Keine Angst vor Pferden, Sofie! - Kerstin Backman - E-Book

Keine Angst vor Pferden, Sofie! E-Book

Kerstin Backman

5,0

Beschreibung

Neue Abenteuer warten auf Nachwuchsreiterin Sofie! Für das junge Mädchen ist ein Traum in Erfüllung gegangen: sie ist stolze Besitzerin eines eigenen Pferds. Gemeinsam mit ihren Eltern zieht Sofie auf einen Bauernhof um – und dort hat die Familie gleich alle Hände voll zu tun. Sofie kümmert sich mit Feuereifer um die Pferde, allen voran natürlich um ihren Fuchs Jocke. Doch selbst mit Jocke steht Sofie beim Reiten vor immer neuen Herausforderungen. Kann sie diese mit Hilfe ihrer besten Freundin Krissan erfolgreich meistern?Eine inspirierende Buchreihe nicht nur für Pferdefreunde! Die schüchterne Sofie ist in der Schule eine Außenseiterin. Als sie auf den Bauernhof der Familie Ström geschickt wird, ändert sich jedoch ihr Leben: Sofie entdeckt nicht nur ihre Liebe zu Pferden, sondern findet auch zu Mut und neuem Selbstbewusstsein.

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Kerstin Backman

Keine Angst vor Pferden, Sofie!

Übersezt von Ursula Isbel

Saga

Keine Angst vor Pferden, Sofie!

 

Übersezt von Ursula Isbel

 

Titel der Originalausgabe: Så är det med hästar, Soffi!

 

Originalsprache: Schwedischen

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1982, 2021 Kerstin Backman und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726941678

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Nur noch ein Monat...

Müde wanderte Sofie durch den Wald. Schmutzig und hungrig war sie auch. Es war ein schöner Frühlingsabend, aber das sah sie gar nicht. Nach dem Ausritt war sie so erschöpft gewesen, daß sie ihr Pferd Jocke nur in den Stall gebracht und ihm Heu und Wasser gegeben hatte, ohne ihn abzutrocknen und seine Hufe auszukratzen. Dabei war Jocke ganz verschwitzt gewesen, und er war über steinige Pfade gegangen.

Nun begann Sofie das schlechte Gewissen zu plagen. Dazu kam noch ihre lebhafte Phantasie, die ihr allerlei schlimme Bilder vorgaukelte. Wenn sich Jocke nun erkältete? Sofie sah ihr Pferd mit hängendem Kopf und fiebrigen Augen vor sich und glaubte es husten zu hören.

Schnell verdrängte sie die beängstigende Vorstellung. Sie war so furchtbar hungrig. Aber wenn Jocke sich nun einen spitzen Stein eingetreten hatte? Jetzt glaubte sie ihn mit geschwollenem Fuß vor sich zu sehen, weil er wegen ihrer Nachlässigkeit eine Hufkrankheit bekommen hatte.

Aber mit Jockes Hufen ist doch sonst immer alles in Ordnung, versuchte sie sich zu beruhigen. Und heute ist ein so warmer Abend, da wird er sich bestimmt nicht erkälten! Allerdings ist er ziemlich verschwitzt gewesen . . . Doch Bauer Nilsson kommt ja später noch einmal in den Stall. Er merkt sicher, wenn Jocke etwas fehlt! Nein, ich gehe nicht zurück, dachte Sofie. Ich schaff’s einfach nicht mehr.

Aber natürlich ging sie dann doch zum Asenhof zurück. Das letzte Stück zum Hof lief sie sogar, stürzte atemlos in den Stall und sah ihr Pferd angstvoll an. Jocke stand ganz ruhig in seiner Box und kaute an seinem Heu.

„Das hätte ich mir denken können!“ murmelte Sofie vor sich hin. „Natürlich hab ich mir alles nur eingebildet!“

Müde holte sie den Hufkratzer aus der Tasche mit dem Putzzeug. Jocke hob gehorsam einen Huf nach dem anderen, und Sofie kratzte sorgsam allen Schmutz heraus. Im linken Vorderhuf, der als letzter an die Reihe kam, war tatsächlich ein kleiner Stein festgeklemmt. Er saß eisern fest, und es dauerte eine Weile, bis Sofie es schaffte, ihn zu entfernen. Schließlich stand sie stöhnend auf.

„Ein Glück, daß ich umgekehrt bin“, murmelte sie mit düsterer Befriedigung.

Das Striegeln ersetzte Sofie heute durch eine Massage. Sie nahm ein dickes Frottierhandtuch, das sie in einem unbemerkten Augenblick aus dem Wäschevorrat ihrer Mutter stibitzt hatte, und rieb Jocke damit ab, bis sein Fell ganz trocken war.

„So, Jungchen, jetzt bist zu jedenfalls versorgt!“ sagte sie leise, setzte sich erschöpft auf den Rand des Futtertroges und spielte ein wenig mit Jockes Stirnlocke. „Morgen komme ich wieder. Herrje, bin ich müde . . .“

Ehe sie den Stall verließ, streichelte sie auch noch Bessie, das große, alte Arbeitspferd, das in der Box neben Jocke stand. Man mußte schon gerecht sein, sonst wurden die Pferde aufeinander eifersüchtig.

Dann machte sie sich wieder auf den Heimweg. Diesmal wurde sie nicht mehr von Schreckensbildern verfolgt. Aber todmüde war sie! Und schmutzig wie ein Erdschwein, dachte Sofie und schnitt eine Grimasse.

Während sie über den schmalen Waldpfad wanderte, dachte sie an den Asenhof, in dessen Stall Jocke stand. Der Asenhof gehörte ihren Eltern – beinahe jedenfalls. Sie hatten ihn vor kurzem gekauft. Alle Papiere waren schon ausgefüllt, eine Anzahlung war geleistet, und die restliche Kaufsumme sollte beim Einzug der Familie Ask bezahlt werden. Im Kaufvertrag stand auch, daß der Umzug erst im Juni stattfinden sollte. Nur Sofies Pferd stand schon seit einigen Wochen dort im Stall, genauer gesagt seit dem Tag, an dem die Familie Ask Jocke gekauft hatte.

Bauer Nilsson, der bisherige Eigentümer des Asenhofes, wohnte noch immer auf dem Hof. Wenn Sofie und ihre Eltern dort einzogen, wollte der alte Bauer mit seinen Habseligkeiten ins alte Vorratshaus übersiedeln, das ebenfalls zum Hof gehörte. Dort würde er während des Sommers wohnen. Das war für alle so am einfachsten. Bauer Nilsson konnte der Familie Ask, die ja aus der Großstadt kam und nicht ans Landleben gewöhnt war, viele nützliche Tips geben.

„Nur noch ein Monat!“ summte Sofie vor sich hin. „Nur noch ein Monat, tralala . . .“

Als sie zum Birkenhof kam, blieb sie auf der Vordertreppe des kleinen Wohnhauses stehen und sah sich um. Die Dämmerung hatte einen blaugrauen Schleier über die Wiesen und Wälder gelegt, und die Luft war mild und weich wie Samt – richtige Mailuft. Aus dem niedrigen Stallgebäude hörte man gedämpftes Stampfen. Dort kauten die Pferde des Birkenhofs gerade an ihrem Abendheu.

Bald sind Sommerferien! dachte Sofie. Was für ein Glück. Aber morgen haben wir Englischprobe. Pfui Teufel!

Drinnen in der Wohnküche brannte Licht, und Sofie sah durchs Fenster. Ihr beiden Freunde, Ingmar und seine Schwester Krissan, hatten die Köpfe über den Tisch gebeugt. Sie studierten ein Stück Papier, das ausgebreitet vor ihnen auf der grün karierten Decke lag. Beide trugen Stallkleidung, und an Krissans altem Pulli hingen ein paar Strohhalme.

Sofie machte die Tür auf und schleuderte im Flur ihre Stiefel in eine Ecke.

„Mach schnell! Wir haben das Programm gekriegt!“ schrie ihr Krissan aus der Küche zu.

„Was für ein Programm?“ fragte Sofie und ging auf Strümpfen in die Küche.

„Für die Turniere im Juni natürlich!“

„Der Reitclub will nämlich jetzt wieder Wettkämpfe veranstalten“, fügte Ingmar erklärend hinzu.

Sofies Gesicht hellte sich auf. Sie zog einen dritten Stuhl heran und beugte sich ebenfalls über den Tisch.

„Paßt mal auf!“ rief Krissan und fuhr mit dem Zeigefinger die Zeilen entlang. „Clubwettkämpfe . . . Dressurturniere in den Klassen A und E für Ponys, dazu auch Springen! Daran kann ich mit Max teilnehmen! Dann noch A und E für große Pferde – das wäre doch etwas für dich, Ingmar!“

Ihr Bruder schüttelte den Kopf.

„Ich hab zuwenig trainiert, Krissan. Ich schaff’s nicht mehr rechtzeitig. Schmetterling hat nicht die richtige Kondition.“

„Ach was“, sagte Krissan. „So eine Bahn schafft dein Pferd mit Leichtigkeit. Dafür brauchst du doch nicht ewig zu trainieren!“

Doch Ingmar schüttelte wieder den Kopf.

„Nein, ich will nicht mit ihr antreten, wenn sie so untrainiert ist. Aber bei den Herbstwettkämpfen machen wir bestimmt mit, darauf kannst du dich verlassen!“

„Ich habe jedenfalls mit Max trainiert“, erklärte Krissan zufrieden. „Für Dressur werde ich uns anmelden. Dann sollen diese dummen Puten mal sehen, daß kleine Pferde ebensogut Dressur lernen können wie große!“

Mit den „dummen Puten“ waren einige Mädchen aus Krissans Klasse gemeint, die sich öfter darüber lustig machten, daß Shetlandponys zu klein und zu dumm wären, um eine richtige Dressurprüfung zu schaffen. Das war ein Punkt, mit dem man Krissan wirklich bis aufs Blut reizen konnte. Ihr kleines, dickes Shetlandpony Max war ihr ganzer Stolz, und jeder Zweifel an seinen Fähigkeiten ärgerte sie furchtbar.

Mit einem zufriedenen Glitzern in den Augen beugte sich Krissan wieder über das Clubprogramm, und Sofie fragte: „Darf ich mitkommen und zusehen? Ich kann dich ja anfeuern, wenn dir das hilft!“

„Klar kommst du mit“, erwiderte Krissan. „Übrigens, was kostet denn der Spaß? Hier steht’s . . .“

Ingmar hatte schon den Finger auf eine fettgedruckte Zeile gelegt. „Zehn plus zehn“, sagte er.

Krissan starrte ihn an, und Sofies Blick ging zwischen den Geschwistern hin und her.

„Zwanzig Kronen also“, murmelte Krissan nach einer Weile.

„Und dann brauchen wir noch einen Transportwagen. Das kostet auch etwas.“

Geld, immer dieses furchtbare Geld! Alles schien davon abzuhängen.

„Wenn ich auf den Asenhof ziehe, veranstalten wir einen eigenen Wettkampf“, sagte Sofie entschieden. „Dazu brauchen wir jedenfalls keinen Transportwagen!“

Doch im Moment nützte das wirklich nicht viel, es ging ja um die Clubwettkämpfe. Sofie stand auf und ließ sich auf der Eckbank zwischen Trensen, Schulmappen und anderen Sachen nieder.

Sie seufzte tief und dachte daran, wie sie vor etwas mehr als einem halben Jahr auf den Birkenhof gekommen war. Sie war vorher nie hier gewesen, hatte aber gewußt, daß die Familie Ström mehrere Pferde besaß. Daß Pferde Geld kosten, war ihr natürlich klar gewesen, aber warum und wieviel, hatte sie nicht geahnt.

Jetzt aber wußte sie es nur zu genau. Irgendwelche Ausgaben gab es immer. Entweder brauchte man den Tierarzt, wenn ein Pferd sich verletzt hatte, und den mußte man natürlich bezahlen, obwohl man eigentlich nur so viel hatte, daß es gerade für die wichtigsten Ausgaben reichte. Dann mußte man furchtbar sparen, und gerade wenn man sich finanziell wieder einigermaßen erholt hatte, war es Zeit für den Hufschmied und eine neue Futterlieferung, und schon herrschte wieder Ebbe im Geldbeutel.

Eigentlich waren die unerwarteten Ausgaben am schlimmsten. Man wußte ja, daß man den Hufschmied und Futter für die Pferde brauchte, aber irgendwie entstanden immer wieder zusätzliche Kosten, mit denen keiner gerechnet hatte.,

Die Familie Ström hatte vier Pferde und liebte sie sehr. Sofie wußte aber auch, daß Ingmar, Krissan und ihre Eltern auf vieles andere verzichten mußten, um die Pferde unterhalten zu können, und daß sie wegen dieser Liebhaberei oft in Geldschwierigkeiten steckten. Es beklagte sich aber keiner darüber, und jeder übernahm seinen Teil an der Arbeit, ohne zu murren.

Sofies Familie ging es finanziell etwas besser. Jocke war von dem Kindergeld gekauft worden, das Herr und Frau Ask gespart hatten, seit Sofie klein war. Doch Sofie vermutete, daß sie und ihre Eltern wohl auch sehr sparen mußten, wenn der Asenhof instand gesetzt und modernisiert wurde. In dem halben Jahr auf dem Birkenhof hatte sie gelernt, daß einfach alles Geld kostet . . .

Sofie seufzte erneut.

„Ich muß mich jetzt über mein Englisch machen“, sagte sie düster. „Hast du schon für die Probe gebüffelt, Ingmar?“

„Nicht viel. Für mich wird’s jetzt wohl auch langsam Zeit, mich vorzubereiten.“

Widerwillig riß er sich vom Clubprogramm los und ging langsam die Treppe hinauf. Ingmar hatte ein winziges Zimmer unter dem Dach, das eigentlich nur eine Art Abstellkammer war. Auch Sofie stand auf, nickte Krissan zu, schlüpfte in ihre Holzpantoffeln und verließ das Haus.

Einen Augenblick überlegte sie, ob sie noch in den Stall gehen sollte, doch sie war zu müde, und das nagende Hungergefühl machte sich wieder bemerkbar. Sie ging über den Hofplatz zum ehemaligen Hühnerhaus, in dem sie und ihre Eltern vorübergehend wohnten, bis sie auf den Asenhof ziehen konnten.

Sofie hatte selbst mitgeholfen, das Hühnerhaus bewohnbar zu machen. Zusammen mit Krissan, Ingmar und deren Eltern hatte sie den einzigen Wohnraum repariert und gestrichen. Jetzt war das Hühnerhaus richtig hübsch geworden – aber es war klein wie eine Puppenstube!

Ihre Eltern waren nicht da. Sofie erinnerte sich daran, daß sie zusammen mit Krissans und Ingmars Eltern in die Stadt gefahren waren. Sie nahm sich ein Stück trockenes Brot, kaute daran und kroch mit ihrem Englischlehrbuch ins Bett. Es war schon fast dunkel im Raum, und Sofie mußte die Taschenlampe anknipsen. Elektrisches Licht gab es im Hühnerhaus nicht.

Zwei Stunden später erwachte sie davon, daß ihre Eltern leise ins Haus geschlichen kamen. Die Taschenlampe war erloschen, weil die Batterie leer war.

Schlaftrunken legte Sofie ihr Englischlehrbuch auf den Boden neben dem Bett, murmelte „Gute Nacht“, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter.

Eine Welt mit Pferden

Natürlich ging die Englischprobe schief. Nach der Stunde fragte Ulla, Sofies Schulfreundin, wie es denn gegangen wäre, aber Sofie schüttelte nur den Kopf und schnitt eine Grimasse.

Ulla war ebenfalls nicht gerade in bester Laune, weil sie nach dem Unterricht gleich nach Hause gehen und sich um ihre kranke kleine Schwester kümmern mußte, anstatt zu reiten. Anders’ Reitstall, in dem Ulla den größten Teil ihrer Freizeit verbrachte, war ein paar Kilometer vom Birkenhof entfernt, und Sofie hatte dort ihr Pferd gekauft.

Ingmar ging in die gleiche Klasse wie Sofie und Ulla. Allerdings waren er und Sofie in der Schule nie beisammen. Zu Hause auf dem Birkenhof unternahmen Sofie, Ingmar und Krissan viel miteinander, aber in der Schule – nein! Da gab es immer Klassenkameraden, die dumme Bemerkungen machten, wenn sie auch nur den geringsten Anlaß dazu fanden. Deshalb kümmerten sich Sofie und Ingmar in der Schule kaum umeinander.

Doch an diesem Tag kam Ingmar nach dem Unterricht zu Sofie und sagte ihr rasch, er könne heute nicht mit dem Schulbus nach Hause fahren, da er noch in die Stadt müsse, um etwas einzukaufen. Dann verschwand er, ehe Sofie ihn noch bitten konnte, ihr einen Film für ihren Fotoapparat zu kaufen.

„Typisch!“ brummte sie.

Mit finsterer Miene verabschiedete sie sich von Ulla, und dann ging jede zu ihrem Schulbus. Das Wetter paßte ausgezeichnet zu Sofies Laune. Die Wolken hingen tief, es war ungemütlich kalt, und dazu regnete es in Strömen.

Der Busfahrer setzte jeden Schüler an der üblichen Stelle ab, und schließlich war auch Sofie an der Reihe. Sehr langsam ging sie über das Bahngleis heimwärts. Vom Holzlagerplatz her duftete es wunderbar nach Harz und frischem Holz, und ihre Stimmung hob sich ein wenig.

Seltsam, dachte sie. Eigentlich lebe ich in zwei Welten. Die eine Welt ist das Gymnasium mit Betonwänden, moderner Einrichtung und Lärm und Trubel. Die andere Welt ist geruhsam, still und ein bißchen altmodisch, mit alten Bauernhöfen, Geräuschen vom Sägewerk, Tannenduft und Vogelgezwitscher. Eine Welt mit Pferden!

Ehe Sofie ins Haus ging, mußte sie unbedingt gleich die Pferde begrüßen. Sie warf ihre Mappe auf den Boden, ohne zu merken, daß sie in einer Wasserlache landete, und ging zum elektrischen Zaun. Sabrina, die launenhafte kleine Schimmelstute, kam sofort angetrabt und „redete“ mit Sofie, indem sie leise wieherte und den Kopf zurückwarf. Ihre Ohren waren gespitzt, und sie ließ sich genießerisch von Sofie streicheln.

Dann aber kam der kleine Max. Er legte die Ohren zurück und nickte drohend mit dem Kopf. Natürlich wich Sabrina zur Seite, so daß Max zu Sofie kommen konnte und ebenfalls gebührend begrüßt wurde. So klein Max auch war, er verstand es gut, sich bei den anderen Pferden durchzusetzen, und führte die kleine Herde an, stolz darauf, daß alle anderen Pferde seine Vorrangstellung anerkannten.

Hinkend näherte sich Graf, der große alte Wallach mit dem kranken Vorderbein, um sich streicheln zu lassen. Seine schönen, dunklen Augen glänzten ruhig und aufmerksam, seine schwarze Mähne hatte einen kupferroten Schimmer. Eifrig wie ein Kind puffte er ein paarmal mit der Nase gegen Sofies Schulter. Hier bin ich! schien er ganz deutlich zu sagen. Kümmere dich nicht um die anderen – jetzt bin ich an der Reihe, gestreichelt zu werden!

Sofie lächelte zum erstenmal an diesem grauen Tag. Ach, ihr Pferde seid doch alle gleich! dachte sie. Sie streichelte Graf ausgiebig und ließ ihre Hand mehrmals über seine breite Blesse gleiten.

„Sofie? Komm zum Essen!“ rief ihre Mutter plötzlich vom Haus her.

Sofie nickte. Doch natürlich konnte sie nicht gehen, ehe das Schmetterlingspferd ebenfalls seine Streicheleinheit bekommen hatte. Schmetterling war ein großes Halbblut, eine sanfte, liebenswerte Stute, die viel zu schüchtern und rücksichtsvoll war, um sich vorzudrängen. Sie stand immer hinter den anderen Pferden und wartete geduldig, bis sie an die Reihe kam. Und wenn die anderen nicht in der Laune waren, Schmetterling durchzulassen, mußte die Stute eben zurückstehen, ob es jetzt ums Streicheln ging oder um etwas anderes. Doch die Leute vom Birkenhof paßten eigentlich immer auf, daß Schmetterling nicht zu kurz kam. Man kroch eben unter dem Zaun durch und drängte sich an den anderen Pferden vorbei, damit die Stute ebenfalls ihren gerechten Anteil an allem bekam.

So machte Sofie es auch diesmal. Schmetterling bog ihren langen, geschmeidigen Hals vor und blies Sofie sacht ins Haar, und Sofie bewunderte ihre graziösen Bewegungen, während sie ihr zärtlich über die Mähne strich.

Doch das Essen wartete ja schon! Sofie kroch wieder unter dem Zaun durch und griff nach ihrer Mappe. Das Regenwasser war durchs Leder gesickert, und die Bücher in der Mappe waren feucht geworden. Sofie schob sie rasch und heimlich in eine Ecke der Haustreppe und ging dann in die Küche des Birkenhofes.

Es hatte einige Zeit gedauert, ehe Sofies Eltern und die Familie Ström vom Birkenhof ein gutes System für die gemeinsame Haushaltsführung ausgeklügelt hatten, doch jetzt klappte es. Morgens aßen die beiden Familien getrennt. Das Mittagessen dagegen kochte Sofies Mutter in der Birkenhofküche für alle, die zu Hause waren. Für gewöhnlich war das Essen gerade fertig, wenn Maggie Ström, Krissans und Ingmars Mutter, von ihrer Halbtagsarbeit im Schulsekretariat zurückkam, und ehe ihr Mann Sven zu seinem Halbtagsjob ins Sägewerk ging. Nach dem Essen saßen Maggie und Sofies Mutter meist noch eine Weile beisammen, unterhielten sich und nähten, denn der große Flickkorb im Haus wurde nie leer.

Maggie hatte einen Herzfehler und konnte außer ihrer Arbeit im Schulsekretariat und der Pferdepflege nicht allzuviel körperliche Arbeiten tun. Glücklicherweise war sie keine Ordnungsfanatikerin und erledigte ihre Hausfrauenarbeiten mit viel Lässigkeit.