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Auch im zweiten Band warten große Veränderungen und spannende neue Erfahrungen auf Sofie! Gemeinsam mit ihren Eltern will sie die Großstadt Stockholm verlassen, doch der Umzug läuft nicht wie geplant – die Familie muss vorläufig auf dem Hof der Ströms untergebracht werden. Hier passiert jeden Tag etwas Neues: Sofie kämpft mit ihrer Angst vor dem ersten richtigen Galopp auf Stute Sabrina, ihre Gastfamilie wird von Geldsorgen geplagt, und auch die Pferde sorgen für viel Wirbel. Sofie muss einsehen, dass es ganz schön anstrengend sein kann, sich um einen Reitstall zu kümmern. Hält sie trotzdem an ihrem Traum von einem eigenen Pferd fest?Eine inspirierende Buchreihe nicht nur für Pferdefreunde! Die schüchterne Sofie ist in der Schule eine Außenseiterin. Als sie auf den Bauernhof der Familie Ström geschickt wird, ändert sich jedoch ihr Leben: Sofie entdeckt nicht nur ihre Liebe zu Pferden, sondern findet auch zu Mut und neuem Selbstbewusstsein.
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Seitenzahl: 146
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Kerstin Backman
Übersezt von Ursula Isbel
Saga
Sofie träumt von einem Pferd
Übersezt von Ursula Isbel
Titel der Originalausgabe: Soffi drömmer om en häst
Originalsprache: Schwedischen
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1981, 2021 Kerstin Backman und SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726941661
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
„Wenn Papa nicht bald kommt, werde ich verrückt!“ jammerte Sofie.
Sie sprang von einem Fuß auf den anderen, um sich warm zu halten. Dabei sah sie unentwegt zum Bahnübergang.
„Wenn ich auf einem Bein bis zum Bahnübergang hüpfen kann, verkaufen sie euch das Schleusenwärterhaus“, sagte Krissan. Sie machte einen Sprung, doch unter der losen Schneedecke war das Eis spiegelglatt, und sie fiel so heftig aufs Hinterteil, daß ihre Zähne aufeinanderschlugen.
„Schau doch mal, da kommt er!“ schrie Sofie und lief los. Beim Bahnübergang tauchten gerade die Scheinwerfer eines Wagens auf. Doch dann erhöhte der Fahrer das Tempo, und der Wagen verschwand in die andere Richtung.
Die beiden Freundinnen seufzten enttäuscht. Wie lange dauerte es denn noch, bis Sofies Vater endlich kam?
„Kaum zu glauben, daß ich erst seit einem halben Jahr hier bin“, sagte Sofie nach einer Weile nachdenklich.
Krissan sah sie erstaunt an. „Was, ist das wirklich noch nicht länger her?“
„Kannst du dich erinnern, was ich anfangs für eine heillose Angst vor Pferden hatte?“ Sofie kicherte. „Jetzt fürchte ich mich überhaupt nicht mehr. Nur noch vor Sabrina ein bißchen, aber das wird wohl immer so bleiben.“
„Hm, das glaube ich auch. Es ist zwar besser mit ihr geworden, aber richtig zuverlässig ist sie trotzdem nicht.“
„Aber lieb! Und es macht Spaß, sie zu reiten. Vielleicht wage ich es das nächste Mal auch, zu galoppieren. Es ist eigentlich eine Schande, daß ich’s bis jetzt noch nicht geschafft habe.“
„Da kommt ein Auto!“
Diesmal blieben sie stehen und warteten. Die Scheinwerfer bewegten sich auf und ab, als der Wagen über die Schienen fuhr.
„Das ist Papa!“ schrie Sofie, und die Freundinnen stolperten und schlitterten die Zufahrt entlang. Sie erreichten den Wagen gerade in dem Augenblick, als Sofies Vater die Tür öffnete und ausstieg.
Sofie wollte ihn sofort mit Fragen überfallen, doch als sie sein mageres, erschöpftes Gesicht sah, schwieg sie. Stumm sahen sie sich an. Dann legte er seinen Arm um Sofies Schulter und sagte:
„Kommt jetzt mit ins Haus, ihr beiden, sonst erkältet ihr euch noch.“
Enttäuscht gingen sie hinein und zogen ihre Mäntel aus. Die Pelzstiefel landeten zuoberst auf einem Berg aus Halbschuhen, Holzpantoffeln und Reitstiefeln, die in dem kleinen Hausflur lagen.
Maggie, Krissans Mutter, hatte inzwischen den Kaffeetisch gedeckt. Ihr Mann Sven saß auf dem Sofa und wartete.
„Na, wie ist’s gegangen?“ fragte er.
Sofies Vater schüttelte den Kopf und setzte sich zu ihm. „Ich gebe langsam die Hoffnung auf“, sagte er. „Seit fast vierzehn Tagen versuche ich jetzt schon, die Leute zu erreichen, denen das Grundstück gehört. Die einzige, mit der ich bisher sprechen konnte, war die Sekretärin des Direktors. Und sie hat gesagt, daß die Firma noch nie eines ihrer Häuser und Grundstücke verkauft hat.“
„Das habe ich schon befürchtet“, erwiderte Krissans Vater und nickte. „Aber so richtig nein gesagt hat doch noch keiner?“
„Noch nicht.“
Mehr brauchten Sofie und Krissan nicht zu hören. Sie nahmen sich etwas vom Kuchen und verschwanden nach oben in ihr gemeinsames Zimmer. Dort setzten sie sich auf Sofies Bett und starrten in die Luft, während sie den Kuchen aßen. Sie waren zu enttäuscht, um jetzt über alles zu sprechen.
Es lag wirklich erst ein halbes Jahr zurück, daß Sofie auf den Birkenhof gekommen war.
In ihrer alten Schule in der Großstadt hatte sie plötzlich nur noch Schwierigkeiten mit ihren Mitschülern gehabt. Schließlich war es so schlimm geworden, daß Sofies Eltern sich auf Anraten des Arztes entschlossen hatten, sie aufs Land zu schicken, wo sie in eine kleine, gemütliche Schule gehen konnte. So war sie zur Familie Ström auf den Birkenhof gekommen. Maggie Ström war eine ehemalige Schulfreundin von Sofies Mutter.
Maggie und Sven hatten zwei Kinder – Ingmar, der genau wie Sofie vierzehn Jahre alt war, und die ein paar Jahre jüngere Krissan. Der Hausherr war ein kräftiger, gutmütiger und ziemlich wortkarger Mann. Die Ströms hatten auch vier Pferde: Sabrina, Graf, die Stute Schmetterling, die eigentlich Pavlova hieß, und Max, das kleine Shetlandpony.
Eines Tages hatten sich Sofies Eltern entschlossen, ebenfalls aufs Land zu ziehen, da Sofies Vater eine neue Stellung bei einer Firma nicht weit vom Birkenhof angeboten wurde. Sofie und Krissan hatten großartige Pläne geschmiedet, wie schön es werden würde, wenn Sofies Familie das kleine Schleusenwärterhaus ganz in der Nähe des Birkenhofs kaufen konnte, das schon seit langem leer stand. Dann wollten sie zusammen mit Ingmar lange Ausritte machen, sie wollten Dressur reiten und Hinternisse aufbauen . . .
Doch so einfach war die Sache leider nicht. Im Augenblick schien es unmöglich zu sein, mit einem der zuständigen Herren der Firma zu sprechen, der das Schleusenwärterhaus gehörte. Eigentlich sah es ja so aus, als hätte die Firma überhaupt keinen Nutzen von dem alten Haus am Fluß. Es war klein und ziemlich verfallen, und das Grundstück war auch nicht besonders groß.
Sofie stand auf und trat ans Fenster. Draußen war es schon so dunkel, daß sie nicht einmal mehr die Umrisse des Schleusenwärterhauses sehen konnte. Doch sie wußte ganz genau, wo es stand und wie es aussah.
„Ich möchte so furchtbar gern dort wohnen – dort und nirgends sonst“, murmelte sie düster.
„Und ich war so sicher, daß ihr schon ins Schleusenwärterhaus einziehen könnt, ehe dein Vater in seiner neuen Firma zu arbeiten anfängt“, erwiderte Krissan. „Ich verstehe einfach nicht, weshalb die Erwachsenen immer alles schwieriger machen müssen, als es ist. Warum können diese komischen Kerle in der Firma sich nicht dazu herablassen, den Brief deines Vaters zu beantworten! Schließlich haben sie doch ihre Sekretärinnen zum Schreiben!“
Sofie nickte und sagte: „Wir haben unsere Wohnung in Stockholm bis Ende März gekündigt. Was ist, wenn wir bis dahin kein Haus gefunden haben?“
„Das kann ich dir sagen!“ erwiderte Krissan sofort. „Ich hab nämlich gestern abend gehört, wie meine Eltern sich darüber unterhielten. Wenn ihr bis zum Umzug nichts gefunden habt, räumen wir das Hühnerhaus aus. Da könnt ihr dann vorerst wohnen. Es wäre natürlich viel zu teuer für euch, wenn ihr in einer Pension wohnen müßtet. Eure Möbel müssen wir irgendwo im Holzschuppen oder auf dem Heuboden unterbringen.“
Sofie mußte trotz ihrer düsteren Stimmung kichern. Das Hühnerhaus war ein winziges Nebengebäude, ungefähr vier Meter lang und drei Meter breit, und hatte vor langer Zeit einmal als Hühnerstall gedient. Es fiel ihr sehr schwer, sich ihre ordentliche, gepflegte Mutter vorzustellen, wie sie in dieser kleinen Hütte hauste, in der es nur einen eisernen Ofen zum Kochen gab. Fließendes Wasser gab es im Hühnerhaus überhaupt nicht.
Krissan kicherte mit, und plötzlich lachten die beiden laut los, bis ihnen der Bauch weh tat.
„Aber man kann nie wissen“, sagte Sofie schließlich, als sie sich wieder beruhigt hatten. „Manchmal denkt man, Erwachsene wären so und nicht anders, und plötzlich tun sie etwas, was man ihnen nie zugetraut hätte.“
Die Mädchen waren in besserer Stimmung, als sie wieder nach unten gingen. Auch Sofies Vater wirkte munterer, nachdem er ein paar Tassen starken Kaffee getrunken hatte. „Jetzt gehe ich mit euch hinaus und helfe euch, die Pferde in den Stall zu bringen“, sagte er. „Morgen ziehe ich ja schon in die Pension um, und wenn ich mit meiner neuen Arbeit anfange, bin ich sicher so beschäftigt, daß ich erst am Wochenende wieder herkommen kann.“
Sofie ging rasch zu ihm und umarmte ihn.
„Meinst du, daß wir ein Haus bekommen?“ flüsterte sie ihm ins Ohr.
„Sicher. Irgendwo steht eins und wartet nur auf uns! Vielleicht ist es nicht das Schleusenwärterhaus, das wir uns jetzt in den Kopf gesetzt haben, aber wir finden schon etwas, verlaß dich drauf!“
Er wirkte so zuversichtlich, daß Sofie wieder leichter ums Herz wurde.
„Eigentlich ist’s ziemlich aufregend, so zu leben“, sagte sie nachdenklich. „Ich glaube, im letzten halben Jahr ist mehr passiert, als vorher in meinem ganzen Leben!“
Als sie aus dem Haus traten, in den kalten Februarabend, standen alle Pferde wie dunkle Schatten am Koppelgatter.
„Hallo, Sabrina!“ rief Sofie.
Die Stute spitzte die Ohren und hob die Nase. Plötzlich kam ein leises, heiseres Wiehern als Antwort.
„Habt ihr das gehört?“ schrie Sofie. Ihr wurde vor Freude ganz warm. „Sie hat geantwortet – das war das erste Mal, daß sie mir geantwortet hat!“
Für Sofie war das wie ein wunderbares Geschenk. Sie öffnete das Gatter, und die kleine Pferdekarawane setzte sich in Bewegung. Ein Pferd nach dem anderen ging über den schmalen, eingezäunten Pfad von der Koppel zum Stall. Allen voran trippelte der kleine Max mit zierlichen Schritten. Er blieb genau im Stalleingang stehen und machte ein nachdenkliches Gesicht. Sofie fand, daß er einem geistesabwesenden Professor glich, der sich mit einem schweren Rechenproblem herumschlägt. Sie faßte ihn an der Mähne und führte ihn in seine Box.
Sabrina trabte rasch in die danebenliegende Box. Dann kam Graf vorsichtig und mit freundlicher Miene angetrottet, und als Sofie seine Boxtür geschlossen hatte, stand Schmetterling in der Stalltür und überlegte, ob sie ihm folgen sollte. Ein freundlicher Klaps auf den Hals veranlaßte die Stute, mit würdevollen Schritten in ihre große Box auf der linken Stallseite zu gehen.
Die abendliche Stallarbeit dauerte ziemlich lange, denn alle Pferde mußten sorgsam gestriegelt und gefüttert werden. Doch für Sofie war das die schönste Zeit des Tages. Es war so gemütlich und anheimelnd, wenn alle im Stall versammelt waren und herumpusselten, vor sich hin summten und pfiffen und miteinander redeten. Sie liebte die friedlichen Geräusche, wenn die Pferde ihr Heu kauten. Zu dieser Tageszeit ließen sich die Pferde auch am liebsten striegeln, das hatte Sofie gemerkt. Sie selbst versorgte Sabrina und achtete dabei immer genau auf jede Bewegung der Stute. Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, daß sie beim Umgang mit Sabrina stets auf der Hut sein mußte.
Ihr Vater versorgte Graf, den braven schwarzen Wallach, der die Zuverlässigkeit selbst war. Während der vierzehn Tage, die Sofies Vater nun auf dem Birkenhof wohnte, hatte er Graf jeden Abend gestriegelt und gefüttert. Die Arbeit gefiel ihm besser, als er je geglaubt hätte. Er begann langsam zu begreifen, weshalb seine Tochter plötzlich eine derartige Leidenschaft für Pferde entwickelt hatte.
Gerade jetzt runzelte er besorgt die Stirn und strich vorsichtig über die harten Schwellungen am Fesselgelenk des linken Vorderbeins. Das war nicht gut. In dem Pferdebuch, das er vor zwei Tagen gelesen hatte, stand einiges über solche Krankheiten, und es hatte nicht gerade erfreulich geklungen.
„Na, mein Alterchen“, murmelte er leise. „Wenn dein Vorderbein nur ebenso gesund wäre wie alles andere an dir . . .“
In der Box jenseits der Sattelkammer stand Sofie und bürstete Sabrinas linke Körperhälfte. Als sie mit der groben Bürste durch die Mähne und über den Mähnenkamm strich, stöhnte Sabrina vor Behagen. Die kleine Stute wandte sogar den Kopf zur Seite und puffte Sofie freundschaftlich in die Schulter. Das war wirklich bemerkenswert. Noch vor ein paar Monaten hatte Sabrina nach Sofie geschnappt, sobald sie in ihre Nähe kam. Es hatte Sofie große Selbstüberwindung gekostet, ihre Angst zu unterdrücken und sich zu zwingen, Sabrina jeden Tag zu striegeln. Natürlich hatten ihr sowohl Maggie als auch Krissan dabei geholfen, sonst hätte sie es nie geschafft.
Wenn Sabrinas rechte Körperhälfte an die Reihe kam, gab es jedoch nach wie vor meistens Schwierigkeiten. So war es auch an diesem Abend. Kaum tauchte Sofie rechts von Sabrina auf, da legte die Stute schon die Ohren an, und ihre großen Zähne schnappten nach Sofies Hand. Doch Sofie war darauf vorbereitet. Blitzschnell faßte sie Sabrina an der Mähne, direkt hinter dem Ohr. Sabrina warf sich zur Seite, und Sofie wurde mitgerissen.
„Hör mal, du kleines Scheusal“, sagte sie leise, aber streng.
„Wie oft habe ich dir schon gesagt, daß ich dir nicht weh tun will? Ich will doch nur dein Fell bürsten, zum Teufel noch mal!“
Sabrina schien zu erstarren. Ihre Ohren waren noch immer angelegt, während sie Sofie mißtrauisch beobachtete. Doch wenigstens versuchte sie jetzt nicht mehr zu beißen. Sofie stand ebenfalls unbeweglich da. Dann sagte sie, so sanft sie konnte:
„Na gut, siehst du, so ist es brav. Jetzt bleibst du ganz ruhig stehen, Sabrina. Feines Pferd, ganz brav. Brave Sabrina, liebes Mädchen!“
Unendlich langsam stellte Sabrina die Ohren wieder auf, und Sofie lobte sie immerzu. Dann stieß die Stute endlich ein Seufzen aus und entspannte sich, ging ruhig an Sofie vorbei zum Futtertrog und begann zu fressen.
Sofie ließ Sabrinas Mähne erst los, als die Stute das Maul voller Heu hatte. Dann atmete sie auf. Warum war es rechts nur immer so schwierig mit Sabrina? Schade, daß die Stute nicht erzählen konnte, was für schlechte Erfahrungen sie schon mit ihren früheren Besitzern gemacht hatte.
Im Grund war Sofie aber sehr zufrieden. Es hatte lange gedauert, bis sie gelernt hatte, Sabrinas unerwarteten Angriffen richtig zu begegnen. Und jedesmal, wenn sie es wieder schaffte, war sie erleichtert.
In der Box nebenan lag Krissan quer über Max’ Rücken. Ihr Kopf und ihre Arme hingen auf der einen Seite herunter, ihre Beine auf der anderen. Max kaute friedlich an seiner Portion Abendheu. Krissan behauptete immer, in dieser Stellung könne sie sehr gut nachdenken. Sie brauchte nie Angst vor Max zu haben. Er war sanft und gutmütig wie ein Lamm.
Schmetterling wurde an diesem Abend ausnahmsweise von Sven versorgt, weil Ingmar nicht zu Hause war. Die große Stute war ebenfalls sanft und zuverlässig. Eigentlich war Sabrina das einzige Pferd im Stall des Birkenhofs, mit dem man vorsichtig umgehen mußte.
Als Sofie fertig war, legte sie Striegelbürste und Hufkratzer rasch in den Beutel, der an der Wand hing, und sagte zu den anderen: „Ich gehe in die Küche und helfe Maggie beim Kochen!“
Draußen auf dem Stallhügel blieb sie stehen. Die Sterne funkelten am frostklaren Himmel. Plötzlich fiel eine Sternschnuppe, blitzte auf und verschwand.
„Ein Haus, einen Bauernhof!“ stieß Sofie hervor. „Wenn man sich wirklich etwas wünschen kann, während eine Sternschnuppe fällt, dann wünsche ich mir einen Bauernhof!“
Sie kicherte leise vor sich hin. Um einen Bauernhof zu bekommen, brauchte man wohl mehr als eine Sternschnuppe!
Die folgenden Wochen waren die ereignisreichsten, die Sofie je erlebt hatte. Es begann damit, daß ihr Vater in die Pension in Kopparberg umzog, wo er während der ersten Zeit in seiner neuen Firma wohnen sollte.
Am Abend seiner Abfahrt war Sofie so bedrückt, daß Maggie ihr vorschlug, zu Hause bei ihrer Mutter anzurufen. Da hellte sich Sofies Gesicht wieder auf, und sie lief ans Telefon.
Die Stimme ihrer Mutter klang gehetzt, als sie sich meldete. „Die neuen Mieter kommen in zehn Minuten und sehen sich die Wohnung an“, erzählte sie. „Und hier ist ein fürchterliches Durcheinander. Ich habe eine Menge Kartons und Kisten für den Umzug kommen lassen. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie ich noch alles vor dem einunddreißigsten März einpacken und saubermachen soll!“
Sofie überlegte. „Du, Mama, ich könnte doch vielleicht versuchen, ein paar Tage schulfrei zu kriegen? Dann fahre ich nach Stockholm und helfe dir“, schlug sie vor.
„Ja, das wäre prima! Am besten wär’s am Monatsende, denn da wird es am schlimmsten. Du hilfst Maggie doch hoffentlich, so gut du kannst? Wenn wir im Hühnerhaus wohnen werden, gibt’s sicher eine Menge zu tun, und sie darf sich doch mit ihrem Herzfehler nicht zu sehr anstrengen.“
Das klang besorgt, und Sofie versicherte, daß sie sich keine Gedanken zu machen brauchte. Plötzlich wirkte ihre Mutter eifrig und erleichtert. „Du, Sofie“, sagte sie, „ich glaube, es wird aufregend, in einem Hühnerhaus zu wohnen! Natürlich wäre ich am liebsten gleich in unser eigenes Haus gezogen, aber wenn’s nun schon mal so ist . . .“
Für einen Augenblick verschlug es Sofie die Sprache.
„Was, du meinst wirklich, daß es dir Spaß machen wird?“ fragte sie mißtrauisch.
„Ja, natürlich. Dir vielleicht nicht?“
Sofie lachte. „Doch, schon, aber ich hätte nie geglaubt, daß dir so etwas gefallen könnte! Ich meine . . .“
Ihre Mutter unterbrach sie. „Ach, es ist doch gut, mal etwas Neues zu erleben! Aber jetzt muß ich Schluß machen, ich glaube, die neuen Mieter kommen schon. Paß auf dich auf, mein Mädchen, und grüß alle schön von mir!“
Eine Weile blieb Sofie noch am Telefon sitzen, den Hörer in der Hand. Erwachsene sind komisch, dachte sie noch einmal. Da denkt man, man würde sie kennen, und plötzlich sagen sie etwas, was man ihnen nie im Leben zugetraut hätte . . .
Schon am nächsten Tag begannen Maggie, Krissan, Ingmar und Sofie das Hühnerhaus zu entrümpeln. Es war gar nicht so leicht, alles zu schaffen, denn die Schule beanspruchte viel Zeit, und Sofie und Ingmar hatten in der kommenden Woche mehrere Prüfungen. Doch die Instandsetzungsarbeiten am Hühnerhaus ließen sich nicht länger aufschieben. Die Farbe blätterte von den Wänden, und in den Ecken hingen riesige Spinnweben.
Als alles Gerümpel ausgeräumt und im Holzschuppen untergebracht war, stellte sich heraus, daß das Hühnerhaus keinen richtigen Boden hatte. Es gab zwar Bodenbalken mit Sägespänen dazwischen, doch mehr hatte der frühere Besitzer des Hofes offenbar nicht für nötig gehalten. Er hatte einfach nur ein Stück Linoleum lose über die Balken gelegt. Jetzt hing das Linoleum so zwischen den Balken durch, daß der Boden den Kindern wie ein Meer mit Wellenbergen erschien.
„Ach du liebe Güte!“ seufzte Maggie. „Was sollen wir jetzt bloß machen? Ohne Boden geht es schließlich nicht!“