Sonnenkind im Regen - Doris Angerstein - E-Book
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Sonnenkind im Regen E-Book

Doris Angerstein

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Beschreibung

Sonnenkind im Regen Ein herzbewegender Roman mit autobiographischen Zügen Gegen den Rat ihrer Mutter heiratet Margarete und zieht mit Georg auf den Hof seiner Eltern. Es weiß zu diesem Zeitpunkt niemand, dass sie schwanger ist. An einem heißen Sommertag, beim Heu wenden, setzen plötzlich ihre Wehen ein. In einer rasanten und abenteuerlichen Fahrt auf einem klapprigen Leiterwagen kutschiert Georg sie nach Hause. Kurze Zeit später bringt sie ein gesundes Mädchen zur Welt, das ein Junge werden sollte. Dorina ist klein, viel zu klein. In schlaflosen Nächten kämpfen Mama und Oma um ihr Überleben. Es sollte nicht ihr letzter Überlebenskampf gewesen sein. Doris Angerstein fesselt ihre LeserInnen mit diesem spannenden und kurzweiligen Trip in ihre ereignisreiche Kindheit. Erleben Sie dramatische Situationen, bei denen sie auf sich allein gestellt ist und daraus Kraft und Stärke entwickelt. Lesen Sie, wie sie die Wunder der Natur entdeckt, die Macht der ersten großen Liebe fühlen darf und Geborgenheit in der Leidenschaft findet.

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dankesworte

Sehr herzlich bedanke ich mich bei meinen TestleserInnen:

Bidi B., Brigitte Z. und Hella W.

Ohne eure ermutigenden Worte

hätte ich nicht weitergeschrieben.

Für das Korrekturlesen und die geduldige einfühlsame Manuskriptbesprechung geht mein ganz besonderer Dank an Frau Dr. Maria W.

Inhaltsverzeichnis

Weiße Callas verbergen ein Geheimnis

Der ersehnte Sohn, der eine Tochter war

Kurze Alleinherrschaft eines Zwillings

Geschenke und Klamotten

Geheimnisvolle Streifen und ein zerbrochenes Fenster

So muss wohl Sterben sein

Omas Wunderding

Ein verhängnisvoller Nachmittag

Eiskaltes Bad und Schicksalsstraßen

Fliegende Verteilerdosendeckel

Ungewöhnlicher Schwimmunterricht

Das Geheimnis meiner Schwester

Ein alter Herd und kein Heimweh

Die neue Kartoffelsammelhose

Keine Weihnachtsgeschenke

Frühlingsgefühle

Kein neuer Badeanzug

Kribbeln im Bauch

Überraschung im Ferienlager

Traurige Heimkehr

Herzloser Befehl

Vier auf einem Fahrrad

Meine Jugendweihe

Nur Vizemeister

Pitchenrennen

Schwere Prüfungen

Abschlussball

Hoffnung auf Meer

Weiße Callas verbergen ein Geheimnis

Ein Frühlingstag im Mai neigt sich dem Ende zu. Die Luft ist schwül. Wölkchen plustern sich in kürzester Zeit zu dicken Wolken auf, die den ersehnten Regen in ein kleines Dorf der Börde bringen.

Es wird Zeit für Margarete endlich zu schlafen, aber immer wieder eilt sie zum Fenster und beobachtet den dunkler werdenden Himmel.

Die letzte Nacht in ihrem Elternhaus, in ihrem kleinen Zimmer unter dem Dach. Für das Nesthäkchen hatte es ihre Mutter einfach, aber liebevoll eingerichtet. Ein Bett, das einst ihrem Großvater gehörte, ebenso der Wäscheschrank und ein alter Ohrensessel, in dem sie stundenlang in alten Büchern versank. An den Wänden zeigen schwarz-weiße Fotos in goldfarbenen Rahmen ihre glückliche Kindheit mit den geliebten Eltern und den drei älteren Brüdern. Auf dem Dielenboden vor dem Schrank und dem Bett platzierte Margarete je einen kleinen Läufer aus Schafswolle, die ihr der benachbarte Schäfer als Andenken an seine verstorbene Frau geschenkt hatte.

Die Jugendzeit war getrübt durch den Krieg und erfüllt von Traurigkeit, denn zwei ihrer Brüder wurden in Russland vermisst und kehrten nie mehr nach Hause zurück. In diesen Jahren verlor sie auch den Vater durch einen Motoradunfall. Diese furchtbaren Schicksalsschläge schmiedeten sie mit ihrer Mutter und dem einzigen Bruder noch enger zusammen.

Gedankenversunken schlüpft sie in ihr dünnes Blütennachthemd, ein Geschenk ihrer Mutter zum letzten Geburtstag.

„Hoffentlich regnet es morgen nicht“, murmelt sie und kuschelt sich in ihr weiches Federbett. Erschöpft von dem aufregenden Tag schläft sie schnell ein. Der Himmel verdunkelt sich zusehends und die ersten Blitze erhellen den nun schwarzen Himmel. Noch war aus der Ferne nur ein leichtes Grummeln zu vernehmen, doch die Gewitterwolken ziehen, durch den Wind getrieben, schnell näher. Plötzlich ein lauter Knall, er lässt Margarete aus dem Schlaf hochschrecken. Ihr Herz rast vor Angst.

„Was war das denn?“

Schlaftrunken tippelt sie zum Fenster. Sturm und Regen peitschen abgerissenes Laub und Blütenblätter durch den Garten. Grelle Blitze erhellen die Umgebung und wechseln sich mit grollendem Donner ab, als wollte die Welt untergehen.

„Oh nein, oh nein.“

Tränen fließen über ihre geröteten Wangen. Es soll doch morgen der schönste Tag in ihrem Leben sein! So kann alles nur trostlos und traurig werden. Sie trottet zurück in ihr Bett. Fröstelnd zieht sie ihre Bettdecke über den Kopf und die Knie dicht an ihren Körper, wie sie es oft als Jugendliche tat in den schlaflosen Nächten der Kriegswirren. Dazu drängen sich noch die mahnenden Worte ihrer zweifelnden Mutter in den Kopf.

„Kind, überlege dir das noch einmal, ob Georg der Richtige für dich ist!“.

Waren der Sturm, der Regen, die Blitze und der Donner ein Zeichen? Ein schlechtes Zeichen? Bisher trafen die Appelle der Mutter bei ihr auf taube Ohren, doch nun dieses Unwetter? Sollte es ein schlechtes Omen sein? Weinend schläft sie wieder ein.

Nach Stunden eines unruhigen Schlafes schreckt sie erneut auf.

„Immer noch Gewitter?“

Sie rennt abermals zum Fenster. Staunend erblickt Margarete den klaren Himmel und ein Lächeln huscht über ihr blasses und verweintes Gesicht.

„Keine Wolken mehr da, der Himmel ist blau, oh wie schön. Nun wird alles gut“ und sie huscht schnell noch einmal in die warmen Federn.

Im hellen Sonnenlicht glänzt das zarte Grün des Fliederbusches, als wäre es über Nacht lackiert worden. Kleine lila Blütenknospen äugen aus seinem Blättermeer hervor. Der ganze Garten scheint wie frisch gewaschen. Im Takt des leichten Windes wiegen sich die bunten Blumen im Vorgarten.

„Doch was war das? Doch ein Donner?“, denkt sie, zuckt abermals zusammen und saust wieder zum Fenster.

Nein, es war ein Paukenschlag.

Es ist der 26. Mai 1951 07:00 Uhr. Im Takt eines Marsches ziehen Musikanten zum Haus ihrer zukünftigen Schwiegereltern.

Mit der flachen Hand klatscht sie sich an ihre Stirn und jubelt erleichtert.

„Es ist der Weckruf für den Bräutigam“. Für trübe Gedanken ist jetzt keine Zeit mehr, nun ist Eile geboten, um pünktlich bereit zu sein für den Schritt in eine unbekannte Zukunft.

Das Dorf, in dem Margarete lebt, ist eines der ältesten in der Börde. Renovierungsbedürftige Häuser und Scheunen säumen die mit Kopfsteinen gepflasterten holprigen Straßen.

Zitat

Am südlichen Ortsrand speist die Große Renne einen ca. 10ha großen See mit einer Insel. Dieser wird nach Norden, vorbei am Wasserschloss, in den Mühlenteich und dann in die Spetze entwässert, die später in die Aller mündet. An seinem westlichen Ufer schlängelt sich ein Park entlang, der Ende des 19. Jahrhunderts als Englischer Landschaftsgarten gestaltet wurde. Als Ansiedlung findet dieser Ort bereits 961 in einer Schenkungsurkunde für das Magdeburger Moritzkloster von Otto I. Erwähnung. Den Mittelpunkt des Ortes bildet die 1552 als Fachwerkbau errichtete evangelische Kirche. Auf Veranlassung einer Adelsfamilie wurden 1722 – 1727 die Außenwände massiv als barockes Bruchsteinmauerwerk erneuert. An ihrer Westseite reckt sich, zum Teil in das Kirchenschiff einbezogen, ein mächtiger Kirchturm gen Himmel, der in seinem Kern möglicherweise bis ins Mittelalter zurückgeht. 1571 wurde diesem eine achteckige geschweifte Haube aufgesetzt. In ihr befinden sich die Glocken.

Hier und heute werden Margarete und Georg, begleitet von Orgelmusik und dem Klang der alten Kirchenglocken, zum Altar schreiten, um sich das Ja-Wort zu geben.

Pünktlich um 11:00 Uhr versammeln sich die geladenen Verwandten, Freunde und Nachbarn im Garten vor ihrem Elternhaus. Nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren langen die Ersparnisse der Brautmutter gerade, um eine „halbwegs anständige“ Hochzeit auszurichten.

Weit über die Grenzen des Dorfes hinaus werden bereits die klingenden Glocken des Kirchturmes vernommen. Sie werden erst verstummen, wenn das Brautpaar die Kirche und den Altar erreicht.

Es ist höchste Zeit für die Hochzeitsgesellschaft, sich auf den Weg zu machen.

„Friedrich, nu kumm, wie möt anfangen!“, fuhr Margaretes künftige Schwiegermutter Emmi den nicht mehr taufrischen Vetter an.

„Hier is de Liste!“.

„Lies aber langsam und laut“, bekam er den nächsten Befehl in Hochdeutsch von ihr.

Die Namen der geladenen Gäste, die sich zum Spalier aufstellen sollen, hatte Margarete mit sauberer Handschrift darauf notiert.

Hastig rubbelt Friedrich mit seinem viel zu oft benutzten Taschentuch und viel Spucke an den leicht verfetteten, einer Lupe ähnelnden Gläsern seines Kneifers. Mit zittriger Hand klemmt er ihn endlich auf seine vom Rotwein gerötete Knubbelnase. Den Zylinder unter den linken Arm geklemmt, steht er kerzengerade und blickt mit ernster Miene zu den Wartenden, wissentlich der Ehre seiner jetzigen Aufgabe. Langsam und würdevoll zitiert er die Namen, wobei er das leise Kichern und Tuscheln einiger Anwesenden zu ignorieren weiß, denn seine kindliche Stimme wollte überhaupt nicht zu seiner großen runden Gestalt passen.

Das Spalier steht und plötzlich verwandelt sich lautes Gemurmel in leises Raunen, denn langsam öffnet sich die Tür zum Haus.

Gebunden aus frischem Tannengrün, geschmückt mit weißen Schleifen, windet sich eine dicke Girlande um den grauen Türrahmen. Vier kleine Mädchen in rosa Kleidern und mit Blumenkränzen im Haar schreiten langsam die Treppe hinab und verstreuen bunte Blütenblätter.

„Jetzt kommen sie“, flüstert eine in edlem Tuch gekleidete Nachbarin.

Neugierig sind alle Blicke zur Tür gerichtet.

Den Arm in den des Bräutigams gelegt, schmiegt sich Margarete dicht an ihn. Die Blässe ist einer leichten Röte gewichen, ihre Unsicherheit überspielt sie mit einem Lächeln. In ihren schwarzen schulterlangen Locken hält ein Diadem aus frischer Myrte den weißen bodenlangen Schleier. Das schlichte weiße Brautkleid nähte die Mutter des Bräutigams und keiner ahnt, dass es einmal ein Fallschirm war. Ebenso schmückt Myrte das Revers des schwarzen Anzuges, den sich der Bräutigam von seinem Vater geliehen hat. Geschickt hält Margarete ihren Brautstrauß aus langstieligen weißen Calla im Arm, um ihr kleines Geheimnis, das sie unter ihrem Herzen trägt, vor neugierigen Blicken zu verbergen.

Der ersehnte Sohn, der eine Tochter war

In Georgs Elternhaus richtet sich das junge Paar in der ersten Etage ein Schlafzimmer ein. Wohnzimmer und Küche werden gemeinsam mit den Schwiegereltern genutzt. Zusammen kümmern sich Jung und Alt um den landwirtschaftlichen Betrieb.

An einem herrlichen Sommertag, es war der sechzehnte August, planen sie gleich nach dem Frühstück gemeinsam auf die Wiese zu fahren, um das Gras zu wenden, das Georg am Vortag mit der alten Sense seines Vaters gemäht hat. Er spannt das klapprige Pferd und die betagte Kuh vor den vorsintflutlichen Leiterwagen. Er verstaut die Rechen und den aus Weidenruten geflochtenen Korb mit der Vesper hinter dem Sitz des Kutschers. Die Vesper, eine karge Mahlzeit, besteht aus Malzkaffee und Schmalzstullen, alles fein abgedeckt mit einem Leinentuch, um ungebetenes Krabbelgetier fernzuhalten.

„Schwiegermutter, du mosst mi helpen, ik kumme nich allene ob den Wagen“, ruft Margarete.

Ihr Bäuchlein, das sie im Mai noch gut verstecken konnte, hatte beträchtlich an Umfang zugelegt und schränkte sie in ihrer Beweglichkeit erheblich ein.

„Warte, ick schiebe von hinde.“

Hups, gerade konnte sie sich noch an einer Latte halten und krabbelt auf allen Vieren zur Mitte des klapprigen Gefährtes. Schwiegermutter noch - rop ob den Wagen - und mit einem Hü vom Kutscher traben die ungleichen Zugtiere in Richtung Wiese.

Eine Haarsträhne löst sich aus Margaretes Kopftuch und flattert lustig auf ihrer Stirn. Obwohl diese Fahrt eine harte und holprige Angelegenheit war, kann sie die kurze Zeit der Entspannung genießen. Das benachbarte Grünland, das dem großen runden Vetter gehört, steht in voller Blüte. Gelbe Sumpfdotterblumen, wohlriechende Veilchen, weiße Buschwindröschen und blaue Leberblümchen, Gänseblümchen und Löwenzahn begrüßen die ankommende Fuhre. Eine Lerche schreckt vom Pferde-Kuh-Getrappel aus ihrem Nest am Boden auf und flattert mit wildem Gezwitscher gen Himmel.

Margarete schließt kurz ihre Augen, um den bunten Blütenzauber, das Gefühl des warmen Sommerwindes auf ihrer Haut und den Duft von frischem Heu in ihr Gedächtnis einzuschließen. Da drängt die Schwiegermutter zur Eile:

„Stah nich lange rum, hier is de Rechen, fange gliegs da oben an, wie hätt keine Tiet“, fordert sie Margarete streng auf, das Gras zu wenden, ohne Rücksicht auf ihren Zustand zu nehmen. Margarete trottet unbeholfen durch das gemähte Grün zu dem ihr zugewiesenen Platz und beginnt zu harken.

„Bis Middach mot gewendet sin, damit wie es am Abend obladen könn“, wettert immer noch die verständnislose Schwiegermutter.

Ohne ein Wort zu verlieren, nimmt auch Georg seinen Rechen. Das halbtrockene Gras fliegt mit Schwung von der einen zur anderen Seite. Nach kurzer Zeit beginnt Margaretes Rücken zu schmerzen.

„Sicher eine Folge der einseitigen Bewegung“, denkt sie kurz und versucht, ihr Tempo beizubehalten.

Unwohlsein zwingt sie nun doch, eine Pause einzulegen. Begleitet von argwöhnischen Blicken der Schwiegermutter, findet sie hinter dem Fuhrwerk ein wenig Schatten. Sie setzt sich und genießt einen Schluck lauwarmen Malzkaffee aus der braunen steinernen Trinkflasche. Mit ihrem Kopftuch wischt sie sich den Schweiß von der Stirn und lehnt sich an das Wagenrad, um ein wenig auszuruhen.

Hatte ihre Mutter sie nicht gewarnt? Schon, aber dass es so kommt? Nach dem Krieg war sie mit ihrem großen Bruder und der Mutter allein. Trotz der schweren Zeit gingen sie immer freundlich und rücksichtsvoll miteinander um, trotz der vielen Arbeit im Gasthaus.

„Wann kümmste denn nu, wie möt fartig wern“, schallt es wieder über die Wiese.

Margarete hangelt sich am Wagenrad hoch, bückt sich, um den Rechen aufzuheben, da passiert es. Warmes Wasser rinnt an ihren nackten Beinen auf den weichen Wiesenboden.

„Mein Gott, ist es soweit?“, fragt sie sich ungläubig.

Sie hat Angst - Angst vor dem Unbekannten, das nun unwiderruflich auf sie zukommt und Angst vor der Schwiegermutter.

„Et is so wiet“, hallt ihr banger Ruf über die Wiese, den die Schwiegermutter aber nicht ernst nehmen will. Auch Georg lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Et is so wiet“, ruft sie noch einmal.

„Et is so wiet?“, stutzt die Schwiegermutter nun doch.

„Dat kann doch nich sien?“.

Sie schleudert verärgert die Holzharke ins Gras und brummelt weiter:

„Et is doch noch vel te freu, kann dat nich noch afwarten, nu schaffen wi hüte wedder dat Heu nich!“

Doch sie will sich Gewissheit verschaffen. Unbeholfen watschelt sie durch das eben gewendete Gras, über ihrem runden Bauch hüpft der füllige Busen im Takt ihrer eiligen Schritte auf und ab. Immer wieder wischt sie sich den Schweiß mit dem großen Herrentaschentuch vom Gesicht, das sie mit einer Sicherheitsnadel am Träger ihrer Schürze befestigt hat, streicht ihre kurzen weißen dauergewellten Locken nach hinten und stöhnt:

„Wedder ne Hitze hüte“.

Am Wagen angekommen, reicht ihr ein kurzer Blick in Margaretes hilfesuchende Augen. Umgehend dröhnt lautstark ein Befehl in Richtung Georg, der immer noch gemächlich, unberührt von dem Hilferuf seiner jungen Frau, das Gras von einer zur anderen Seite befördert.

„Hole dat Perd und de Kau, wie möt na Hus!“

Nun hat auch Georg verstanden, was die Stunde geschlagen hat. Er wirft den Rechen auf den Boden und rennt Hals über Kopf an das andere Ende der Wiese, um die Tiere zu holen. Unbekümmert von den Ereignissen, versüßen sie sich ihr bitteres Leben mit frischen Gräsern von der Nachbarwiese.

Die bekannte Schwierigkeit, auf den Wagen zu kommen, wird zur Nebensache - nur keine Zeit verlieren, nur nach Hause und die Hebamme holen. So schnell es das ungleiche Gespann zulässt, holpert das Vehikel über den Feldweg und weithin lässt eine Staubwolke hinter ihm eine eilige Fahrt erahnen.

Neues Leben will zwei Monate zu früh das Licht der Welt erblicken.

Sechs Stunden später „sehe“ ich an einem Donnerstag das erste Mal Licht am „Ende des Tunnels“ - ein Kind, im Sonnenzeichen Löwe geboren. Ein Sonnenkind.

Endlich ist er da, freut sich mein Vater, als er auf dem Hof den ersten erlösenden Schrei von mir vernimmt. Der ersehnte Sohn, der dann leider nur eine Tochter ist, und mit einem Gewicht von 2.300 Gramm nicht gerade ein Wonneproppen. Die Hebamme legt mich in Mamas Arm. Sorgenvoll blicken sich Mutter und Großmutter Emmi schweigend an, als hätten sie den gleichen Gedanken:

„Wie kriegen wir das kleine Bündel nur durch?“

Mit viel Mühe und wenig Schlaf haben sie es geschafft. Mein erster Überlebenskampf - er sollte nicht der letzte gewesen sein.

Kurze Alleinherrschaft eines Zwillings

Mein erster Geburtstag. Die Verwandten tätscheln meine rosigen Pausbäckchen, denn den Skeptikern hatte ich ein Schnippchen geschlagen und mich trotz vieler Probleme ganz gut entwickelt. Meine fleischigen Oberschenkel, die wie kleine dicke Würste lustig in der gelben kurzen Hose strampeln, überzeugen nun auch den letzten Pessimisten. Erste Gehversuche enden noch auf der weichen Baumwollwindel, die oft besonders gepolstert ist. Das Waschen dieser Pakete bereitet meiner Mutter wenig Freude. Eine Waschmaschine und eine Schleuder, eine Illusion.

Zitat

Obwohl das erste Patent für diese hilfreiche Einrichtung bereits am 18. August 1691 an einen englischen Ingenieur vergeben wurde.

Im „Reich“ meiner Mutter gibt es sie nicht. Es ist der permanenten Ebbe in der Haushaltskasse geschuldet.

Die „große Wäsche“ bewältigt sie am Waschtag einmal im Monat in der Waschküche. Dort werden auch die Kartoffeln für die Schweine im Elektrodämpfer gegart. Am Abend zuvor weicht sie Berge gesammelter Klamotten der gesamten Familie im großen eingemauerten Kupferkessel ein. Ebenso kocht sie in diesem Bottich im Herbst Pflaumenmus und rührt es stundenlang mit einem riesigen Holzlöffel. Am Schlachttag wird dort erst das Wasser erhitzt, um den toten Tierkörper abzubrühen, damit sich die Schweineborsten lösen, die anschließend mit kegelförmigen Schabern entfernt werden. Später kocht darin das in große Stücke geschnittene Fleisch und zum Schluss badet hier die fertige Wurst.

So entzündet sie am Abend vor dem eigentlichen Waschtag unter dem Kessel ein Feuerchen und zwei Stunden später brodelt die „Brühe“. Mit einem dicken Holzstock fischt sie am nächsten Morgen die noch heiße Wäsche in eine Schüssel und platsch, landet sie schwungvoll im hölzernen Waschfass. Dort schrubbt sie mit einer alten Scheuerbürste über jedes einzelne Wäschestück, so dass bald Schweißperlen an ihrem Haaransatz glänzen. Abkühlung bringt das Spülen im eiskalten Regenwasser, dem sie für die Tischwäsche einen Schuss selbstgekochte Stärke aus Kartoffelmehl hinzufügt. Meterlange Wäschefahnen flattern anschließend im Hof. In der kalten Jahreszeit schleppt sie die ausgewrungenen Textilien in Körben über zwei Etagen auf den Hausboden. Nach jedem aufgehängten Teil hält sie die von der Kälte erstarrten Finger an den Mund und haucht ihren warmen Atem hinein. Nach längeren Frostperioden ist es problematisch, die steif gefrorenen Handtücher, Hemden, Nacht-hemden und Schlüpfer über die enge Bodentreppe ins warme Wohnzimmer an den Kachelofen zu verfrachten, um sie doch noch irgendwann trocken zu bekommen.

Neunzehn Tage nach meinem ersten Geburtstag kommt endlich der ersehnte Sohn zur Welt. Wieder falsch gedacht, wieder ein Mädchen, wieder ein Donnerstag…

Ebenfalls im September 1952 wurde die deutsche Journalistin und Merkel-Biografin Evelyn Roll geboren und Ernest Hemingways Roman „Der alte Mann und das Meer“ veröffentlicht.

Unsere ersten gemeinsamen Jahre verlaufen dem Alter entsprechend - Essen, quengeln, schlafen. An meinem vierten Geburtstag überragt mich meine Schwester bereits, auch in der Gewichtsklasse bin



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