Soja-Steak an Vollmondwasser - Markus Barth - E-Book

Soja-Steak an Vollmondwasser E-Book

Markus Barth

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  • Herausgeber: Carlsen
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Was ist nochmal der Unterschied zwischen Chia-Samen und Chai Latte? Kann man Granatäpfel pulen, ohne danach die Küche renovieren zu müssen? Gibt es Menschen, die Eisbergsalat am Geschmack erkennen? Und ist Drachenfrucht im Grunde nicht einfach Kiwi im Fummel? Markus Barth knöpft sich mal die Trend-Lebensmittel vor, um die in letzter Zeit ein ungeheures Bohei gemacht wird: Ein köstliches Vergnügen für alle - vom Schnitzelfreund bis zur strengen Frutarierin.

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Markus Barth

Soja-Steak anVollmondwasser

Das Handbuch der überschätzten Lebensmittel

Lappan

Was ist noch mal der Unterschied zwischen Chiasamen und Chai-Latte? Kann man Granatäpfel pulen, ohne danach die Küche zu renovieren? Und ist Drachenfrucht im Grunde nicht einfach Kiwi im Fummel? Markus Barths lustvolle Abrechnung mit gehyptem Trendfood und überschätzten Klassikern ist Balsamico für die Seele!

„Was ich noch mehr mag als ein saftiges Steak sind Menschen, die der Gesellschaft und dem Mainstream den Spiegel vorhalten. Markus Barth hat dies mit diesem Buch in einer Art und Weise geschafft, die bei mir zweierlei hervorrief: Lachen, ganz klar. Und die Erkenntnis, dass wir Konsumenten mit so viel Blödsinn versorgt werden, dass es für alle Menschen zum Satt-werden reicht. Als Genießer rate ich deshalb: Erst lesen, dann essen. Und zwar das Richtige.“ (Reiner Calmund)

„Voller Wahrheit, immer angenehm kompakt und vor allem sehr, sehr lustig – ich kann ehrlich sagen: Markus Barth ist eines meiner Vorbilder.“ (Torsten Sträter)

Für Angela (Die besete von de besete)

„Angela, kann man die Rinde vom Manchego eigentlich mitessen?“

„Natürlich! Aber warum willst du? Sind wir im Krieg, oder was?“

Inhalt

Vorwort

Teil 1 Gesund! Vegan! Geschmacksneutral! Trendfood

Chia-Samen

Bärlauch

Tofu

Goji-Beeren

Veganer Käse

Wasser

Vitaminwasser

Karottengrün

Tempeh

Zartbitterschokolade

Vollkorncroissants

Low-Carb-Brot

Grünkohl

Ingwer

Cupcakes

Matcha Tee

Teil 2 Besonders schlechte Ideen der Lebensmittelindustrie

Vegetarische Wurst

Pfannkuchenteig aus der Flasche

Schokopudding

Reiswaffeln

Maiswaffeln

Schokoreiswaffeln

Surimi

Maggi Fix

Fettarme Chips

Salatdressing

Pflanzencreme

Tee

Marsriegel

Teil 3 Auch Mutter Natur hat mal ’nen schlechten Tag

Schwarzwurzeln

Eisbergsalat

Passionsfrucht

Bananenchips

Birnen

Physalis

Braune Champignons

Drachenfrucht

Koriander

Granatapfel

Babyspinat

Rote Bete

Petersilie

Staudensellerie

Teil 4 Leck mich am Arsch, sind wir kultiviert!

Crema di Balsamico

Artischocken

Amarettini

Himalayasalz

Grissini

Sushi

Rucola

Mozzarella

Spargel

Lorbeer

Austern

Crème Brulée

Anhang

Die ersten Leserstimmen

Vorwort

Ich sag’s mal vorsichtig: Beim Thema Ernährung sind in den letzten Jahren ein paar Dinge ein ganz klein wenig aus dem Ruder gelaufen. Gesunde Menschen haben plötzlich panische Angst vor Gluten, trinken nur noch Matcha Latte mit Mandelmilch und streichen sich Rote-Bete-Mus auf die staubige Reiswaffel. Jede Woche wird eine neue Superfood-Sau durchs Dorf getrieben, und selbst einigermaßen solide belichtete Wissenschaftler versichern abwechselnd, dass Butter – je nach Wochentag und Mondphase – entweder wahnsinnig gesund, wahnsinnig ungesund oder irgendwas dazwischen ist. Dann wälzen wir wieder Ernährungsratgeber, raspeln uns mit einem Spiralschneider ein paar traurige Zucchini-Spaghetti auf den Teller oder kämpfen uns durch den arte Themenabend „Grünkohl“. Und während die Berliner Polizei militante Foodies von der Stürmung eines veganen Imbisses abhalten muss, bewerfen in Tiflis aufgebrachte Fleischfans die Besucher eines vegetarischen Cafés mit Mett.

So. Und in dieser Ernährungs-Gesamt-Situation, in der sich viele Besser-Esser benehmen wie Gremlins, die nach Mitternacht gefüttert, mit Wasser bespritzt und mit Starkstrom gekitzelt wurden, will ich also ein Buch über Lebensmittel schreiben. Haha, dufte Idee!

Dabei bin ich gar kein Arzt. Ich bin auch kein Ernährungswissenschaftler und kein Fitness-Guru. Ja verdammt, ich habe noch nicht mal die „eat smarter!“ abonniert. Und ich kann auch keine der üblichen Ernährungs-Erweckungsgeschichten bieten. (Sie kennen das aus allen möglichen Diät-Büchern, da erzählt der Autor meistens, wie er von seinen liebenden, aber leider völlig verantwortungslosen Eltern mit Fischstäbchen und Kinderriegeln großgezogen wurde, bis er dann mit 14 am rechten Rippenbogen die erste Fettzelle entdeckte, verständlicherweise eine entsetzliche Panik schob und schließlich diese total einfache, alltagstaugliche und zugleich effektive Kombi-Diät aus Löschpapier und Gletscherwasser für sich entdeckte. So in der Art.)

Aber hier mein Totschlagargument: Ich esse gern. Und oft. Ich mache das auch schon recht lange, eigentlich mein ganzes Leben lang. Meistens ohne fremde Hilfe und bisher auch ohne größere Probleme (Dass ich mal voller Begeisterung einen ganzen Abend lang türkische Kürbiskerne gemampft habe, bis mir ein Freund erklärte, dass man die Schale eigentlich abmacht, vergessen wir einfach mal). Und für mich ist das die beste, wenn nicht sogar die einzige Legitimation, um ein Buch übers Essen zu schreiben. Hier also mein Angebot: Machen wir doch mal was total Verrücktes, pfeifen auf all die Ernährungswissenschaftler und Fitness-Gurus und verlassen uns kurz auf den, der immer noch am besten weiß, was uns schmeckt und was nicht: unseren Bauch.

Ich bin mir natürlich bewusst, dass ich mich damit auf verdammt dünnes Speiseeis begebe. Aber was soll’s. Mein nächstes Buch schreibe ich dann eben wieder über ein weniger emotions- und konfliktgeladenes Thema.

Religion oder so.

Köln, im Mai 2016, Markus Barth

Chia-Samen

Chia-Samen! Du „Powerkorn der Mayas“, du schwarzkrümelndes Reformhaus-Gold, du hochgehypete Hipster-Hirse, du Silberstreif am Konsumhimmel all jener, denen Quinoa schon zu mainstreamig ist: Ich ziehe meinen Hut vor dir! Die flitzeflinke Geschwindigkeit, mit der du ganze Biomarktregale annektiert und dich in elitäre Ernährungspläne gewanzt hast, die kann einem glatt den Spinatsmoothie aus der Hand wirbeln! Das Ganze ist umso erstaunlicher, als deine Verkaufsargumente, Chia, na ich sag’s mal vorsichtig, ein bisschen dünn sind: „Guten Tag, liebe Besserverdiener, mein Name ist Chia-Samen, ich bin unfassbar teuer und schmecke nach nichts. Bitte rühren Sie mich ab jetzt täglich in Ihren lactosefreien Joghurt!“ – „Juhuu! Na klar! Das machen wir!“

Vor ein paar Jahren kannte dich noch keine Sau, und jetzt bist du überall: im Brot, im Quark, im Knabberkeks. Chia, Respekt! Du bist der Elyas M’Barek unter den Lebensmitteln!

Verzeihung, „Lebensmittel“ darf man dich ja gar nicht nennen. Ein „Superfood“ bist du, mit Superkräften. Schnallst dir jede Nacht Korn für Korn ein kleines Superhelden-Cape um, bildest dann mit deinen Superfood-Kumpels, den Acai-Beeren, den Spirulina-Algen und der Acerola-Kirsche, quasi die Reformhaus-Avengers und rettest die Menschheit vor der drohenden Folsäure-Unterversorgung. Denn gesund, das bist du tatsächlich, Chia. Enthältst Thiamin und Kalium und Riboflavin, und wenn man dich noch ein bisschen genauer untersuchen würde, fände man bestimmt auch noch Spuren von Kryptonit und mehrfach ungesättigtem Feenstaub. Und wie jeder Superheld bist du ein Meister der Verwandlung: Wenn man dich in Wasser einweicht, bildest du eine Gelschicht um deine kleinen schwarzen Mausdreck-Körner. Das schmeckt dann zwar immer noch nach nichts, aber immerhin nach nichts mit Glibber. Respekt, Chia! Und ich dachte bisher immer, Green Lantern sei der unnützeste Superheld der Welt.

Die volle Kraft deiner Nährstoffe entwickelt sich laut Internet sogar erst „nach einer Einweichzeit von mehreren Stunden“. Ja, genau so schaust du aus, Chia-Samen! Für dich stehe ich nachts um drei auf und weiche dich ein, damit ich morgens ’ne Einlage fürs kernige Buchweizenmüsli habe. Am Arsch! Vielleicht bist du aber auch eher was für Leute, die abends schon wissen, was sie am nächsten Nachmittag gerne essen würden. Leute, die sich nach dem Rosamunde-Pilcher-Film denken: „Ich könnte mir vorstellen, dass ich in sechzehneinhalb Stunden so ein leichtes Hüngerchen auf Dinkelschrot mit Chia-Samen bekomme. Am besten, ich setz das schon mal an!“ Das sind vermutlich dieselben, die vor dem Schlafengehen schon den Frühstückstisch decken, in deren Kalender steht, wann die Bettwäsche gewechselt wird, und die beim Aufziehen der Sommerreifen schon den Termin für die Winterreifen ausmachen! Ein Streber-Korn, das bist du, Chia!

Aber weiter im Internet: „Chia-Samen lassen sich problemlos vier bis fünf Jahre einlagern, ohne ihren Geschmack einzubüßen“. „Geschmack?“ Haha! Da musste selbst ein bisschen kichern, oder, Chia? Styropor-Kügelchen lassen sich nämlich auch vier bis fünf, ach was sag ich, vierzig bis fünfzig Jahre einlagern, ohne ihren Geschmack einzubüßen!

Und dann steht da noch: „Wann probieren auch Sie die Kraftsamen der Maya?“ Uh, „Kraftsamen“? Na, jetzt wird’s aber eklig! Das klingt nicht nach Trendfood, das klingt nach Bullenzucht! Wer will denn bitte Maya-Kraftsamen schlucken? Am Ende wächst da in meinem Körper ein kleiner Maya heran, baut mir eine Sonnenpyramide auf die Milz und bricht dann irgendwann so alienmäßig durch die Bauchdecke. Na, schönen Dank!

Überhaupt: die Mayas, die Mayas! Kann mir irgendjemand mal erklären, wo dieser Maya-Hype gerade herkommt? Wenn die Kultur der Mayas so schlau und überlegen und fortschrittlich war, könnte man doch schon mal fragen, warum Yucatán heutzutage nicht von stolzen Maya-Königen mit imposantem Kopfschmuck beherrscht wird, sondern von besoffenen Amis mit Bierdosenhut!

Wenn man deine Propaganda-Seiten übrigens mal verlässt, wird’s ganz schnell ganz schön traurig, Chia. Weißt du nämlich, wer fast genau dieselben Wirkstoffe enthält wie du? Genau, deine Superhelden-Nemesis: der Leinsamen. Haha! Leinsamen! Das ungeilste Korn der Welt! Leinsamen, das klingt doch direkt nach alten Damen mit Verdauungsproblemen und Lavendelkissen im Kleiderschrank. Chia-Samen dagegen klingt natürlich nach Friedrichshainer Popup-Cafés, in denen ganzkörpertätowierte Fleshtunnelträgerinnen liebevoll Sojamilchschaum vom Getreidecappuccino streichen.

Gut, dafür kostet ein Kilo Leinsamen auch nur ungefähr drei Euro. Ein Kilo von dir, Chia, du Körner-Kaviar, dagegen stolze 10 Euro. Aber das muss man verstehen, da kommt halt noch die Doofen-Steuer oben drauf.

Deine ganze Niedertracht begreift man übrigens erst, wenn man wirklich mal ein Müsli mit dir, Chia-Samen, isst. Dann hängst du dich nämlich zwischen alle Zähne wie frisches Schweinemett und bleibst da eisern hocken, sodass man den ganzen Tag mit der Zunge herumpiddeln und zwischen Lippen und Zahnreihen einen Unterdruck erzeugen muss, in der Hoffnung, dass der ganze Schlotz mal wieder rausgeht, aber so richtig schafft man’s dann trotzdem nicht, und jeder, der einem begegnet, denkt sich: „Du lieber Himmel, dran denken: dem Barth schenken wir zum nächsten Geburtstag mal ’ne schöne Oral B.“

Ja, Chia, sagen wir’s doch mal, wie es ist: Im Grunde bist du nichts anderes als überteuertes Maya-Mett!

Bärlauch

Sag mal, Bärlauch, kurze Frage. Ich hab gelesen, man bekommt mittlerweile: Bärlauchpesto, Bärlauchfladen, Bärlauchnudeln, Bärlauch-Brotaufstrich, Bärlauchsenf, Bärlauch-Frischkäse, Bärlauchkapseln, Bärlauch-Granulat, getrockneten Bärlauch, geschnittenen Bärlauch, gehackten Bärlauch, Bärlauchsalz, Bärlauchsaft, Bärlauchessig, Bärlauchöl, Bärlauch-Spätzle, Bärlauchwurst, Bärlauchbutter, Bärlauch-Burger, Bärlauch-Tinktur, Bärlauchkäse, ein 500-Teile-Bärlauch-Puzzle, das „I love Bärlauch“-Mousepad und natürlich die Handyhülle „Bärlauch im Sonnenuntergang“ (für Samsung Galaxy und iPhone).

Jetzt meine Frage:

Es gibt also ernsthaft noch keine Bärlauch-Nuss-Nougat-Creme? Wunderbar! Patentanmeldung geht morgen raus.

Tofu

Ach, Tofu, so viel wurde über dich schon geschrieben, da hieße jedes weitere Wort doch Chai Lattes nach Prenzelberg tragen. Nur eins noch: Folgendes Gespräch habe ich kürzlich am Nachbartisch eines Berliner Asia Imbisses belauscht – und ich finde, es sagt eigentlich mehr über dich aus als tausend Attila-Hildman-Bücher:

„Weißt du, woran mich der Geschmack von Tofu immer erinnert?“

„Woran?“

„Dass ich mal wieder tierisch Bock auf‘n richtiges Steak hätte.“

Goji-Beeren

Guten Tag. Schön, dass Sie bei unserem Casting zum Superfood 2016 mitmachen. Stellen Sie sich doch bitte erst mal vor!“

„Ja, guten Tag. Ich bin die Frucht des Gemeinen Bocksdorns.“

„Ah…äh…gut…Das klingt jetzt erst mal so mittelsexy. Hätten Sie noch ’nen anderen Namen anzubieten?“

„Natürlich: Wolfsbeere, Teufelszwirn, Hexenzwirn …“

„Du lieber Himmel, wie wär’s denn noch mit Furunkel-Frucht oder Gemeiner Eiterwarz? Im Ernst: Haben Sie nicht irgendwas … Ansprechenderes?“

„Na ja … in England nennt man mich Goji-Beere.“

„Bäm! Da haben wir’s doch schon! Sie sind die Goji-Beere, zu Deutsch: Glücksbeere!“

„Nee, Glücksbeere wäre doch eher Happiness Be…“

„Papperlapapp. Kann man Sie in Smoothies mixen?“

„Tja … warum nicht?“

„Sehr schön. Smoothability: Check. Wichtig für Superfoods ist auch, dass sie von möglichst weit her kommen. Kommen Sie von weit her?“

„China.“

„Aaaaah, das ist suboptimal. Bei China denken die Deutschen sofort an gemahlenen Tigerpenis und Smog über Peking. Da zieht die Reformhaus-Renate im selber gefilzten Wickelrock aber ganz schnell die Hand vom Regal! Werden Sie nicht auch noch woanders angebaut?“

„Mich gibt’s auch in ganz Europa, Nordamerika, Australien …“

„Australien! Da haben wir’s doch schon: Goji-Beeren – die Energiespender der Aborigines! So machen wir das. Sind Sie denn auch ordentlich teuer?“

„Um ehrlich zu sein: Ich wachse teilweise sogar wild in Deutschland. Man kann mich quasi gratis vom Busch zupfen.“

„Ts, ts, ts, das behalten wir mal schön für uns. Ich schlage vor: 20 Euro das Kilo. Natürlich in Bioqualität.“

„Oh, das mit der Bioqualität – da achtet in China keiner so genau drauf.“

„Schon vergessen? Sie kommen aus Australien.“

„Ah.“

„Wie sieht’s denn mit Ihren medizinischen Vorzügen aus?“

„Also, es könnte sein, dass ich gut gegen Bluthochdruck bin, zur Stärkung des Immunsystems beitrage und vielleicht sogar eine positive Wirkung bei Krebserkrankungen habe. Ist aber alles nicht bewiesen.“

„Okay, erste Regel für Superfoods: Den Konjunktiv lassen wir mal schön weg. Sie sind der Krebs-Killer, verstanden? Und der Blutdruck-Bändiger und die Immunrakete! Haben Sie doch mal ein bisschen Selbstvertrauen, verdammt!“

„Na … na gut, wenn Sie meinen.“

„Ja, meine ich. Und wissen Sie was? Da machen wir auch gar nicht mehr lange rum: Sie haben den Job! Sie sind unser neues Superfood 2016. Herzlichen Glückwunsch! Wir machen uns sofort an die Vermarktung. Haben Sie noch Fragen?“

„Ja: Wollen Sie mich vorher nicht wenigstens mal probieren? Manche Leute sagen nämlich, dass ich gar nicht so doll schmecke. Eher so ein bisschen… säuerlich und manchmal sogar bitter.“

„Hahaha, Sie sind putzig! Da machen Sie sich mal bitte keine Sorgen: Wir haben den Leuten sogar schon Cranberries verkauft. Haben Sie schon mal ungesüßte Cranberries gegessen? Das schmeckt wie Arsch und Friedrich! Da hätten Sie vermutlich mehr Spaß, wenn Sie in eine getrocknete Zitrone aus den Grabbeigaben Tut Ench Amuns beißen würden. Aber dann haben wir die Dinger einfach so mit Zucker vollgepumpt, bis sie von einem Gummibärchen nur noch durch die Form zu unterscheiden waren, irgendwas mit freien Radikalen auf die Packung geschrieben und voilà: 15 Euro das Kilo. So, und jetzt gucken Sie mal nicht so säuerlich, Sie sind schließlich die Glücksbeere!“

„Goji-Beere.“

„Ja ja, das auch. Ab ins Reformhaus!“

Goji-Beeren. Oder Acai-Beeren. Oder Aronia-Beeren. Oder Hamsterköttel. Genau weiß das keiner. Ist aber auch egal, da spätestens nächste Woche irgendjemand das nächste Wunder-Food aus dem Ärmel zaubert.

Veganer Käse

Veganer Käse, du Teufelskerl! Du bist wohl das beste Beispiel dafür, dass man manchmal einfach nur den richtigen Moment für den großen Auftritt abwarten muss.

Weißte noch? Vor fünf Jahren alle so: „Igitt, Analogkäse, da ist ja kein bisschen Milch drin!“

Dann war’s ein paar Jahre still, plötzlich kamst du und alle so: „Wow, veganer Käse! Da ist kein bisschen Milch drin!“

Timing ist halt alles.

Mir würden übrigens spontan ein paar Imbissbuden einfallen, die sich dieses Prinzip zunutze machen könnten. Ich sehe schon die großen Tafeln über „Berny’s Buletten-Bazar“: „Unsere Frikadellen – seit Jahrzehnten vegan! Ehrlich, da war noch nie Fleisch drin!“

Bin mir aber nicht sicher, ob die Leute dafür schon bereit sind.

Wasser

Nee, Wasser, nicht gleich kochen, ich weiß: Man kann dich schlecht als „Trendfood“ oder „überschätztes Lebensmittel“ bezeichnen. Du bist schließlich das Einzige in diesem Buch, ohne das der Mensch definitiv nicht auskommt. Und falls jetzt die ersten Leute rufen: „Wieso? Ich brauche kein Wasser, ich trinke nur Cola und Bier“, sind wir auch schon beim eigentlichen Problem: den Leuten!

Denn was der Mensch so alles aus und mit dir macht, Wasser, da kannst du ja wohl selbst nur ungläubig die H’s und O’s schütteln, oder? Ich meine jetzt gar nicht, dass viele schon solche Angst haben, nicht auf ihre „Mindestens-drei-Liter-am-Tag“ zu kommen, dass sie sich kaum mehr trauen, ohne dich das Haus zu verlassen.

Nein, es geht mir eher um die Art, wie die Leute dich beschaffen, Wasser. Die Sache ist nämlich die: Theoretisch könnte in Deutschland jeder jederzeit den Hahn öffnen, sich ein Glas von dir zapfen und trinken. Bäm, fertig. Trinkwasser ist nun mal das am besten kontrollierte Lebensmittel im ganzen Land. Da wird man nicht krank, da fallen einem keine Haare aus, und solange man in seinem Haus keine Asbest-Plutonium-Leitungen mit Giftkrötenbefall und Salmonellen-Einspritzung hat, braucht man sich eigentlich keine Sorgen zu machen. Eigentlich. Das Problem ist nämlich: Die Leute machen sich wahnsinnig gerne Sorgen. Und sie mögen’s auch nicht so gern unkompliziert – oder hätte sich sonst jemals irgendjemand Windows 10 runtergeladen? Na also.

Also machen sie allen möglichen Quatsch mit dir, die Menschen. Nehmen wir mal die Wasserfilter: Solche Dinger haben viele in der Küche, da muss man regelmäßig neue Patronen kaufen („Kaufen“ wiederum mögen die Leute nämlich sehr gerne!), und da stehst du dann drin rum, Wasser, gerne auch mal ein paar Tage, gerne auch ungekühlt, und wenn man der Stiftung Warentest glauben darf, bist du danach zwar weder sauberer noch weniger kalkhaltig, dafür aber voller Keime. Das ist dann in etwa so, wie wenn man sich ein Mettbrötchen kauft, dem Metzger aber nicht traut und das Brötchen „zur Sicherheit“ noch ein paar Tage in die Sonne legt.

Wenn man ganz viel Pech hat, Wasser, schwimmt nach so einer Filterkur übrigens auch noch ein bisschen Silber in dir rum. Manche Filterhersteller packen das Zeug nämlich in ihre Patronen, und da schießt mir spontan eine kleine, aber wichtige Frage in den Kopf: WARUM? Gut, wenn man Werwolfjäger ist, könnte man natürlich hoffen, dass man irgendwann genug Silber im Körper angesammelt hat, um damit einen tödlichen Silberstrahl zu pinkeln. Andererseits, wer wird heute schon noch Werwolfjäger? Hört man ja ständig, dass die „IG Pfahl und Silberkugel“ über Nachwuchsmangel klagt.

Vielen Leuten ist die Filterei aber zu doof und sie kaufen dich, Wasser, lieber im Supermarkt. Stilles Wasser aus Evian, Sprudel aus San Pellegrino (dass das eine zu Danone und das andere zu Nestlé gehört, diesen beiden grundsympathischen Megakonzernen, verschweigt man den ökologisch-ethisch korrekten Conscious-Käufern dabei geschickt) oder Vollmondwasser aus Bad Leonhardspfunzen (Ha, ha, ich gebe es zu: Dieses Wasser kam allein wegen des Ortsnamens in und auf dieses Buch!)

Dazu muss man wissen: Selbst das leichteste Wasser der Welt kommt nicht auf einem fliegenden Teppich in den Supermarkt gesegelt. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Jeden Tag fahren Zillionen Lkw-Lastzüge durch die ganze Welt, damit die Leute im Supermarkt etwas kaufen können, was sie zu Hause fast umsonst bekommen. Wenn man das so liest, kann man schon ins Grübeln geraten, ob wir wirklich die Krone der Schöpfung sind, oder ob der Gemeine Wattwurm nicht mindestens genauso viel Anrecht auf diesen Titel hätte. Ja, ich weiß, viele kaufen Mineralwasser, weil es mit irgendwelchen Stoffen angereichert ist. Aber haben die sich jemals gefragt, ob man das ganze Zeug braucht, das da drin ist? Ich weiß es auch nicht, aber meiner Meinung nach bedeutet „anreichern“ ja nicht zwangsläufig, dass du, Wasser, damit irgendwie wertvoller wärst, sondern dass halt noch was in dir drin ist. Insofern könnte man auch sagen, dass ich meine Toilettenschüssel mehrmals täglich „anreichere“. Es wird aber noch viel doller: Um einen Liter Mineralwasser abzufüllen, braucht man nämlich rund drei bis vier Liter Leitungswasser und einen Viertelliter Erdöl. Ha, ha, merkste was, Wasser? Der Wattwurm hebt schon wieder schüchtern den nicht vorhandenen Finger! Noch dazu werden die meisten Mineralwässer in Plastikflaschen abgefüllt. Die werden dann im besten Fall recycelt, im schlimmsten Fall landen sie aber irgendwo im Meer, wo sie dich, Wasser, also das, was sie mal in reiner Form enthalten haben, verunreinigen.

Na, was sagste, Wasser?

Das ergibt alles keinen Sinn?

Ja, sorry, das hatte ich vergessen zu erwähnen: Sinn mögen die Leute auch nicht so gerne.

Vitaminwasser

Und übrigens, Vitaminwasser: Eigentlich dachte ich ja, zum Thema Wasser wäre jetzt alles gesagt. Aber für dich muss ich doch noch mal ein extra Kapitel aufmachen. Aber auch nur, weil mir eben dieser alte Kinderwitz einfiel. Kennste bestimmt:

„Was ist flüssiger als Wasser?“

„Vitaminwasser. Das ist überflüssig!“

Hihi.

Kicher, rofl, lol!

Karottengrün

Es ist ja manchmal verrückt, Karottengrün (und ja, Kohlrabigrün und Radieschengrün, ihr könnt euch gleich mit angesprochen fühlen!): Da schmeißen die Leute dich jahrzehntelang, ach, was sag ich: jahrhundertelang achtlos weg, ohne auch nur einmal drüber nachzudenken, ob ihr denn vielleicht auch essbar seid. Aber dann kommt irgendwann ein schlauer Fitness-Guru und sagt: „Obacht! Das Zeug kann man hervorragend in den Mixer stecken und einen leckeren grünen Smoothie draus machen!“

Und dann probiert man das aus und mixt und quirlt euch, bis die Moulinette glüht, schnippelt vielleicht noch ein Äpfelchen oder ’ne Banane hinein, raspelt frischen Kurkuma dazu, gibt ’nen Schuss Kokoswasser hinein und gönnt sich das Ganze als leichte Nachmittagserfrischung. Und dann kostet man und merkt erst dann:

„Mensch, das hatte schon seinen Sinn. Das mit dem Wegschmeißen!“

Tempeh

Le Tempeh, le Tempeh, wo kummt ’n des he?“, um es mal frei nach Otto Waalkes zu sagen. Aus Indonesien kommst du, Tempeh, und bist der neue heiße Scheiß im Fleischverzichtsregal. Dort bist du mir direkt aufgefallen, denn es ist jetzt mal Zeit für ein Geständnis: Auch ich habe oft keinen Bock mehr auf totes Tier. Ja, ich weiß, starker Tobak. Da fällt vermutlich gerade die Hälfte meiner fränkischen Familie in Ohnmacht, und die andere Hälfte packt schon die ersten Carepakete mit Notfallpresssack und Wiederbelebungs-Schäufele. Aber es macht doch einfach keinen Spaß mehr. Wer sich heutzutage auch nur fünf Minuten damit beschäftigt, wie so ein Masthuhn eigentlich großgezogen wird, dem fällt doch fast automatisch der Chickenwing aus dem Mundwinkel. (Falls man im Netz überhaupt an Informationen dazu gelangt und sich nicht vorher schon ein Geflügelzucht-Sondereinsatzkommando in schwarzen Hähnchenkostümen durchs Wohnzimmerfenster schwingt und mit spitzen Schnäbeln den Router kaputt hackt). Aber nicht nur die Hühnerzucht ist ein Quell ewigen Grusels, beim Schweinefleisch sieht’s ja kaum besser aus, und auch eine Pute ist im Grunde nichts anderes als Antibiotika mit Federn dran.

Da kann man schon mal ins Grübeln kommen. Und deswegen streift selbst ein Urfranke wie ich, der als Kind nicht mit „Alete Pastinake und Möhre“ großgezogen wurde, sondern mit püriertem Schweinekrustenbraten und Wurstwasser, immer öfter durch den Supermarkt und sucht nach einem sinnvollen Leberknödelersatz.

Nur: Ihr Fleischersatzprodukte im Allgemeinen und du, Tempeh, im ganz Besonderen, ihr macht es einem echt nicht leicht, gell?

Das fängt schon bei der Optik an. Milchig weiß bist du, mit blassgelben Sojabohnen innendrin, was dir einen eher mittel-ansprechenden Wasserleichen-Teint verleiht. Dann hatte offensichtlich auch noch jemand die Idee, dich in Wurstform zu pressen und in Plastik einzuschweißen. Ich will nicht spoilern, aber: Das war eine schlechte Idee! So eine Sojabohne lässt sich nämlich ungern zusammenquetschen. Stattdessen drücken die Dinger von innen nach allen Seiten gegen die Plastikumhüllung, und das Ganze sieht dann aus wie eine italienische Edelsalami mit schlimmer Akne.

Das Thema Geschmack überspringe ich mal besser. Oder vielleicht nur so viel: „Siehe Tofu“.

Okay, in veganen Foren habe ich gelesen, dass du frittiert ganz toll schmecken würdest, aber auch das muss endlich mal jemand klarstellen: ALLES schmeckt toll, wenn man es frittiert! ABSOLUT ALLES! Pommes, Käse, Wattestäbchen – ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendetwas NICHT toll schmeckt, wenn man es in 200 Grad heißem Öl badet. Ich will dich nicht enttäuschen, Tempeh, aber wenn Autoreifen in Fritteusen passen würden, gäbe es wahrscheinlich schon morgen die ersten Imbissbuden für „Riesen-Donuts“.

Aber das alles wäre nicht so schlimm, hätte ich dann nicht noch den größten Fehler von allen gemacht: Ich habe dich gegoogelt. Du heiliger Soja-Quark, das hätte ich mal besser gelassen, was?

Bei Wikipedia steht nämlich Folgendes:

„Tempeh ist ein traditionelles indonesisches Fermentationsprodukt, das durch die Beimpfung von gekochten Sojabohnen mit niederen Schimmelpilzen entsteht.“

Beimpfung! Mit Schimmelpilzen! Und dann noch niederen! Tempeh, Tempeh, wie kommt man denn auf so ’ne Idee? Wenn ich das richtig verstehe, bestehst du also nur aus Hülsenfrüchten, die von Schimmelpilzen zusammengehalten werden. Hui! Das kennt man ja sonst nur aus Studenten-WGs, in denen mal wieder das Chili im Topf vergessen wurde!

Ich hatte ja schon mal den Spruch gehört: „Iss nichts, was deine Großmutter nicht als Lebensmittel erkannt hätte.“ Aber der Satz „Iss nichts, was deine Großmutter dazu gebracht hätte, drei Kreuze zu schlagen, Weihwasser in alle Richtungen zu spritzen, den heiligen Chrysostomos anzurufen und dann schreiend davonzurennen, bevor sie sich angstgeschüttelt in die nächste Buchsbaumhecke übergibt“ – also, der war mir neu!

Ach, na ja, vielleicht muss man sich einfach mal dran gewöhnen. Vielleicht heißt „auf Fleisch verzichten“ eben, dass man auf Fleisch verzichtet. Und sich nicht irgendein Fleischersatzprodukt kauft, für das Sojabohnen in Monokultur gezüchtet und einmal quer über den Globus geflogen werden und dessen Herstellung klingt, als hätte Daniel Düsentrieb ’nen schlimmen Albtraum gehabt. Ich sage das nur, bevor nächste Woche auch noch jemand auf die Idee kommt, was weiß ich, Kidneybohnen anzuflämmen, zu halbieren und mit Nutella wieder zusammenzukleben, in eine Zentrifuge zu spannen, vier bis acht Stunden ordentlich durchzuzentrifugieren, danach in unterschiedlichen Farben anzumalen, mit Penicillin zu impfen, in Croissant-Form zu pressen und für teuer Geld als „Tömpöh“ zu verkaufen. Wobei: Abnehmer gäbe es bestimmt. Frittiert schmeckt das nämlich ganz toll!

Zartbitterschokolade

Ja ja, Zartbitterschokolade, ich weiß: Du bist ja so gesund und enthältst viel weniger Zucker als Vollmilchschokolade, und man hat ja auch weniger Heißhunger auf dich und flöt flöt flöt, das übliche Fit-For-Fun-Gewäsch eben.

Aber sind wir doch mal ehrlich: Wer Zartbitterschokolade kauft, „weil man davon viel weniger isst“, der streut sich wahrscheinlich auch Reißnägel auf die Couch, „weil man dann da nicht so rumlungert“, gell?

Vollkorncroissants

Es gibt einfach Begriffe, die passen nicht so gut zusammen. „Montag“ und „fröhlich“ zum Beispiel. Oder „BMW-Fahrer“ und „rechte Spur“. Oder „Reinhold Beckmann“ und „singen“.

Seit heute weiß ich, es gibt noch so eine unmögliche Kombination: „Vollkorn“ und „Croissant“.

Vollkorncroissant, ich habe dich heute Morgen auf dem Biomarkt gekauft, mittlerweile ausgepackt und sogar in dich hineingebissen (falls meine vorderen Schneidezähne im Lauf des Tages noch ausfallen, würde ich mich noch mal an dich wenden!), und ich kann jetzt voller Überzeugung sagen: Dich gibt’s eigentlich gar nicht. There ain’t no such thing as Vollkorncroissant! Du bist nämlich kein Croissant, du bist im Grunde ein bizarr geformtes Brot.

Ein Croissant ist etwas, das man morgens im Frankreichurlaub kauft. Da schlüpft man, während der Partner noch schläft, in die Flipflops und die Badeshorts, drückt die Morgenlatte so gut es geht zur Seite, tritt ans Fenster, blinzelt in den strahlend blauen Himmel und dackelt los, zum Boulanger um die Ecke, dann sagt man „Deux croissants, s’il vous plaît“ und dackelt wieder zurück, und während die charmante Verkäuferin noch über die doch sehr gut sichtbare Morgenlatte giggelt, hat man schon wieder die Appartementtür erreicht, und die beiden Croissants haben mittlerweile die Papiertüte durchgesuppt, denn wir alle wissen, ein Croissant ist nichts anderes als eine besonders raffinierte Methode, Butter zu verstecken, aber das macht nichts, denn man ist im Urlaub, am Horizont funkelt der Atlantik, und der Himmel ist immer noch so blau, und dann setzt man die Espressokanne auf, und der Duft des Kaffees weckt den Partner, und dann kriecht man mitsamt dem Kaffee und der mittlerweile durchsichtigen Croissanttüte wieder ins Bett und küsst dem Partner den Schlaf aus dem Gesicht, und dann nippt man am Kaffee und beißt in die Croissants, und danach stellt man die Kaffeetassen ab und verschwindet gemeinsam unter der Bettdecke und hat absurd guten Sex und kann sich danach noch mit dem leicht angefeuchteten Zeigefinger gegenseitig ein paar Gebäckkrümel vom Körper naschen. DAS ist ein Croissant!

Merkste was, Vollkorncroissant? Das alles kann man mit dir gar nicht machen. Schon allein, weil man sich einen Bruch heben würde, wenn man zwei von dir in eine Papiertüte steckt! Durchsuppen würde die Tüte dann auch nicht, denn deine Schichten sind so dick, da kommt gar keine Butter durch. Ein Fett-Alcatraz, das bist du. Wahrscheinlich steckt in dir auch gar keine Butter, sondern laktosefreie Sojamargarine oder einfach nur Wasser. Fett braucht man ja vor allem, um den Geschmack zu verstärken, aber wo nix ist, muss man ja auch nix verstärken. Und jetzt stell dir mal vor, Vollkorncroissant, ich würde dich kaufen, meinen Partner wecken und „Ich hab dir Croissants mitgebracht!“ sagen. Und dann nimmt der dich und du fällst ihm, aufgrund deines unerwarteten Gewichts, aus den Fingern und auf seine Brust, und dann hat er da direkt ’nen blauen Fleck. Da isses aber ganz schnell vorbei mit absurd gutem Sex!

Wären wir in der Schule und du wärst ein Aufsatz, dann würde die Lehrerin auf dich draufschreiben: „Thema verfehlt!“ Wenn man in ein Croissant beißt, möchte man kurz an die Leichtigkeit des Seins glauben. An eine gewisse Geschmeidigkeit der menschlichen Existenz und dass schon irgendwie immer alles gut ausgehen wird. Wenn man in dich hineinbeißt, Vollkorncroissant, denkt man eher an die Kümmernisse der ausgebeuteten Arbeiterklasse. Ein gebackenes Naturalisten-Drama, das bist du! Hauptmanns „Die Weber“ in Mehl.

Man sollte dem Biomarkt-Zausel im selbst geklöppelten Feldmauswollpulli rundheraus verbieten, dich „Croissant“ zu nennen. Soll er sich doch was anderes einfallen lassen! „Totgebackener Bio-Bumerang“ vielleicht. Oder „Vollwert-Sichel“. Das klänge dann wenigstens schon so ein bisschen nach DDR und würde somit gleich viel besser zu dir passen: „Frau Schmitt, hamse gehört? Der Bäcker in Bautzen macht wieder Vollwert-Sicheln!“ – „Hurra, die steck ich mir immer zwischen Fenster und Rahmen, dann bumst das bei Zugluft nicht so!“

Ein Croissant, das ist Arcachon und Brigitte Bardot. Du, Vollkorncroissant, du bist mehr so Pirna und Sarah Wagenknecht.

Wer mal so richtig weinen möchte, dem empfehle ich übrigens eine Google-Bildersuche zum Stichwort „Vollkorncroissant“. Was einem da entgegenlümmelt, ist so lustlos und traurig, so was findet man sonst nur unter dem Stichwort „Ü70 FKK“. Wenn Vollkorn so gesund ist: Warum sehen dann 95 Prozent aller Vollkorncroissants so aus, als hätten sie eine ganz schlimme Krankheit? Ein Beautysalon nimmt doch auch kein Testimonial mit Beulenpest!

Ein Vollkorncroissant. Der Eindruck täuscht übrigens: Das Bild ist in Farbe.

Immerhin hat die Bildersuche ergeben: es gibt noch eine entschärfte Variante von dir. Das sind im Grunde ganz normale Croissants, auf die der Bäcker zwei, drei Alibi-Leinsamen draufstreut. Das kaufen dann vermutlich Millionen Menschen und denken sich: „Na so was! Jetzt hab ich meine Ernährung schon auf Vollwertkost umgestellt und nehm immer noch nicht ab!“ Aber ganz ehrlich, Vollkorncroissant: Verarschen kann ich mich selbst! Wenn ich einen Ramazzotti trinke, steck ich mir ja auch kein Scheibchen Banane ans Glas und sage: „Ist quasi nur ein brauner Smoothie!“

So, ich gehe jetzt noch mal los und kaufe mir ein Croissant. Ein richtiges, leichtes, krümelig-fluffiges – so eine gebackene Schäfchenwolke quasi. Und wenn ich unterwegs am Biomarkt-Zausel vorbeikomme, hoffe ich, er hat einen Helm auf. So ein Bio-Bumerang kann ganz schön wehtun.