Sommergras 126 -  - E-Book

Sommergras 126 E-Book

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Beschreibung

SOMMERGRAS ist die alle drei Monate erscheinende Zeitschrift der Deutschen Haiku Gesellschaft (DHG). Die Ausgabe 126 (Septemberi 2019) enthält u. a ausgewählte Haiku, Tanka, Haiga, Haibun, Rengay und Kettengedichte der Mitglieder, Rezensionen, einen Aufruf zum Weiterdichten und vieles mehr. Diese Ausgabe ist besonders umfangreich.

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Seitenzahl: 119

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Deutsche Haiku-Gesellschaft e.V.

Die Deutsche Haiku-Gesellschaft e.V.1 unterstützt die Förderung und Verbreitung deutschsprachiger Lyrik in traditionellen japanischen Gattungen (Haiku, Tanka, Haibun, Haiga und Kettendichtungen) sowie die Vermittlung japanischer Kultur. Sie organisiert den Kontakt der deutschsprachigen Haiku-Dichter untereinander und pflegt Beziehungen zu entsprechenden Gesellschaften in anderen Ländern. Der Vorstand unterstützt mehrere Arbeits- und Freundeskreise in Deutschland sowie Österreich, die wiederum Mitglieder verschiedener Regionen betreuen und weiterbilden.

1 Mitglied der Federation of International Poetry Associations (assoziiertes Mitglied der UNESCO), der Haiku International Association, Tokio, Ehrenmitglied der Haiku Society of America, New York.

Anschrift

Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V., z. Hd. Stefan Wolfschütz, Postfach 202548, 20218 Hamburg

Vorstand

Info/DHG-Kontakt und Redaktion

Horst-Oliver Buchholz,

[email protected]

Redaktion

Eleonore Nickolay, E-Mail:

[email protected]

Kassenwartin

Petra Klingl, E-Mail:

[email protected]

Website

Stefan Wolfschütz,

[email protected]

Claudia Brefeld,

[email protected]

Internationale Kontakte

Klaus-Dieter Wirth,

[email protected]

Peter Rudolf,

[email protected]

Tony Böhle,

[email protected]

Bankverbindung:

Landessparkasse zu Oldenburg, BLZ 280 501 00, Kto.-Nr. 070 450 085 (BIC: SLZODE22XXX, IBAN: DE97 2805 0100 0070 4500 85)

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

ein langer Sommer liegt hinter uns, heiß war er und trocken vielerorts. Doch während sich draußen Dürre breitmachte und Trockenheit wie bleiern auf Wiesen und Wäldern lastete, erreichte uns, die Redaktion, ein breiter Zufluss von Beiträgen und Meinungen, von Versen und Prosaischem – ein munterer Quell, der uns viel Schönes, mancherlei Beachtliches und – ja auch – Bedenkliches ins Haus spülte. Erfrischend war es allemal.

So schwoll das Heft an, Seite um Seite, bis es schließlich auf die rekordverdächtigen 132 Seiten kam, die Sie nun in Händen halten. Wir freuen uns über den regen Zuspruch, vielen Dank!

Denn so konnten wir wieder einen bunten Strauß für Sie binden, bunt wie das Herbstlaub, das nun bald wieder im Winde wehen wird. Nicht alle Blätter, die uns dabei ins Haus flatterten, konnten in dieser Ausgabe berücksichtigt werden. Wir haben sie vorsorglich eingelagert für den Winter.

Der stete Wechsel der Jahreszeiten, das ist ein traditionelles Motiv der Haiku-Dichtung. Ein kigo, ein Jahreszeitenwort also, finden Sie auch deshalb auf Seite 8. Lassen Sie sich inspirieren, dichten Sie ein Haiku zur Jahreszeit.

Wir hoffen, Sie finden auch abseits dessen noch viel Anregendes im neuen Heft, das Sie – bei allem Wandel – als freundlicher Begleiter gut durch den windigen Herbst bringen möge.

Herzliche Grüße

Ihr Horst-Oliver Buchholz

Inhalt

EDITORIAL

WEITERDICHTEN

Auswahl: Ein Haiku zu einem Sumi-e.

Aufruf: Ein Haiku zum Herbst

BEITRÄGE ZUR MITGLIEDERVERSAMMLUNG

Beiträge von: Birgit Wendling, Ruth-Karoline Mieger, Angelika Holweger, Ellen Althaus-Rojas, Birgit Heid, Ute Kassebaum, Silvia Kempen, Claudia Brefeld

Haiga: Angelika Holweger

HAIKU-KALEIDOSKOP

Klaus-Dieter Wirth: Grundbausteine des Haiku (XXXVII)

Eleonore Nickolay: Französische Ecke

Masami Ono-Feller: Die Jahreszeiten und das Jahreszeitengefühl im

deutschsprachigen Raum – Teil II

NEUE DHG-MITGLIEDER

AUSGEZEICHNET

AUSWAHLEN

Haiku- und Tanka-Auswahl

Mitgliederseite

Haibun

Rengay

Kettendichtung

BRIEFE AN DIE REDAKTION

REZENSIONEN/BESPRECHUNGEN

Silvia Kempen: Bilder aus Farben und Silben von Andrea Beck und Rainer Mehringer

Haiga: Eleonore Nickolay

Klaus-Dieter Wirth: Im Spiegel der Jahreszeiten – Petrografiken & Haikus, von Michael Raith und Matthias Mross

Rüdiger Jung: davongehuscht, Haiku 2018, von Brigitte ten Brink

Rüdiger Jung: Afriku – Vienna meets Africa – Haiku aus dem und zum afrikanischen Kontinent von Dr. Sylvia Bacher

Haiga: Horst-Oliver Buchholz

Brigitte ten Brink: Too Small For Meat. Haiku aus dem Jahr 2018 von Barnabas I. Adeleke

Traude Veran: Die Klanglaterne. Gedichte 17-Silber – 19-Silber. Joachim Gunter Hammer

Ellen Althaus-Rojas: Gesplitterte Zeit – Haiku und Haibun von Horst-Oliver Buchholz

Haiga: Claudia Brefeld und Paul Bernhard

Rüdiger Jung: Sand in der Uhr / bin auch ich, 22 Tanka von Gabriele Hartmann

Rüdiger Jung: You Want It Darker von Brigitte ten Brink und Gabriele Hartmann

Haiga: Gabriele Hartmann

Eleonore Nickolay: Mußestunden, Haiku von Rita Rosen und Bilder Petra Ehrnsperger

Haiga: Claudia Brefeldund Paul Bernhard

BERICHTE

Beate Wirth-Ortmann: 7. Haiku-Workshop Wiesbaden

Volker Friebel: Preis der Netzpräsenz „Haiku heute“

Kensuke Kashiwakura: Eine Haiku-Reise nach Berlin

Claudia Brefeld: Zwölf Jahre DHG-Vorstand

Stefan Wolfschütz: Kukai oder: Vom Glück, Haiku zu schreiben

Haiga: Gabriele Hartmann

MITTEILUNGEN

Weiterdichten

Ein Haiku zu einem Sumi-e dichten

Ein sehr reduziertes Bild sehen wir, ein Sumi-e, das im Atelier von Ramona Linke entstanden ist. Wir sehen einen Hang, einen Menschen, der dort geht. Ein Mann oder eine Frau, geht er oder sie den Hang hinauf oder hinab? Es ist nicht eindeutig zu klären. Ein paar Bäume erblicken wir, vermutlich der Eingang zu einem Wald, und einen Himmelskörper. Sonne oder Mond? Dieses Bild ist atmosphärisch dicht durch Reduktion und lässt weiteren Raum. 23 Autorinnen und Autoren machten sich ihre eigenen Gedanken und füllten den Raum mit einem Haiku.

Die Redaktion hat lange überlegt, gewichtet und gewogen, und schließlich brachte das Haiku von Gabriele Hartmann die meisten Punkte auf die Waage. Wir gratulieren herzlich! Das Haiku lautet:

nächtliche Schatten

die alte Spieluhr beginnt

wieder von vorn

Außerdem präsentieren wir noch eine Auswahl von Haiku, die die Jury mehrheitlich als gut gelungen angesehen hat.

Abendspaziergang

nur der Mond begleitet mich

nach Haus

Deborah Karl-Brandt

Schritt um Schritt

den Augenblick durchmessen

… die vielen Wege

Horst-Oliver Buchholz

Gehmeditation

ich stolpre immer wieder

über Gedanken

Kerstin Hirsch

in der Fremde

am Licht der Sterne

das Herz wärmen

Anke Holtz

Köstlich, neuer Sake!

Der Mond strahlt mir

nach Hause.

Saskia Ishikawa-Franke

Heimweg

im Gleichschritt

mit der toten Mutter

Eleonore Nickolay

weit weg

von Zuhause

das Mondlicht

Bernd Reklies

am späten Abend

das erste Mal alleine

zurück nach Hause

Peter Rudolf

voller Mond –

die Stille

finden

Angelica Seithe

Aufruf: Ein Haiku zum Herbst dichten

Seit Jahrhunderten kennt die japanische Tradition ganze Kodizes, die oft viele Hundert kigo (Jahreszeitenwörter) umfassen. Eines davon haben wir ausgewählt: budō (= Trauben). Als Frucht steht es für den ganzen Herbst, auch für das Einbringen der Ernte, die Lese, sinnbildlich auch für die Früchte der Arbeit. Ein weites Feld mithin, beziehungsreich, ein weiter Raum für eigene Gedanken.

Lassen Sie sich inspirieren und schicken Sie uns Ihr Haiku. Es muss nicht das kigo zitieren, aber ein Bezug zur Jahreszeit Herbst sollte erkennbar sein. Wir sind gespannt auf Ihre Texte!

Einsendungen bis zum 15. Oktober

an

[email protected]

Stichwort: Haiku zum Herbst

Beiträge zur Mitgliederversammlung

Birgit Wendling

Impressionen von meiner Reise zur Mitgliederversammlung in Traben-Trarbach

Freitag, 3.5.2019

Das Flair von „Chez Mathieu“ bringt einen auf die seltsamsten Gedanken …

selbes hotel

andere frau

regen wie nadelstiche

Samstag, 4.5.2019

Während des Rechenschaftsberichts.

bunte sockenwolle

nadeln beiseitegelegt

ruhe vor dem sturm

Während der Aussprache zum Kassenprüfbericht.

diskussion

wogt hin und her

forderndes ehrenamt

Erschöpft nach der Mitgliederversammlung.

im buddha-museum

war ich

doch nicht

Alternativprogramm statt der gebuchten Führung.

wetter-allerlei

regen – schnee – sonne

kaffee auf der hotelterrasse

Abendessen in der historischen Stadtmühle.

gemeinschaft

essen – streiten – dichten

gelungener tag

Erinnerung an den zuhause gebliebenen Ehemann.

nachts augencreme

alles unscharf

außer dir

Sonntag, 5.5.2019

In Cochem an der Mosel.

goldregen und ginster

auf meiner strecke

zwischen fluss und stein

Umsteigen in Koblenz.

von 9 auf 3

gleise – silben

alles eins

Rechenschaftsbericht

meine Nachbarin zählt die Maschen

unzählbar

die Regentropfen auf dem Gras

Mitgliederversammlung

Moselweinberg

in die Stille huscht

eine Echse

Ruth Karoline Mieger

alter Weinkeller

der Geschmack

von Dunkelheit

Essen und Lachen –

die offenen Mäuler

Der Forellen

Angelika Holweger

Ellen Althaus-Rojas

DHG-Mitgliederversammlung: Renku – Der Versuch eines atmosphärischen Berichts

Nach der Mitgliederversammlung mit Wahl des neuen DHG-Vorstands war das gemeinsame Renku-Dichten beim Abendbrot eine überaus belebende und unterhaltsame Erfahrung japanischer Poesie. So kam es dazu:

Im Anschluss an den Besuch der Traben-Trarbacher Unterwelt fanden im Restaurant „Historische Stadt-Mühle“ Renate Diefenbach, Birgit Lockheimer, Birgit Wendling, Peter Michael Fritsch, Wolfgang Volpers, Martin Thomas, Masami Ono-Feller und Ellen Althaus-Rojas an einem Tisch zusammen. Nach kurzem Gespräch mit Masami darüber, dass Matsuo Bashō (1644–1694) eigentlich ein Renku-Meister war, kam mir spontan die Idee, wo wir alle so gemütlich und heiter zusammensaßen, könnten wir doch die Zeit nutzen und unter fachkundiger Leitung das Erlebte zu einem renku (連句: Kettengedicht) verdichten. Über Masamis Gesicht huschte ein Lächeln. Dann berichtete sie sehr persönlich und anschaulich von den Treffen ihrer jährlichen Renku-Gruppen in Japan.

Rasch waren zwischen einem ersten Schluck Moselwein und erstem Gang knapp die Regeln der Renku-Dichtung erklärt, Papier in viele Streifen zerteilt und an alle am Tisch ausgegeben. Die Stifte wurden gezückt, um in die Kettendichtung einzusteigen. Masami erläuterte, was es mit dem haikai no renga (俳諧の連歌) auf sich hat, wie sich daraus das moderne Renku entwickelte und welche Bedeutung es heute in Japan besitzt. Dort ist es bei Dichtertreffen üblich, dass der Gastgeber die gesellige Zusammenkunft mit einem hokku (発句 zu 5-7-5 Moren eröffnet, wobei dem kigo (季語: Jahreszeitenwort) eine große Bedeutung zukommt, weil es dazu dient, alle Teilnehmer unter einer gemeinsamen atmosphärischen Stimmung zu vereinen.

Ein hokku galt es nun, also auch in unserem spontanen Renku-Zirkel, als erstes zu finden, natürlich mit passendem Jahreszeitenwort. Masami konsultierte ihr von deutlichen Gebrauchsspuren gezeichnetes saijiki (歳時記: Jahreszeitenwörterbuch), um uns infrage kommende kigo vorzuschlagen. Wir dachten nach und schrieben auf. Welches kigo steht für Frühling, welches gehört schon in den Sommer, wo verläuft die Grenze zwischen den Jahreszeiten, nach japanischer Empfindung, nach unserem Empfinden in hiesigen Gefilden? Lebhafter Austausch begann.

… der Tau des Morgens / Frühlingsgewitter / Sommergewitter / Maitag / Sommertag / Graupel / im Sommer / der Tag verhagelt …? Es wurde überlegt, diskutiert, verworfen und geschrieben. Die Ergebnisse gingen in die erste Bewertungsrunde, alle Gedichte wurden von allen gelesen und in einer zweiten Runde mit Punkten auf der Rückseite der improvisierten Papierstreifen versehen. Mit der höchsten Punktzahl wurden folgende Zeilen gekürt:

Kaltes Kellerloch –

nach tausend Anekdoten

endlich ein Schluck Wein

Martin Thomas

Martin Thomas hatte damit den Anfang gemacht. Sein hokku stand, wenn auch zum Bedauern Masamis, ohne (eindeutiges) Jahreszeitenwort. Sie erzählte von Renku-Treffen in Japan und sprach von ihrem Lehrer und Meister (Hotokebuchi Kengo, Pseudonym „Jyakura“). Wir hörten ihr – soweit akustisch möglich – aufmerksam zu. Martin ergänzte, erläuterte, übersetzte, rückte zurecht. Spannend! Unmerklich verging die Zeit, unterbrochen nur von angestrengten Versuchen des Kellners, Ordnung in die Zuordnung der Weine zu bringen, und von uns, Ordnung in unsere Zettel zu bringen. Nach der Kälte in den Katakomben wurde uns warm und wärmer. Renate Diefenbach und Wolfgang Volpers brachten es mit ihren zweitplazierten Vorschlägen für ein hokku auf den Punkt:

Sommergewitter

unter der Uferweide

frierende Schwäne

Renate Diefenbach

Weißburgunderglanz

Kellergeister entkommen

der dunklen Fäulnis

Wolfgang Volpers

… und andere am Tisch sahen es so und dichteten:

Frühlingsgewitter

Aufruhr innen und außen

und doch keimt Hoffnung

(Autor/Autorin leider nicht zuzuordnen)

Im Tau des Morgens

lockt der erste Amselruf

die Tür blieb offen

(Autor/Autorin leider nicht zuzuordnen)

Einst an der Mosel

ließ man Goethe nächtigen

Graupel im Sommer

Masami Ono-Feller

Auf meinem Teller,

Nudeln mit Bärlauchpesto

der Tag verhagelt

Birgit Lockheimer

Doch bis die Teller gefüllt waren, dauerte es noch. Masami rief die nächste Runde aus. Nun galt es, das waki (脇句) zu dichten, entsprechend dem Versmaß 7-7. Wieder kreisten unsere Papierstreifen, landeten bei Masami, die – die Qual der Wahl – dank wachsamer Anmerkung Birgit Wendlings – auf die korrekte Anzahl der Moren reduziert – Martins hokku folgende Zeilen von Ellen als waki hinzufügte:

schwere Schritte unterm Grau

Frühlingsabend ohne dich

Ellen Althaus-Rojas

Nun kam Bewegung ins Spiel. Folgende waki wurden ebenfalls vorgeschlagen:

Güldener Glanz im Herzen –

welch Karaffenreflexe,

Birgit Wendling

Glanz in unseren Gläsern,

Glanz in unseren Augen,

(Autor/Autorin leider nicht zuzuordnen)

jetzt folgen Romane –

Essen wäre mir lieber

(Autor/Autorin leider nicht zuzuordnen)

Tour d´horizon –

thematisch irgendwo zwischen

Tokio und Traben-Trarbach

(Autor/Autorin leider nicht zuzuordnen)

Dann kamen die lang ersehnten Speisen endlich auf den Tisch. Während das Besteck schon klapperte, die Gläser klangen, schloss Masami wacker unsere spontane Kettendichtung mit ihrem folgenden daisan (第三) zu einem mitsumono (三つ物), obwohl sie vorhatte, ein omoteawase (表合) aus acht Gliedern zu veranlassen, das heißt von jedem Teilnehmer am Tisch einen Gedichtabschnitt für die Gesamtkomposition zu verwenden:

vor dem Heian-Schrein

trafen der Student und ich

Schirme im Regen

Masami Ono-Feller

Stadt-Mühle, Traben-Trarbach, 04.05.2019

sechzehn Verse –

am Ende ein mitsumono

auf unserem Papier

Dazu folgende Erläuterung von Masami Ono-Feller:

Die Form des mitsumono (三つ物) gehört zur Renku-/Renga-Tradition. Fast alle heutigen Renku-Dichter senden ein solches mitsumono als Neujahrsgruß auf einer Neujahrskarte an ihre Kollegen. Das bezeichnet man als „Neujahrs-Mitsumono“ (saitan mitsumono:歳旦三つ物). Diese Variante ist die kürzeste Form eines renku (連句: Kettengedicht) und besteht aus einem hokku (発句: Anfangsglied eines renku, 5-7-5), einem waki (脇句: zweites Glied eines renku, 7-7) und einem daisan (第三: drittes Glied eines renku, 5-7-5). Von den Dichtern Yosa Buson (1716–1783) und Tan Taigi (1709–1771) sind ausführliche Sammlungen erhalten.

Abschließend ein Wort des Danks allen an diesem Experiment Beteiligten für ihre spontane Bereitschaft, sich unter zugegebenermaßen nicht optimalen Bedingungen auf das Wagnis einer Kettendichtung einzulassen und die entstandenen Texte ohne die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur für diese atmosphärische Momentaufnahme zur Verfügung zu stellen.

Besonders danken möchte ich einerseits Masami Ono-Feller für ihre meisterhafte Leitung unseres Renku-Abenteuers und ihre fachlichen Erläuterungen und andererseits Martin Thomas für seine kompetente Durchsicht und Ergänzung des vorliegenden Berichts.

Collage Traben-Trarbach: Claudia Brefeld (Fotos: oben links: I. Hofmann / unten links: B. Heid)

Birgit Heid

DHG-Mitgliederversammlung, eine Haiku-Sequenz

Kaum eingestiegen und einen Sitzplatz gefunden nach der Abfahrt an die Mosel.

Zuggeräusche

ihre Rede von Schwangerschaft

und Abtreibung

In Völklingen steigt eine Gruppe junger biertrinkender Männer ein und kommt ins Palaver mit einem älteren Mann. Sie fragen ihn, ob er einst langjähriger Fahrkartenlocher war.

Fahrkartenkontrolle

der Alte hat nur noch

drei Zähne

Der ältere Mann hat es auch faustdick hinter den Ohren.

Zugbekanntschaft

er kommt aus

Mutti

Emiko Miyashita referiert über deutsche und japanische Haiku.

Kalenderhaiku

sie isst den Lebkuchenfisch

von hinten

Abendlicher Moselweg mit Ruth. Wir kommen an zwei Gedenksteinen vorbei. Der eine zeigt die tiefste Moselstelle an.

Hungerstein

sie feiern Niedrigwasser

Auf der Mitgliederversammlung.

Kassenprüfbericht

Aufregung wegen einiger

Schneeflocken

Zu Beginn der Weinkellerführung. Eine gemauerte, vom Wassergrund aus beleuchtete Quelle, in der fingerdicke, abgefallene Baumwurzeln liegen. Das Echo des Plätscherns.

Quellenwurzeln

im Tee bäumt sich ein

Regenwurm

Zwischen Mitgliederversammlung und Abendessen.

Alter Weinkeller

die Leere eines

Magens

Eine morgendliche Beobachtung der Stille. Der Vortrag im Rathausweinkeller.

Pestizid-Drohne

vor dem Abflug berührt die Nilgans

den Fluss

Die leuchtenden Farben des Untersetzers.

Befühle das Weinblatt

unter dem Glas der

ewige Herbst

Ruth erzählt über ihre Führung.

Buddhamuseum