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Schluss mit Meeting-Wahn und Stress im Job! Du willst beruflicher Überlastung und Zeitdruck entgegenwirken und erhoffst dir einen produktiveren Workflow? Lerne, wie du dich und dein Team vor Burnout bewahren und die Leistungsfähigkeit deines Teams langfristig steigern kannst. Immer komplexer werdende Arbeitsabläufe und zunehmender Zeitdruck führen nicht selten zu Überlastung und völliger Erschöpfung. Hinzu kommt die ständige Teilnahme an Meetings, wodurch wichtige Arbeitsprozesse unterbrochen werden. Dies geht erheblich zu Lasten der allgemeinen Produktivität. Um die verlorene Zeit aufzuholen, arbeitest du länger und machst regelmäßig Überstunden. Du versuchst es mit Stressmanagement, aber du hast keine Ahnung, wie du als Führungskraft neben der Mitarbeiterführung noch Zeit dafür finden sollst. Völlig ausgelaugt kommst du erst spät abends nach Hause und hast weder Zeit noch Lust für Familie und Hobbys. Unzufriedenheit und der Gedanke an Zeitverschwendung und Sinnlosigkeit kommen auf. Der Termin- und Aufgabendruck im Beruf muss reduziert werden, ansonsten kann die Überlastung schwerwiegende Folgen für dich und dein Team haben: - Beeinträchtigung der Produktivität - Unzufriedenheit aufgrund langer Arbeitszeiten und Überstunden - Wenig Zeit für das Privatleben - Krankheit durch Überforderung - Risiko eines BurnoutsDoch aufgepasst: Die Lösung des Problems liegt nicht im "Mehr", sondern im "Weniger". Mit den richtigen Tools kannst du alles zum Positiven verändern und nicht relevante Aufgaben streichen. Das schafft Platz für Freiräume. Arbeitszeit reduzieren bei vollem Lohn – das geht! Tausende Firmen machen es bereits vor: mit einer 4-Tage-Woche-Vollzeit oder 25-Stunden-Vollzeit. Wenn du einen praxisnahen Ansatz zur Arbeitsoptimierung, Zeitmanagement und Entlastung suchst, ist dieses Buch dein perfekter Berater! "Smart arbeiten mit der Delete-Strategie" unterstützt dich dabei, belastenden Aufgabendruck bei der Arbeit hinter dir zu lassen und ein erfüllendes Arbeitsleben zu schaffen. So hast du mehr Zeit für relevante Arbeiten, förderst den Stressabbau und gewinnst die Freude an deinem Beruf zurück. Das erwartet dich: - Unterhaltsame persönliche Geschichten und Erfahrungen, die dir im Gedächtnis bleiben. - Praktische Tipps, die dein Leben positiv beeinflussen werden. - Mehr Freude im Alltag und weniger Stress tragen dazu bei, die Probleme des Lebens zu meistern. - Grundlegende Schritte zur Um- und Neuorientierung. - Motivation, neue Organisationsmethoden auszuprobieren."Smart arbeiten mit der Delete-Strategie": Der Titel ist Programm! Die Tools in diesem Buch "Streichen, ersetzen und Steigern", die "Delete-Brille" und "Zeit-Wirkungs-Kreisen" führen dich unterhaltsam und binnen kürzester Zeit zu besseren Arbeitsabläufen und damit zu mehr Zufriedenheit im Job. Du willst endlich wieder Bock auf Arbeit haben? Dann besorg dir noch heute dein Exemplar und schaffe Platz für gesunde Leistungsfähigkeit, die dich aufatmen lässt! Delete Work: Be happy!
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Seitenzahl: 310
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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
1. Auflage 2024
© 2024 by Remote Verlag, ein Imprint der Remote Life LLC, Powerline Rd., Suite 301-C33309 Fort Lauderdale, Fl., USA
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
Projektmanagement: Li Töppe, Melanie Krauß
Lektorat und Korrektorat: Heike Maillard, Markus Czeslik, Luise Hartung
Illustrationen Cover: www.freepik.com
Umschlaggestaltung: Zarka Bandeira
Satz und Layout: Zarka Bandeira
Abbildungen im Innenteil: © Martin Gaedt
ISBN Print: 978-1-960004-29-1
ISBN E-Book: 978-1-960004-30-7
www.remote-verlag.de
Martin Gaedt
Überflüssiges streichen,Produktivität steigern,kreatives Potenzial freisetzen
Vorwort
40 Übungen zum Ausmisten und für kreatives Potenzial
Teil 1:Mensch, ärgere dich und lösch kraftvoll
1 Good News: Löschen geht
Mauern und Bedenken überwinden
Falsche Vorstellungen erkennen
Von einheitlichen Sichtweisen lösen
Überlastende Arbeit verringern
Wirkungslose Arbeit abschaffen
Tote Öffnungszeiten streichen
Die Bad-News-Brille absetzen
2 Bessere Arbeit durch Ersetzen
Worte ersetzen, Reden löschen
Gäste ausladen, Stühle wegstellen
Standards gezielt verändern
Teures Nichtstun beenden
Schluss mit frühem Aufstehen
Weniger Kakao und Beton
Kosten und CO2 vermindern
3 Spielregeln smart streichen
Spielverderber fliegen raus
Wertlose Regeln abschaffen
Alte Standards aufgeben
Aus unfairer Vollzeit aussteigen
Lebensgefahr bannen
Ganze Systeme sprengen
Fette Bürokratie abbauen
Teil 2:Willst du Schmetterlinge, tritt nicht auf Raupen
4 Unter zu viel teurem Druck
Die volle Festplatte löschen
Den Terminkalender bereinigen
Die Mental-Pandemie abwehren
Das Ende der Bewegungslosigkeit
Den Pflexit beenden
Den Optimierungszwang beseitigen
Den Großteil der Krankentage vermeiden
5 Neues braucht Raum und Zeit
Normale Absurditäten abschaffen
Durch Zerstörung zum Erfolg
Den Raupen- und Babytod verhindern
Die Mauer um deine Sicht einreißen
Die Veränderungsabwehr entkräften
Die Bewerbungslangeweile abstellen
Das Komfortzonen-Bashing abschaffen
6 Die alltägliche Delete-Strategie
Mit Löschlisten Müll entsorgen
Löschen in der SHK Innung München
Löschen in der Mönner GmbH
Müll rhythmisch entsorgen
Ein Drittel oder die Hälfte löschen
Den Betonkopf sprengen
Ein Jahr ohne Chef
Teil 3:Etabliertes Löschen für gesunde Leistung
7 Entscheidungen durch Erlebnisse
Raten durch Fragen ersetzen
Raten durch Sehen ersetzen
Starke Unsicherheit abbauen
Veraltete Berufsbilder vergessen
Falsche Vorstellungen löschen
Große Infodefizite aufheben
Nur eine Priorität setzen
8 Aus Gewohnheit etabliert löschen
Gehirnmüll im Schlaf aussortieren
Alltagstrott mit Geschenken vermeiden
Den Abgas-Patriotismus abschaffen
Die Macht der Burgherren brechen
Hass ablegen
Teure Verschwendung vermeiden
Die toxische Konkurrenz ausschalten
9 Leistungsfähig und smart arbeiten
Alte Vorurteile über Junge löschen
Schluss mit den Leistungsstörungen
Kein Powern ohne Pause
Arbeitszeit durch Energie ersetzen
Arbeit mit KI neu kombinieren
Die Delete-Profession
Das Löschen trainieren
Befreit vom Alles-immer-mehr
Über den Autor
Vorträge und Bücher von Martin Gaedt
Quellen
Mit wem ich auch spreche, quer durch alle Branchen berichten mir Menschen von ihrer Überlastung im Beruf. Immer mehr Aufgaben, Anforderungen, Tools, digitale Plattformen, Gesetze, Produkte und Prozesse kommen im Arbeitsalltag hinzu. In diesem Buch zeige ich, wie du dich durch regelmäßiges Löschen entlasten kannst. Noch wirksamer ist Entlastung, wenn in Unternehmen die Aufgaben und Prozesse für alle Mitarbeitenden ausgemistet werden.
Ich erzähle 244 Geschichten, wie Firmen, Vereine und Verwaltungen konkret Platz schaffen, und ich zeige 40 Übungen, die du für dich allein oder im Team anwenden kannst. Wird regelmäßig gelöscht, wird stressfreier gearbeitet. Aufgeräumte Unternehmen machen auch mehr Umsatz und gewinnen mehr Fachkräfte. Von zwei Münchner Firmen zeige ich konkret deren Löschlisten der vergangenen Monate. Sie zeigen, wie viele überflüssige Aufgaben und Störungen in den Müll können. Wer entmüllt, kann sich viel besser auf das Wesentliche konzentrieren.
Wann wurden deine Aufgaben und Tätigkeiten zuletzt ausgemistet? Welche Tools, Öffnungszeiten, Gesetze, Produkte und Prozesse wurden weggelassen? Smarte Arbeit braucht Freiraum, denn permanente Überlastung macht krank. Beim Computer haben wir den Delete-Button, und den brauchen wir auch für Aufgaben im Arbeitsalltag. Eine gesunde Arbeitskultur integriert das Löschen, denn wir sind weder Maschinen noch für 24/7-Leistung geschaffen. Ist die Belastung zu groß, brennen wir aus und werden krank. Krankentage der Angestellten kosten deutsche Firmen 42 Milliarden Euro pro Jahr.1 Da läuft etwas schief. Was also lassen wir weg, um Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu stärken?
In der SKS Steuerberatung in Dresden klingelt drei Stunden pro Tag kein Telefon, und die Server stellen E-Mails nur zweimal am Tag zu. Das ganze Team arbeitet stressfreier und schafft in weniger Zeit mehr Umsatz. Die Firma Shopify spart mit einer Änderung Hunderttausende Stunden Arbeitszeit. Die Kernfrage lautet: Was können wir weglassen? Würde man die Dokumentationspflicht der 1,69 Millionen Pflegefachkräfte in Deutschland halbieren, würden zusätzliche 100.000 Vollzeitkräfte in der Pflege arbeiten.2 Der Clou: Sie sind bereits da, ihre Zeit wird nur verschwendet. Gibt es zu wenig Fachkräfte oder zu viele wertlose Aufgaben? Das Buch stiftet dazu an, Arbeit zu entschlacken und Menschen zu entlasten. Statt immer mehr zu machen, könnten wir Grenzen setzen.
Seit 25 Jahren treiben mich Innovationen an. Ich habe Unternehmen gegründet und war viele Jahre lang Arbeitgeber. In Workshops entwickeln Kundinnen und Kunden mit mir Ideen, Recruiting-Kampagnen und Produkte. Die beliebteste Übung in jedem meiner Workshops ist das Streichen von Aufgaben. So entsteht Freiraum für neue Angebote, Geschäftsmodelle und attraktive Personalgewinnung. Löschen ist sehr kreativ. Wer Arbeit verändern will, streicht zuerst, damit das Beste und Wesentliche an der Arbeit wachsen kann. Den bekannten Methoden wie das 80/20-Pareto-Prinzip, Brainstorming, Agile Entwicklung, Design Thinking und Trends wie New Work stelle ich die Delete-Strategie zur Seite.
Ich zeige kein Zeitmanagement und keine Hacks für die Verbesserung der Effizienz und zur Selbstoptimierung. Zu diesen Themen gibt es bereits viele gute Bücher, Hacks und Tools. Sie können uns unterstützen, aber sie sind auch Teil der Zu-viel-von-allem-und-noch-mehr-Logik. Dieses Buch bietet eine andere Denkweise an: zuerst löschen, entmüllen, streichen und weglassen. Nicht mehr Aufgaben und mehr Projekte, sondern: Was lassen wir weg? Löschen wird normal für gesunde Arbeit.
Ich schreibe über gesunde, gerechte und inklusive Arbeit. Sprache trägt viel dazu bei; sie ist lebendig, und wir werden sie weiterentwickeln. Ich wechsle in diesem Buch zwischen einer allgemeinen, der weiblichen und männlichen Sprachform für Personen, so wie es in den Lesefluss passt. Das ist keine perfekte inklusive Lösung — fühl dich bitte dennoch angesprochen.
Du kannst überall im Buch einsteigen, bei einer der 40 Übungen und in einem der neun Kapitel oder 78 Unterkapitel. Die Grafiken zu den Übungen hat Alexej Ott (einesehrguteagentur) gestaltet. Vielen Dank!
Ich freue mich auf Austausch mit dir und über Berichte zu deinen Delete-Erfahrungen und Aha-Erlebnissen beim Lesen. Schreib darüber auf LinkedIn, Instagram und in Buchrezensionen. Wenn du Fragen und Anregungen hast, schreib mir gern persönlich.
Ich wünsche dir gesunde Arbeit und ein wundervolles Leben!
Martin Gaedt, Mai 2024
In dieser Übersicht siehst du alle Übungen im Buch. Du kannst direkt bei den Übungen einsteigen, die dich anlachen, oder einfach das Buch im ersten Kapitel anfangen.
1 Die Sichtweisen-Brille (Seite 23)
2 Schutzfilter für den Kopf (Seite 32)
3 Tat-Zeit-Wirkung (Seite 33)
4 Verschiedene Ebenen (Seite 39)
5 Der Lösch-Stempel (Seite 42)
6 Neue Worte mixen (Seite 44)
7 Standards streichen (Seite 52)
8 Alles ersetzen (Seite 61)
9 Die X-X-Lösch-Brille (Seite 71)
10 Der Mülleimer (Seite 73)
11 Spielentwicklung (Seite 88)
12 Gesetze löschen (Seite 91)
13 Wir laufen über (Seite 97)
14 Besen und Bulldozer (Seite 101)
15 »Nein« als Schutzmauer (Seite 103)
16 Streich die Hälfte (Seite 114)
17 Absurd verrückt (Seite 123)
18 Ideen-Babys (Seite 130)
19 Geht noch nicht (Seite 133)
20 Die Wilden 18 (Seite 135)
21 Der Trainingsplan (Seite 137)
22 Nicht raten – fragen (Seite 140)
23 XXX-dein-Thema (Seite 147)
24 Brauchen oder lassen? (Seite 153)
25 Löschlisten (Seite 155)
26 Struktur und Freiraum (Seite 165)
27 Streich ein Drittel (Seite 171)
28 Drehbuch schreiben (Seite 184)
29 Nicht raten – testen (Seite 188)
30 Eine Übersicht für Entscheidungen (Seite 199)
31 Nur eine Priorität (Seite 202)
32 Die Was-Wen-Wie-Strategie (Seite 203)
33 WaBriMiDa? (Seite 205)
34 Geschenke für alle (Seite 209)
35 Rollen im Team (Seite 212)
36 Lachen und Staunen (Seite 215)
37 Lobbys und Burgen (Seite 219)
38 Die Störung stören (Seite 241)
39 Powerpausen (Seite 245)
40 Die Delete-Profession (Seite 256)
Die Verschwendung von Arbeitszeit ärgert dich? Dann lass dich überraschen und erfahre, wie viel Spaß es macht, Aufgaben zu löschen. Es erleichtert und befreit. Viele wunderbare Firmen streichen nutzlose Tätigkeiten, damit Menschen stressfreier arbeiten. Arbeit wird entschlackt und abgespeckt für weniger Überlastung und gesunde Leistungsfähigkeit. Wir gewinnen Arbeitszeit für sinnvolle Tätigkeiten und Erholung.
Im Kapitel »Good News: Löschen geht« streichen wir wirkungslose Tätigkeiten und überlastende Arbeit. Es geht um die Fragen: Haben Unternehmen zu wenig Fachkräfte oder zu viele Aufgaben? Was wäre, wenn wir 20 Prozent der Aufgaben, Störungen, Projekte, Energiefresser, Meetings, Gesetze, Auflagen und andere Komplikationen löschen? Tätigkeiten und Öffnungszeiten mit geringer Wirkung werden gelöscht.
Im Kapitel »Bessere Arbeit durch Ersetzen« streichen und ersetzen Firmen Worte und Standards, um mehr Umsatz zu erzielen. Clevere Unternehmen löschen Millionen Stunden in Meetings, und Bäckereien ersetzen das Backen um drei Uhr morgens. Nichts muss so bleiben, wie es ist.
Im Kapitel »Spielregeln smart streichen« definieren wir neue Spielregeln mit klaren Grenzen und löschen teure Bürokratie. Statt Teilzeit stelle ich eine neue Vollzeit vor, und wir löschen kraftvoll Lebensgefahren.
Die Luft duftet süßlich nach Wein. Mitten in der Weinlese genießen meine Töchter und ich saftige Trauben am Wegrand. Wir radeln von Trier nach Koblenz entlang der Mosel. Vom Dreiländereck fahren wir die Lahn entlang bis nach Limburg. Die Altstadt begeistert uns mit Fachwerkhäusern voller Gastfreundschaft. Die Ruhe am Flusslauf teilen wir uns mit Reihern. Doch ab Weilburg wird es laut, denn bis Wetzlar verläuft der Radweg neben Autobahnen und führt durch Gewerbegebiete. Die Stimmung kippt. Spontan schlage ich vor: »Lasst uns die nächsten Ziele Gießen und Marburg streichen. Wir steigen hier in den Zug nach Sangerhausen. Dort übernachten wir, und morgen fahren wir an der Havel entlang nach Berlin.« Gesagt, getan. Besonders groß ist die Vorfreude auf den Abend in Sangerhausen. Auf einer Radtour 12 Jahre zuvor hatten wir am Marktplatz in einer Pension mit Ritterrüstung übernachtet. Wir rufen an, und tatsächlich ist noch ein Zimmer frei. Kurz entschlossen rasen wir zum Bahnhof. Der Plan, über Gießen bis Marburg zu radeln, war ursprünglich gut. Doch warum daran festhalten? Es ist unsere Freizeit. Die Entscheidung, den Plan zu löschen, eröffnet uns Freiraum. In Sangerhausen werden wir im Restaurant Olympia am Markt herzlich begrüßt: »Da seid ihr ja. Kommt herein.« Die Gastgeber hatten uns am Telefon versprochen: »Egal, wann ihr kommt, die Küche bleibt für euch offen.« Der Chef schenkt uns zum leckeren Essen eine Karaffe Ouzo. Im Restaurant wird ein Geburtstag gefeiert, alle sind fröhlich, und wir fühlen uns richtig wohl. Von Brandenburg an der Havel radeln wir entspannt und glücklich über Deetz, Werder und Potsdam nach Berlin, über uns ziehen Vogelschwärme gen Süden. Fünf fantastische Tage auch durch das spontane Löschen des Plans in Wetzlar.
Welchen Plan hast du verändert? Was hast du spontan gestrichen? Was hat dich beim Löschen überrascht? Wofür hast du Zeit gewonnen? Womit hast du deine Zeit neu gefüllt? Wie lief der neue Plan? Hast du das Gelöschte vermisst? Würdest du wieder einmal Pläne löschen für neue Ziele?
Am 1. Januar 1989 stand ich mit Freunden am Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße. Westberlin war eine Insel in der DDR, eingeschlossen von der Mauer. Wir wollten die Neujahrsparty mit Freunden in Ost-Berlin feiern. Dafür hatten wir ein Tages-Visum und 25 D-Mark Eintrittsgebühr dabei. Es war außergewöhnlich, dass West- und Ostberliner befreundet waren.
Vier Jahre vor dem Mauerfall hatte nachts mein Telefon geklingelt: »Hallo Martin. Wir rufen dich aus Ostberlin an. Wir sind Fans von Howard Jones, so wie du. Wir haben dich im Radio gehört. Kommst du uns besuchen?« Sechs Monate zuvor hatte ich im Westberliner Radio nach Howard-Jones-Fans gesucht, aber nicht mit Fans aus Ostberlin gerechnet. Ich war völlig überrascht. Es war zwei Uhr morgens, und ich sagte spontan: »Ja, ich komme.« Ich wusste nicht, was mich dort erwartete, doch in dieser Sekunde waren alle Bedenken gelöscht. Mit 16 Jahren fuhr ich ins damalige Ausland, ins mir unbekannte Ostberlin. Dort traf ich Alex, Heike, Howard, Roger, Steffen und Tobias, es war der Start einer Ost-West-Party-Bewegung.
Für meine Freunde in Westberlin war das unvorstellbar. Sie meinten, in Ostberlin sei doch alles grau. Damit meinten sie Autos und Gebäude, doch sie kannten keine Menschen. Ich lud alle dazu ein, mitzukommen. Es war zwar nicht erlaubt, sich in großen Gruppen zu treffen, doch wir feierten regelmäßig in den Wohnungen der Ostberliner Freunde mit 30 bis 50 Gästen. Nach den Partys hörte ich häufig von Westberlinern: »Die sind ja so wie wir! Hören dieselbe Musik, reden über dieselben Themen. Das hätte ich nie gedacht!« Auf einer Party färbten sich Howard aus Ostberlin und ich knallrote Farbe ins blondierte Haar. Um Mitternacht, bei der Ausreise, brüllte mich ein Grenzbeamter der DDR an: »Beim nächsten Mal reisen Sie so aus, wie Sie eingereist sind«, und riss alle liebevoll verpackten Geschenke unserer Freunde auf. Zurück in Westberlin heulte ich wie nie zuvor. Niemals würden unsere Freunde uns besuchen können. Das stand für mich fest. Ich kannte Berlin und Deutschland nur mit der Mauer.
Am 1. Januar 1989 war so früh am Morgen wenig los am Grenzübergang S-Bahnhof Friedrichstraße. Ich war der Letzte aus unserer Gruppe und inzwischen routiniert beim Einreisen. Doch an diesem Tag wurde mir die Einreise willkürlich verweigert. Alle Freunde waren bereits in Ostberlin, und ich konnte sie nicht erreichen. Ich war sauer und starrte das ungültige Visum an. Dann schaute ich noch einmal hin und konnte es kaum glauben. Der dicke Stempel »Einreise verweigert« fehlte. Das Visum war noch gültig. Ich wagte den undenkbaren Gedanken: Ich reise damit an einem anderen Grenzübergang ein. Die Idee schockierte mich. Bin ich lebensmüde? Ist das erlaubt? Natürlich nicht. Sie werden mich verhaften, dachte ich.
Doch die Idee war zu laut in meinem Kopf: Versuch es! Mir war klar, ich brach das Gesetz. Zitternd vor Kälte und Angst lief ich auf der Oberbaumbrücke über die Spree, am Ende der Brücke war die Grenzkontrolle. Der Grenzbeamte der DDR schaute auf mein Visum. Dann sah er mich an. »Jetzt platzt die Bombe«, dachte ich. »Er wird mich anbrüllen und festnehmen.« Der Mund des Grenzbeamten öffnete sich wie in Zeitlupe, und er sagte lächelnd: »Jetzt wünschen wir uns erst mal ein frohes neues Jahr.« Einreise bewilligt. Niemals vergesse ich diesen Moment. Willkür überlistet! Wenn wir gewagten Ideen mehr Raum geben, können wir Außergewöhnliches erleben. 313 Tage später fiel die innerdeutsche Mauer.
Welchen unfassbaren Gedanken hast du schon mal zugelassen? Welche Bedenken hast du dafür gelöscht? Welche Idee hat sich bei dir eingenistet? Wie hast du dich entschieden? Was hast du umgesetzt? Welche Überraschungen hast du so erlebt? Welcher besondere Löschmoment hat dein Leben geprägt?
Was denkst du: Ist die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland seit dem Mauerfall gestiegen oder gesunken? Die omnipräsenten Schlagzeilen zum Fachkräftemangel lassen nur einen Schluss zu: Die Zahl der Erwerbstätigen muss geschrumpft sein. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Seit 30 Jahren ist die Zahl der Erwerbstätigen kontinuierlich gestiegen.3 2023 feierten wir sogar einen Rekord mit 45,9 Millionen erwerbstätigen Menschen.4 Ich nenne das Fachkräfte-Reichtum. Wenn Fachkräfte bei dir fehlen, arbeiten sie woanders. Zudem ist der Anteil Erwerbstätiger an der Gesamtbevölkerung im Vergleich zu anderen Ländern in Europa in Deutschland sehr hoch. Das bringt uns einen dreifachen Rekord:
eine sehr hohe Erwerbsquote – Platz 5 in Europa
5
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eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten – viertletzter Platz
6
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45,9 Millionen Erwerbstätige, absoluter Rekord in Deutschland.
Das sind richtig gute Nachrichten. Wir könnten das feiern. Stattdessen dominieren Schlagzeilen über den »Freizeitpark Deutschland«.7 Dieser Vorwurf passt nicht zu den realen Zahlen.
Meinungen basieren auf Geschichten, die massentauglich weitererzählt werden. Hinter reißerischen Schlagzeilen wie »Fachkräftemangel« und »Freizeitpark« stehen Interessen. Natürlich suchen viele Betriebe händeringend Mitarbeitende, doch jeder der 45,9 Millionen Erwerbstätigen arbeitet und hat dafür eine Firma ausgewählt. Wo sie arbeiten und wo nicht, ist ihre freie Wahl. Löschen wir das Märchen vom Niedergang des Arbeitsmarktes. Auch die Zahl der Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, Erzieherinnen und Erzieher steigt kontinuierlich an. Die Frage ist, ob wir ihre Arbeitszeit weise nutzen.
Wer selbst Zahlen recherchiert und neue Erkenntnisse zulässt, kann alte Annahmen löschen. Wenn in deiner Firma ein Fachkräftemangel besteht, lautet die entscheidende Frage: Warum arbeiten die Fachkräfte woanders? Was hat sie dort angezogen? Sind die Arbeitsbedingungen, Löhne und Arbeitszeiten beim Wettbewerber besser? Ist die Arbeit dort attraktiver und gesünder oder sichtbarer in sozialen Medien? Kennen Fachkräfte dein Angebot oder nicht? Warum steigen in einigen Handwerksberufen die Ausbildungszahlen kräftig an und in anderen nicht? Die Mehrheit der passenden Erwerbstätigen hat sich noch nie bei deiner Firma beworben. Bei meiner auch nicht. Bei keiner Firma. Der Ball liegt immer beim Suchenden. Daher muss sich ein Unternehmen, das Fachkräfte sucht, fragen, wie es attraktive Angebote bekannt machen kann.
Der aktuelle Fachkräfterekord gilt auch für Österreich und die Schweiz. Und auch dort wird über Fachkräftemangel gejammert. Gibt es ein Recht auf Bewerbungen? Nein. Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, ist ein Wettbewerb. Genauso wie der Wettbewerb um Kundinnen und Kunden. Warum ist Fachkräftemangel nicht so peinlich wie Kundenmangel? Warum gehen Kunden bzw. Fachkräfte woanders hin? Wer ehrlich antwortet, ändert sein Angebot.
Bist du überrascht? Skeptisch? Überzeugt? Hast du eine Annahme gelöscht? Welche Zahlen prägen deine Meinung zum Arbeitsmarkt? Wusstest du vom Fachkräfte-Rekord im Jahr 2023? Feierst du ihn? Eröffnet der Rekord Freiraum für neue Gedanken? Ist dein Arbeitgeber attraktiv? Was hat dich überzeugt, dort zu arbeiten? Was magst du an der Firma? Würdest du anderen empfehlen, dort zu arbeiten? Und als Arbeitergeber, wie ist deine Unternehmenskultur? Magnetisch?
Welches Thema bewegt dich? Hast du dazu schon mal beim Statistischen Bundesamt recherchiert? Bestätigen die Zahlen deine Annahmen? Wie wird das Thema in der Öffentlichkeit diskutiert? Welche medialen Schlagzeilen prägen dich? Zu allen Themen finden wir unterschiedliche Berichte, sie sind die Basis für unsere Annahmen, die wir bilden, vertiefen und ausprägen. Unsere Sichtweisen entstehen aus eigenen Erfahrungen und den Meinungen unserer Eltern und Freunde, Großeltern und Partner, wir werden geprägt von Vorbildern im Verein, beim Sport und bei den Pfadfindern, in der Schule, von Bands, Lieblingsbüchern, Serien, auf TikTok und Instagram. Alle Einflüsse bestimmen zusammen unsere Sicht auf das Leben und die Arbeit.
Wir bewerten jede neue Information durch diese Brille. Die Sichtweisen-Brille tragen wir alle, und unser Gehirn filtert damit, was wir sehen, hören, erleben, schmecken, riechen und fühlen. Dass unser Gehirn Informationen und Sinneseindrücke filtert, ist lebensnotwendig. Wären wir allen Eindrücken ungefiltert ausgesetzt, würden wir verrückt werden. Es gibt daher keine Welt ohne Vorurteile und diverse Sichtweisen. Wir haben sie. Löschen können wir aber die Annahme, wir seien neutral, objektiv und immer im Recht. Da wir die Welt durch unsere Brille sehen, hat jeder Mensch nur innerhalb seiner Sichtweise recht. Acht Milliarden andere Menschen haben mit ihren Brillen genauso recht – innerhalb ihrer Prägungen und Vorurteile.
Stell dir deine Brille bildlich vor. Überleg dir, durch welche Grundannahmen du hindurchschaust, mit denen du alle Beobachtungen filterst. Welche Erfahrungen und Vorurteile prägen deine Sicht? Schreib dir deine bunte Mischung an Einflüssen auf, die deine Sicht bestimmen. Welche Medien, Musik, Menschen und Meinungen prägen dich? Wem glaubst und vertraust du? Mach dir bewusst, dass niemand außer dir die Welt durch deine Brille sieht, denn deine Erfahrungen sind einmalig.
Respektierst du Meinungen und Lebensweisen anderer Menschen? Mit unserer Sichtweisen-Brille bewerten wir jeden Menschen. Mit ihr treffen wir jede Entscheidung. Und obwohl sie beim Leben und Arbeiten eine so zentrale Rolle spielt, putzen wir unsere Brille selten bewusst. Auf der Brille kleben alte Erfahrungen und Urteile wie Fliegen. Sie prägen unsere Sichtweise. Dazu gehören auch Annahmen und Überzeugungen, die gar nicht mehr aktuell sind. Wir könnten sie wegwischen und die Brille putzen. Aber meistens halten wir an dem fest, was wir vorher schon dachten und weiter für richtig halten. Dabei kennen wir immer nur Bruchstücke der ganzen Wirklichkeit. Wie viele der acht Milliarden Menschen und 200 Milliarden Galaxien kennst du richtig gut? Es ist gesund, neue Eindrücke und aktuelles Wissen aufzunehmen.
Löschst du hingegen nichts, ist das deine eigene souveräne Entscheidung. Du bleibst dann bei dem, was du bereits weißt, denkst und tust. Wenn du von den ursprünglichen Gedanken und Zahlen nichts löschst, ist der Raum voll belegt und bietet keinen Platz für neue Informationen und Weiterentwicklung. Das ist dein Spielraum: fest stehen oder weiter schauen.
Eine verbreitete Annahme besagt, dass unsere Vorfahren viel Fleisch gegessen haben. Männer waren Bären-Jäger und Frauen Beeren-Sammlerinnen. Tatsächlich waren Frauen auch Jägerinnen, das ergab eine Meta-Studie von 63 Kulturen unserer Vorfahren. In 79 Prozent davon haben Frauen gejagt wie Männer.8 Und die Menschen der Vorzeit aßen nicht so viel Fleisch wie gedacht. Neueste chemische Analysen zeigen, dass in Peru die Ernährung zu 80 Prozent aus Pflanzen wie wilden Kartoffeln bestand. Man könnte also sagen: »Steinzeitmenschen jagten vor allem Kartoffeln.«9 Beide neuen Erkenntnisse bedeuten, dass wir alte Bilder löschen können, um neuem Wissen Platz zu machen. Doch das fällt uns nicht leicht. Wir hängen an unseren Vorurteilen. Jedes Thema hat mehr Facetten, als wir denken. Menschen in der Forschung entwickeln unser Wissen permanent weiter. Wenn wir altes Wissen streichen, gewinnen wir Raum und Zeit für neue Meinungen, Pläne und Handlungen. Lasst uns Besserfrager statt Besserwisser werden!
Putz deine Brille. Such dir andere Quellen. Bleib auf dem Laufenden. Überprüf deine Vorurteile. Lösche überholte Annahmen. Vergleiche Entwicklungen bewusst mit deiner Brillensicht. Schreib dir alle aktuellen Einflüsse auf, die deine Sicht beeinflussen – deine persönliche bunte Mischung. Welche Meinung hast du überprüft und geändert? Wo hast du dich verrannt und welche Fehler hast du benannt? Welche neuen Erkenntnisse haben dich zum Nachdenken gebracht? Hast du ein Vorurteil gelöscht und ein neues Urteil aufgenommen? Wie bleibt dein Wissen aktuell? Welches Update hast du in deine Brille eingespielt? War es eine sichere Quelle? Bei welchen Themen bleibst du bei deiner Überzeugung? Wobei helfen dir Vorurteile und wo stören sie dich? Was wirst du überprüfen? Was willst du löschen?
Zu unserer Brille gehören neben unseren Erfahrungen auch die Geschichten und Meinungen anderer Menschen, mit denen wir viel Zeit verbringen. Sie prägen uns. Unsere Brille entwickelt sich zu einer Sammlung von Vorurteilen. Damit meine ich Urteile, die wir, unsere Freunde und Kollegen vor einer Weile getroffen und behalten haben. Unsere Brille sortiert alle Begegnungen, Gespräche, Meinungen und Informationen in Schubladen, die mit diesen bereits getroffenen Vorurteilen entstanden sind: Freund und Feind. So sind wir. Wir müssen bewerten. Häufig in Sekundenschnelle. Milliarden Info-Bits prasseln auf uns ein. Ohne Filter würden wir verrückt werden. Zudem können wir nicht alles auf der Welt selbst erleben, daher nutzen wir die Erfahrungen und Berichte anderer Menschen, sehen TikTok-Videos und lesen Bücher. Auf dieser Grundlage fällen wir Urteile. Wir werden unsere Brille nie völlig absetzen. Wichtig ist die regelmäßige Reinigung durch Fragen und Provokation.
Welches Jahr war das geburtenstärkste Jahr in Deutschland seit 1997? 2001, 2011 oder 2021? Was denkst du? Es war nicht 2001 und auch nicht 2011, sondern 2021 mit 795.492 Babys.10 Das ändert nicht viel am demografischen Wandel, auch weil die Geburtenrate aktuell wieder rückläufig ist. Doch im Schuljahr 2023/2024 ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler um 1,3 Prozent gestiegen, 11,2 Millionen junge Menschen lernen aktuell in allgemeinbildenden Schulen.11 Der Anstieg ist vor allem auf Zuwanderung aus dem Ausland zurückzuführen. Ein weiterer Rekord neben dem Fachkräfterekord: In Deutschland leben so viele Menschen wie nie zuvor. 84,3 Millionen Menschen.12 Entwicklungen sind dynamisch, und deine Brille sollte anpassungsfähig bleiben.
Wir testen unsere Brille jetzt mit einem sehr umstrittenen Thema. Weder ist die Erde eine Scheibe noch muss auf der Erde dauerhaft Kohle zur Stromerzeugung verbrannt werden. Das geht anders. Das Handelsblatt berichtete Anfang 2024: Strom in Deutschland aus Braunkohle ist um 27 Prozent zurückgegangen, aus Steinkohle sogar um 35 Prozent. 2023 wurde so wenig Kohle verstromt wie 1959.13 Die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland im April 2023 hat nicht zur Renaissance von Kohle-Strom geführt, auch wenn das lautstark von großen Medien behauptet wird. Der Anteil der Atomenergie hat sich weltweit seit 1996 fast halbiert und ist auf 9,2 Prozent zurückgegangen. Die Frankfurter Rundschau stellt fest: »Der Anteil der Kernenergie an der weltweiten Stromerzeugung sank 2022 sogar auf den niedrigsten Stand seit rund vier Jahrzehnten. Die erneuerbaren Energien haben die Atomkraft beim Zubau weit abgehängt.«14 Erneuerbare Energien sind die mit Abstand günstigsten Energiequellen, die wir Menschen jemals erfunden haben. Zudem kann Energie mithilfe von erneuerbaren Energiequellen regional erzeugt werden und muss nicht über Ozeane in Tankern verschifft werden. In der EU hat Windenergie erstmals den Gasverbrauch überholt.15 »Je mehr erneuerbare Energie-Anlagen mit ihren günstigen Preisen im Stromsystem sind, desto seltener bestimmen teure Gaskraftwerke im Großhandel den Strompreis«16 – wusstest du das? Wie Handwerksbetriebe davon profitieren, steht im Kapitel »Schluss mit frühem Aufstehen«, und wie deutsche Dörfer mit Windenergie reich werden, liest du im Kapitel »Den Abgas-Patriotismus abschaffen«.
Vielleicht denkst du jetzt: Welch überraschend gute Entwicklung! Oder du verteufelst mich als links-grün-versifftes Schlafschaf. Beides finde ich gut, denn es ist deine Meinung und deine Interpretation. Ich mag die Vielfalt der Brillen und Emotionen, solange wir nicht die eigene individuelle Sicht verallgemeinern und allen überstülpen. Alle Geschichten im Buch liest du mit deiner Brille, du filterst sie mit deinen Sichtweisen und Emotionen. Ich schreibe mit meiner Brille. So leben, arbeiten und argumentieren wir mit acht Milliarden Brillen. Wir können Informationen nicht neutral verarbeiten. Jede Meinung hat eine Vorprägung und Herkunft. Das zu wissen, ist eine Voraussetzung für smarte Arbeit, denn smart bedeutet, Arbeit fortlaufend den Entwicklungen anzupassen.
Ohne Brillen-Update keine smarte Arbeit. Veränderungen bewerten wir durch unsere Brillen. Mit einer veralteten Sicht kann auch deine Strategie überholt sein. Die Ansicht, alle Menschen müssten mehr arbeiten, halte ich für eine veraltete Sichtweise. Smarte Arbeit beginnt damit, dass wir unsere Brillen putzen. Wenn wir alte Annahmen regelmäßig überprüfen und neue Informationen zulassen, entwickeln wir uns weiter. Schau dir Zahlen und Texte im Original an und bewerte die Daten. Es ist deine individuelle Wahl. Und das ist gut so, denn deine Meinung ist deine Freiheit. Wahlfreiheit und Meinungsfreiheit sind wertvoll. Nutze sie für Brillen-Updates, sonst steckst du fest!
Die eigene Überzeugung regelmäßig zu prüfen, bedeutet nicht, jede neue Meinung kritiklos zu übernehmen. Bitte nicht! Wenn ich überraschende Informationen höre, recherchiere ich. Wer sagt das? Wer ist die Person? Wo arbeitet der Mensch aktuell und welche Position vertritt sein Arbeitgeber? Spricht die Person durch eine Branchen-Brille? Gibt es nur eine oder unterschiedliche Quellen? Häufig spreche ich persönlich mit Menschen, die das Thema besser kennen als ich. Mit allen Puzzleteilen treffe ich meine Entscheidung und wähle, wem ich mein Vertrauen schenke und wessen Meinung ich teile. Wenn wir regelmäßig Platz schaffen, entwickeln wir unsere Sicht weiter. Lass dir nicht einreden, wie etwas zu sein hat! Prüfe Fakten und checke die Brillen der anderen! Lösch regelmäßig! Alle Meinungen sind selbst gebastelte Annahmen. Rede daher mit Menschen, die wirklich etwas von einem Thema verstehen!
Im Oktober 2022 habe ich bei Instagram das Hashtag #4TageWoche eingetippt. Die öffentliche Meinung war damals eindeutig: Eine Vier-Tage-Woche geht weder im Handwerk noch im Einzelhandel, nicht in der Produktion, der Pflege, der Hotellerie, der Gastronomie und schon gar nicht in Krankenhäusern und Kitas. Also erwartete ich nur wenige Ergebnisse und kam aus dem Staunen nicht heraus. Zigtausende von Firmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten bereits in einer Vier-Tage-Woche. Wir reden nicht über Teilzeit, sondern über drei freie Tage mit vollem Gehalt. Das läuft bereits in allen Branchen.
Um von deren Praxiserfahrungen zu lernen, habe ich mit Menschen quer durch alle Branchen geredet, die eine Vier-Tage-Woche umgesetzt haben. Die Vorreiterinnen und Praktiker haben die Gefahr von Überlastung und Burn-out ernst genommen und Abläufe gezielt verändert. Die Arbeitszeiten variieren, es gibt innerhalb einer Vier-Tage-Woche diverse Modelle, meistens mit Verkürzung auf 39, 38, 37, 36, 35, 34, 32 oder 30 Stunden. Häufig wird eine Drei-Tage-Freizeit optional angeboten, Mitarbeitende wählen dann zwischen vier und fünf Tagen, und alle sind zufrieden. Taucht man tiefer in das Thema ein, findet man viele positive Effekte. Eine Vier-Tage-Woche läuft da gut, wo zuerst konsequent gelöscht wurde, nach einer Inventur der Aufgaben, Projekte und Strukturen.
Steuerkanzleien waren in den Jahren 2020 und 2021 stark gefordert durch viele Sonderprogramme, mit denen Firmen in der Coronapandemie unterstützt wurden. Überbrückungsgelder für Firmen konnten nur von Steuerberatungen für ihre Kunden beantragt werden. Zu diesen Antragsbergen kamen das Kurzarbeitergeld und neue Fristen für Gewerbesteuern hinzu. Die Arbeitslast lag immer bei den Steuerkanzleien. Nadim Bhatti, Gründer und Inhaber der Steuerberatung bhatti.pro in Kiel, formuliert es im Gespräch mit mir so: »Die Mitarbeiter gingen zwei Jahre lang auf dem Zahnfleisch. Die außerordentlich vielen Regelungen verlangten dem Team Höchstleistungen ab. Das war für alle erschöpfend. Dazu der permanent hohe Digitalisierungsdruck.«17 Also fragten Nadim und Benjamin Bhatti 2022 ihre 75 Angestellten: Wie können wir euch entlasten? Was wollt ihr verändern? Von einigen Mitarbeitern kam die Anregung für eine Drei-Tage-Freizeit. Die Reaktionen darauf waren im Team durchmischt, von begeistert bis schockiert: Wie soll ich meine Arbeit schaffen? Habe ich dann nicht noch mehr Arbeit in weniger Zeit? Bringt es Erholung oder noch mehr Stress? Andere im Team meinten, die Kunden würden es nicht akzeptieren, wenn freitags keiner erreichbar sei. Im Team gab es auch den Wunsch nach mehr Gehalt. All diese Stimmen wurden ernst genommen.
Nach zwei Monaten Vorbereitung lautete das neue Angebot: Die Arbeitszeit wird von 40 auf 36 Stunden reduziert, neun Stunden an vier Tagen bei vollem Gehalt. Wer lieber weiterhin montags bis freitags arbeitet, reduziert auch auf 36 Stunden. Teilzeitkräfte können wählen, ob sie zehn Prozent mehr Gehalt bekommen oder die Arbeitszeit um zehn Prozent reduzieren wollen. Wer mehr Geld verdienen will, kann bis zu 20 Stunden zusätzlich pro Monat arbeiten. Alle Wünsche erfüllt.
Für Nadim Bhatti gilt: »Gesundheit schützt vor Fehlern und gibt damit den Kunden mehr Sicherheit. Wer kaputt ist, macht eher Fehler. Und Fehler sind immer teuer.«18 Und was sagen die Mandanten? Tatsächlich stehen viele neue Kunden Schlange. Das Team ist gewachsen. Mit der Vier-Tage-Woche kommen gute Bewerbungen. Der Einzelne wird entlastet, indem die Firma für alle die Spielregeln ändert. Die Inhaber nehmen die Gesundheit im Team ernst, ändern die Struktur und wachsen gesund mit mehr Kunden und mehr Umsatz.
In Dresden bei der SKS Steuerberatung gestalten Elisabeth Seifert und Dmytro Sonkin die Arbeit stressfreier. Es gibt sogenannte »Stille Stunden«, das sind zwei Zeitblöcke pro Tag, in denen niemand im Team telefonisch erreichbar ist. Nur ausgewählte Nummern werden durchgestellt, zum Beispiel die Nummern der Kinder. Die fokussierte, stille Zeit ist vormittags von zehn bis 12 Uhr und nachmittags von 14 bis 15 Uhr. Die Server sind so eingestellt, dass E-Mails intern nur zweimal pro Tag zugestellt werden. Statt vom Team zu erwarten, sich nicht von jeder E-Mail ablenken zu lassen, wird die Struktur für alle angepasst. Während der Mittagspause ist Zeit für Austausch und frische Luft an der Elbe. Ein wirksames Streichen steigert die Produktivität und ermöglicht Fokussierung. Auf dieser Basis führte die SKS die Vier-Tage-Woche ein. Statt 40 Stunden arbeiten alle 34 Stunden mit vollem Lohn.19 Das Team ist begeistert, die Fluktuation sinkt, denn wer die Drei-Tage-Freizeit genießt, bleibt bei SKS. Gleichzeitig bekommt das Recruiting Auftrieb. Statt darüber zu jammern, keine Fachkräfte zu finden, verbessert das Unternehmen die Arbeitsbedingungen.
Bei SKS führte es wie auch bei bhatti.pro zum Wachsen des Teams und zu mehr Umsatz. Die fokussierte Arbeit kommt auch den Kunden zugute. Die stört es gar nicht, sie wissen, wann sie anrufen können. »E-Mails nur zweimal pro Tag und drei Stunden kein Telefon, das ist Bevormundung«, beklagt sich ein Gast empört in einem meiner Vorträge zur Vier-Tage-Woche. Wie siehst du das? Befürwortest du neue Regeln wie bei SKS und bhatti.pro, um Arbeit zu vereinfachen? Siehst du sie als Entlastung oder Einschränkung? Ich meine, Führungskräfte haben die Aufgabe, Schutzräume zu schaffen. Sie beugen Frust durch Überlastung und Burn-out vor. Wie wirksam Filter sind, zeigen unsere Computer. Virenscanner schützen unsere Geräte, Spamfilter werfen E-Mails aus dem Postfach, Firewalls kontrollieren Zugänge. Smarte Arbeitgeber schützen ihre Menschen ebenso wie ihre Hard- und Software.
Definiere, welchen Schutz du dir für deinen Fokus bei der Arbeit wünschst. Überleg dir, wie du dich und dein Team entlasten kannst. Teste eine strukturelle Veränderung, die smart schützt. Etabliere für deine Arbeit passende Schutzfilter wie »Stille Stunden«. Welche Filter gegen Spam-Aufgaben und Ablenkungsviren nutzt du? Sprich im Team und mit deinen Führungskräften darüber. Wie wird produktive Arbeit gestärkt? Findest du vom Arbeitgeber organisierte Schutzräume gut oder bevormundend? Sammle unterschiedliche Wünsche zum Schutz smarter Arbeit.
Weitere Steuerkanzleien haben eine Vier-Tage-Woche eingeführt, wie Jan Happich in Coburg und die MDTH Steuerberatungsgesellschaft in Magdeburg. Die Steuerberatung von Andreas Schollmeier ist laut Handelsblatt zweitbester Arbeitgeber seiner Größe und drittbester Arbeitgeber aller Steuerberater im Vergleich mit 1200 Steuerkanzleien.20 Sein Team und er schwören auf die positiven Effekte einer Vier-Tage-Woche. Sie erbringen voll motiviert Höchstleistungen und sind der Beweis dafür, dass Leistungskultur und Vier-Tage-Woche kein Widerspruch sind. Andreas Schollmeier schreibt mir: »Wer sich mit der Optimierung der Arbeitsprozesse beschäftigt, kann Abläufe deutlich schneller abwickeln. Mehr Leistung in kürzerer Zeit ist möglich, wenn Bullshit-Aufgaben konsequent gelöscht werden.«21 Sein Buch »Gamechanger – 4-Tage-Woche« steckt voller Praxiserfahrungen.22 Sprecht mit Menschen, die Überlastung abschaffen!
Arbeit ist kein Wert an sich. Nur weil wir etwas tun und dafür bezahlt werden, ist die Tätigkeit nicht automatisch wertvoll oder notwendig. Wir sind nicht geübt darin, alte Gewohnheiten, die überholt sind, zu löschen. Im Privaten ist das unser Ding, es ist unsere Freizeit. Dort können wir machen, was wir wollen. Bei der Arbeit führen überholte Prozesse und überflüssige Handlungen zu Belastung, Mehrkosten, Frust und Fluktuation. Um das zu ändern, räumen wir jetzt auf und schmeißen Aufgaben raus.
Nimm einen Zettel oder dein Tablet. Schreib alle Tätigkeiten auf, die zu deiner Arbeit gehören. Führe eine Aufgaben-Inventur durch über alles, was du machst – also nicht nur das, was im Arbeitsvertrag steht. Dann schätzt du, wie viel Zeit du pro Tätigkeit pro Woche verbrauchst. Nun hast du alle Zutaten: deine Tätigkeiten und den Zeiteinsatz.
Nimm ein weiteres Blatt Papier und zwei Stifte mit unterschiedlichen Farben oder dein Tablet. Zeichne für jede Tätigkeit einen Kreis, der im Größenverhältnis zur verwendeten Zeit steht. Nun hast du einen Zettel voller großer und kleiner Kreise. Notiere in den Kreisen die Tätigkeit und Aufgaben.
Nimm einen zweiten Stift mit einer anderen Farbe. Überleg dir für jede Tätigkeit, welches Ergebnis du mit ihr erzielst. Ist sie in deinem Job wertvoll und zielführend? Wird damit der Zweck der Firma erfüllt? Nun zeichnest du in jeden Kreis einen zweiten Kreis. Braucht die Tätigkeit viel Zeit und erzielt wenig Kundenzufriedenheit oder wenig Umsatz? Für eine geringe Wirkung zeichnest du einen kleinen Wirkungs-Kreis in den großen Zeit-Kreis. Kommen über deine Tätigkeit viele zufriedene Gäste und zahlende Kunden, malst du den Wirkungs-Kreis so groß wie den Zeit-Kreis. Braucht die Tätigkeit wenig Zeit und erzielt eine große Wirkung, zeichne den Wirkungs-Kreis größer als den Zeit-Kreis. Es geht dabei nicht um exakte Werte, sondern einen intuitiven Überblick.
Die Tätigkeit, die am meisten Zeit verbraucht und die geringste Wirkung für deinen Arbeitgeber und Kunden erzielt, löschst du. So gewinnst du sofort Zeit für sinnvolle Tätigkeiten.
Wir können Zeit nur einmal nutzen. Zeit können wir nicht züchten und multiplizieren. Diese Übung hilft immer wieder dabei, unnötige Tätigkeiten auszusortieren. Die Tat-Zeit-Wirkungs-Kreise auf einem Blatt Papier zeigen sofort das Löschpotenzial. Dabei ist die verwendete Zeit häufig nicht die Überraschung. Die Wirkung der Arbeit im Verhältnis zum Zeiteinsatz bringt das Aha-Erlebnis. Das sind häufig Tätigkeiten, die uns frustrieren, weil wir wissen, wie wenig sie bringen.