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Für Sofie beginnt in Band 4 der wohl aufregendste Sommer ihres Lebens! Endlich sind die großen Ferien da – und Sofie ist überglücklich, denn sie darf diese mit ihrem Pferd Jocke auf einem Reiterhof verbringen. Hier soll sie Unterricht im Springreiten bekommen, doch das fällt dem schüchternen Mädchen alles andere leicht. Trotz der fachkundigen Hilfe ihrer Lehrer wollen die Kunststücke auf dem Pferderücken noch nicht so recht klappen. Doch Sofie wäre nicht Sofie, wenn sie nicht allen Mut zusammennehmen würde, um ihre Ziele zu erreichen...Eine inspirierende Buchreihe nicht nur für Pferdefreunde! Die schüchterne Sofie ist in der Schule eine Außenseiterin. Als sie auf den Bauernhof der Familie Ström geschickt wird, ändert sich jedoch ihr Leben: Sofie entdeckt nicht nur ihre Liebe zu Pferden, sondern findet auch zu Mut und neuem Selbstbewusstsein.
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Seitenzahl: 146
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Kerstin Backman
Übersezt von Ursula Isbel
Saga
Sofies schönster Pferdesommer
Übersezt von Ursula Isbel
Titel der Originalausgabe: Trava på, Soffi!
Originalsprache: Schwedischen
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1987, 2021 Kerstin Backman und SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726941685
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Sofie und Krissan saßen auf der Vortreppe und warteten auf den Postboten. Für gewöhnlich war er pünktlich. Fast auf die Minute genau um neun Uhr morgens hielt sein hellgrünes Auto bei den drei Briefkästen, in die er Briefe und Zeitungen steckte. Sofie fand das gut. Dort, wo sie früher gewohnt hatte, wurde die Post immer erst gegen elf Uhr ausgetragen.
Gerade an diesem Tag hatte Sofie einen besonderen Grund zu warten, denn sie hatte bei einem Sportversandgeschäft eine Reithose bestellt – die erste Reithose ihres Lebens. Ein paar Kleinigkeiten sollte sie auch noch bekommen, doch am sehnsüchtigsten wartete sie auf die Reithose.
Jocke, Sofies Pferd, wanderte inzwischen auf der Koppel vor dem Stall herum, der zum Birkenhof gehörte. Ab und zu rupfte der Fuchs ein paar Grashalme ab, doch eigentlich wartete er darauf, daß die anderen Pferde herauskamen. Immer wieder hob er den Kopf, trabte mit langen, eifrigen Schritten herum und wieherte so laut, daß seine Nüstern bebten. Aus dem Stall erhielt er Antwort. Es klang wie das Quieken eines kleinen Schweines, doch es war kein Schwein, sondern Krissans Shetlandpony Max, das wieherte.
„Ich glaube, es ist am besten, wir geben den Pferden ihren Hafer, damit sie ins Freie kommen“, meinte Krissan träge, ohne sich von ihrem bequemen Platz in der Morgensonne fortzubewegen.
„Mmm“, bestätigte Sofie. Sie warf Krissan einen Seitenblick zu, und dann begannen beide zu kichern.
„Komm, dann gehen wir eben“, murmelte Krissan, ohne sich von der Stelle zu rühren.
„Klar. Also los“, murmelte Sofie und blieb wie angewurzelt sitzen.
„Du, lauf nicht so schnell . . . ich komme nicht mit!“ sagte Krissan.
„Wir zählen bis drei, dann gehen wir“, schlug Sofie vor.
„Eins . . . zwei . . .“
„Zweieinhalb“, fuhr Krissan fort.
„Zweikommasechs . . .“
„Faultier!“ seufzte Sofie mit geschlossenen Augen, das Gesicht der Sonne zugewandt.
„Und du, was bist dann du, wenn ich fragen darf?“ sagte Krissan beleidigt.
„Auch ein Faultier natürlich!“
„Habt ihr den Pferden Hafer gegeben?“ fragte Ingmar, Krissans Bruder, von der Haustür her. Er hatte Shorts und ein kurzärmeliges rotes T-Shirt angezogen, war jedoch noch nicht dazu gekommen, sich zu kämmen.
„Nein, weil wir finden, daß du das machen könntest“, erklärte Krissan. „Wir warten auf den Briefträger.“
„Versuch bloß keine Tricks. Heute bist du an der Reihe! Los jetzt, du Faultier!“ sagte Ingmar und stieß seine Schwester mit den Zehen in den Rücken.
Seufzend stand Krissan auf und räkelte sich wie eine faule Katze. Sofie tat es ihr nach. Die Grasstoppeln stachen sie in die nackten Füße, während sie in den Stall gingen, doch jetzt war es nicht mehr so schlimm wie zu Beginn des Sommers, als sie nach dem langen Winter noch keine Hornhaut an den Füßen hatten. Der Sommer war bis jetzt recht gut gewesen. Ein paar Tage lang hatte es heftig geregnet, doch dann war das Wetter beständiger geworden. Manchmal war es bewölkt, gelegentlich riß die Wolkendecke auf, und an manchen Tagen hatte sich der Himmel wie eine blaue Porzellanschale über ihnen gewölbt, während die Sonne brannte, wie man es sich für die Sommerferien nicht besser wünschen konnte. Heute war so ein Tag. Ein paar Wattewölkchen segelten am Horizont, sonst war der Himmel herrlich blau.
Im Stall war es heiß, und die Pferde waren gereizt. Sie sehnten sich nach dem Morgenwind auf der Koppel, und ihr vorwurfsvolles Gewieher schallte Krissan und Sofie entgegen, die gemeinsam Hafer, Mineralien und Kalk auf die vier Eimer verteilten. Die einzelnen Portionen waren jetzt natürlich etwas kleiner als im Winter. Zwar war die Koppel zu klein, um den Pferden als Weide auszureichen, doch dort wuchs immerhin eine ganze Menge Gras, so daß sie nicht so viel Kraftfutter brauchten. Heu bekamen sie abends. Überhaupt war der Sommer eine willkommene Abwechslung in der Flut von Ausgaben, die nie versiegte.
Die Mädchen blieben im Stall, während die Pferde ihren Hafer fraßen. Auf dem Birkenhof, der von Krissans Eltern, Maggie und Sven, und ihrem Bruder Ingmar bewohnt wurde, gab es vier Pferde. Max, das Shetlandpony, stand in der hintersten Box links im Stall. Er bekam eigentlich nur ein paar Haferkörner, damit er nicht eifersüchtig wurde, wenn die anderen Pferde gefüttert wurden, und damit er seine Mineralien besser fraß. In der Box nebenan war Sabrina untergebracht, eine Schimmelstute, die noch immer recht zurückhaltend allen Menschen gegenüber war, abgesehen von den Familienmitgliedern und Sofie. Sabrinas Appetit war ungeheuer: Sie hob den Kopf beim Fressen niemals aus dem Eimer, nicht einmal während des Kauens. Sobald man ihr den Futtereimer brachte, fuhr sie blitzschnell mit der Nase hinein. Wenn ihr Kopf wieder auftauchte, war der Eimer so sauber geleckt, als hätte man ihn ausgespült.
Die Sattelkammer teilte die Reihe der Pferdeboxen. Rechts von ihr stand der alte Wallach Graf. Er war groß und schwarz, mit einer breiten Blesse und einem Ramskopf. Graf hatte ein krankes Fußgelenk, das ihn beim Gehen behinderte. Sonst war er ein sehr lebenslustiges Pferd. Ohne die Fußkrankheit hätte er noch mehrere Jahre lang geritten werden können, trotz seiner siebzehn Jahre, aber nun führte er ein Rentnerdasein.
Ganz hinten rechts war die Box der sanften Stute Pavlova, auch Schmetterlingspferd genannt, ein großer Braunschimmel. Sie fraß ihren Hafer anmutig und gesittet, nahm kleine Bissen und kaute mit geschlossenem Maul, so daß sie immer mehr Zeit zum Fressen brauchte als die anderen Pferde. Graf dagegen schlang den Hafer nur so in sich hinein und verspritzte ihn dabei nach allen Seiten. Wenn sein Eimer leer war, hatte er noch allerhand damit zu tun, alles aufzulecken, was er vorher in seiner Box verteilt hatte.
Grafs Tischmanieren passen wirklich nicht zu seinem Namen, dachte Sofie. Aber sonst ist er ein liebes Pferd.
Sofie selbst wohnte auf dem Asenhof, eine Viertelstunde vom Birkenhof entfernt. Sie hatte keine Geschwister, doch sie und ihre Eltern waren so viel mit der Familie Ström vom Birkenhof zusammen, daß es Sofie beinahe vorkam, als wären Krissan und Ingmar ihre Geschwister. Sofie hatte auch ein eigenes Pferd, es hieß Jocke und war ein Fuchs. Natürlich ritt sie viel mit Krissan und Ingmar zusammen.
„Jetzt lassen wir sie raus“, sagte Krissan.
Doch zuerst mußten sie noch Wasser in die Pferdetränke füllen. Sofie zerrte den langen Schlauch vom Wasserhahn über die Wiese, Krissan drehte den Hahn auf. Während das Wasser in den großen, rostfreien Waschtrog rann, hakte Sofie die elektrischen Drähte ein, die den Weg vom Stall zur Koppel einzäunten.
„Jetzt kannst du sie herauslassen!“ schrie sie Krissan zu.
Sie selbst mußte sich mit ausgebreiteten Armen auf die Koppel stellen, um Jocke zu hindern, zurück in den Stall zu stürmen, nachdem das Gatter geöffnet war. Er trabte mit langen, schwingenden Schritten hin und her, seine Mähne flatterte. Sofie fand wieder einmal, daß er einfach wunderbar aussah.
Max galoppierte als erster ins Freie, dicht gefolgt von Sabrina. Graf hinkte mit gespitzten Ohren hinterdrein, so schnell er konnte. Als letztes kam das Schmetterlingspferd mit leichten, eleganten Schritten. Die Stute stand in der Rangliste der kleinen Herde ganz unten und stellte sich auch als letzte in der Reihe vor der Tränke an.
Das Shetlandpony trank zuerst. Sabrina versuchte ein paarmal, ans Wasser zu kommen, wich jedoch rasch wieder zurück, wenn Max die Ohren anlegte und drohend den Kopf hochwarf. Max stellte immer wieder seine Macht über die anderen Pferde unter Beweis. Nun blieb er stehen, obwohl er seinen Durst gelöscht hatte, ohne die anderen vorzulassen. Sie wurden immer durstiger und trampelten voller Ungeduld mit den Hufen, während Max träumerisch vor sich hinstarrte, ohne auch nur einen Millimeter von der Stelle zu weichen. Doch keines der Pferde wagte den Versuch, ihn fortzujagen, und schließlich verlor Max den Spaß an diesem Spiel. Mit sehr kleinen Schritten entfernte er sich, so daß die anderen endlich anfangen konnten zu trinken, wobei die Rangordnung natürlich genau eingehalten wurde.
„Das Postauto kommt!“ schrie Ingmar vom Haus her.
Rasch drehte Krissan den Wasserhahn zu. Sofie warf den Schlauch zur Seite, und dann rannten sie los. Doch Ingmar war ihnen schon zuvorgekommen. Er stand beim Auto und nahm die Post entgegen. Zuletzt reichte der Briefträger ein großes braunes Paket heraus – das war für Sofie.
Sofie stürmte in die Küche und stellte das Paket mit einem Knall auf den Tisch. Es war nicht so leicht aufzureißen, da es mit breiten braunen Klebebändern ordentlich verpackt war, doch endlich hatte sie auch den letzten Klebestreifen losgemacht und konnte das Packpapier aufwickeln.
Maggie, Ingmar und Krissan hatten sich um den Tisch versammelt. Auch sie hatten mehrere Sachen bestellt, die mit der gleichen Sendung ankommen sollten.
„Die Reithose!“ schrie Sofie entzückt und hielt eine beigefarbene Hose hoch, die Wildlederflecke auf den Knien hatte.
„Gott, ist die stark!“ rief Krissan bewundernd und strich mit der Hand darüber. „Sie ist genauso schön wie die, die ich von euch zum Geburtstag bekommen habe!“
„Hier sind fünf Hufkratzer“, verkündete Ingmar. „Vier haben wir bestellt – ich lege sie hierher. Und das ist deiner, Sofie.“
„Fesselbandagen, mal sehen“, murmelte Maggie und begann zu zählen. „Es sind vier rote und vier gelbe. Wolltest du die gelben haben, Sofie?“
„Ja, gelb steht Jocke am besten“, sagte Sofie und legte ihre Hose beiseite. „Für das Schmetterlingspferd ist Rot die richtige Farbe.“
„Neue Steigbügelriemen. Die sind für mich!“ murmelte Ingmar.
„Und das ist meine neue Reitkappe“, rief Sofie begierig.
„Hoffentlich paßt sie!“
Sie stellte sich vor den Spiegel und setzte die Reitkappe auf. Über den Ohren fühlte sie sich beim Herunterziehen ein bißchen eng an, aber dann saß sie fest, ohne zu drücken. In Höhe der Ohren waren große Löcher in die Kappe eingearbeitet, damit man hören konnte, wenn jemand etwas sagte, ohne daß die Leute gleich schreien mußten.
Maggie klopfte auf die harte schwarze Kappe.
„Sehr gut“, sagte sie. „Die schützt besser als die alten Reitkappen.“
„Und das ist Max’ neues Halfter“, erklärte Krissan eifrig und hielt ein Textilhalfter hoch. Es war gelb, genau wie Jockes neues Halfter, das natürlich um einiges größer war.
„Aber das hier, wem gehört das?“ fragte Krissan verdutzt und deutete auf eine große Rolle Textilband mit einem Haken daran.
„Das ist meine Longierleine“, erwiderte Maggie. „Jetzt hab ich’s mir in den Kopf gesetzt, daß Sabrina longiert wird, und wenn’s den ganzen Sommer dauert.“
„Das wird es auch“, meinte Ingmar, „wenn man bedenkt, wie sie sich beim ersten Versuch angestellt hat. Allerdings ist das ja auch schon einige Zeit her, und sie ist wirklich ruhiger geworden, seit wir sie gekauft haben. Vielleicht klappt es tatsächlich.“
„Was meint ihr denn?“ fragte Sofie verwundert, während sie das leere Packpapier geräuschvoll zusammenknüllte. „Warum sollte sie denn nicht an der Longe gehen können? Ich hab nie gesehen, daß ihr’s versucht hättet.“
Maggie schüttelte den Kopf.
„Eigentlich hatten wir den Versuch in den letzten Jahren schon aufgegeben“, erwiderte sie. „Wir wollten Sabrina longieren, gleich nachdem wir sie gekauft hatten, aber sie ist wohl früher mal irgendwann während des Longierens mißhandelt worden. Sie ist ganz hysterisch geworden, als wir’s probierten, hat gescheut und ausgeschlagen, und man konnte ihr einfach nicht mehr nahe kommen. Sie wollte sich gar nicht wieder beruhigen.“
„Was habt ihr denn dann gemacht?“ fragte Sofie. „Die arme Sabrina!“
„Nichts“, erwiderte Maggie.
„Mama hat nur geredet“, erklärte Krissan und setzte sich auf das Küchensofa zwischen all die Sachen, die herumlagen. „Sie redete und redete auf Sabrina ein, und mit der Zeit wurde die dann endlich ein bißchen ruhiger.“
„Aber Sabrina zitterte am ganzen Körper, als wir ihr endlich wieder nahe genug kommen konnten, um die Longierleine auszuhaken“, schloß Maggie. „Also, jetzt stehen wir hier herum und reden . . . was wollten wir denn nun eigentlich machen?“
„Die Ausrüstungsliste!“ sagte Sofie. „Mama kommt gleich vorbei, damit wir die Liste gemeinsam aufstellen können.“
„Dann setz Kaffeewasser auf, Ingmar“, bat Maggie. „Außerdem müssen wir noch die Briefe lesen.“
„Die hab ich ganz vergessen“, sagte Sofie. „Hoffentlich ist was Gescheites dabei.“
Alle wühlten in dem kleinen Postberg, und schließlich schaffte es jeder, einen Brief mit seiner eigenen Adresse zu finden. Sofie riß ihren Brief an sich.
„Er ist von Roger Kallin!“ schrie sie begeistert. Dann schob sie einen Teil der Sachen auf dem Küchensofa zur Seite, so daß sie in einer Ecke Platz fand; sie setzte sich und zog die Füße hoch.
„Natürlich mal wieder eine Rechnung!“ brummte Maggie angewidert und legte ihren Brief zur Seite. „Vom Landhandel für Hafer, Kleie, Mineralien!“
„Wieviel ist es denn?“ fragte Ingmar besorgt.
„Fünfhundertzwanzig Kronen. Die müssen wir bezahlen, wenn das Kindergeld kommt.“
„Hört mal!“ sagte Sofie dazwischen und fuchtelte aufgeregt mit ihrem Brief in der Luft herum. „Ich muß euch vorlesen, was Roger Kallin schreibt:
Liebe Sofie!
Ich habe mich so gefreut, als ich heute Deinen Brief bekam, und meine Frau ebenfalls. Wir erwarten Dich, sobald der Grundkurs beginnt, so daß Du zusammen mit Ingmar nach Strömsholm fahren kannst. Wenn Ihr Euch die Kosten für den Pferdetransport teilen könnt, wird es billiger für Euch beide. Wenn Du uns vorher anrufst, damit wir wissen, wann Ihr ankommt, könnten wir einen kleinen Imbiß für Euch vorbereiten. Anschließend werde ich Dir Strömsholm zeigen.
Du kannst im Zimmer unserer Tochter wohnen, und Jocke hat Platz in der Box, die sie immer für ihr Pferd benutzte. Es wird schön für uns sein, wieder einmal einen jungen Menschen bei uns zu haben. Meine Frau und auch ich finden es so leer im Haus, seit unsere Tochter ausgezogen ist. Wir freuen uns auf Deinen Besuch, Sofie!
Es grüßt Dich herzlich Roger Kallin
Krissan seufzte. „Ich werd verrückt! Daß du nach Strömsholm darfst! Es wird noch Ewigkeiten dauern, bis ich es endlich auch schaffe, mal hinzukommen.“
Sofie ließ den Brief sinken und starrte vor sich hin. Sie bekam plötzlich Angst.
„Überlegt doch mal“, sagte sie. „Vor nicht ganz einem Jahr hab ich noch in Stockholm gewohnt und wußte gar nicht, daß es euch überhaupt gibt, hatte keine Ahnung von Pferden und von Strömsholm. Und doch werde ich jetzt mit meinem eigenen Pferd dorthin fahren. Ist das unheimlich! Ich kann ja noch nichts, und alle anderen Leute dort sind praktisch Profis. Bestimmt blamiere ich mich furchtbar!“
Ihre Stimme klang ängstlich, aber Maggie lachte nur.
„So schlimm wird’s nicht werden“, sagte sie, und Sofie fand, daß ihre Erwiderung ein bißchen zu schnell kam. „Man muß doch mit allem mal anfangen, nicht?“
Ingmar hatte noch nicht einmal seinen Brief geöffnet. Er goß kochendes Wasser in den Kaffeefilter und sah düster drein.
„Wißt ihr, was wir vergessen haben?“ sagte er. „Wir haben uns noch keine Gedanken über den Transport nach Strömsholm gemacht. Es sind ungefähr hundertfünfzig Kilometer, das wird verdammt teuer!“
„Vermutlich schon“, gab Maggie zu. „Aber ihr teilt euch schließlich die Unkosten, das macht es immerhin billiger.“
„Haben wir denn überhaupt Geld für unseren Anteil?“
„Vorerst nicht. Aber ich will mal sehen, ob sich nicht mit den Rechnungen etwas machen läßt. Es gibt sicher irgendeine Zahlung, die wir noch einen Monat lang aufschieben können.“
„Geld, Geld!“ stieß Krissan hervor und schnaubte wütend.
„Ich wollte, wir wären steinreich!“
Sofie schob die Gardine des Küchenfensters beiseite und spähte ins Freie. „Da kommt Mama!“ sagte sie.
Sofies Mutter, von allen nur ,Döschen‘ genannt, saß auf dem breiten Rücken von Bessie, die große Ardennenstute des Asenhofes kam mit nickendem Kopf angetrampelt. Unter ihren plumpen Füßen knirschte der Kies. Sofies Mutter ritt ohne Sattel, vor ihr hingen zwei Ledertaschen an einem breiten Riemen über Bessies Rücken.
Krissan rannte aus dem Haus und stellte den Strom zum Koppelzaun ab, damit sie Bessie auf die Weide bringen konnten. Bessie freute sich immer sehr, wenn sie mit den anderen Pferden zusammenkam, vor allem mit Jocke, ihrem besten Freund. Nun rannten die Pferde im Galopp auf der Koppel herum, daß der Boden zitterte. Sogar im Haus spürte man ein leichtes Beben, und das Donnern der Hufe auf dem trockenen, harten Boden hallte vom Küchenboden verstärkt wider. Ingmar lachte, als er es hörte.
„Das müßte man auf Tonband aufnehmen und als Hintergrundgeräusch für einen Film oder ein Hörspiel von einer Jagd auf Wildpferde oder einer durchgehenden Büffelherde benutzen!“ sagte er.
Döschen kam durch die Tür, die Ledertaschen in der Hand; sie nahm ihre Reitkappe ab und warf sie zwischen den anderen Krimskrams aufs Küchensofa.
„Hoffentlich habt ihr den Kaffee schon fertig!“ sagte sie.
„Ich hab heute früh nur Milch zum Frühstück getrunken. Ich hoffe, daß ich hier bei euch Kaffee kriege, während wir die Liste aufstellen!“
„Klar. Wir setzen uns in den Garten, solange es noch kühl ist“, meinte Maggie. „Später wird es zu heiß!“
Sie stellten das Kaffeegeschirr auf ein Tablett. Ingmar nahm die Kanne und Krissan eine Tüte mit Zimtschnecken; dann gingen sie hinaus. Zwischen dem Haus und der Fliederhecke stand ein alter, klappriger Korbtisch mit ein paar morschen Korbstühlen, die vom Wetter mitgenommen waren, weil keiner daran dachte, die Gartenmöbel bei Regen auf den Dachboden zu bringen. Auch eine stabile Holzbank gab es. Sie war rot gestrichen, aber da auch die Bank immer draußen vergessen wurde, blätterte die Farbe ab, so daß sie richtig bunt aussah – mit holzgrauem Grund und roten Flecken darauf.