Sommergras 135 -  - E-Book

Sommergras 135 E-Book

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Beschreibung

Auch in dieser SOMMERGRAS-Ausgabe hat sich die Redaktion wieder um spannende Vielfalt bemüht. In unserer Rubrik KreAktiv ließen sich 37 Autoren und Autorinnen von einem stimmungsvollen Herbstbild zum Haiku-Dichten inspirieren. In der experimentierfreudigen Rubrik HaiQ reflektiert Renate Straetling die Verwendung von Neologismen aus der digitalen Welt im Haiku. Der Förderung des Haiku und seiner verwandten Formen tragen selbstverständlich alle Sparten unserer Zeitschrift Rechnung: die Haiku-und Tanka-Auswahl unserer jeweils wechselnden dreiköpfigen Jury, die Mitgliederseite mit der Möglichkeit, ein Haiku für die Publikation frei zu bestimmen, sowie die Auswahl der Redaktion von Haiga, Haibun und anderen Dichtungen. Unser Kaleidoskop schillert dieses Mal besonders bunt dank der Porträts zweier sehr interessanter Dichterinnen: Conrad Miesen erinnert an die Schweizerin Leonie Patt, und Claudia Brefeld stellt die Japanerin Emiko Miyashita vor.

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Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.

Die Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.1 unterstützt die Förderung und Verbreitung deutschsprachiger Lyrik in traditionellen japanischen Gattungen (Haiku, Tanka, Haibun, Haiga und Kettendichtungen) sowie die Vermittlung japanischer Kultur. Sie organisiert den Kontakt der deutschsprachigen Haiku-Dichter untereinander und pflegt Beziehungen zu entsprechenden Gesellschaften in anderen Ländern. Der Vorstand unterstützt mehrere Arbeits- und Freundeskreise in Deutschland sowie Österreich, die wiederum Mitglieder verschiedener Regionen betreuen und weiterbilden.

1Mitglied der Federation of International Poetry Associations (assoziiertes Mitglied der UNE-SCO), der Haiku International Association, Tokio, Ehrenmitglied der Haiku Society of America, New York.

Anschrift

Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V., z. Hd. Stefan Wolfschütz, Postfach 202548, 20218 Hamburg

Vorstand

Info/DHG-Kontakt

Horst-Oliver Buchholz,

und Redaktion

[email protected]

Redaktion

Eleonore Nickolay,

[email protected]

Kassenwartin

Petra Klingl,

[email protected]

Website

Stefan Wolfschütz,

[email protected]

Claudia Brefeld,

[email protected]

Internationale

Klaus-Dieter Wirth,

Kontakte

[email protected]

Peter Rudolf,

[email protected]

Tony Böhle,

[email protected]

Bankverbindung:

Landessparkasse zu Oldenburg, BLZ 280 501 00, Kto.-Nr. 070 450 085 (BIC: SLZODE22XXX, IBAN: DE97 2805 0100 0070 4500 85)

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

auch in dieser SOMMERGRAS-Ausgabe hat sich die Redaktion wieder um spannende Vielfalt bemüht. In unserer Rubrik KreAktiv ließen sich 37 Autoren und Autorinnen von einem stimmungsvollen Herbstbild zum Haiku-Dichten inspirieren. In der experimentierfreudigen Rubrik HaiQ reflektiert Renate Straetling die Verwendung von Neologismen aus der digitalen Welt im Haiku. Der Förderung des Haiku und seiner verwandten Formen tragen selbstverständlich alle Sparten unserer Zeitschrift Rechnung: die Haiku-und Tanka-Auswahl unserer jeweils wechselnden dreiköpfigen Jury, die Mitgliederseite mit der Möglichkeit, ein Haiku für die Publikation frei zu bestimmen, sowie die Auswahl der Redaktion von Haiga, Haibun und anderen Dichtungen. Unser Kaleidoskop schillert dieses Mal besonders bunt dank der Porträts zweier sehr interessanter Dichterinnen: Conrad Miesen erinnert an die Schweizerin Leonie Patt, und Claudia Brefeld stellt die Japanerin Emiko Miyashita vor.

Zum Schluss gestatten Sie mir noch, das Wort an die DHG-Mitglieder unter unseren Lesern zu richten. Mit Freude kann ich Ihnen mitteilen, dass der neue Termin der Mitgliederversammlung in Berlin, die im letzten Jahr leider wegen Corona ausfallen musste, für das kommende Jahr nun feststeht. Bitte merken Sie sich jetzt schon das Wochenende von Freitag, den 13. bis Sonntag, den 15. Mai 2022 vor.

Die SOMMERGRAS-Redaktion wünscht Ihnen schöne Weihnachtsfeiertage im Kreis Ihrer Lieben und einen guten Start in das neue Jahr!

Ihre Eleonore Nickolay

Inhalt

Editorial

KreAktiv

Aufruf

Haiku-Kaleidoskop

Klaus-Dieter Wirth: Grundbausteine des Haiku (XLV)

Eleonore Nickolay: Französische Ecke

Moritz Wulf Lange: Die Anfänge des deutschsprachigen Haiku Teil 4 – Die ersten deutschsprachigen Haiku (2)

Haiga: Angelika Holweger

Conrad Miesen: Zum 15. Todestag von Leonie Patt. Porträt und Würdigung 1. Teil

Stefan Wolfschütz: Das Haiku im 21. Jahrhundert, ein Mini-Essay

Claudia Brefeld: Emiko Miyashita

Haiga: Claudia Brefeld und Paul Bernhard

HaiQ

Haiga: Claudia Brefeld und Paul Bernhard

Auswahlen

Haiku- und Tanka-Auswahl

Mitgliederseite

Haiga: Claudia Brefeld und Bernadette Duncan

Haibun

Haiga: Gabriele Hartmann

Tanbun

Tan-Renga

Rengay

Rezensionen/Besprechungen

Klaus-Dieter Wirth: „Augenblicke, die nicht verblassen“ von Wolfgang Gründer

Moritz W. Lange: „Die Bewahrung des Haiku als Kunstform im zwanzigsten Jahrhundert durch T. Kyoshi“ von Finn Harder

Sylvia Bacher: „Beobachtungen von Gegenüber“ von Traude Veran

Thomas Opfermann: „Japan-Glossar 2.0“ von Klaus-Dieter Böhm

Thomas Opfermann: „Noch schläft der Igel unterm Reisighaufen“ von Gisela K. Wolf

Gabriele Hartmann: „stille sturm und rote düfte – Haiku 2020“ von Ralph Günther Mohnnau

Haiga: Gabriele Hartmann

Gabriele Hartmann: „Bashōs kleiner Freund“ von Traude Veran

Rüdiger Jung: „Winterlinge – Gedankenflocken“ von Georges Hartmann

Horst-Oliver Buchholz: Werkstattgespräch mit Ralph Günther Mohnnau

Haiga: Christof Blumentrath

Berichte

Volker Friebel: Preis der Netzpräsenz Haiku heute

Eleonore Nickolay: Online-Event „Haiku als Brücke zwischen europäischen Sprachen und Japanisch“

Mitteilungen

KreAktiv

In SOMMERGRAS 134 riefen wir auf, ein Haiku zu schreiben, um in Verbindung mit dem stimmungsvollen Herbstbild von Horst-Oliver Buchholz ein Haiga zu gestalten. Das bedeutete, dass wir Haiku erwarteten, die keine reine Beschreibung dieser herbstlichen Szenerie geben. Die Fragen von Horst-Oliver Buchholz in unserem Aufruf deuteten es an: „Manches lässt sich erblicken in diesem Bild, nicht wahr? Was sehen Sie, welche Gedanken und Assoziationen setzt das Bild frei? In diesem Sinne sprach die Juroren unter den insgesamt 37 Einsendungen das Haiku von Christa Beau ganz besonders an:

Gestaltet von Eleonore Nickolay

Und hier noch weitere Haiku, die die Juroren für gelungen befunden haben:

verwilderter Garten auf leeren Stühlen ruht das Licht

Stefanie Bucifal

Herbstwind im Postkorb heute nur bunte Blätter

Hildegard Dohrendorf

unsere gespräche – als würden sie noch rascheln im laub …

Ruth Guggenmos-Walter

Teestunde wir wärmen unser Gespräch noch einmal auf

Gabriele Hartmann

Farbberatung im neuen Make-up schimmern noch Sommertöne

Ruth Karoline Mieger

Septemberstille – dort sitzen bis der Schatten unsre Bank erreicht

Angelica Seithe

täglich das flüstern im wind ihr ausgedünntes haar

Helga Stania

Alle weiteren eingesendeten Haiku sind wie immer auf „Hallo Haiku“, dem Online-Portal der Deutschen Haiku-Gesellschaft, nachzulesen: https://haiku.de/sommergras-135/

Aufruf:

Dichten Sie ein Haiku zum Thema „Licht in dunklen Tagen“

Die Winterzeit nennt man bisweilen ja auch die dunkle Jahreszeit. Wenn die Tage kürzer, die Nächte länger werden, kann der Mangel an Licht den Menschen gar betrübt bis depressiv stimmen. So ist es kein Zufall, dass eine gute Stimmung und ein sonniges Wetter mit dem gleichen Adjektiv umschrieben werden, nämlich „heiter“. Unter den Tipps auf einer Webseite, was man an Schönem auch in dieser Jahreszeit unternehmen kann, war das Sterneschauen aufgeführt! Spüren Sie in einem Haiku das Licht und die Lichter der dunklen Tage auf. Ist es der Aufgang der Venus oder die Sichel des Mondes? Ist es ein Scheinwerfer oder eine Leuchtreklame? Sind es die Kerzen daheim oder die Lichterketten draußen auf den Plätzen und in den Straßen? Und bedenken Sie: Auch Augen können strahlen, besonders in der Weihnachtszeit.

Bitte schicken Sie ein Haiku an:

[email protected] Stichwort: Haiku KreAktiv Einsendeschluss: 15. Januar 2022

Haiku-Kaleidoskop

Klaus-Dieter Wirth

Grundbausteine des Haiku (XLV)dargestellt an ausgewählten Beispielen

Metapher

Die Metapher1 ist ein schon altes, sehr komplexes sprachliches Gestaltungsmittel, erst recht bei interkultureller Betrachtung! Um nicht zu vorschnellen, ungerechtfertigten Vorstellungen zu gelangen, ist es in diesem Fall besonders wichtig, sich gründlich mit der Materie auseinanderzusetzen. Ein Urteil wie „Auch für Metaphern oder neue Wortschöpfungen bietet die Form keinen Platz.“2 wird jedenfalls der Sachlage keineswegs gerecht, übrigens keine Einzelmeinung, sondern eine Mahnung, die etwa in den USA immer noch beharrlich vorgetragen wird. Der englische Haiku-Autor Mark Rutter fasste diese fehlgeleitete Ansicht so zusammen:

„Es ist ein Allgemeinplatz unter Haiku-Dichtern und -Lesern, dass die Metapher eine ausgesprochen abstrakte, poetische Technik darstellt, dass sie die Aufmerksamkeit von dem Gegenstand der Betrachtung ablenkt auf die psychische Verfassung des Dichters und damit die Wahrnehmungsweisen des Dichters auf den Leser überträgt.“3

Am Ende seiner Ausführungen rückt er diese Meinung, wie folgt, in seinem Sinne zurecht:

„Metaphorische Sprache bezieht sich ganz und gar auf die Beziehungen zwischen den Dingen. Die letztliche Folgerung bei der Metapher ist darin zu sehen, dass alles mit allem eins ist – eine Einsicht, die meines Erachtens jeden Haiku-Dichter ansprechen sollte.“4

Auch an anderer Stelle heißt es: „Alle Arten von Gleichnis oder Metapher wurden von den Alten ’die innere Seele der Sprache‘ genannt.“ Und noch ein weitsichtiges Zitat: „Die Metapher ist ein instinktiver und notwendiger Akt des Geistes bei der Erforschung der Wirklichkeit und Ordnung der Erfahrung.“5 Kyuro Oda, der japanische Herausgeber des Werks von Tomas Tranströmer6, trug folgende Äußerung zur Aufwertung der Metapher bei: „Viele von der alten Schule weisen die Metapher im Haiku zurück, doch auch sie ist eine Bildform, und zwar eine, die das Ausgangsbild durch Extraenergie verstärkt.“ Und dennoch, selbst Jane Reichhold7, die verdienstvolle amerikanische Haiku-Autorin, Herausgeberin und Übersetzerin von Bashōs Gesamtwerk, konnte kaum etwas an der vorurteiligen Einstellung ihrer Landsleute in Bezug auf die Metapher ändern.

Wie also steht es nun um die unvoreingenommene Beschreibung einer Metapher? Generell bezeichnet sie ein spezielles sprachliches Bild, „dessen Bedeutungsübertragung auf Bedeutungsvergleich beruht: das eigentlich gemeinte Wort wird durch ein anderes ersetzt, das eine sachliche oder gedankliche Ähnlichkeit oder dieselbe Bildstruktur aufweist (z. B. ,Quelle‘ für ,Ursache‘).“8

Zunächst bleibt festzuhalten, dass keine Sprache so präzise und umfangreich ist, dass sie für alle vorliegenden Erscheinungsformen auch eine eigene Bezeichnung kennt. So bildet sich im Laufe der Zeit vielmehr zwangsläufig im Sinne einer Ökonomie des Wortschatzes ein Fundus, der auch die Aufnahmefähigkeit seiner Sprecher nicht überfordert. Bekanntes wird zu neuen Vorstellungen zusammengeführt. Schon allein dadurch entstehen quasi notwendige Metaphern, wie ‚Brückenkopf‘ oder ‚Schneckentempo‘. Werden neue Dinge entdeckt oder erfunden – dies lässt sich insbesondere bei der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung gut verfolgen – kommt es in der Regel rasch zu metaphorischen Neologismen, deren Komponenten der gängigen Alltagssprache entnommen wurden, wie es etwa bei den Beispielen ‚Glühbirne‘ oder ‚Atomkern‘ gut nachzuvollziehen ist. Oft wird das gleiche Verfahren auch angewendet, um sperrig erscheinende Begriffe eingängiger zu machen. Als Beispiel möge hier die botanisch korrekte Blumenbezeichnung ‚Wisteria‘ bzw. ‚Wisterie‘ dienen, allgemein wohl schon eher als ‚Glyzin(i)e‘ bekannt; doch viel anschaulicher kommt zweifelsohne der geläufigere Name ‚Blauregen‘ daher.

Hieraus ist bereits zu schließen, dass die Metapher im Allgemeinen nicht nur im Hinblick auf Wortneuschöpfungen – notwendige wie auch willkürliche – unentbehrlich ist, sondern auch im Hinblick auf Klarstellungen durch Konkretisierung, wobei gerade der Rückgriff auf konkrete Phänomene der ureigensten Ausrichtung des Haiku entspricht! Diese Art von Metaphern tritt wegen ihrer weitgehend unauffälligen Verwendung in der Alltagssprache sozusagen unbewusst auf. Man ziehe etwa noch folgende Beispiele zur Verdeutlichung heran: ‚die Rabeneltern, Warteschlange, Mauer des Schweigens, Nadel im Heuhaufen, rosarote Brille, den Nagel auf den Kopf treffen, der Schnee von gestern.‘9 Ganz anders sieht es bei den uns vornehmlich im dichterischen Bereich begegnenden Metaphern aus:

„Die bewußten (akzidentiellen) Metaphern werden ihrer poetisch stilistischen Wirkung wegen gesetzt, durch Analogie und Assoziation erschließen sie insbesondere der dichterischen Sprache eine zusätzliche expressive Tiefendimension und erweitern ihren Bedeutungsraum.“10

Poetische Metaphern greifen demzufolge nicht auf allgemein geläufige Analogien zurück, sondern überraschen durch neue, frische, unerwartete Bildkombinationen. Für den Einsatz im Haiku kommt unter poetischem Gesichtspunkt logischerweise vor allem diese Art von Metaphern in Frage.

Ausgangspunkt in diesem Zusammenhang ist der verkürzte Vergleich11, ein einfaches Verfahren, bei dem nur die Vergleichspartikel ‚wie‘ weggelassen werden muss. So wird aus dem bloßen Vergleich ‚Hektor kämpfte wie ein Löwe‘ die eindrucksvollere Metapher ‚Hektor war ein Löwe im Kampf‘. Dabei werden nun letztlich die beiden verschiedenen Bedeutungssphären nur noch durch ein sogenanntes tertium comparationis12 zusammengehalten, ihre in einem Punkt verbliebene Ähnlichkeit. In diesem Beispiel also die besondere Stärke des Königs der Tiere und die des trojanischen Helden der Ilias. Die Auflösbarkeit dieser rhetorischen Verschlüsselung wird umso problematischer, je weiter sich der Dichter von einer rückholbaren zu einer absoluten Metapher bewegt. Ein häufig zitiertes Beispiel hierzu ist die ‚schwarze Milch der Frühe‘ aus Paul Celans Gedicht ‚Die Todesfuge‘.

Schwer zu sagen, wie das folgende Haiku interpretatorisch einzuordnen ist:

darkening sea – the cries of wild ducks faintly white13

Matsuo Bashō (JP)

dunkelnde See – die Schreie der Wildenten matt weiß

Nur ein Beispiel für Synästhesie14 oder doch eins für eine schon fast absolute Metapher mit dem Aufhänger der matter werdenden Schaumkronen des Meeres? Wie dem auch sei, für japanische Verhältnisse ein erstaunlicher Beleg, zeigt sich die Metaphorik doch hier generell in einer ganz anderen Form, nämlich deutlich zurückhaltender, indirekt, nicht so offen und direkt wie üblicherweise in den westlichen Literaturen. Besonders aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist die Beobachtung, dass sich letztlich erst im modernen, avantgardistischen Gendai-Haiku klare Beispiele finden lassen, offensichtlich eine Folge des Einflusses aus dem Westen.

Shoved off the stairs – falling I become a rainbow15

Ban’ya Natsuishi (JP)

die Treppe hinab fallend werde ich ein Regenbogen16

Ansonsten ist – wie bereits gesagt – die Bildung einer Metapher im japanischen Haiku prinzipiell anders zu betrachten, kommt sie doch nicht als mental-emotionaler Akt durch ein lyrisches Ich17 zustande, sondern primär ausgelöst durch ein Phänomen im Jahreszeitenablauf.18 So hat etwa der japanische Literaturwissenschaftler Haruo Shirane darauf hingewiesen, „dass in den Haiku Bashōs oft eine subtile Metaphorik enthalten ist bzw. dass ein Haiku mehrere Bedeutungsebenen haben kann. Dass ein schlichter Text wie

Abend im Herbst. Auf einem dürren Ast hockt eine Krähe.19

Matsuō Bashō (JP)

als „objektives“ Naturbild und gleichzeitig als Metapher für das Altern