Somber Side of Love - Teil 3 Ägypten - M.B. Bolder - E-Book

Somber Side of Love - Teil 3 Ägypten E-Book

M.B. Bolder

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Nach der Rückkehr von der unglückseligen Reise durch Ungarn erkrankt Matt schwer an Leukämie und kämpft sich tapfer ins Leben zurück, wobei Saundra stets an seiner Seite verharrt und ihn nach Kräften unterstützt. Indessen begibt sie sich bei dem Psychologen Dr. Perez in Behandlung und macht infolgedessen eine positive Wandlung ihres Wesens durch, was sich sehr zum Vorteil für die beiderseitige Beziehung herausstellt. Es folgt eine sehr außergewöhnliche Hochzeit für amerikanische Verhältnisse und die Flitterwochen führen sie bis nach Ägypten. Jedoch erwartet sie dort nicht nur glückselige Zweisamkeit, sondern auch ein zunächst unbekannter Feind, der ihnen nach dem Leben trachtet und sie mehrfach in ziemlich prekäre und lebensgefährliche Situationen bringt …

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Seitenzahl: 658

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M.B. Bolder

Somber Side of Love - Teil 3 Ägypten

Die düstere Seite der Liebe

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Impressum neobooks

Kapitel 1

Pünktlich um elf Uhr fünfundvierzig p.m. Ortszeit, nach etwa elf Stunden Flugzeit und einem kurzem Aufenthalt in Budapest landen wir am JFK-International-Airport in New York.

Jacob Haussman, Lázlós Hausverwalter, steht wie versprochen am Gate um Chitam in Empfang zu nehmen. Er und seine Frau Abigail werden sich in der nächsten Zeit um ihn kümmern.

Wir verabschieden uns tränenreich von Chitam, welcher uns inzwischen beiden sehr ans Herz gewachsen ist, wobei bei Chitam natürlich die meisten Tränen fließen.

Mit angstvoller Mine und gekräuselter Stirn drückt er seine Angst um Tristan und mich aus und ich klopfe ihm aufmunternd auf die Schulter.

„Es wird schon alles gut gehen Chitam! Mach’ dir nicht so viele Sorgen!“ flüstere ich ihm zu und er nickt nur mit geknicktem Gesichtsausdruck und schluckt schwer.

Nach einer kurzen Unterhaltung mit Jacob begeben Saundra und ich uns zu einem Flugschalter der American Airways um nach Philadelphia weiter zu fliegen.

Während des Fluges von Europa in die USA haben wir beschlossen nicht gleich in New York in eine Klinik zu fahren, sondern erst in Philadelphia das Albert Einstein Medical Center aufzusuchen in dem Saundra nach ihrem Unfall lange Wochen gelegen hat.

Auf ein paar Stunden hin oder her wird jetzt wohl auch nicht mehr ankommen.

Dr. James Spector betrachten wir unterdessen ohnehin fast wie einen Freund und wir haben uns gedacht, dass ich bei ihm vielleicht am besten aufgehoben wäre und nachdem Saundra sowieso den Psychologen Dr. Perez aufsuchen wollte, können wir beides viel besser miteinander verbinden.

Da sich auch meine Wohnung und unser neues Haus ebenfalls in Philadelphia befinden, wären wir quasi schon Zuhause, falls mich die Klinik doch nicht gleich behalten will und sich die Diagnose aus Ungarn eventuell als falscher Alarm herausstellen sollte.

Sehr viel mehr haben wir in den langen Stunden des Heimfluges gar nicht gesprochen, denn Saundra stand immer noch unter einem gewissen Schock den das ungewöhnliche Geständnis ihres Vaters bei ihr ausgelöst hat.

Sie hat mich mehr oder weniger sanft auf einen Liegesitz der ersten Klasse gebettet, mich mit einer Decke zugedeckt und mir sorgenvoll geraten mich auszuschlafen.

Sie selbst hat sich neben mich gesetzt, meinen Kopf auf ihren Schoß gezogen und ihren Arm auf meine Brust gelegt, wobei sie mit mürrischem Gesicht grübelte.

Chitam hat sich währenddessen mit dem Bildschirm der Airline beschäftigt, welcher Filme, Musik und Live-Ansichten des Fluges bot.

Zugegeben … sehr viel habe ich von dem langem Flug und den beiden tatsächlich nicht mitbekommen, weil mich wieder diese zermürbende bleierne Müdigkeit übermannt hat.

Nach weiteren zwei Stunden Flugzeit von New York nach Philadelphia und diversen Flughafenkontrollen sitzen wir endlich in einem Taxi Richtung Klinik, obwohl der Zeiger der Uhr schon lange nach Mitternacht anzeigt.

„Saundra, vielleicht hätten wir doch besser zuerst nach Hause und erst morgen früh in die Klinik fahren sollen.“ stelle ich stirnrunzelnd fest.

„Dort ist doch jetzt sowieso niemand, der uns weiter helfen kann und Dr. Spector hat mit ziemlicher Sicherheit keinen Dienst mehr.

Auf ein paar Stunden wird es doch jetzt auch nicht mehr ankommen? Ohne diesen Bluttest in Sárvár wüssten wir bis heute nichts von dem Verdacht auf Leukämie!

Lass‘ uns heimfahren und morgen früh in die Klinik gehen. Bitte!“

„Nach Hause? Kommt gar nicht in Frage! Dad wollte, dass du dich sofort in eine Klinik begibst und das haben wir schon von New York nach Philadelphia verschoben.

Ich will, dass du sofort untersucht wirst und dass damit möglichst schnell etwas unternommen werden kann. Ich mache mir Sorgen um dich, weil ich dich liebe. Verstehst du das nicht?“ fragt sie bestimmt und spricht ohne Pause weiter.

„Außerdem wollte Dad, dass wir in Sicherheit sind und wo können wir das besser sein als in einer Klinik?

Denn zu einem Polizeischutz hat es Dad offenbar noch nicht geschafft, sonst hätten die in New York schon längst auf uns gewartet.

Wer weiß welche Feinde er sich da in Ungarn zugezogen hat und wie weit deren Arm reicht?

Ich will einfach kein unnötiges Risiko eingehen, wenn es um dich geht.

Deshalb fahren wir jetzt zu Dr. Spector, egal ob er da ist oder nicht und ich lasse gleich morgen früh von einem Sicherheitsdienst zuerst deine Wohnung und unser neues Domizil inspizieren und bewachen, damit uns wenigstens dort keine Gefahr mehr droht.

Und ich hoffe, dass Dad sich ausreichend um sein eigenes Grundstück und Chitam gekümmert hat, aber das kann ich auch morgen bei Jacob nachfragen. Das ist überhaupt kein Problem.“

Sie spricht schnell und überlegend woran ich merke, dass sie sich tatsächlich Sorgen um unsere Sicherheit macht und ich fühle fast körperlich ihre Angst um unser Leben … vor allem um mein Leben!

„Vielleicht hast du Recht, aber ich bin neugierig ob uns die Leute im Krankenhaus wirklich mitten in der Nacht einfach so aufnehmen.“ stelle ich entkräftet fest und in Saundras Gesicht erscheint ein leichtes Grinsen.

„Wozu gibt es Platinum-Kreditkarten Matt?“ fragt sie feststellend, indem sie die Augenbrauen nach oben zieht und mich mit ihren wunderbaren grünen Augen anblitzt.

Das ist wieder einmal ein Punkt, wo ich ihren Argumenten nichts mehr entgegenzusetzen habe und gebe stillschweigend wie immer wieder einmal nach.

„Hat sich dein Dad irgendwie schon gemeldet? Per SMS oder so und hat er eventuell mitgeteilt wie es Tristan geht?“ frage ich immer noch besorgt darüber ob es Tristan wohl schaffen wird.

Denn seine Schusswunde sah nicht sehr vielversprechend aus und die beiden Wiederbelebungsversuche vor der Einlieferung in die Klinik machen die Hoffnung auf ein Überleben auch nicht sehr viel größer.

Zudem habe ich den Mann irgendwie lieb gewonnen, trotz oder gerade wegen der kleinen Neckereien zwischen uns und ich betrachte ihn inzwischen als Freund.

Prüfend blickt Saundra auf ihr iPhone und schüttelt kaum merklich den Kopf.

„Nein, bis jetzt noch nicht! Vielleicht traut er sich noch nicht weil er ja nicht genau weiß, wie lange wir in der Luft sind und Dad achtet immer streng darauf den Luftverkehr nicht zu gefährden.“ antwortet sie nachdenklich und senkt deprimiert den Kopf.

„Ich hoffe nur, dass nicht doch noch etwas mit Tristan passiert ist und er sich deswegen nicht meldet!

Ich habe übrigens während des Fluges, als du geschlafen hast, lange nachgedacht…“ flüstert sie und stoppt plötzlich mitten im Satz als das Taxi abrupt vor dem Haupteingang des Albert Einstein Medical Center anhält und der Taxifahrer verhalten lächelnd sein Honorar einfordert.

Müde strecke ich mich im Sitzen und reibe mir mit beiden Händen die Augen, während Saundra ihre Kreditkarte zückt und durch das Lesegerät zieht mit dem heutzutage fast alle Taxis in den USA ausgestattet sind.

Nach dem Aussteigen wuchtet der Taxifahrer schnaufend unsere Koffer aus dem Kofferraum und lässt uns zunächst ziemlich verloren vor dem Eingang des Albert Einstein Medical Centers einfach stehen.

„Ich gehe erst einmal hinein und checke die Lage!“ sagt Saundra stirnrunzelnd und sieht mir besorgt in die Augen.

„Du bleibst am besten erst einmal bei den Koffern, aber schlafe bitte nicht darauf ein.“ lächelt sie nun zögernd als ich mich auf einem von ihnen sitzend niederlasse und meinen Kopf in die linke Hand fallen lasse.

Doch kaum hat sie sich umgedreht kommt auch schon Dr. Spector in Zivilkleidung aus dem Haupteingang direkt auf sie zu.

„Nanu? Miss Dunaway? Ich dachte sie wären in Europa? Was machen Sie denn mitten in der Nacht mit drei Koffern hier vor dem Medical Center?

Ist irgendetwas nicht in Ordnung mit Ihnen?“ stellt er ziemlich viele Fragen auf einmal.

„Nein, nein! Dr. Spector! Mit mir ist alles bestens!“ antwortet sie leise und schluckt ziemlich hart, was ein Zeichen dafür ist, dass sie verzweifelt die Tränen unterdrückt welche nun in ihre Augen drängen, wie ich in dem matten Licht der Laternen schwach schimmernd erkennen kann.

„Wir kommen gerade aus Sárvár … äh, Ungarn meine ich, aber…“ sie stockt abermals und schluckt erneut Tränen hinunter, die sie jetzt kaum mehr aufhalten kann und berichtet weinerlich weiter.

„… diesmal geht es um Matt!“

„Um Himmels Willen, Miss Dunaway! Was ist denn passiert? Aber Matt ist doch hier!“ stellt er verständnislos fest und deutet mich dem Kopf auf mich, während er seinen Arm um ihre Schultern schlingt und sie tröstend an sich zieht.

„Sie verstehen nicht!“ sagt sie, reißt ihre Augen weit auf und sieht zunächst seufzend nach oben in den rabenschwarzen Himmel.

In dieser unheilvollen Nacht herrscht gerade aufsteigender Neumond und es ist stockdunkel, nur die Straßenlaternen spenden ihr schwaches Licht in dem man sich gegenseitig gerade so erkennen kann.

Saundra schließt kurz darauf wieder ihre Augen, woraufhin zwei dicke Tränen ihre Wangen hinunterkullern.

Sie bettet ihren Kopf an die Schulter von Dr. Spector, schlägt die Hände vor das Gesicht und beginnt hemmungslos zu schluchzen.

„In Ungarn hat man bei einem Bluttest festgestellt, dass Matt vielleicht Leukämie haben könnte und ich habe solche Angst Dr. Spector! Ich will … ich darf ihn nicht verlieren, ich brauche ihn doch, weil ich ihn so sehr liebe!“

Saundra weint nun bitterlich an der Schulter des Arztes und ich erhebe mich träge um ihr von hinten ebenfalls meinen Arm um die Schultern zu legen.

Erst jetzt wird mir bewusst wie stark sie die ganze Zeit mir gegenüber war, während des Rückfluges und der Fahrt zur Klinik und wie viel Angst sie tatsächlich um mich hat.

„Nicht doch Baby! So schlimm wird es schon nicht sein.“ raune ich ihr beschwichtigend ins Ohr und drücke zärtlich meine Wange an die ihre.

So bleiben wir etwa eine halbe Minute stehen bis Dr. Spector sich von uns beiden langsam löst und Saundras Kinn in eine Hand nimmt.

Er zwingt sie damit ihn anzusehen und schlägt leise aber bestimmt vor „Okay! Ich hätte jetzt zwar eigentlich Feierabend vom Notdienst, aber um sie beide kümmere ich mich gerne noch persönlich.

Ich besorge Ihnen jetzt noch ein Privatzimmer, lasse ihre Koffer hinein bringen und dann schlafen Sie erst einmal den langen Flug von Europa bis hierher aus und morgen früh sehen wir weiter.“

Er dreht sich langsam um, gibt uns einen Wink mit dem Kopf und strebt schnellen Schrittes dem Haupteingang entgegen, woraufhin wir ihm zunächst unsicher folgen.

Doch seine Anweisungen an der Rezeption zeigen sofort Wirkung und zwei Pfleger laufen nach draußen um unsere Koffer herein zu tragen.

Dr. Spector geleitet uns schnellen Schrittes zu einem Aufzug der uns in den gut bekannten siebten Stock bringt.

„Kommen Sie!“ sagt er freundlich und eilt einen langen Gang entlang.

Er öffnet die Tür zu einem exklusiven Krankenzimmer mit zwei Räumen, Klimaanlage, Fernseher, Internetanschluss, einem geräumigen Bad und zwei Betten die nebeneinander stehen.

„So!“ sagt er verhalten scherzend.

„Ihr exklusives Hotelzimmer!“

Damit wird er jedoch wieder sehr ernst.

„Jetzt schlafen sie sich beide erst einmal richtig aus und morgen früh sprechen wir dann über das, was die Ärzte in Ungarn festgestellt haben wollen.“

„Aber Dad wollte, dass sich Matt sofort in ärztliche Behandlung begibt, sobald wir in den USA sind.“ wirft Saundra aufgeregt ein.

„Miss Dunaway!“ beschwichtigt sie Dr. Spector.

„Erstens ist es jetzt mitten in der Nacht und Zweitens arbeitet kein Labor mehr so spät für ausführliche Bluttests wenn es kein absoluter Notfall ist.

Bitte beruhigen Sie sich! Falls es wirklich so sein sollte wie Sie sagen, dann kommt es auf ein paar Stunden nicht an und Sie sollten sich und Ihrem Körper die nötige Ruhe gönnen, indem Sie ein wenig schlafen. Sie sehen beide ziemlich übernächtigt aus.“

„Aber Dr. Spector…“ unterbricht sie ihn erneut, doch er legt ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen und sieht ihr beschwörend in die Augen.

„Glauben Sie mir Miss Dunaway! Ihr Lebensgefährte wird heute Nacht bestimmt nicht sterben. Ich bin morgen früh um zehn Uhr a.m. wieder da und dann bereden wir alles, beziehungsweise machen wir alle Tests die notwendig sind und dann kann ich auch den Bericht aus Ungarn anfordern, sofern er notwendig sein sollte.

Schlafen Sie jetzt ein paar Stunden, denn ich glaube dass Sie das beide im Augenblick sehr nötig haben.“ endet er mit einem kurzem sorgenvollen Seitenblick auf mich, verabschiedet sich freundlich und lässt uns allein zurück.

Mit dem Fuß schiebe ich die Koffer in eine Ecke des Krankenzimmers, hänge meinen Mantel über einen Stuhl und lasse mich erschöpft auf eines der beiden Betten fallen.

Müde lege ich meinen rechten Unterarm über beide Augen und flüstere ermattet.

„Das hätten wir auch zu Hause haben können und da wäre es bestimmt schöner gewesen.“

„Ach Matt!“ flüstert Saundra zurück und setzt sich neben mich auf die Bettkante.

„Tut mir leid Darling! Aber ich dachte, wir wären hier besser aufgehoben, weil Dad meinte du solltest dich sofort in eine Klinik begeben.“

Sie beugt sich zu mir herunter und schiebt meinen Arm von den Augen, wobei sie ihr Gesicht ganz nah an das meine hält und mich zärtlich auf den Mund küsst.

„Ich habe einfach nur ganz furchtbare Angst um dich und würde alles tun… nur um dich nicht wieder zu verlieren.“

Vorsichtig umrahmt sie mein Gesicht mit ihren Händen und streichelt meine Wangen leicht mit den Daumen.

Auf ihrer Stirn erscheinen zwei steile Falten zwischen den Augenbrauen und ihre Augen füllen sich erneut mit heißen Tränen.

„Bitte Darling! Das darf doch alles nicht wahr sein!“ raunt sie kopfschüttelnd.

„Ich will das nicht! Ich will mit dir für den Rest meines Lebens glücklich sein, mehr nicht! Ist das etwa vom Leben zu viel verlangt, nach all‘ der Scheiße, die ich schon durchgemacht habe?“

Betrübt lässt sie ihren Kopf auf meine Schulter sinken und beginnt leise zu weinen, während sie ihre Hände um meinen Nacken legt.

Langsam und vorsichtig umschlinge ich sie zunächst mit meinen Armen, küsse sie auf die duftenden Haare und zwinge sie mich wieder anzusehen, indem ich ebenfalls ihr Gesicht in beide Hände nehme und ihren Kopf etwas nach oben schiebe.

„Bitte Darling! Du darfst jetzt nicht weinen! Wer weiß… vielleicht stellt sich alles als falscher Alarm heraus oder als irgendetwas anderes.

Wir sollten wirklich erst abwarten, was Dr. Spector herausfindet und nicht auf die Blutwerte aus Ungarn vertrauen.

Warten wir doch einfach ab, vielleicht ist alles ganz harmlos und es war am Ende doch nur der Jetlag!“ versuche ich Saundra zu beruhigen, doch ihre Tränen fließen unablässig weiter.

Somit muss ich also versuchen sie von dem Thema abzulenken und komme auf unser Gespräch im Taxi zurück.

„Was hast du vorhin im Taxi damit gemeint, dass du lange nachgedacht hast als wir über deinen Dad und Tristan gesprochen haben?“ frage ich behutsam.

„Ach naja…!“ antwortet sie schniefend und setzt sich auf, woraufhin ihr Tränenbach fast zu versiegen scheint.

„… ich habe über die Geschichte mit Dad und Tristan nachgedacht und dass Dad mir so lange verschwiegen hat, dass er … auf Männer steht.“ schluckt sie schwer.

Sie macht eine erneute Pause um tief durchzuatmen und erzählt kopfschüttelnd weiter.

„Ich hatte mein ganzes Leben lang keine Ahnung davon und auch nie etwas davon gemerkt. Ich war einfach nur dankbar, dass er immer für mich da war, wenn ich ihn brauchte.

Über sein Liebesleben habe ich mir nie wirklich Gedanken gemacht. Ich war stets der Meinung, dass er immer noch meiner Mutter hinterhertrauert…“ sagt sie entschuldigend, macht eine Denkpause und lässt ihren Kopf sinken.

„… aber da habe ich mich offenbar grundlegend getäuscht. Er hat es scheinbar gut verstanden seine Neigung vor mir zu verstecken und nur deshalb war es erst einmal ein Schock für mich als er Tristan plötzlich an sich zog, ihn auf die Wange küsste und sagte dass er das Beste wäre was ihm in den letzten Jahrzehnten passiert ist…“

Saundra atmet erneut tief durch und spricht jetzt etwas erregt aber immer noch leise weiter.

„Ich dachte zunächst, dass ich mich im falschen Film befinde und dass das alles nicht wahr ist.

Wie kann das denn sein, dass ein Mann der eine Frau hatte, welche ihm zwar davongelaufen ist … er mit ihr aber sogar eine Tochter hat, plötzlich schwul sein soll?“

Abermals schüttelt sie leicht mit dem Kopf und ihre Stirnfalte entspannt sich wieder, als sich plötzlich ihr iPhone lautstark zu Wort meldet und sie es umständlich aus ihrer Handtasche kramt, welche am Fußende des Bettes liegt.

„Wer ist das? Vielleicht Lázló?“ frage ich aufgeschreckt und sie schaut verwirrt auf das Display ihres iPhones.

„Ja!“ antwortet sie hart schluckend.

„Aber ich kann jetzt nicht mit ihm sprechen.“

Kopfschüttelnd drückt sie den Anruf weg, wobei ich noch versuche sie aufzuhalten.

„Nein Saundra, warte! Dann gib‘ ihn mir! Ich will wissen wie es Tristan geht!“ rufe ich noch, doch sie zuckt schon mit den Schultern.

„Zu spät! Er ist schon weg! Dann soll er eben eine SMS schreiben, wenn es ihm so wichtig ist.“ zuckt sie abermals mit den Schultern und wirft das iPhone auf den Nachttisch neben uns.

„Ach Saundra! Was machst du denn?“ frage ich vorwurfsvoll.

„Warum hast du ihn denn nicht mir gegeben? Ich hätte gern mit ihm gesprochen und vor allem wüsste ich auch gerne, wie es Tristan geht und ob er überhaupt überlebt hat.“ sage ich leicht kopfschüttelnd und drehe meinen Kopf zur Seite.

Damit versuche ich meine nun feucht werdenden Augen bei dem Gedanken zu verbergen, dass es Tristan vielleicht doch nicht geschafft hat.

Tristan hat mich zwar immer gerne geneckt, aber ich habe den ‚Arizona-Man’ dadurch irgendwie lieb gewonnen.

Am Ende der Reise nach Ungarn sind wir schließlich doch noch Freunde geworden, obwohl ich kurzfristig auf ihn eifersüchtig war weil ich dachte, dass er sich Saundra verliebt hat.

Dabei ging es ihm die ganze Zeit nur um Lázló und Saundra interessierte ihn als Frau nicht die Bohne.

Der Gedanke an Tristan, seine schwere Schussverletzung und seine Liebe zu Lázló machen mir außerdem zunehmend Sorgen, weil ich immer noch nicht weiß was in Saundras schönem Kopf deswegen vor sich geht.

„Ach, der meldet sich schon wieder! Manchmal kann er fast so penetrant sein wie deine Mutter.“ meint sie mit einem leichten Lächeln und küsst mich auf den Mund.

Lange dauert der leidenschaftliche Kuss jedoch nicht, weil sich unterdessen nun mein Mobile Phone meldet und ich haste erst einmal umständlich aus dem Bett um es aus der Jackentasche zu ziehen, welche über dem Stuhl hängt.

Auf den ersten Blick sehe ich Lázlós Nummer und nehme den Anruf aufgeregt entgegen.

„Lázló? Wie geht es Tristan? Hallo? Hallo? ...“

Die Verbindung scheint jedoch unterbrochen worden zu sein, denn ich höre nur noch ein leises Rauschen in der ansonsten toten Leitung.

Verdutzt lege ich wieder auf und versuche unzählige Male ihn zurückzurufen, bringe aber keine stabile Verbindung mehr zustande und sehe schulterzuckend zu Saundra.

Sie presst bedauernd die Lippen zusammen als ihr iPhone brummend eine eingehende SMS ankündigt.

„Von Lázló?“ frage ich schnell und Saundra nickt mit dem Kopf, während sie auf das Display schaut und die SMS öffnet.

„Was schreibt er?“ frage ich und setze mich neben sie um die SMS mitzulesen.

>Ich hoffe ihr seid gut Zuhause angekommen? Leider kann ich euch telefonisch nicht erreichen, denn das Mobilfunknetz hier in Ungarn ist leider sehr schlecht!

Tristan hat die Nacht zwar überstanden, er ist aber immer noch nicht ganz außer Lebensgefahr und befindet sich vorübergehend im künstlichen Koma!

Bitte melde dich Saundra wenn du weißt was mit Matts Blutwerten ist. Ich mache mir auch um ihn ziemlich schwerwiegende Sorgen und werde fast verrückt hier allein!<

Saundra drückt die SMS weg und legt das iPhone zur Seite.

„Willst du ihm nicht antworten?“ frage ich deshalb betreten.

„Bitte Saundra. Er wartet doch auf Nachricht von uns.“

„Was soll ich ihm denn schreiben?“ tut sie unschuldig und verdreht dabei die Augen.

„Wir wissen doch noch gar nichts von deinen Blutwerten.“

„Saundra!“ sage ich eindringlich.

„Dein Vater sitzt ganz allein in einer Klinik in Ungarn. Er macht sich entsetzliche Sorgen um seinen Lebensgefährten der immer noch in Lebensgefahr schwebt und er weiß noch nicht einmal ob seine Tochter gesund in den USA angekommen ist.

Kannst du dir denn nicht annähernd vorstellen, wie es jetzt in ihm aussehen mag?“

Seufzend nimmt sie wieder das iPhone zur Hand und beginnt zu tippen.

>Wir sind gut angekommen und von New York aus gleich nach Philadelphia weiter geflogen. Wir befinden uns jetzt im Albert Einstein Medical Center, aber weil es jetzt mitten in der Nacht ist macht Dr. Spector die Untersuchung bei Matt erst morgen.

Ich melde mich wieder, sobald wir ein Ergebnis haben.<

„Schreib‘ noch dazu, dass er sich auch melden soll, wenn es Tristan besser geht.“ sage ich noch schnell bevor sie die SMS absendet.

Sie tippt noch schnell einen Satz dazu und sendet die SMS ab.

Wir sehen uns zunächst wortlos an bis mir unser Gespräch wieder einfällt das wir vor dem Klingeln des iPhones geführt haben.

„Du wolltest mir vorhin noch etwas sagen über deinen Dad und seine Beziehung zu Tristan. Das Telefon hat dich leider unterbrochen.“ bohre ich nach.

„Ja, naja.“ überlegt sie was sie zuletzt gesagt hat.

„Wie gesagt, es wollte zuerst nicht in meinen Kopf wie ein ehemaliger Familienvater plötzlich schwul sein soll.

Ich fühlte mich im ersten Moment als hätte er mich mein ganzes Leben lang hintergangen, belogen und betrogen. Ich war einfach nur tief enttäuscht, aber auf dem langen Heimflug ist mir klar geworden, dass mich sein Liebesleben bisher nie interessiert hat und eigentlich auch gar nichts angeht.

Er mischt sich in mein Liebesleben ja im Großen und Ganzen auch nicht ein, außer es handelt sich um seine heißgeliebten Archäologen.“ sie grinst mir dabei ins Gesicht und leckt sich die Lippen.

„Aber mit dem Letzten ist ja alles gut ausgegangen und er ist ihm geblieben und nicht wieder auf Nimmerwiedersehen abgehauen.

Aber was ich eigentlich meine ist, dass es sein Leben ist und er es endlich so leben soll wie er es möchte.

Er hat die letzten einunddreißig Jahre seines Lebens für mich geopfert, damit muss es auch einmal gut sein und er kann ja nichts für seine Neigung. Das soll angeboren sein habe ich einmal gelesen.

Ich weiß zwar nicht, ob ich mir Tristan als ‚Stiefmutter‘ wirklich vorstellen kann, aber er ist in erster Linie ja auch ein Freund und das kann ich auf jeden Fall akzeptieren.

Was die beiden dann nachts unter der Bettdecke treiben muss ich ja nicht wissen und ich will es mir auch gar nicht ausmalen.“

Bei dem Wort ‚Stiefmutter’ gluckst sie lächelnd auf, doch in ihrem Blick sehe ich, dass es ihr absolut ernst ist mit dem was sie sagt.

„Nanu?“ frage ich erstaunt.

„Dass du so schnell zu solch‘ einer Erkenntnis kommst hätte ich nicht geglaubt. Ich dachte, dass da jetzt sehr viel Überzeugungsarbeit auf mich zukommt.“

„Ach weißt du, mir ging immer wieder dieser Satz im Kopf herum den Dad gesagt hat bevor ich an die frische Luft gestürmt bin.

‚Bitte, gönne mir dieses kleine Glück mit Tristan. Ich liebe ihn, so wie du deinen Matt liebst, wenn er überhaupt überlebt.‘

Ich habe mir vorgestellt wie es wäre, wenn ich auf dich verzichten müsste nur weil unsere Gesellschaft plötzlich die Liebe zwischen Mann und Frau nicht mehr akzeptieren würde…“ sie macht eine kurze Pause und schluckt hart.

„… oder dich auf andere Weise verlieren könnte…“

Abermals macht sie eine Pause und hält sich die Hand vor den Mund, wobei zwei dicke Tränen ihre Wangen hinabrollen und sie hörbar tief ein- und ausatmet.

„Der Gedanke hat mir gar nicht gefallen und plötzlich wurde mir bewusst, wie viel Dad wirklich für Tristan empfindet und wie sehr er ihn lieben muss.

Wohl genauso sehr wie ich dich liebe. Das hat er ja gesagt, aber jetzt verstehe ich erst was es bedeutet, wenn der am meisten geliebte Mensch in Lebensgefahr schwebt.

Sicherlich war dieses Outing noch nicht von ihm geplant und das Schicksal hat den Zeitpunkt dafür gewählt. Aber vielleicht war es auch gut so und er hatte absolut Recht mit dem was er sagte, nämlich dass er trotzdem immer für mich da war und deswegen kein schlechterer Vater ist.

Meinetwegen sollen die beiden glücklich miteinander werden und ob es seinem Job und seiner Firma gut tut muss er selbst entscheiden.

Am Ende ist das doch eigentlich auch egal, er braucht die Firma ohnehin nicht mehr um den Rest seines Lebens im Luxus zu leben.“ sagt sie mit sanfter und versöhnlicher Stimme.

Wie nebenbei schaut sie dabei auf die Uhr, deren Zeiger bereits auf vier Uhr a.m. vorgerutscht sind und flüstert lächelnd weiter.

„Jetzt sollten wir aber ein wenig schlafen, sonst muss uns Dr. Spector am Ende sogar noch wecken.“

„Ja da hast du allerdings Recht, mir fallen ohnehin schon wieder die Augen zu.“ gebe ich gähnend zu und beginne mich auszuziehen in der Hoffnung, dass Saundra heute auf ihre Spielchen verzichtet angesichts der vorgerückten Stunde.

Und ich habe Glück, denn sie scheint selbst müde zu sein und kuschelt sich an meinen Rücken, während sie mich mit den Armen und Beinen umschlingt wie eine Liane und mir ein „Gute Nacht, Darling!“ ins Ohr haucht.

Kapitel 2

Blinzelnd schaue ich in das kalte Licht der Wintersonne, welche mir blendend durch das Fenster direkt in das Gesicht scheint.

Denn offenbar haben wir heute Nacht vergessen die Jalousien zu schließen und ich höre Saundra schon im Bad rumoren.

Nachdem ich mich aber immer noch müde und abgekämpft fühle, drehe ich mich auf die andere Seite und ziehe mir noch einmal die Bettdecke über den Kopf.

Lange habe ich jedoch keine Ruhe, denn Saundra bestürmt mich mit heißen Küssen von hinten auf die Wange, wobei sie zusätzlich an meinem Ohrläppchen knabbert.

„Darling aufwachen! Die Sonne scheint und Dr. Spector wird schon bald hier sein, außerdem möchte ich noch gerne frühstücken und ich glaube die Schwestern haben gar nicht mitgekommen, dass wir heute Nacht dieses Zimmer bezogen haben.“ raunt sie in mein Ohr.

„Hmm!“ brumme ich müde und genieße gleichzeitig ihre Liebkosungen.

„Zieh‘ dich schon mal an und ich schaue mich unterdessen bei den Schwestern um.“ sagt sie und drückt mir einen letzten dicken Kuss auf die Lippen.

„Aber warum soll ich mich denn anziehen?“ frage ich sie matt.

„Wir sind doch in einem Krankenhaus und Dr. Spector schickt mich wahrscheinlich ohnehin gleich zu den Untersuchungen, da wäre es wahrscheinlich ohnehin besser wenn ich gar nicht frühstücken würde…“

„Da haben Sie verdammt Recht!“ ertönt Dr. Spectors Stimme von der Tür her im Raum und ich fahre vor Schreck zusammen, denn ich habe ihn gar nicht hereinkommen hören.

„Es wäre besser, wenn Sie zunächst auf ein Frühstück verzichten! Guten Morgen erst einmal!“ lächelt er verhalten und setzt sich neben mich auf die Bettkante.

„Übrigens für Sie Miss Dunaway habe ich bereits ein Frühstück bestellt, das bereits unterwegs sein dürfte.“ sagt er zu Saundra gewandt und dreht den Kopf mit einer steilen Stirnfalte wieder zu mir und schaut auf seine Armbanduhr, welche acht Uhr a.m. anzeigt.

Sagte er nicht er wolle erst um zehn Uhr a.m. hier sein?

„Ich bin leider zwei Stunden zu früh dran … ich weiß, aber das ganze Szenario heute Nacht hat mir keine Ruhe gelassen und ich konnte gar nicht richtig schlafen deswegen.

Deshalb habe ich heute Morgen in aller Frühe schon die Unterlagen aus Ungarn angefordert.“

„Aber wie konnten Sie die Unterlagen anfordern?“ fragt Saundra erstaunt.

„Sie wussten doch gar nicht in welchem Krankenhaus wir waren?“

Dr. Spector sieht abermals zu Saundra und antwortet mit ruhigen Worten.

„Sie hatten heute Nacht kurz Sárvár erwähnt und da es dort nur ein einziges Krankenhaus gibt, hatte ich bei meiner Nachfrage auch gleich Glück und die Unterlagen in Sekundenschnelle per E-Mail erhalten.“ antwortet er, schaut mir wieder besorgt in die Augen und fährt fort.

„Allerdings lassen die Ergebnisse tatsächlich nichts Gutes hoffen, deshalb dachte ich mir ich fange Sie noch vor dem Frühstück ab.

Am besten ziehen Sie sich ein T-Shirt über und vielleicht eine Jogginghose. Dann begleite ich Sie zur Blutabnahme und danach möchte ich gerne ein Ganzkörper-MRT machen um festzustellen, ob es eventuell auch andere Ursachen für die vermehrte Produktion der Leukozyten gibt.“

„Aber…“ unterbricht ihn Saundra mit Tränen in den Augen und leichtem Kopfschütteln.

„… was könnte es denn sonst noch sein?“

Dr. Spector wendet sich wieder zu Saundra, welche auf mich zustürzt, vor meinem Bett auf die Knie geht und meine Hand an ihr heißes Gesicht zieht.

„Da kann es viele Ursachen geben Miss Dunaway! Es könnte sich auch um eine ganz banale Entzündung im Körper handeln, wie zum Beispiel um eine Blinddarmentzündung.

Ein Tumor oder HIV sind nicht ausgeschlossen, ebenso wenig wie eine Abwehr des Körpers gegen Parasiten, denn soviel ich weiß waren Sie doch vor ein paar Monaten in Mexiko?“ fragt er nach.

„Ja!“ antworte ich erstaunt.

„Dort hatte ich mich an einer Pflanze vergiftet und an der wäre ich fast über die Klinge gesprungen, aber nach meiner Genesung war wieder alles in Ordnung und es gab keinerlei Nachwirkungen davon.“

Dr. Spector presst kurz die Lippen zusammen und atmet tief aus bevor er weiter spricht.

„Das meine ich nicht Mr. Bolder. Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe Ihre Geschichte Interessehalber im Internet etwas nachrecherchiert, vor allem was in der Presse so alles geschrieben wurde.

Dort wurde unter anderem auch erwähnt, dass Sie sich tagelang auf einem Fluss im Urwald aufgehalten haben?“ konstatiert er fragend.

„Ja, das ist richtig! Aber was hat das mit meinen Blutwerten zu tun?“ frage ich verständnislos.

„Sie haben dort sicherlich auch Kontakt mit dem Wasser gehabt, eventuell sogar mit einer Hautverletzung oder Sie haben vielleicht auch Fische gegessen die Sie gefangen haben?“ stellt er weiter fragend fest.

„Ja, natürlich! Beides.“ antworte ich wahrheitsgemäß.

„Auf diese Weise könnten sich unter Umständen auch Parasiten in Ihrem Körper eingenistet haben, welche es in Mexikos Flüssen zu Tausenden gibt und sich normalerweise kaum bemerkbar machen.

Erst wenn der eigene Körper sie aufgespürt hat reagiert er mit einer erhöhten Produktion von sogenannten eosinophilen Granulozyten, welche auch eine Art von Leukozyten sind. Aber das werden wir jetzt genauestens in unserem eigenen Labor feststellen.

Die Ungarn haben natürlich nur eine einfache Blutuntersuchung gemacht, weil sie lediglich die Blutgruppe für eine Transfusion bestimmen wollten und haben dabei Ihre Leukozytose nur am Rande entdeckt.“ führt er beruhigend aus, aber seine Besorgnis weicht dennoch nicht von seinem Gesicht.

„Womit hätte Matt denn die besseren Chancen?“ fragt Saundra weinend.

„Mit einer echten Leukämie oder mit den Parasiten?“ presst sie kaum verständlich hervor.

„Mit keiner von beiden Miss Dunaway. So ehrlich muss ich sein.“ flüstert Dr. Spector kaum hörbar, streicht Saundra mit der rechten Hand über das Haar und drückt gleichzeitig mit der Linken meine Hand, wobei er tief Luft holend nach oben blickt.

„Vielleicht könnten Sie schon einmal eine Liste machen mit Verwandten von Mr. Bolder, die notfalls für eine Stammzelltransplantation in Frage kommen könnten.

Eltern, Geschwister, Onkeln, Tanten, Cousins, entfernte Verwandte … rufen Sie am besten seine Mutter dazu an.

Gleichzeitig können wir uns auch an die ‚Bone Marrow Donors Worldwide‘ wenden, die fast auf der ganzen Welt mit möglichen Spendern vernetzt ist.

Aber jetzt sollten wir zuerst genau feststellen, woher die erhöhten Leukozyten kommen.

So und nun sollten wir so langsam los! Ich habe das MRT extra für Sie heute Vormittag reservieren lassen und vielleicht wissen wir morgen dann schon mehr. Ich warte vor der Tür auf Sie.“ sagt er bedrückt.

Leise steht er auf und geht vor die Tür, welche er ebenso lautlos hinter sich schließt.

„Neeiin!“ ruft Saundra aus und schlägt nun auf dem Boden hockend beide Hände vor ihr schönes Gesicht und schüttelt dabei unablässig den Kopf.

„Nein! Ich will das nicht! Nein, das kann doch nicht sein. Ich will, dass du gesund bist und bei mir bleibst. Ich will das nicht! Bitte nicht!“ ruft sie aus und bricht schluchzend zusammen.

Schnell springe ich aus dem Bett und knie mich neben sie auf den Boden, schlinge sacht meine Arme um sie herum und spreche beruhigend auf sie ein obwohl mich die Nachricht von Dr. Spector genauso geschockt hat wie Saundra und ich reagiere nur noch reflexartig.

„Nicht doch Saundra! Nicht weinen! Bitte!“ flüstere ich in ihr Ohr.

„Vielleicht ist es ja doch ganz harmlos. Wir sollten einfach die Tests abwarten und auf das was dabei herauskommt. Mach‘ dich jetzt nicht verrückt, Darling!“

Nachdenkend mache ich eine kurze Pause und wiege ihren bebenden Körper in meinen Armen, bis mir eine Idee kommt.

„Wie wäre es, wenn du eine Runde mit Dr. Perez sprichst bis ich wieder da bin. Vielleicht hilft dir das ja schon etwas hmm. Was meinst du?“ raune ich sanft und Saundra sieht mich mit verweinten Augen an, wobei sie apathisch nickt und sich langsam beruhigt obwohl ihr Körper vor Anspannung und Angst immer noch zittert.

„Okay, dann ziehe ich mir jetzt etwas über und gebe Dr. Spector Bescheid, dass er Dr. Perez zu dir schicken soll. Komm schon…“ spreche ich leise weiter und ziehe sie dabei sanft vom Boden in die Höhe und drücke sie daraufhin vorsichtig an den Schultern auf das Bett.

„Leg‘ dich noch etwas hin bis Dr. Perez eintrifft, das tut dir vielleicht gut.“ schlage ich vor, gebe ihr zärtlich einen Kuss auf den Mund und streichle ihre Wangen.

Zweifelnd sehe ich ihr dabei tief in die grünen Augen, wobei ich versuche ein Lächeln aufzusetzen so gut es in diesem unheilvollen Moment eben geht.

„Ich bin bestimmt bald wieder da Darling und es wird sicher alles gut werden, du wirst sehen.

Ich liebe dich! Vergiss‘ das nicht, aber ich muss jetzt los … Dr. Spector noch länger warten zu lassen, wäre unhöflich.“

Zart küsse ich sie noch einmal auf den Mund, ziehe aus meinem Koffer ein frisches T-Shirt und eine Jeans, denn so etwas wie eine Jogginghose habe ist gar nicht dabei.

Notdürftig ziehe ich mich an und muss Saundra zu meinem tiefsten Bedauern fast lethargisch allein zurück lassen, bevor ich mich nach draußen begebe und ich mache mir gleichzeitig die allergrößten Sorgen um sie.

Denn ich weiß nicht wie sie das alles nach ihrem Geständnis der eigenen Vergewaltigung und dem Outing ihres Vaters verkraften wird.

Unsicher trete ich auf den Gang als ich auch schon unvermittelt vor Dr. Perez stehe, der mit einem kurzem „Mr. Bolder!“ gleichzeitig unser Zimmer betritt.

Fragend schaue ich zu Dr. Spector, der an der gegenüber liegenden Wand lehnt und die Arme wartend verschränkt hält.

„Tut mir leid, Mr. Bolder. Aber ich habe heute Morgen bereits mit Lázló Dunaway gesprochen, der mir so einiges gesteckt hat und ich hielt es daher für unerlässlich nach Dr. Perez zu rufen.“ klärt er mich schuldbewusst auf, zieht die Augenbrauen in die Höhe und versucht ein Lächeln zustande zu bringen, was ihm aber gründlich misslingt.

„Ich wollte Sie gerade darum bitten, Dr. Perez zu holen, denn ich weiß wirklich nicht, wie Saundra das alles verkraften soll. Es ist so viel passiert in den letzten Tagen…“

„Ich weiß!“ unterbricht er mich freundlich.

„Mr. Dunaway hat mir ausführlich davon berichtet und mir die Erlaubnis gegeben das alles an Dr. Perez weiter zu geben, was auch unbedingt notwendig ist, wenn er Miss Dunaway nur annähernd helfen will.“ sagt er selbstbewusst und fährt fort, während wir nebeneinander den Krankenhausgang hinuntergehen.

„Ich soll Ihnen übrigens viele Grüße von Mr. Dunaway ausrichten und dass Mr. Coleman inzwischen außer Lebensgefahr ist. Die Ungarn konnten scheinbar doch noch eine geeignete Blutspende auftreiben, die ihm letztendlich das Leben gerettet hat.“

„Wie? Noch eine Blutspende?“ frage ich verwirrt.

„Chitam hatte ihm doch Blut gespendet und er war zu dem Zeitpunkt der einzige Geeignete. Sind wir am Ende doch zu früh abgereist? Aber Lázló wollte das doch so?“

„Nein, nein!“ Dr. Spector schüttelt mit dem Kopf.

„Ihre Abreise war völlig in Ordnung! Die Wunde von Mr. Coleman ist erst Stunden später wieder aufgebrochen, warum auch immer und dadurch wurde eine neuerliche Blutspende notwendig.“

Ach, daher die Aussage von Lázló in seiner SMS, dass Tristan zwar die Nacht überstanden hat aber immer noch nicht außer Lebensgefahr wäre und er allein fast verrückt wird.

„Und wie steht es jetzt um ihn?“ frage ich nur halb neugierig als wir um die nächste Ecke biegen.

„Mr. Coleman wird es schaffen, aber es dauert eben seine Zeit bis er transportfähig ist und Mr. Dunaway ihn in die USA zurück bringen kann, so wie er es vorhat.“

„Zum Glück ist wenigstens das eine erfreuliche Naeichricht.“ flüstere ich mehr zu mir selbst und lasse den Kopf hängen.

„Nicht doch Mr. Bolder.“ versucht Dr. Spector mich zu trösten und legt seine Hand auf meine Schulter.

„Sie dürfen jetzt nicht schon von vornherein die Flinte ins Korn werfen. Wir sehen jetzt erst einmal genau nach was Ihnen fehlt und Sie versprechen mir bitte, dass Sie nicht schon im Vorfeld die Hoffnung aufgeben.“

Er bleibt stehen und sieht mir mit einem Nicken ins Gesicht und ich erwidere diese Geste ebenfalls mit einem Nicken.

„So wir sind da!“ sagt er und öffnet die Tür vor der wir stehen zu einer Art Labor und eine Schwester in weißer Arbeitskleidung begrüßt uns ebenfalls mit einem Nicken.

Sie ist etwa dreißig Jahre alt, schlank, etwa so groß wie Saundra und sie hat gleichfalls pechschwarzes Haar, das sie aber streng nach hinten zu einem Dutt zusammengebunden hat.

Dr. Spector sieht sich suchend um, greift nach einem Plastikbecher und drückt ihn mir in die Hand.

„Wir brauchen erst noch etwas Urin, die Toilette ist gleich da.“ sagt er und deutet dabei auf eine Tür, die sich gleich links neben dem Eingang befindet und nickt mir erneut freundlich zu.

„Stellen Sie den Becher einfach in die kleine Durchreiche, wenn sie fertig sind.“ ruft er mir noch hinterher.

Etwas peinlich berührt mache ich mein Geschäft in den Becher und stelle ihn die kleine viereckige Durchreiche, die von jeder Seite mit einer kleinen Tür versehen ist.

Anschließend wasche ich mir die Hände und verlasse die Toilette wo Dr. Spector geduldig auf mich wartet und mich zu einer Liege geleitet auf welche ich mich zuerst hinsetze.

„Sie dürfen sich auch gerne hinlegen wenn Sie sich dabei wohler fühlen.“ sagt er lächelnd und fragt gleich weiter.

„Welcher Arm ist Ihnen lieber, der Linke oder die Rechte?“

„Ach das ist mir egal. Nehmen Sie einfach den Arm, bei dem es am besten geht.“ antworte ich teilnahmslos und bleibe sitzen.

Dabei habe ich eher das dumpfe Gefühl, dass ich mir vorkommen würde wie auf einer Schlachtbank wenn ich mich hinlege.

Vorsichtig untersucht er meine Armbeugen und entscheidet sich für den linken Arm, um den er anschließend am Oberarm ein Band festzurrt.

„Machen Sie bitte eine Faust!“ bittet er mich, setzt die Nadel an und sticht damit in eine Vene aus der sofort dunkelrotes Blut schießt und löst das Band wieder.

„Die Faust wieder aufmachen.“ weist er mich an und wartet bis sich die Ampulle mit Blut gefüllt hat.

Nacheinander füllt er vier unterschiedliche Ampullen und zieht danach die Nadel heraus, wobei er gleichzeitig einen Wattebausch auf die Einstichstelle drückt.

„Drücken Sie da einmal selbst fest drauf.“ weist er mich an und beklebt die Ampullen mit vorgefertigten Aufklebern auf denen mein Name prangt.

„Miss Nolan.“ ruft er die Schwester heran.

„Hier die können Sie schon einmal mitnehmen und mit den Untersuchungen beginnen.“ sagt er freundlich und reicht ihr die Ampullen.

Aha, sie ist also doch keine Schwester, sondern scheinbar eine Laborantin und mir fällt ihre Ähnlichkeit zu Saundra auf, obwohl ihre Augen dunkelbraun sind und nicht grün wie Saundras Augen, die manchmal glitzern wie tausend Smaragde in der Sonne.

Seltsam!

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen Mr. Bolder?“ fragt mich Dr. Spector, während ich der Laborantin zweifelnd hinterher blicke und er mich dadurch wieder wach rüttelt.

„Oh, Entschuldigung! Ja, natürlich ist alles in Ordnung! Was kommt als Nächstes?“ frage ich fast unbeteiligt, weil ich mich seit heute Morgen nach dem ersten Gespräch mit ihm fast wie unter Trance befinde, ganz so als würde ich neben mir stehen und mich das ganze Prozedere gar nichts anginge.

Obwohl ich noch versucht habe Saundra zu trösten und ihr das Gespräch mit Dr. Perez vorgeschlagen habe bin ich dennoch nicht ganz bei mir.

Auch das Gespräch über Lázló und Tristan hat mich nicht wirklich berührt.

Ich verspüre plötzlich Todesangst!

Am liebsten würde ich diese ganzen Bluttests und MRT’s von mir schieben, so als würden sie nicht mich betreffen, sondern irgendeinen Unbekannten.

Aber ich fürchte bei dem Blick von Dr. Spector, dass ich aus der Nummer wohl nicht mehr herauskomme und das Ganze tatsächlich mir selbst passiert.

Shit!

Dabei wollte ich Saundra einen einzigartigen Heiratsantrag in unserem neu entstanden Spielzimmer machen.

Was wird jetzt daraus?

Und eigentlich wollte ich ihr eine Hochzeitsreise nach Ägypten schenken, die sie sich so sehr wünschte, aber ich bin mir momentan nicht sicher, ob ich dieses wundervolle Land jemals wieder sehe.

„Mr. Bolder?“ höre ich die vorsichtige Frage von Dr. Spector.

„Wir brauchen dann noch ihre Größe und ihr Gewicht.“

„Ja natürlich! Ich komme!“ antworte ich wie automatisch und lasse mich von der Liege rutschen.

An der Wand gleich neben der Tür steht eine Personenwaage auf die ich mich stelle und auf der Dr. Spector mein aktuelles Gewicht abliest.

Gleich einen Schritt daneben ist ein Maßband an die Wand geklebt, wo ich mich brav wie ein Schuljunge davor stelle und meine Körpergröße ablesen lasse.

„Wir sollten jetzt weiter zum Kernspin, denn er ist nur eine gewisse Zeit für Sie reserviert und die Aufzeichnung dauert etwa eineinhalb Stunden.“ sagt er sanft, woraufhin er mich in einen angrenzenden Raum führt in dem der furchteinflößende Computertomograph steht und eine weitere Mitarbeiterin in Zivilkleidung bereits auf uns wartet.

Sie hat kurze blonde Haare und ist im Körperbau etwas stämmig, hat aber ein gewinnendes Lächeln im Gesicht und wirkt auf mich sehr sympathisch.

„Am besten machen Sie sich frei bis auf den Slip und legen sich schon einmal auf die Liegefläche der Maschine.“ sagt Dr. Spector anweisend, wendet sich zunächst einem Computerbildschirm zu und gibt irgendwelche Daten ein.

Fast automatisch ziehe ich mich bis auf den Slip aus, lege meine Kleider auf einen Stuhl der an der Seite steht und lege mich ausgestreckt auf die Liegefläche des MRT’s.

Die blonde Mitarbeiterin bettet meinen Kopf in eine Art weiche Schale und stopft irgendwelche kleine Kissen zwischen die Schale und meinen Kopf, so dass ich ihn nicht mehr rühren kann.

„Sie sollten möglichst ganz still liegen und sich nicht bewegen damit die Bilder auch scharf werden.“ sagt sie lächelnd und drückt mir eine Art Blasebalg in die Hand.

„Damit können sie Alarm schlagen, falls es Ihnen nicht gut gehen sollte oder Sie Platzangst bekommen. Aber bitte wirklich nur im Notfall benutzen sonst ist die ganze Untersuchung umsonst.“ klärt sie mich weiter auf und ich frage mich wie ich eineinhalb Stunden völlig bewegungsunfähig überstehen soll.

Dr. Spector tritt nun wieder mit ernstem Gesicht an mich heran.

„Nun ist es soweit! Wie Ihnen Linda gerade erklärt hat, sollten Sie möglichst still liegen und sich nicht bewegen. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn Sie ein kleines Nickerchen machen würden, weil man dabei den Reflex sich bewegen zu müssen nicht so sehr spürt.

Aber das wird nicht einfach sein, denn das MRT ist ziemlich laut. Deshalb bekommen Sie noch Ohrstöpsel und ich hoffe Sie haben keine Platzangst?“ fragt er mich zweifelnd.

„Nein, bis jetzt hatte ich noch nie Platzangst! Das würde sich bei meinem Beruf auch nicht gut machen, denn viele archäologische Stätten und alte Gräber sind manchmal ziemlich beengt.“ antworte ich ehrlich.

„Gut! Dann fangen wir einfach an und falls Sie sich unwohl fühlen und denken es geht nicht mehr, dann drücken Sie bitte den kleinen Blasebalg in Ihrer Hand.

Denn mit Panik kann ich im MRT gar nichts anfangen. Am besten schließen sie einfach die Augen und versuchen Sie an etwas Schönes zu denken.“ sagt er sanft, drückt noch kurz meinen Unterarm und ich sehe gerade noch wie er sich hinter einen Bildschirm setzt und angestrengt hinein sieht.

Die Mitarbeiterin schiebt mir noch weiche Stöpsel in die Ohren als sich der Untergrund auf dem ich liege auch schon in Bewegung setzt und ein leichtes Schwindelgefühl in mir auslöst.

Langsam werde ich in eine Art Röhre geschoben und die Decke ist nunmehr nicht viel weiter als etwa acht Zoll von mir entfernt, womit ich tatsächlich lieber die Augen schließe und versuche an Saundra zu denken.

Wie es ihr jetzt wohl geht?

Spricht sie mit Dr. Perez über mich?

Oder vielleicht über die Vergewaltigung oder über Lázló und Tristan?

Spricht sie überhaupt?

Am Ende tut sie das gar nicht!

Sie sagte einmal, dass sie früher schon bei Psychologen war, sich ihnen aber nie öffnen konnte und deshalb die Behandlungen immer frühzeitig abgebrochen hat.

Das MRT um mich herum ist tatsächlich sehr laut und macht ratternde Geräusche, wobei ich eine gewisse Wärme zunächst an meinem Kopf spüre.

Shit!

Sie scannen zuerst meinen Kopf, ausgerechnet jetzt wo mir so viele Gedanken durch diesen hindurch gehen und ich tatsächlich von einer aufsteigenden Panik befallen werde.

Schnell atmend versuche ich mich wieder selbst zu beruhigen und rufe mir die Ereignisse aus dem Malom in Kecskemét in Erinnerung, als Saundra ausgerechnet vor den Trauringen stehen blieb.

Verdammt!

Ich würde sie so gerne zu meiner Frau machen und sie für den Rest meines Lebens auf Händen tragen.

Doch wie lange ist das jetzt noch möglich?

Wie viel Zeit bleibt uns noch?

Macht uns diese verdammte Krankheit einen Strich durch die Rechnung und mein Leben ist viel schneller vorbei als ich es jemals gedacht hätte?

Der Tomograph rattert zwischen einigen stillen Momenten weiter und die Unterlage schiebt mich hin und wieder weiter.

Nach und nach spüre ich wie Tränen in meine Augen drängen und ich versuche sie verzweifelt hinunter zu schlucken denn ich weiß, dass ich mich nicht bewegen darf um sie einfach abzuwischen.

Werde ich an dieser verdammten Leukämie sterben?

Was wird dann aus Saundra wenn ich nicht mehr da bin?

Sie hat doch niemanden außer ihren Vater, der sie zwar noch besser versteht als ich aber wegen Tristan jetzt seine eigenen Sorgen hat.

Lázló sagte einmal zu Tristan, dass ich es wäre der den Schlüssel zu Saundras Herzen besitzt oder zumindest so ähnlich!

Das war bei dem unbeabsichtigt belauschtem Gespräch im Hotel in Kecskemét nach unserer Shopping-Tour und dem Ringkauf, wo ich eindeutig zu viel ungarischen Bikavér getrunken hatte.

Deprimiert komme ich zu dem Schluss, dass Saundra daran zerbrechen würde wenn ich einfach so sterbe!

Somit beschließe ich um mein Leben zu kämpfen, ganz egal was die Ärzte für mich bereithalten und ich werde die Hoffnung nicht aufgeben, so wie es Dr. Spector von mir verlangt hat.

Ja! Ich werde kämpfen!

Um mein eigenes Leben und um Saundras Glück!

Scheiß egal ob mir die Haare ausgehen und es mir schlecht geht nach der Chemotherapie!

Ich lasse sie auf keinen Fall allein zurück!

Ich muss leben um jeden Preis und ich werde darum kämpfen, auch wenn es mich alle Kraft kostet und ich will vor allem ihre Augen wieder glitzern sehen so wie tausend Smaragde in der Sonne…

„Mr. Bolder?“ dringt plötzlich eine leise Stimme an mein Ohr und ich spüre, dass ich meinen Kopf wieder bewegen kann.

„Es wundert mich, dass Sie offenbar doch eingeschlafen sind bei der Lautstärke des MRT!?“ kommt es halb fragend von Dr. Spector als ich die Augen blinzelnd öffne.

„Oh!“ dringt es rau aus meiner Kehle.

„Ist schon alles vorbei?“

„Ja. Sie haben es überstanden und dürfen sich wieder anziehen. Ich werde heute noch alles auswerten und morgen wissen dann vielleicht schon mehr.

Finden Sie den Weg allein zurück in Ihr Zimmer?“ fragt er mich besorgt als ich mich schlaftrunken anziehe.

„Ja ich denke schon, der Weg war ja nicht allzu weit.“ sage ich spontan ohne darüber nachzudenken ob ich mich tatsächlich an den Weg erinnere.

Gedankenverloren verabschiede ich mich von Dr. Spector und seiner Mitarbeiterin und trete immer noch benebelt vom Schlaf auf den Gang hinaus.

Tatsächlich muss ich kurz überlegen aus welcher Richtung wir gekommen sind und schlage spontan den Weg nach links ein.

Den Gang entlang eilend stehe ich kurze Zeit später wieder vor unserer Zimmertür und atme zunächst tief durch bevor ich den Raum betrete.

Saundra sitzt auf dem Bett, hat die Arme um ihre angezogenen Beine geschlungen und stützt ihr Kinn auf die Knie auf.

Dr. Guillermo Perez sitzt daneben auf einem Stuhl und spricht so leise, dass ich zunächst gar nichts verstehen kann.

„Oh, Entschuldigung! Ihr seid noch nicht fertig. Dann gehe ich ein Stück durch die Klinik spazieren und komme später wieder!“ sage ich entschuldigend, doch Saundra winkt mich mit der Hand zu sich.

„Nein, komm her! Setz’ dich neben mich bitte. Ich denke Dr. Perez und ich sind zunächst soweit fertig.

Wir haben ohnehin nur noch einen Termin für heute Nachmittag in seinem Büro ausgemacht.“ lächelt sie verhalten und küsst mich auf die Wange als ich mich neben ihr niederlasse.

„Nanu? Dr. Perez, was haben Sie denn mit Saundra gemacht? Ihre tiefe Verzweiflung scheint ja fast wie weggeblasen zu sein?“ frage ich ihn und hebe kurz die Augenbrauen.

„Na, ganz so ist es nicht! Wir werden noch viel arbeiten müssen, da reichen zwei Stunden bei Weitem nicht aus. Aber ich denke sie hat verstanden, dass sie sich Ihrer Krankheit stellen muss, ganz egal was es am Ende ist. Es von sich zu schieben und zu ignorieren geht nicht.

Sie müssen gemeinsam kämpfen und die Hoffnung niemals aufgeben und je mehr Sie sich gegenseitig bestärken, umso größere Chancen haben Sie wieder gesund zu werden.“ führt er ruhigen Tones aus.

„Danke Dr. Perez! Genau zu diesem Entschluss bin ich im Kernspin auch gekommen. Ich werde nicht so schnell aufgeben und alles tun was Dr. Spector von mir verlangt.“ sage ich leise und bekräftige meine Aussage mit einem leichten Nicken.

Dr. Perez erhebt sich und klopft mir lächelnd auf die Schulter.

„Sehr gute Einstellung! Genauso muss das sein, dann werden Sie es auch schaffen. Ganz egal was jetzt bei den Untersuchungen herauskommt. Ich muss mich jetzt aber leider verabschieden…“ sagt er zu mir und zu Saundra gewandt „… wir treffen uns dann heute Nachmittag. Bis dann.“

Er verabschiedet sich mit einem Händedruck und verlässt das Zimmer fast lautlos.

Saundra schlingt ihre Arme um mich herum und legt ihren Kopf an meine Schulter.

„Und wie war’s?“ flüstert sie.

„Nicht weiter schlimm! Außerdem bin ich eingeschlafen, von daher habe ich gar nicht viel mitbekommen.“ raune ich zurück.

„Hat sich Lázló noch einmal gemeldet?“ frage ich, denn ich finde es komisch, dass er zu Dr. Spector sagte dass es Tristan besser geht und sich bei Saundra noch nicht gemeldet hat.

„Ach ja, das hätte ich fast vergessen. Vor einer halben Stunde kam eine SMS, aber ich habe sie noch nicht angeschaut, weil ich das Gespräch mit Dr. Perez nicht unterbrechen wollte.“ antwortet Saundra und springt wie von der Tarantel gestochen auf, fischt ihr iPhone aus ihrer Handtasche und öffnet die SMS.

> ‘Hallo Saundra!

Tristan geht es endlich etwas besser und die Ärzte sind sich nun sicher, dass er überleben wird. Allerdings ist er noch nicht aufgewacht, aber wenigstens ist die Angst nicht mehr so groß, dass er sterben könnte und ich ihn wieder verliere. Sobald er transportfähig ist, werde ich ihn die USA zurückbringen lassen.

Wie geht es Matt? Wisst ihr schon irgendetwas?

Ich bin schon ganz krank vor Sorgen … vor allem weil ich nichts tun kann. Hoffentlich haben sich die ungarischen Ärzte geirrt und es kommt doch nur etwas Harmloses dabei heraus.

Sag‘ ihm bitte, dass ich an ihn denke und hoffe dass es keine Leukämie ist.

Dein dich liebender Dad Lázló.‘<

„Was soll ich ihm denn jetzt zurück schreiben?“ fragt sie leise.

„Wir wissen ja immer noch nichts Genaues.“

„Schreib‘ ihm halt wenigstens, dass wir uns darüber freuen, dass es Tristan besser geht und wir die Ergebnisse erst morgen bekommen.“ rate ich ihr.

„Okay!“ sagt sie seufzend und beginnt zu tippen.

> ‚Hallo Dad! Schön, dass es Tristan besser geht und er wieder gesund wird.

Von Matt haben wir allerdings noch keine Ergebnisse, die bekommen wir erst morgen im Laufe des Tages!

Ich habe unterdessen eine Scheiß Angst, denn das was Dr. Spector heute Morgen gesagt hat, über die Blutwerte aus Ungarn, hört sich nicht gut an.

Matt war heute Morgen jedenfalls bei der Blutabnahme und im Kernspin und jetzt heißt es erst einmal abwarten und bangen.

Ich vermisse Dich.

Deine Tochter Saundra.‘<

Saundra atmet tief durch als sie die SMS abschickt und kämpft schon wieder mit aufsteigenden Tränen.

„Mist! Deine Mum soll ich ja auch noch anrufen, deshalb denke ich Dr. Spector ist sich schon ziemlich sicher, sonst hätte er das nicht mit der Liste gesagt.

Aber ich kann es Laura nicht sagen, ich bringe das nicht fertig, Matt.“ sagt sie traurig und ein paar Tränen rollen ihre Wangen hinab.

Vorsichtig nehme ich ihr Gesicht in beide Hände, küsse die Tränen einfach weg und flüstere ihr zu.

„Nicht weinen Baby, wenn es so ist, dann können wir es nicht ändern. Da müssen wir jetzt leider durch und Mum rufe ich am besten selbst an.“

Saundra schluckt hart und nickt, presst die Lippen zusammen und kneift verzweifelt die Augen zu.

Somit lasse ich sie wieder los und greife zu meinem Mobile Phone das auf dem Nachttisch liegt und wähle die Nummer meiner Eltern, welche heute alle beide Zuhause sein müssten … denn es ist Sonntag.

„Matt!“ meldet sich Mum, denn sie sieht natürlich meine Nummer auf dem Display ihres Telefons.

„Schön, dass du endlich anrufst! Ich habe dir schon drei E-Mails geschrieben! Warum schreibst du denn nicht zurück? Wo seid ihr denn verdammt noch mal?“

„Mum!“ sage ich bedrückt und mache eine Pause um tief Luft zu holen, welche sie sogleich ausnutzt.

„Matt, was ist denn los? Du klingst so bedrückt?“ ruft sie aufgeregt.

„Mum, mach‘ erst einmal langsam und lass‘ dir erzählen bitte. In Ungarn ist etwas Schreckliches vorgefallen…“ presse ich mit klopfendem Herzen hervor und atme erneut tief ein.

„Um Gottes willen! Was ist denn passiert? Ist irgendetwas mit Saundra oder mit Lázló? Jetzt rede doch endlich.“ sagt sie hektisch.

„Mum, man hat auf uns geschossen und dabei wurde Tristan … du weißt schon der Lehrer von Chitam schwer verletzt.“ beginne ich zu erzählen.

„Ja und weiter? Was ist mit Saundra und Lázló?“ fragt sie entsetzt.

„Tristan brauchte eine Blutspende, dabei hat das Krankenhaus von uns allen Blutproben gebraucht.“ antworte ich und versuche krampfhaft den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken, welcher sich langsam bildet.

„Ja und was ist damit? Rede doch weiter und lass‘ dir nicht alles aus der Nase ziehen.“ sagt sie ungeduldig.

„Dabei haben sie bei mir eine Auffälligkeit entdeckt. Es könnte sein, dass ich Leukämie habe Mum.“ raune ich den letzten Satz nur noch leise und schließe erleichtert die Augen über die Tatsache, dass es endlich heraus ist.

Durch das Telefon kann ich fast spüren, wie das Blut aus Ihrem Gesicht weicht, denn sie sagt zunächst kein Wort.

„Mum?“ frage ich daher.

„Ja!“ flüstert sie zunächst tief atmend, wobei ich ihr Erschrecken nun nur noch erahnen kann.

„Das ist ja schrecklich! Wo bist du jetzt?“ murmelt sie hilflos.

„Lázló hat Saundra, Chitam und mich sofort in die USA zurückfliegen lassen und ist selbst bei Tristan in der Klinik in Ungarn geblieben.

Wir sind jetzt im Albert Einstein Medical Center hier in Philadelphia und du müsstest bitte eine Liste von unseren Verwandten machen, welche eventuell als Stammzellspender in Frage kommen könnten.

Es ist allerdings noch nicht ganz sicher, wir bekommen die Ergebnisse der heutigen Untersuchungen erst morgen.“ erkläre ich ihr und schlucke erneut den Kloß in meinem Hals hinunter.

„Wir sind gleich da!“ flüstert sie und legt abrupt auf.

Saundra schaut mir fragend mit einer tiefen Stirnfalte ins Gesicht.

„Und?“

„Sie kommen gleich!“ antworte ich leise und drücke auf ‚Gespräch beenden!’

Bis ich mich versehe liegen wir uns in den Armen und es wundert mich, dass es Saundra heute gar nichts ausmacht obwohl wir allein sind.

Kapitel 3

Langsam lasse ich mich umfallen, komme auf dem Rücken zu liegen und ziehe Saundra mit mir, so dass ihr Kopf unvermittelt auf meiner Brust ruht.

Tröstend streichle ich über ihr seidenweiches Haar und wir liegen eine ganze Weile schweigend beisammen bis ich ihr sanft zuflüstere.

„Ich liebe dich Saundra für immer und ewig.“

„Ich liebe dich auch Matt und ich will dich nicht verlieren. Nicht jetzt und nicht so früh!

Wie geht es denn jetzt weiter?“ fragt sie fast apathisch.

„Ich weiß es nicht Darling, Dr. Spector wird uns morgen schon aufklären.“ sage ich leise und atme tief durch als es an der Tür klopft und Schwester Megan auf einem Tablett ein Frühstück für mich bringt, obwohl es schon fast Mittag ist.

„Tut mir leid...“ sagt sie schulterzuckend.

„… dass es etwas gedauert hat, aber der Koch wollte es unbedingt persönlich zubereiten als er hörte, dass es für Sie ist Sir.“

„Ist schon in Ordnung Schwester Megan. Mein Appetit ist heute ohnehin nicht allzu groß.“ antworte ich verhalten.

„Nun schauen Sie doch erst einmal nach was er Ihnen gemacht hat, vielleicht kommt der Appetit ja beim Essen.“ lächelt sie und verlässt das Zimmer wieder.

In mir steigt ein vager Verdacht auf, deshalb schiebe ich Saundra vorsichtig von mir herunter und küsse ihre Haare.

„Sorry Baby! Aber ich sollte vielleicht doch so langsam etwas essen, denn mir ist schon ganz schwindelig und ich sollte womöglich meinen Zuckerhaushalt schnellstens wieder in Ordnung bringen.“ entschuldige ich mich bei Saundra und steige aus dem Bett.

„Hmm! Kein Problem! Mach’ das und wenn es dir gut tut freut mich das doppelt.“ antwortet sie leise und rollt sich gleichzeitig in die Zudecke des Bettes ein.

Als ich mich jedoch an den Tisch setze rieche ich einen sehr bekannten Geruch, der mir augenblicklich das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.

Der Koch hat mir eine Madre Tierra gemacht, was meine Stimmung um ein Minimum anhebt und ich entferne die Abdeckhaube.

Doch kaum fange ich zu essen an, klopft es erneut an der Tür und meine Eltern betreten nacheinander das Zimmer, wobei Mum sogleich auf mich zugestürmt kommt und weinend ihre Arme um mich schlingt, so dass ich kaum aufstehen kann.

„Mein armer Matt. Das kann doch alles nicht wahr sein.“ sagt sie weinend und erdrückt mich fast.

Dad kommt hinzu und nimmt uns wortlos wiederum beide in seine Arme.

„Mum, nicht weinen bitte.“ sage ich fest.

„Das Ergebnis steht doch noch gar nicht hundertprozentig fest. Dr. Spector hat mir heute Morgen Blut abgenommen und mich durch den Kernspin geschickt, weil er den Ergebnissen aus Ungarn scheinbar nicht ganz traut.

Aber wir sollten trotzdem auf den Ernstfall vorbereitet sein, deshalb seine Frage nach einer Liste für mögliche Stammzellspender.

Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass vielleicht etwas ganz anderes dahinter steckt. Ihr solltet euch jetzt noch nicht verrückt machen, aber du hast vorhin einfach aufgelegt … du hast mich gar nicht richtig ausreden lassen.“ versuche ich meine Mum zu trösten.

Langsam lösen wir uns jetzt wieder voneinander und sie sieht mir sorgenvoll ins Gesicht.

„Du siehst blass aus, mein Junge.“ sagt sie sorgenvoll.

„Ich habe ja auch noch nichts gegessen heute. Ich wollte gerade anfangen, als ihr gekommen seid.“ entgegne ich ihr und setzte mich wieder an den Tisch, denn plötzlich verspüre ich einen ziemlich großen Hunger und sehr viel Appetit auf die Madre Tierra.

Dad begrüßt unterdessen Saundra, welche sich auf dem Bett wieder aufgesetzt hat, nimmt sie liebevoll in den Arm und wiegt sie tröstend hin und her, während sie ihren Kopf auf seine Schulter sinken lässt.

Nur ganz leise höre ich wie sie ihm tränenerstickt zuflüstert.

„Ich liebe ihn so sehr Thomas … so sehr dass es fast weh tut und ich will ihn auf keinen Fall verlieren. Matt darf nicht sterben … das darf einfach alles nicht wahr sein...“ berichtet sie abgehackt und weinerlich, wobei bereits die ersten heißen Tränen ihre Wangen benetzen.

„Aber das wirst du nicht mein Mädchen! Du wirst sehen … Matt ist zäh und er wird das schon irgendwie meistern!

Ich kenne doch meinen Sohn und ich weiß, dass er dich auch sehr liebt und dich niemals allein zurück lassen würde.“ raunt er ihr zu, doch das weitere Gespräch halten beide so leise, dass ich nichts mehr verstehen kann.

Insgeheim finde ich es so schön, dass Dad Saundra ‚mein Mädchen‘ nennt, denn dadurch weiß ich dass er sie akzeptiert und sehr gern hat.