angefasst hätten. Bis auf das Telefon in der Küche, von dem sie die Polizei angerufen hatten, hatten sie nichts angerührt.

»Und Sie haben die Leiche nicht angefasst, sie nicht vielleicht geschüttelt oder den Puls gefühlt, irgendetwas in der Art?«

»Nein, nein. Ich konnte sofort sehen, dass sie tot war, da brauchte ich sie nur anzusehen. Es war schrecklich. Ich glaube, ich stand einfach nur da und schrie. Jean hat dann von dem Telefon im anderen Zimmer angerufen. Ich habe alles nur noch verschwommen in Erinnerung, aber wir haben sie nicht angerührt und auch sonst nichts.«

»Wie lang kennen Sie Terry schon?«

»Seit September. Wir haben letztes Jahr an der Northeastern an einem Abendkurs teilgenommen.« Sie kämpfte beim Sprechen mit den Tränen. »Sie war so ein wundervoller und zufriedener Mensch. Ich verstehe das einfach nicht.«

»Glauben Sie, dass sie Selbstmord begangen hat?«

»So hieß es jedenfalls.«

»Wer hat das gesagt?«

»Der andere Detective.«

»Ach ja. Im Moment können wir noch nichts ausschließen. Ich weiß, wie furchtbar das alles für Sie sein muss, aber eine Möglichkeit ist, dass ihr Tod ein Unfall war – dass sie starb, als sie autoerotische Asphyxie praktizierte. Wissen Sie, was das ist?«

Sie zuckte zusammen, als wollte sie die Erklärung lieber nicht hören. »Ungefähr.«

»Es ist eine Möglichkeit, durch partielle Strangulation das sexuelle Lustempfinden zu steigern. Es tut mir leid, dass ich Sie das fragen muss – und ich weiß auch nicht, wie nahe Sie sich standen –, aber ist das etwas, was Sie ihr zugetraut hätten?«

»Nein, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Ich kannte sie zwar erst ein paar Monate, aber nein ...« Sie sprach nicht weiter.

»Wissen Sie, ob sie einen Freund hatte?«

»Nein, aber sie hat nicht viel von sich erzählt. Sie sagte nur, sie hätte sich letztes Jahr von einem Mann getrennt und wäre dann in diese Wohnung hier gezogen. Ich glaube, sie wollte erst mal nicht so schnell wieder eine feste Bindung eingehen.«

»Wissen Sie, wie dieser Mann hieß?«

»Nein. Aber ich glaube, er zog weg und hat geheiratet.«

»Dann wissen Sie also von niemandem, mit dem sie enger befreundet war.«

»Nein.«

»Hatte sie Angehörige?«

»Ihre Eltern sind vor ein paar Jahren gestorben, aber ich glaube, sie hat einen Bruder in Chicago und eine Schwester irgendwo oben im Staat New York. Ich kenne allerdings beide nicht, und Terry hat auch nicht viel über sie gesprochen.«

Er befragte sie noch ein paar Minuten und notierte sich die Namen von Freunden und Bekannten. Dann öffnete Beals ihre Handtasche und nahm ein Foto heraus. Mit erstickter Stimme sagte sie: »Das wollte ich ihr geben.«

Auf dem Schnappschuss war Farina vor einem Damenbekleidungsgeschäft zu sehen, wie sie sich in Jeans und einem engen Pullover in Pose warf. In einer Hand eine Einkaufstüte, die andere hinter den Kopf haltend, schaute sie kess in die Kamera. Im Gegensatz zu den Fotos vom Tatort war ihr Haar auftoupiert und kastanienrot.

»Wann wurde das aufgenommen?«

»Vor zwei Wochen. Wir waren einkaufen und haben furchtbar rumgealbert ... ich kann einfach nicht fassen, dass sie jetzt tot ist.«

»Darf ich das behalten?«

Sie nickte. »Ja, ich habe noch eins davon.«

Als Steve auf dem Foto ihr Gesicht betrachtete, fiel ihm ein, was ihm an ihr aufgefallen war, als er sie vor Monaten in der Schlange vor dem Kaffeestand zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte es an nichts Bestimmtem festmachen können – vielleicht war es die Stellung der Augen, der Mund, das herzförmige Gesicht –, aber irgendetwas an ihr war ihm bekannt vorgekommen. Erst als er sich mit ihr zu unterhalten begonnen hatte, war ihm klar geworden, dass sie eine vage Ähnlichkeit mit seiner Frau Dana hatte.

Andererseits schien das seit ihrer Trennung auf die Hälfte aller Frauen zuzutreffen, denen er begegnete.

Kapitel 4

»Ich bin diese Nase leid. Die sitzt in meinem Gesicht wie eine verdammte Rückenflosse.«

Dana kam aus dem Bad und deckte mit der Hand ihren Nasenrücken ab. Sie kehrte Steve, der gerade die Klimaanlage ins Fenster einzupassen versuchte, das Profil zu. »Wie findest du sie so?«

Es war schon fast neun Uhr abends gewesen, als Steve angerückt war, um die Klimaanlage im Schlafzimmerfenster einzubauen. Er war fix und fertig, denn zuvor hatten sie sich noch einmal fünf Stunden lang die Farina-Wohnung vorgenommen und anschließend mit der örtlichen Polizei das Viertel nach potenziellen Zeugen durchkämmt. Doch niemand hatte etwas gehört oder gesehen. Farinas einzige Verwandte – eine Schwester und ein Bruder – waren von ihrem Tod in Kenntnis gesetzt worden. Bis zum endgültigen Obduktionsbefund bliebe der Fall Farina als klärungsbedürftig eingestuft.

»Ich würde gern den Höcker abtragen und sie vielleicht ein bisschen schmaler machen lassen.«

»Scheiße!« Der hintere Teil des Geräts klemmte und hing jetzt zwischen Steves Bauch und der Kante des Fensterbretts, während er sich krampfhaft verbog, um mit der freien Hand an den Hammer in seinem Werkzeugkasten zu kommen und damit einen Nagel einzuschlagen, der zu weit aus der Führungsschiene stand. »Sie können zwar Computer bauen, die in deinem Ohr Platz haben, aber keine Klimaanlagen, bei denen man sich keinen Bruch hebt.«

Seinen Bauch gegen das Gerät gedrückt, sah er Dana finster an. Die scharfe Unterkante schnitt in seine Finger, sein Unterleib schrie nach Entlastung. »Ich will dich ja nicht bei deinen tiefschürfenden Überlegungen stören, aber könntest du bitte den Hammer nehmen und diesen Nagel einschlagen?«

Sie sah ihn an. »Warum setzt du das Ding nicht einfach ab und machst es selbst?«

»Weil der Tisch einen Kratzer bekommt, wenn ich den blöden Kasten darauf abstelle, und auf dem Bett gibt es einen Fleck. Und der Stuhl vor dem Schminktisch ist voll mit deinen Klamotten. Und wenn ich ihn auf dem Boden abstelle, kriege ich wahrscheinlich einen Bandscheibenvorfall, wenn ich ihn wieder hochzuheben versuche. Und wenn ich dir noch länger irgendwelche Erklärungen geben muss, schmeiße ich das blöde Ding aus dem Fenster.«

»Schon toll, wie sich diese vielen Stunden im Fitnessstudio bezahlt machen.«

»Eine Klimaanlage herumzuwuchten gehört nicht zu meinem Trainingsprogramm.«

Sie schnappte sich den Hammer und drosch den Nagelkopf platt.

Mit einem Seufzer schob er das Gerät in die Schiene und zog das Fenster nach unten, um es festzuklemmen. Sein Atem entwich mit einem explosionsartigen Stoß. Sie waren schon über ein halbes Jahr getrennt, aber er kam immer noch vorbei, um ihr bei allem Möglichen zu helfen. So würde der Kontakt wenigstens nicht ganz abreißen, hoffte er.

»Wolltest du das übrigens nicht schon gestern machen?«

»Mir ist was dazwischengekommen.«

»Aber anrufen hättest du doch wenigstens können.« Sie wandte sich wieder dem großen Spiegel zu. »Außerdem glaube ich, dass ich mir die Lider liften lassen sollte. Was meinst du?«

Er legte sich flach aufs Bett. »Ich glaube, ich werde nie wieder gerade stehen können.«

»Danach hab ich dich gefragt.« Sie hatte die Hände an die Seite ihres Gesichts gelegt und zog die Haut damit nach hinten, als sie sich wieder zu ihm umdrehte.

»Was machst du denn da?«

»Ich will von dir wissen, ob du findest, dass ich mir die Lider liften lassen sollte. Sie beginnen zu hängen. In ein paar Jahren sehe ich aus wie Salman Rushdie.«

»Ich glaube, ich hatte das schon mal bei Legal Seafood.«

»Ich meine es ernst.« Jetzt betrachtete sie ihr Gesicht in einem Handspiegel.

»Dana, du musst dir nicht die Lider liften lassen. Du musst herkommen und eine Nummer mit mir schieben.« Er sah sie an und versuchte, die Bilder von Terry Farina aus seinem Hirn zu spülen.

Dana verzog im Spiegel das Gesicht. »Außerdem machen sie meine Augen klein.«

Auf ihrem Nachttisch lagen ein paar Ausgaben von Vogue und Glamour. »Und vielleicht solltest du auch aufhören, Zeitschriften zu abonnieren, in denen nur Vierzehnjährige abgebildet sind.« Die Innenwände ihres Kleiderschranks waren mit Fotos magersüchtiger Mädchen in Kleidern bepflastert, die sie toll fand.

»Meine Mutter hatte auch herunterhängende Lider«, fuhr sie fort. »So was nenne ich Glück! Von ihr habe ich die Lider geerbt und von meinem Vater die fette Griechennase.« Sie legte den Spiegel weg, zog mit den Mittelfingern ihre Lider hoch und wandte sich Steve zu, der vom Bett zu ihr hochschaute. »Wie fändest du das?«

»Du siehst aus, als hättest du einen Stromschlag gekriegt.«

Daraufhin hielt sie die Lider hoch und zog mit den Handkanten die Haut zurück. »Und so?« Sie wandte ihm wieder ihr Gesicht zu.

»Du hast gerade Mach fünf erreicht.«

»Was heißt das?«

»Dein ganzes Gesicht ist nach hinten gezogen wie bei einem Testpiloten.«

»Du nimmst das ja überhaupt nicht ernst.«

»Und du nimmst es zu ernst. Erstens sind deine Augen nicht klein, und zweitens verleihen dir deine Lider einen richtig scharfen verschleierten Blick.«

»Einen verschleierten Blick? Genau davon rede ich doch die ganze Zeit.«

»Na schön, meine Wortwahl war vielleicht nicht ganz glücklich.«

»Gib wenigstens zu, dass ich mir die Nase operieren lassen muss.« Ihre Stimme wurde brüchig, und sie kämpfte mit den Tränen, als sie sich auf die Bettkante setzte.

»Was hast du denn?«, fragte er bestürzt.

»Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich eine müde Frau mit einer Knollennase.«

Das war nicht die Dana Zoukos Markarian, die er kannte. Klar, sie hatte eine markante Nase, aber bisher hatte sie sich so gut wie nie darüber beklagt. Außerdem war sie von Natur aus mit einem guten Aussehen gesegnet – hohe Stirn, glatte Porzellanhaut und große grüngraue Augen – ein klassisches Akropolisgesicht. Von der schwedischen Seite ihrer Mutter hatte sie rotblondes Haar, das sie schulterlang und mit einem Pony trug. Steve legte ihr den Arm um die Schultern. »Steigerst du dich da nicht in was rein?«

Sie wischte mit dem Handrücken die Tränen weg. »Ich habe den Job nicht gekriegt.«

»Verdammt! Das tut mir leid.«

Dana unterrichtete seit vierzehn Jahren an der Carlton High Chemie, hatte aber beschlossen, etwas Neues zu versuchen. Sie war die ewig gleiche Routine und den ganzen Schreibkram, die zunehmend größeren Klassen und die schrumpfenden Geldmittel satt und hatte keine Lust mehr, sich wie eine Lohnsklavin des Commonwealth zu fühlen. Die Kinder war sie jedoch nicht satt. Im Gegenteil, sie arbeitete immer noch gern mit ihnen, und sie hatten sie zweimal zur »Lehrerin des Jahres« gewählt.

Sie ersetzten ihr die Kinder, die sie und Steve nie bekommen hatten, sagte sie immer. Aber dann hatte sie ihre Freundin Lanie Walker auf die Idee gebracht, sich als Pharmareferentin zu bewerben. Die Tätigkeit war geistig anspruchsvoll und einträglich – mit Provisionen, die sich ab dem dritten Jahr im sechsstelligen Bereich bewegten. Man brauchte keine kaufmännische Erfahrung und keinen Abschluss in Pharmakologie, weil die Firma Leute mit Verstand und einnehmender Persönlichkeit suchte, die sich auf diesem heiß umkämpften Markt durchsetzen sollten. Dana begann sich für die Sache zu interessieren. In den letzten Monaten hatte sie bei vier Firmen Bewerbungsgespräche gehabt. Drei hatten sie abgelehnt, aber die vierte, GEM Tech, die sich auf Demenz-Medikamente spezialisierte, hatte sie vor zwei Wochen zu einem dritten Gespräch eingeladen. Es war die Firma, bei der auch Lanie arbeitete. »Was ist passiert?«

»Passiert ist, dass sie eine jüngere Frau genommen haben.«

»Woher weißt du das?«

»Lanie kennt jemanden in der Personalabteilung. Bei den anderen war es das gleiche. Mit neununddreißig bin ich zu alt, um Pillen zu verkaufen.«

»Das ist Diskriminierung wegen deines Alters, und das ist bekanntlich verboten.«

»Schon, aber versuch das mal zu beweisen. Ich habe in meinem Bewerbungsschreiben weder mein Geburtsdatum noch das Jahr, in dem ich mit der Uni fertig geworden bin, angegeben. Nichts, aus dem mein Alter hervorgeht. Für die könnte ich also fünfundzwanzig oder fünfundsiebzig sein. Aber der Personalchef hat mich nur angesehen und ›zu alt‹ gedacht, mir aber weiter Fragen gestellt und mich schön reden lassen, während ich noch dachte: ›Wow, läuft ja super.‹«

»In Restaurants verlangen sie immer noch deinen Ausweis.«

»Nur weil die Beleuchtung so schwach ist.«

»Dana, du siehst aus wie Ende zwanzig.«

Sie wandte ihm ihr Gesicht zu. »Nein, tu ich nicht. Schau dir doch meine Augenlider an. Schau dir die Krähenfüße an. Schau dir die Falten unter meinen Augen an. Und diese verdammte Nase. Ich finde sie schrecklich.«

Er schaute in ihre großen Katzenaugen und spürte, wie ihm warm ums Herz wurde. »Ich finde dich schön.«

»Du bist blind. Die hätten Cindy Crawford abgelehnt. Ich sage dir, die wollen Jugend, keine Schönheit. Was die zu den Ärzten schicken wollen, sind gesund aussehende junge Mädchen.«

»Aber du bist doch eine reife Frau, die jahrelang Chemie unterrichtet hat. Du weißt, wie man mit Leuten umgeht. Du hast eine tolle Persönlichkeit ...«

»Ja, ja, ja, aber Erfahrung und Referenzen zählen nicht. Eingestellt werden Zweiundzwanzigjährige mit einem Abschluss in Wirtschaft und Soziologie. Es ist zum Heulen. Wir leben in einer Kultur, die ihre Alten verschleißt und in der nur die Oberfläche zählt.«

»Du bist nicht alt.«

»Nein, aber ich fange an, alt auszusehen.« Sie stand auf und machte die Klimaanlage an, um zu sehen, ob sie funktionierte. Danach stellte sie das Gerät wieder ab. »Lanie kennt einen guten Arzt, der schon Verschiedenes bei ihr gemacht hat.«

Steves Blick blieb weiter auf die Klimaanlage gerichtet. »Wie war es übrigens gestern Nacht? Eher warm oder kühl?«

»Wieso willst du das jetzt wissen?«

»Ich hab mich nur gefragt.«

»Es war kühl und regnerisch. Wieso?« Sie sah ihn plötzlich aufmerksam an. »Was hast du denn?«

Er antwortete erst nach einer Weile. »Gestern hatte ich wieder einen Anfall.«

»Was ist passiert?«

»Keine Ahnung. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass ich die benoteten Arbeiten im Sekretariat der Kriminalistik abgegeben habe. Und dann bin ich, glaube ich, eine Kleinigkeit essen gegangen. Und danach – totaler Filmriss.«

»Du kannst dich nicht erinnern, nach Hause gekommen zu sein?«

»Nein. Nur dass ich heute Morgen aufgewacht bin, als Reardon anrief.«

Sie sah ihn prüfend an. »Hast du was getrunken?«

Mit dieser Frage hatte er gerechnet. »Höchstens ein Bier.«

»Oder auch zwei oder drei ... und das in Verbindung mit dem Ativan. Du weißt doch, dass der Arzt gesagt hat, was für verheerende Folgen das haben kann.«

Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich weiß nicht, was ich getrunken habe. Und das Ativan nehme ich nur bei Bedarf.«

»Wirklich?«

Er sah sie an und schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich nicht mehr.«

»Und wo warst du?«

»In einem Restaurant in Campusnähe.«

»Und du erinnerst dich nicht, nach Hause gefahren zu sein? Geduscht zu haben? Ins Bett gegangen zu sein?«

»Nein.«

»Deinen PDA musst du auch ausgemacht haben, weil ich dich ein paarmal anzurufen versucht habe.«

»Schon möglich.« Er hatte seinen PDA am Morgen aufladen müssen, während er geduscht und sich fertig gemacht hatte, um an den Tatort zu fahren. Sonst machte er das immer nachts. Er konnte sich an nichts mehr erinnern.

Sie schüttelte den Kopf und wollte ihn gerade zurechtweisen, als sie zusammenfuhr. »Da riecht es irgendwie angebrannt.«

»Die Lamadschuns.«

Steve hatte armenische Pizzas und andere Köstlichkeiten mitgebracht. Weil Dana weder besonderen Spaß am Kochen hatte noch besonders einfallsreich war, hatte er sich, auch als sie noch zusammengelebt hatten, häufig ums Essen gekümmert. Sie hatte eigentlich alles verkocht. Er dagegen konnte – um den Berufsstress abzubauen – ganz darin aufgehen, sich immer wieder etwas Neues auszudenken.

Er stürmte die Treppe hinunter. Aus dem Backofen quoll Rauch. Er hatte vergessen, den Timer zu stellen. Er zog das Backblech heraus. Die Lamadschuns waren verkohlte qualmende Scheiben. »Sie sind ein bisschen zu sehr durch, aber dir könnten sie trotzdem schmecken.«

»Sehr witzig.«

Er spülte die verkohlten Reste in den Häcksler, Dana machte die Abzugshaube an. Auf der Kochinsel waren Platten mit gefüllten Weinblättern, eingelegtem Gemüse und Käse-Spinat-Taschen sowie eine Schüssel Hummus mit Pita-Fladen und Kalamata-Oliven. Er nahm ein paar neue Lamadschuns aus der Packung, aber Dana sagte, sie sei nicht hungrig.

»Die gefüllten Weinblätter sind hausgemacht. Ich habe sie so mit den Füßen gerollt, wie du sie gern magst.«

Sie rang sich ein Lächeln ab, schüttelte aber den Kopf und lehnte sich gegen die Spüle.

Steve schenkte ihr ein Glas Gewürztraminer und sich selbst eine Limonade ein. Sie blickte stumm in ihr Glas. »Kann ich heute hier übernachten?«

»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre.«

»Ich verspreche dir, ich lasse mich nicht von dir anfassen.«

»Nein.«

»Du fehlst mir.« Er vermisste es, zu ihr nach Hause zu kommen. Er vermisste die Gespräche mit ihr, ihren wachen Verstand, ihren Humor. Er vermisste ihre Ehe. Ohne Dana zu leben war, als versuchte er, nur mit einem Lungenflügel zu atmen.

Die gute Nachricht war, dass sie immer noch ihren Ehering trug. Es war das Erste, wonach er geschaut hatte, als er hergekommen war. Das verschaffte ihm nach wie vor eine gewisse Sicherheit, ganz im Gegensatz zu ihrem Gesichtsausdruck.

Sie nahm einen Schluck Wein und stellte das Glas mit einem leisen Klirren ab. »Das hättest du dir besser überlegen sollen, bevor du auf die Idee kamst, eine Nummer mit Sylvia Nevins zu schieben, um mich mal deiner blumigen Ausdrucksweise zu bedienen.«

Er seufzte. Da war er wieder – der alte Fehltritt, den sie ihm immer wieder unter die Nase rieb.

Im vergangenen Jahr hatte er sich auf einer Party, als er schon einiges getrunken hatte, an eine heiße Rechtsmedizinerin rangemacht. Eins ergab das andere, und er landete mit ihr im Bett. Als Dana in der Woche danach im Schullandheim war, wiederholte sich das Ganze. Dummerweise waren Sylvia Gerüchte zu Ohren gekommen, dass bei Steve und Dana der Haussegen schiefhing, und da sie anscheinend einen Narren an ihm gefressen hatte, stand ihr der Sinn nach mehr als nur ein paar One-Night-Stands. Als er ihr klarmachte, ihre kurze Affäre sei vorbei und er wolle sich mit seiner Frau zusammenraufen, drehte sie durch und hinterließ, um es ihm heimzuzahlen, eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, die für Dana wenig Zweifel ließ. Das brachte das Fass zum Überlaufen: Dana erklärte ihm, sie wolle eine Trennung.