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Ein großer Auftritt für die Alpakas.
Miri macht sich Sorgen: Mit der Adoption ihrer Ziehtochter Hanna will es einfach nicht vorangehen, und dann mischen sich auch noch die Großeltern ein. Da kommt die Anfrage einer Werbeagentur an das Apfelhof-Team gerade recht. Weil Alpakas derzeit so gefragt sind, sollen sie für Tierschutzfilme, Postkarten und Kalender posieren.
Die flauschigen, herzigen Tiere bezaubern natürlich das gesamte Agenturteam, das zwei Tage auf dem Hof verbringt. Projektleiterin Lena fällt währenddessen auf, dass es ihrer Freundin Miri nicht gut geht. Sie beschließt, ihren Urlaub auf dem Apfelhof zu verbringen, um Miri zu unterstützen. Auch Kumpel Mike ist für die Radiowerbung vor Ort. Auf Anhieb sind sich Lena und Mike ausgesprochen sympathisch.
Ob aus der Freundschaft mehr wird?
Strahlend wie ein Sommertag, süß wie ein Apfelkuchen und romantisch wie eine Kutschfahrt durch die Lüneburger Heide - das ist der neue Wohlfühl-Roman der Apfelhof-Reihe von Sonja Flieder.
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
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Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Widmung
Sonnwendfest mit Folgen
Was ist mit Elli los?
Hannas Großeltern mischen sich ein
Lena kommt auf den Apfelhof
Macht Lena einen folgenschweren Fehler?
Sorgen und Nöte
Miri fühlt sich unverstanden
Erholungsfahrt an die Nordsee
Spaß im Wattenmeer
Hat die gute Zeit ein Ende?
Die Alpakas als Filmstars
Wo ist Radetzky?
Der große Streit
Beim Jugendamt
Miri im Glück
Endlich vor Gericht
Schöne Zeiten
Es wird gefeiert
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Ein großer Auftritt für die Alpakas.
Miri macht sich Sorgen: Mit der Adoption ihrer Ziehtochter Hanna will es einfach nicht vorangehen, und dann mischen sich auch noch die Großeltern ein. Da kommt die Anfrage einer Werbeagentur an das Apfelhof-Team gerade recht. Weil Alpakas derzeit so gefragt sind, sollen sie für Tierschutzfilme, Postkarten und Kalender posieren.
Die flauschigen, herzigen Tiere bezaubern natürlich das gesamte Agenturteam, das zwei Tage auf dem Hof verbringt. Projektleiterin Lena fällt währenddessen auf, dass es ihrer Freundin Miri nicht gut geht. Sie beschließt, ihren Urlaub auf dem Apfelhof zu verbringen, um Miri zu unterstützen. Auch Kumpel Mike ist für die Radiowerbung vor Ort. Auf Anhieb sind sich Lena und Mike ausgesprochen sympathisch. Ob aus der Freundschaft mehr wird?
Strahlend wie ein Sommertag, süß wie ein Apfelkuchen und romantisch wie eine Kutschfahrt durch die Lüneburger Heide – das ist der neue Wohlfühl-Roman der Apfelhof-Reihe von Sonja Flieder.
eBooks von beHEARTBEAT – Herzklopfen garantiert.
Sonja Flieder
Sonnenküsse auf dem kleinen Apfelhof
Für Aidan.
Miri stand auf der Apfelwiese hinter Heidschnucks Heimat und begutachtete ihr Werk. Gleich würden ihre Freunde eintreffen, um gemeinsam die Sommersonnenwende zu feiern.
Kaum zu glauben, dass sie nun schon mehrere Jahre Teil des Apfelhof-Teams war, das sich stetig vergrößerte. Eigentlich hatte sie damals nur einen Tapetenwechsel gebraucht und daher ihren Job als Tierärztin in einer Kieler Klinik gekündigt.
Schnell hatte sie sich auf dem Apfelhof eingelebt und sogar ihre große Liebe gefunden. Inzwischen war sie auch Teilhaberin einer Tierarztpraxis, die sie sich mit Lukas, dem Mann ihrer Freundin Emma, teilte.
Das Einzige, was ihr Glück momentan trübte, war die Sache mit der Adoption. Wenn es doch nur endlich voranginge, dann wäre ...
»Hey, ist alles bereit?«, fragte eine Stimme hinter ihr und riss sie aus ihren Gedanken.
Als sich zwei Hände auf ihre Schultern legten, zuckte sie ein wenig zusammen. Den Bruchteil einer Sekunde später schmiegte sie sich schmunzelnd über ihre ungewohnte Schreckhaftigkeit gegen einen breiten Oberkörper und fühlte, dass zwei Arme sie umschlangen.
»Ja, alles ist vorbereitet«, sagte sie und rieb ihre Wange an seinem recht stoppeligen Kinn.
Wie gewohnt roch ihr Freund Sven leicht nach frischem Holz. Einen Duft, den sie nie wieder missen wollte. Da der gelernte Schreiner mit seinen Arbeitsmaterialien quasi verwachsen zu sein schien, blieb dies nicht aus. Nicht, dass sie sich darüber beschwert hätte.
Sie drehte sich um, und die beiden gaben sich einen langen Kuss. Liebevoll zupfte Miri Sven ein paar Sägespäne aus seinen braunen Haaren.
»Kannst es mal wieder nicht lassen, was?«, fragte Sven und lachte. »Soll ich bei dir mal?« Grinsend wuschelte er über Miris blonden Schopf.
»Hey, du bringst meine Frisur durcheinander.« Mit gespielt entrüstetem Gesichtsausdruck zog sie sich die kurzen Strähnen zurecht.
»Da ist ja meine Lieblingstierärztin.« Lukas war neben sie getreten. Zur Begrüßung verstrubbelte der hochgewachsene Mann Miris Haare und drückte sie kurz an sich.
»Ich geb's auf«, sagte Miri mit einem Seufzen und schüttelte den Kopf.
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf Emma, die neben Lukas stand und sich gerade hinunterbeugte, um zwei kleinen Mädchen mit blonden langen Haaren etwas zuzuflüstern.
»Machen wir bestimmt, Mama.« Die kleine Leonie pustete gegen eine Lockensträhne, die ihr ins Gesicht hing.
»Das wird schon klappen«, stimmte ihr die achtjährige Hanna zu. Sie schenkte zuerst Emma, dann Miri ein strahlendes Lächeln, bevor sie die Hand ihrer drei Jahre jüngeren Freundin ergriff und sie davonzog.
Sven räusperte sich. »Was genau sollen die beiden denn machen?«, erkundigte er sich mit zweifelndem Gesichtsausdruck. »Sonderlich erfolgversprechend hörte es sich nicht an, wenn ihr mich fragt.«
Emma lachte und rieb sich über ihren inzwischen recht kugeligen Bauch. »Ach, sie sollen nur ein bisschen Rücksicht auf unseren Radetzky nehmen und nicht ganz so wild mit ihm herumtoben.«
Sie warf einen Blick zu dem alten Bernhardiner, der es sich neben seinem um Jahre jüngeren Gefährten Bigfoot im Schatten unter einem Apfelbaum bequem gemacht hatte. Beide hatten ihre Köpfe auf die Vorderpfoten gelegt und sahen aus, als würden sie über etwas Weltbewegendes sinnieren.
Als der schwarze Labrador-Retriever-Mischling mit dem weißen Fleck auf der Stirn und riesigen Pfoten, aus der er nie herausgewachsen war, seine kleinen Freundinnen erblickte, sprang er sofort auf, um sie schwanzwedelnd und hechelnd zu umrunden.
Radetzky hingegen hob nur träge den Kopf, um ihn gleich darauf wieder auf seine Vorderpfoten sinken zu lassen. Einzig seine graue Schnauze mit den leicht hochgezogenen Lefzen verriet, dass er sich ebenfalls freute, Leonie und Hanna zu sehen.
»Ich glaube, da müssen wir uns keine Sorgen machen.« Mit einer Mischung aus Liebe und Wehmut musterte Miri den alten Hund. »Rady bleibt einfach liegen. Wenn er etwas nicht will, ist er so stur wie sein Frauchen.«
»He, das habe ich gehört!«
Grinsend drehte sich Miri um und sah Emmas Großmutter Luise mit ihrem Ehemann Kalle auf die kleine Gruppe zukommen. Die beiden gaben ein auffallendes Paar ab.
Wie Miri es von Luise kannte, war sie in bequeme, aber elegante Kleidung gehüllt. Kalle hingegen trug wie gewohnt seine grüne Gärtnerkleidung und einen Strohhut, der etwas schief auf seinem Kopf saß und unter dem graue Haarsträhnen wild hervorquollen.
In einer Hand trug er einen vollen geflochtenen Korb, aus dem es verführerisch nach Äpfeln und Gebäck duftete. Mit einem Ächzen stellte er ihn auf einen der beiden Tische der Partygarnitur.
»Wo habt ihr denn Frida und Ivan gelassen?«, wollte Emma wissen. Sie trat auf ihre Großmutter zu und schloss sie in die Arme, was sich wegen ihres Kugelbauches ein wenig schwierig gestaltete.
»Sie kommen gleich mit Lisa, Moritz und Finn nach«, erklärte Luise. Sanft löste sie sich von Emma und steckte eine vorwitzige Haarnadel in ihren Dutt zurück, die es gewagt hatte, sich daraus zu lösen.
»Es ist doch nichts mit Finn, oder?« Fragend blickte Miri sie an.
»Wie man's nimmt«, erwiderte Kalle an Luises statt und kratzte sich an der faltigen Stirn. »Er trödelt herum. Diese Jugend von heute, schlimm so was.«
Emma blickte Miri an, und die beiden brachen in schallendes Gelächter aus.
Oma Luise hingegen musterte ihren Gatten mit strengem Tadel. »Jetzt mach aber mal halblang, mein Lieber. Finn ist gerade mal knapp zwei Jahre alt. Für ein Kleinkind benimmt er sich ganz normal.«
»Ja, typisch Jugend. Sag ich ja«, brummte Kalle und wich vorsorglich einen kleinen Schritt zur Seite. Dabei verzog er seinen Mund zu einem breiten Grinsen, was die Falten an Wangen und Augenpartie verstärkte.
»Du ... Schuft!« Mit einer Ecke ihres mintfarben gehäkelten Schultertuchs schlug Luise nach ihm.
»Kann ich ja nichts dafür, wenn du immer drauf reinfällst.« Immer noch grinsend zuckte Kalle mit einer Schulter und hob die Handflächen. Es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr er die Situation genoss.
»Was habe ich da nur geheiratet.« Für etwa zwei Sekunden gelang es Luise, ihren strengen Blick beizubehalten, bevor sie fröhlich lachen musste, wodurch sie gut zwanzig Jahre jünger wirkte.
»Henning kommt heute nicht, oder?«, fragte Lukas. Er trat neben Emma und strich ihr kurz über den Rücken, woraufhin sie sich ihm lächelnd zuwandte.
»Nein, leider nicht«, antwortete sie. »Er ist gerade in München, um für einen Artikel zu recherchieren.«
Der Journalist, der hauptsächlich für den Undeloher Kurier Zeitungsartikel verfasste, war vor einiger Zeit dazu übergegangen, sich größeren Reportagen zu widmen. Daher befand er sich momentan viel auf Reisen.
»Juhu, da sind wir!«, rief eine fröhliche Stimme in Miris Rücken.
Sie drehte sich um und sah Frida, Ivan, Lisa, Moritz und den kleinen Finn auf die Gruppe zukommen. Als das Kind die beiden Mädchen und die Hunde erblickte, riss er sich von Lisas Hand los, um wackelnd auf sie zuzurennen. Dabei wackelte sein Hintern auf ganz entzückende Weise, wie Miri fand.
Innerlich wappnete sie sich für eine von Fridas berühmt-berüchtigten Umarmungen, die einem fast die Luft abdrückten und mit einem kräftigen Schwall Patschuligeruch einhergingen. Doch diese musste heute wohl noch ein wenig warten.
Die ältere Dame trug in beiden Händen Blumenkränze, was eine allzu stürmische Begrüßung verhinderte. Als Miri genauer hinschaute, erkannte sie Margeriten, Kamille, Johanniskraut, Schafgarbe und Frauenmantel darin.
Wie aufs Stichwort hob Frida die Arme und wedelte mit den Kränzen. Dabei brachte sie sowohl die Ärmel ihres neongrünen Kaftans zum Schwingen als auch die zahlreichen goldenen Armreifen zum Klirren.
Erst vorgestern hatte sich Frida die Haare türkis gefärbt, was sich ein wenig mit der Farbe ihres Kaftans biss. Nun ja, ziemlich sehr sogar, wenn Miri ehrlich war. Natürlich würde sie dies Frida niemals sagen, um sie nicht zu beleidigen. Sie war eben so, und das war auch gut. Niemals hätte Miri sie anders haben wollen.
»Diese Kränze werden wir Mädels gleich alle tragen!«, verkündete Frida mit beträchtlichem Stolz in der Stimme. »Sie stehen für Fruchtbarkeit, das Leben und die Wiedergeburt. Das ist doch toll, oder?«
Emma blickte zweifelnd an sich hinab. »Auf Fruchtbarkeit kann ich derzeit gut verzichten.«
»Was soll ich da erst sagen?«, erwiderte Oma Luise in trockenem Ton.
»Seid nicht albern.« Schwungvoll warf Frida die Kränze auf einen der Tische. »Dann nehmt eben das Leben, von mir aus auch die Wiedergeburt.«
»Letzteres wird hoffentlich noch sehr lange auf sich warten lassen.« Ivan legte einen Arm um Frida und drückte sie kurz an sich.
Wie so oft trug der Altenpfleger in Rente mit den indischen Tattoos rosafarbene Kleidung. Auch diese harmonierte nicht gerade mit Fridas Outfit, doch daran störte sich ebenfalls niemand.
Lisa streckte den Rücken durch und atmete tief ein. »Wie herrlich der Sommer duftet«, sagte sie. »Den Geruch nach Äpfeln, frisch gemähtem Gras und Blumen habe ich schon sehr auf unserer Weltreise vermisst.«
»Ging mir auch so«, stimmte Moritz ihr zu. »Aber jetzt sind wir ja erst mal wieder eine Weile hier.«
»Wie es ausschaut, müssen wir uns künftig mit Gwen und Frank abwechseln, uns um den Hofladen und die Hühner zu kümmern«, erklärte Lisa mit einem Zwinkern. »Ich freue mich so sehr für ihn, dass er wieder richtig laufen kann.«
»Da sagst du was«, meinte Lukas. »Nach seinem Unfall hatte ich zwischendurch wirklich Bedenken, dass er sein Leben im Rollstuhl verbringen muss.«
»Ich auch.« Miri seufzte. »Zum Glück ist ja noch mal alles gut gegangen.«
»Das hat er nicht zuletzt Ivan zu verdanken.« Sanft tätschelte Frida seinen linken Unterarm. »Wenn er sich nicht so viel Mühe bei der Physiotherapie gegeben hätte, wer weiß, wie es dann ausgegangen wäre.«
Voller Liebe lächelte Ivan sie an und warf ihr eine Kusshand zu.
»Ja, das stimmt absolut. Insgesamt ist es wahrlich ein Wunder. Und irgendwann werden wir es wohl mal schaffen, alle gleichzeitig auf dem Apfelhof zu sein. Es ist schon schade, dass in letzter Zeit ständig Teammitglieder fehl...« Emma brach abrupt ab. Kurz kniff sie die Augen zusammen und legte beide Hände auf ihren Bauch. Dabei atmete sie zitternd aus, wobei sie sich ein wenig nach vorn krümmte.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Miri besorgt und musterte ihre Freundin eingehend.
Emma winkte ab. »Klar. Alles bestens.«
Mit einem Schnaufen richtete sie sich auf und stemmte die Fäuste in die Hüften. Sie lächelte in die Runde, doch auf Miri wirkte es nicht ganz echt. Daher beschloss sie, Emma heute ganz genau im Auge zu behalten.
Bis auf die Kinder, die bei den Hunden im Schatten spielten, versammelten sich alle um die beiden Tische und packten den von Kalle mitgebrachten Korb aus. Miri wusste, dass sie Apfelkuchen und Apfelwaffeln enthielten. Allein bei dem Gedanken daran lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
Niemand konnte besser backen als Oma Luise. Nicht einmal Emma kam an ihre Künste heran, und sie kochte für ihr Leben gern.
Thermoskannen mit Kaffee und Apfeltee standen schon bereit. Auch Teller und Tassen mit bunten Blumenmotiven hatte Miri aus Oma Luises Küche geschleppt und mit dazu passenden Servietten auf den Tischen drapiert.
Die Partygarnituren hatte Sven unlängst etwas aufgemöbelt, indem er die Bänke mit Lehnen versehen hatte. Dies entlastete nicht nur Emmas Rücken, sondern sorgte allgemein für mehr Bequemlichkeit.
Auch die bunten Sitzkissen waren neu, die Frida genäht hatte. Wie alles, was Frida strickte, häkelte oder nähte, passten sie farblich nicht wirklich zueinander.
»Ach, Kindchen, das hast du so schön geschmückt«, sagte Frida an Miri gewandt. »Diese bunten Lampions, einfach herrlich! Und die Sträuße mit den Sommerblumen, die runden das Ganze perfekt ab.«
»Danke«, erwiderte Miri und strahlte sie an. »Es war gar nicht so leicht, das in der kurzen Zeit zu schaffen.« Sie warf einen gespielt tadelnden Blick in die Runde. »Nachdem ihr alle ja keine Zeit hattet.«
»Toll, mich lobt mal wieder keiner.« Sven zog die Augenbrauen zusammen. »Dabei habe ich mir mit dem Aufschichten des Holzes solch eine Mühe gegeben.«
»Armer schwarzer Kater.« Liebevoll griff Miri nach seinem Kopf und zog ihn zu sich hinunter, um ihm einen schnellen Kuss zu geben. »Du hast das ganz prima gemacht.«
Sie blickte an den alten, knorrigen Apfelbäumen, an denen eine Menge der leicht säuerlich schmeckenden Früchte heranreiften, vorbei auf das brach liegende Feld direkt dahinter. Obwohl sie Sven ein wenig aufziehen wollte, musste sie zugeben, dass er einen beeindruckenden Holzhaufen zusammengetragen hatte.
Später würden sie ihn entzünden, damit das Feuer eine reinigende Wirkung entfalten und für einen Neuanfang sorgen konnte, wie es alte Überlieferungen besagten. Miri freute sich schon darauf, in die Flammen zu blicken, die sie stets wie magisch anzogen.
Heute feierten sie mit der Sommersonnenwende den astronomischen Sommeranfang. Dieses Jahr fand er am 21. Juni statt und bezeichnete den Tag, an dem die Sonne ihren mittäglichen Höchststand über dem Horizont erreichte.
Als die Freunde Platz genommen hatten, machte sich Miri über ein großes Stück Apfelkuchen her. Während sie aß, schielte sie bereits begierig nach den Waffeln. Da beides Oma Luise gebacken hatte, war es ein Garant für himmlischen Genuss. Für einen Moment schloss sie die Augen und genoss den süß-säuerlichen Geschmack.
»Hat jemand was von Gwen und Frank gehört?«, erkundigte sich Lisa. »Ich habe vorhin versucht, die beiden anzurufen, aber es ist keiner drangegangen.«
»Kein Wunder.« Miri lachte. »Sie sind gerade irgendwo im Urwald unterwegs. Im Amazonas, meine ich. Da ist der Empfang bestimmt nicht gerade toll.«
»Das klingt super.« Mit verträumtem Blick schaute Moritz in den strahlend blauen Himmel. »Wenn ich so was höre, packt mich gleich wieder das Fernweh.«
»Nichts da«, erwiderte Lisa und schlug ihm leicht auf den linken Oberarm. »In der nächsten Zeit bleiben wir schön hier, damit das klar ist.«
»Jawohl, Chefin.« Moritz setzte sich kerzengerade hin und salutierte. »Ganz nach Ihren Wünschen. Ihr Wort ist mir Befehl.«
»So ist es recht.«
»Boa, Leute, irgendwie geht es mir heute nicht so gut«, sagte Emma unvermittelt und rieb sich stöhnend über die Schläfen. »Diese 35. Schwangerschaftswoche macht mir echt zu schaffen.«
»Willst du dich ein bisschen ausruhen?«, fragte Oma Luise mit besorgtem Unterton.
»Gute Idee, setz dich dahin«, stimmte Lukas seiner Schwiegeroma zu und deutete auf einen der beiden weißen Liegestühle, die in der Nähe der Partygarnituren standen. »Ich gehe schnell rein und hole eine Decke.«
Emma winkte schnaubend ab. »Spinnst du? Dir ist schon klar, wie warm es ist? Außerdem habe ich gerade eh ständig Hitzewallungen.«
»Du solltest wirklich auf dich aufpassen.« Mit schief gelegtem Kopf musterte Lisa ihre beste Freundin. »Hör diesmal besser auf Lukas.«
Genervt verdrehte Emma die Augen. »Meine Güte, ihr tut mal wieder so, als wäre ich schwerkrank und nicht einfach nur schwanger. Ich habe nur ein bisschen Kopfschmerzen, das ist alles.«
Trotz Emmas Beteuerungen, dass alles in Ordnung sei, behielt Miri sie möglichst unauffällig im Auge. Sie kannte ihre Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie Beschwerden gern einmal abtat.
Immer wieder bekam Miri mit, dass ihre Freunde es ebenso hielten. Falls Emma sich beobachtet fühlte, äußerte sie sich jedenfalls nicht dazu.
Nach einigen schweigsamen Minuten beteiligte sie sich wieder eifrig am Gespräch. Es hatte ganz den Anschein, als ginge es ihr gut und die Beschwerden hätten nachgelassen. Dennoch traute Miri dem Braten nicht ganz.
Ihr entging nicht, dass Emma ab und zu das Gesicht verzog und die Hände auf ihren Bauch legte. Mehrmals setzte Miri dazu an, sie darauf anzusprechen. Sie ließ es jedoch sein, da sie wusste, dass es Emma nerven würde.
Vorerst würde sich Miri damit begnügen, sie heimlich zu mustern, damit sie es rechtzeitig mitbekam, falls es Emma schlechter gehen sollte, und einschreiten konnte. Zum Glück waren genug Leute hier, die sich mit Erster Hilfe gut auskannten.
»So, Leute, was steht denn in nächster Zeit auf dem Programm?«, fragte Frida und rieb sich unternehmungslustig die Hände. »Dass eine Menge Gäste kommen werden, weiß ich ja schon, aber ansonsten haben wir bestimmt noch so einiges vor, wie ich uns kenne.«
Lisa grinste. »Das kannst du laut sagen. Dein Gästehaus ist bis Ende September ausgebucht, richtig?«
»Ganz recht, Kindchen«, erwiderte Frida. »Ich freue mich schon sehr auf die Leute.«
»Nun, wir werden mit den Gästen natürlich Alpakawanderungen unternehmen und Alpakayoga-Einheiten einlegen. Außerdem sind die meisten an Wollverarbeitungs- und Spinnkursen interessiert. Kalle wird sie auch durch seine Gewächshäuser führen, wenn sie das möchten.«
»Wehe, wenn nicht«, brummte Kalle und rieb sich das Kinn. »Die meisten Städter haben es dringend nötig, mal was über Kräuter zu erfahren.«
»Aber wir haben schon noch Platz in den Kursen für Besucher, die keine Übernachtungsgäste sind, oder?«, erkundigte sich Sven.
Lisa nickte. »Ja, aber nicht mehr viel. Notfalls müssen wir halt ein paar Kurse dazwischenschieben.«
»Du hast aber schon im Hinterkopf, dass wir mit den Alpakas auch Altenheime besuchen, den Hofladen haben und uns um die Hühner kümmern müssen?« Mit gespielt besorgtem Blick legte Moritz eine Handfläche auf Lisas Stirn. Kopfschüttelnd schaute er kurz darauf in die Runde. »Ich kann euch beruhigen: Fieber hat sie keines.«
Lachend schlug Lisa seine Hand weg. »Lass das, du Affe.« Nun war es an ihr, die Mitglieder des Apfelhof-Teams nacheinander anzusehen. »Ich glaube, wir schaffen das, oder? Was meinst ihr?«
Nachdenklich wiegte Luise ihren Kopf hin und her. »Wir müssen bedenken, dass Emma bald ausfallen ...«
»Nicht ausfallen«, fiel ihre Enkelin ihr ins Wort. »Wenn das Baby da ist, werde ich ein wenig kürzertreten müssen, das ist alles.«
»Trotzdem sollten wir es nicht übertreiben«, meinte Lukas. Er legte einen Arm um seine Frau und sie lehnte sich einen Moment an ihn.
»Schade, dass Gwen und Frank noch so lange auf Weltreise sind«, warf Oma Luise ein. »Die Hilfe der beiden könnten wir gut gebrauchen.«
Gwen und Frank waren die neuesten Mitglieder des Teams. Als begeisterte Weltenbummler befanden sie sich nur für ein paar Wochen im Jahr auf dem Apfelhof. Gerade waren sie wieder einmal mit ihren Rucksäcken unterwegs.
»Ich habe mir überlegt, ich könnte vielleicht ein paar Schnitzkurse anbieten. Dann wärt ihr ein wenig entlastet.« Mit verschränkten Armen lehnte sich Sven auf der Bank zurück. »So ein kleines Holzalpaka nimmt bestimmt jeder gern mit nach Hause.«
Miri musterte ihn zweifelnd. »Meinst du, Leute, die noch nie mit Holz gearbeitet haben, bekommen das hin?«
Schulterzuckend grinste Sven sie an. »Das werden wir dann sehen, nicht wahr?«
»Ich finde, das ist eine ganz großartige Idee«, erwiderte Luise. Sie beugte sich zu ihm und tätschelte ihm die linke Wange, wobei sie anerkennend nickte. »Mein Junge, ich muss sagen, du machst dich.«
»Das klingt großartig!«, rief Frida. Enthusiastisch warf sie ihre Arme in die Luft, wobei ihre Armreifen klirrten und eine Wolke Patschuli die Freunde umwehten.
Emma und Lisa niesten.
»Wisst ihr was? Ich stricke kleine Mützchen und Schals für die Holzalpakas. Hach, das wird ganz wundervoll, ich weiß es jetzt schon.«
»Äh, ja klar«, brummelte Kalle in seinen nicht vorhandenen Bart.
Die neben ihm sitzende Miri hatte ihn gehört. Sie warf ihm einen Seitenblick zu, wobei sie amüsiert grinste. Der alte Gärtner war wirklich der Knaller.
Kurz vor der Abenddämmerung entzündete Sven das Feuer. Obwohl Miri von Kaffee und Kuchen noch pappsatt war, freute sie sich auf das spätere Grillen.
Während sich die Sonne langsam aufmachte, hinter dem Horizont zu verschwinden, starrte Miri in die Flammen. Das rot-orange Farbenspiel übte wie stets eine starke Faszination auf sie aus.
Als der Himmel seine Farben zu verändern begann, blickte sie hinauf. Die orangenen, roten und rosa Töne inmitten des Blaus ließen sie schwärmerisch die Augen aufreißen. Einen harmonischen Kontrast bildeten die lilafarbenen Blüten der Besenheide.
Dieses Jahr waren sie früh dran, und es hatten sich bereits einige geöffnet. Der wildromantische Anblick trieb Miri fast die Tränen in die Augen. Nur mühsam gelang es ihr, sie zurückzublinzeln.
»Wusstest du, dass das Sonnwendfeuer böse Geister vertreiben soll?«, fragte Lisa, die neben sie getreten war. »Es brennt quasi zu Ehren des Lichts.«
Miri nickte.
»Was bedeutet das?«, wollte Hanna wissen. Sie schmiegte sich eng an Miri, die sich hinabbeugte, um ihr liebevoll über die Wange zu streicheln.
»Nun ja, laut Tradition bitten die Menschen um gutes Wetter und eine reiche Ernte«, erwiderte sie. »Und wenn die bösen Geister weg sind, stehen die Chancen dafür um einiges besser.«
»Freunde, es ist Zeit für unsere Wünsche«, verkündete Frida, die bereits dabei war, kleine Zettel und Bleistifte an alle zu verteilen. »Ihr schreibt jetzt alle einen Herzenswunsch auf den Zettel und werft ihn ins Feuer. Dabei müsst ihr ganz fest daran glauben, dass er in Erfüllung geht. Und verratet es keinem, das ist ganz wichtig.«
»Ich kann doch nur meinen Namen schreiben«, sagte Leonie und zog einen Schmollmund.
»Ich gar nicht.« Finns Lippen begannen, verdächtig zu beben. Rasch beugte sich Lisa zu ihm hinunter und nahm in auf den Arm. Sie drückte einen Kuss auf sein mittelblondes Haar.
»Bei Kindern, die noch nicht schreiben können, gibt es eine Ausnahme.« Lisa drückte ihren Sohn eng an sich. »Ihr dürft etwas auf den Zettel malen und euch etwas in Gedanken wünschen. Das ist dann so, als ob es aufgeschrieben ist.«
»Wirklich?« Leonie blickte zweifelnd zu ihrer Patentante hoch.
»Na klar«, erwiderte Lisa und überkreuzte ihren linken Daumen und Zeigefinger. »Pfadfinderehrenwort.«
»Was ist ein Padinder?«, wollte Finn wissen, der seinen Frust von eben schon längst vergessen hatte, denn er strahlte Lisa fröhlich an.
»Oh ...«, machte Lisa und warf Miri über den Kopf ihres Sohnes hinweg einen Hilfe suchenden Blick zu.
»Viel Spaß«, flötete Miri grinsend. Sie nahm Hanna an der Hand. »Wollen wir zwei unsere Zettel ausfüllen?«
»Ja!«
»Biest«, hörte Miri Lisa in ihrem Rücken zischen, was sie noch mehr zum Grinsen brachte. »Ähm ja, also ein Pfadfinder ist so etwas wie, na ja, also ...«, fuhr Lisa lauter fort.
Ihre Worte verklangen, je weiter sich Miri und Hanna von ihr entfernten.
»Ist es schlimm, wenn ich nicht alles richtig schreibe?«, erkundigte sich Hanna.
»Nein, ganz und gar nicht. Das Wichtigste ist, dass du weißt, was du dir wünschst.«
Hanna schmiegte sich an Miris Beine. »Dir brauche ich ja gar nicht zu verraten, was ich mir wünsche«, sagte sie. »Das weißt du sowieso.«
»Ich glaube schon.« Miri lächelte sie an und versuchte, den leichten Anflug von Sorge zu vertreiben, der sie urplötzlich befallen hatte. Sie wusste, dass er unbegründet war. Es musste einfach so sein.
Niemand konnte wollen, dass sie nicht Hannas Adoptivmutter wurde. Daher konnte es auch niemand verhindern. Dennoch zog sich das Adoptionsverfahren in die Länge.
Noch war alles im zeitlichen Rahmen und Miri wusste, dass alles streng geprüft werden musste. Das war ja auch gut so. Schließlich ging es um eine Entscheidung, die Hannas, Svens und ihr eigenes Leben dauerhaft verändern würde.
Dass Hanna langsam ungeduldig wurde, verstand Miri vollkommen. Ihr selbst ging es ebenfalls nicht anders. Und sie war die Erwachsene, verstand die Dinge auf andere Art als ein achtjähriges Mädchen.
Schon früh hatte Hanna ihre leibliche Mutter durch einen Autounfall verloren. Dass sie sich nach jemandem sehnte, der die Rolle bestmöglich einnehmen würde, war sonnenklar.
Miri war fest entschlossen, jederzeit ihr Bestes zu geben. Natürlich konnte sie Hannas Mutter nicht ersetzen, aber einen wichtigen Vertrauenspart in ihrem Leben übernehmen. Was sie seit ein paar Jahren zwar bereits tat, doch es war eben nicht offiziell. Das sollte sich nun endlich ändern.
Da Miri und Sven inzwischen geheiratet hatten, gab es aufgrund der Gesetzeslage keine Probleme mehr. Ansonsten hätten sie mit dem Adoptionsverfahren warten müssen, bis sie vier Jahre zusammengelebt hätten.
Ein verträumtes Lächeln umspielte Miris Lippen, als sie an die Hochzeit dachte. Es war so ein wunderschöner Tag gewesen, eigentlich sogar der bisher schönste ihres Lebens. Natürlich war es im Vorfeld zu einigem Trubel gekommen, aber das war auf dem Apfelhof ja nichts Neues.
Beinahe hätte sie kein Hochzeitskleid gehabt. Miri schmunzelte, als sie sich an das Chaos mit der Schneiderin zurückerinnerte. Dann hatten es die beiden Alpakas Rapunzel und Gretchen auch noch zwischen die Zähne bekommen.
Zum Glück hatten sie es nur geschafft, den Brautstrauß zu fressen, sodass Miri wenigstens der Blumenkranz und das Kleid geblieben waren. Nun, für Chaos hatten die zwei frechen Alpakas gesorgt.
Die kleine Leonie und Hanna hatten sich beinahe in die Hosen gemacht vor lauter Lachen. Allzu viel Ernsthaftigkeit hatte an jenem Tag zumindest nicht geherrscht. Doch Miri hätte es auch nicht anders haben wollen.
Auch die Hochzeitsreise war wundervoll gewesen. Zusammen mit ihrem frischgebackenen Ehemann war sie eine Woche in Irland gewesen. Als sie an die raue, wilde Landschaft und die gastfreundlichen Menschen dachte, wurde ihr ganz nostalgisch zumute.
Tja, nun fehlte nur noch der erfolgreiche Abschluss des Adoptionsverfahrens, um ihr Glück zu vervollständigen. Wie lange es wohl dauern würde? Zu lange jedenfalls für ihren Geschmack, so viel war klar.
Miri unterdrückte einen Seufzer und sagte zu sich, dass schon alles gut gehen würde. Sie hockte sich hin und schrieb auf ihren Zettel: Ich wünsche mir, dass ich noch dieses Jahr Hannas Adoptivmama werde.
Sie wartete, bis die Kleine mit dem Schreiben fertig war. Es sah zu niedlich aus, wie sie sich konzentriert auf ihre Zungenspitze biss.
Nachdem Hanna ihr Werk vollendet hatte, warfen sie gemeinsam ihre Zettel ins Feuer. Mit einem Jauchzen drehte sich Miris hoffentlich Bald-Tochter um und hopste mit hohen Sprüngen zu ihren Freunden.
Miri trat neben Emma und blickte in die Flammen. Schweigend standen die beiden da und ließen das Schauspiel auf sich wirken. Inzwischen war die sich als roter Feuerball zeigende Sonne fast untergegangen.
»Scheiße«, hörte sie Emma plötzlich flüstern.
Ihre Worte ließen Miri kurz zusammenzucken. Sie drehte den Kopf, um herauszufinden, was los war. Mit weit aufgerissenen Augen schaute Emma an sich herab.
Miri folgte ihrem Blick und sah, dass sich die Vorderseite von Emmas weißem Sommerkleid unterhalb der Hüfte dunkel zu verfärben begann. Sie schnappte erschrocken nach Luft und sah genauer hin. Zum Glück war es trotz der Dämmerung wegen des Feuers hell genug, um etwas zu erkennen.
Die Flüssigkeit schien klar zu sein, das war schon mal gut. Allerdings war vermutlich gerade Emmas Fruchtblase geplatzt, und das war ganz und gar nicht gut.
Miri gemahnte sich zur Ruhe. Vielleicht hatte Emma nur den Urin nicht halten können. Sicher kam das in Schwangerschaften ab und zu mal vor.
»Mach dir erst mal keine Sorgen«, sagte sie daher in möglichst neutralem Ton. »Wir fahren dich jetzt ins Krankenhaus, und dann sehen wir weiter. Okay?«
»Okay«, erwiderte Emma mit zitternder Stimme, während ihr die Tränen nur so über das Gesicht liefen.
Nervös tigerte Miri auf dem Krankenhausflur auf und ab. Immer wieder warf sie einen Seitenblick auf Lisa, die mit gesenktem Kopf an ihren Fingernägeln herumkaute. Dazu neigte sie normalerweise nicht, doch in der jetzigen Situation konnte sie es ihr nicht verdenken.
Schon eine ganze Weile befand sich Emma auf der Entbindungsstation. Zum Glück durfte Lukas mit hinein, sodass sie zumindest etwas seelischen Beistand hatte. Ob ein Kaiserschnitt notwendig sein würde, stand bisher noch nicht fest.
Eine Krankenschwester hatte sie kurz darüber informiert, dass ab der 35. Schwangerschaftswoche normalerweise nichts mehr unternommen wurde, um die Geburt aufzuhalten.
»Machen Sie sich keine allzu großen Sorgen«, hatte sie gesagt. »Normalerweise geht unter diesen Umständen alles gut aus.«
Danach hatte sie einen Teil des Apfelhof-Teams verscheucht, da dies einfach zu viel Trubel bedeuten würde. Daher waren Kalle, Sven, Ivan und Moritz zum Apfelhof zurückgefahren, um Oma Luise zu unterstützen, die mit den Kindern zurückgeblieben war.
»Hoffentlich stimmt es, was die Krankenschwester gesagt hat«, meinte Frida, die sich immer wieder durch die türkisfarbenen Haare fuhr, weshalb sie binnen kürzester Zeit wild von ihrem Kopf abstanden. »Nicht auszudenken, wenn ihr und dem Baby etwas passiert!«
»Es wird schon alles klappen«, erwiderte Miri, wobei sie bemerkte, dass ihre Stimme leicht zitterte. Somit war ihr Plan, etwas Zuversicht zu verbreiten, binnen Sekunden ins Wasser gefallen.
»Setz dich bitte mal hin, du machst mich noch wahnsinnig mit deinem Hin-und-her-Gerenne.« Da Lisa nach wie vor abwechselnd an allen Fingernägeln kaute, klangen ihre Worte leicht undeutlich.
»Sorry.« Abrupt blieb Miri stehen, um sich auf einen Stuhl neben Frida zu setzen.
Der typische Krankenhausgeruch nach Desinfektionsmitteln und etwas Unbestimmbarem wurde ihr plötzlich überdeutlich bewusst, weshalb sie kurz die Nase rümpfte. Die in einem hässlichen Hellgrün gestrichenen Wände trugen ebenfalls nicht gerade zu ihrem Wohlbefinden bei.
Darunter vermischte sich eine Wolke Patschuli, die von Frida herüberdrang. Normalerweise roch Miri es inzwischen ganz gern, doch die Kombination war momentan unerträglich.
Sekunden später sprang sie von ihrem Sitz auf und begann, wieder mit geballten Fäusten auf- und abzugehen. Wenn sie sich nicht bewegte, wurde sie noch verrückt.
»Tut mir leid«, sagte sie an Lisa gewandt. »Es geht einfach nicht anders.«
Lisa hob den Kopf und Miri bemerkte, dass Tränen in ihren Augen schwammen. »Ist schon okay. Ich wollte dich gerade auch nicht anfahren. Ich habe nur solche Angst.«
»Ach, Kindchen, das haben wir doch alle.« Mitfühlend legte Frida ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie kurz an sich. »Weißt du, wir müssen jetzt ganz fest daran glauben, dass alles gut gehen wird.«
Die Tür zur Entbindungsstation öffnete sich automatisch, und eine Ärztin in weißem Kittel trat auf die drei Frauen zu. An ihrer Miene konnte Miri nicht ablesen, ob sie gute oder schlechte Neuigkeiten für sie hatte.
»Ich bin Dr. Martens«, sagte die Ärztin, als sie die drei erreicht hatte.
Sowohl Frida als auch Lisa riss es förmlich von ihren Stühlen, während Miri der Ärztin mit bangem Gefühl in die Augen blickte, um herauszufinden, welcherart die Informationen waren, die sie gleich erhalten würden.
»Zunächst einmal kann ich sie beruhigen«, sagte Dr. Martens mit einem leichten Lächeln. »Die Geburt ging problemlos vonstatten. Mutter und Kind sind wohlauf. Vorsorglich wird die Kleine allerdings ...«
Weiter kam sie nicht, da Frida ihr mit einem lauten Schrei um den Hals fiel.
Wie ein fröhliches Äffchen hüpfte sie auf und ab. Zutiefst erleichtert beobachtete Miri schmunzelnd das Schauspiel. Nach einem Schockmoment hob die Ärztin die Arme, um an Fridas Schultern zu greifen, wohl in der Absicht sie von sich zu schieben.
Miri hätte ihr gleich sagen können, dass dieses Unterfangen von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Belustigt sah sie, dass die Ärztin nun unbeholfen Fridas Rücken tätschelte. Dabei verzog sie unwillkürlich das Gesicht. Wenn Miri hätte raten müssen, hätte sie auf den allseits bekannten Patschuligeruch getippt.
Kurz darauf ließ Frida endlich von ihr ab, jedoch nicht, ohne ihr einen dicken Schmatzer auf die Stirn zu drücken. Dr. Martens atmete tief aus, lächelte etwas gequält und trat rasch zwei Schritte zurück.
»Hach, Doktor, wir freuen uns so!«, rief Frida.
»Das war nicht zu übersehen«, versetzte die Ärztin in trockenem Ton. Sie räusperte sich. »Was ich Ihnen noch mitteilen wollte: Das Neugeborene wird ein paar Tage zur Überwachung auf der Frühchenstation verbringen.«
Lisa sog scharf die Luft ein. »Dann ist doch nicht alles in Ordnung mit dem Baby?«
Beruhigend hob Dr. Martens beide Hände. »Keine Sorge, dies dient nur zur Vorsorge. Bisher sind alle Parameter unauffällig. Sollten unerwartete Komplikationen auftreten, können wir so am schnellsten reagieren.«
»Wann dürfen wir zu Emma?«, erkundigte sich Miri. Als die Ärztin zu einer Antwort ansetzte, fügte sie schnell hinzu: »Wir wollen nicht lange stören, sondern uns nur vergewissern, dass es Emma und der kleinen Elli gut geht.«
»In diesem Fall gehen Sie gern ein paar Minuten zu ihr«, erwiderte die Ärztin. »Aber beachten Sie bitte, dass sie nun vor allem Ruhe braucht.«
»Machen Sie sich keine Gedanken. Wir sind so schnell wieder weg wie der Wind. Sie werden gar nicht bemerken, dass wir hier gewesen sind.« Zur Bekräftigung ihrer Worte nickte Frida heftig mit dem Kopf.
Dr. Martens warf ihr einen zweifelnden Blick zu, entgegnete jedoch nichts darauf. Stattdessen teilte sie den drei Frauen die Zimmernummer mit und verabschiedete sich.
So rasch, wie sie sich daraufhin entfernte, kam es Miri fast wie eine Flucht vor. Aber sie konnte sich natürlich auch täuschen.
Es war ohnehin unerheblich. Jetzt waren nur Emma und Elli wichtig. Selbstverständlich wollte sich Miri ebenfalls vergewissern, dass Lukas wohlauf war. Doch Mutter und Kind standen momentan im Vordergrund.
Nachdem sie sich sorgfältig die Hände desinfiziert hatten, betraten Miri, Lisa und Frida nach leisem Anklopfen das Patientenzimmer. Sofort huschte Miris Blick durch den Raum. Sie entdeckte Emma im Bett am Fenster.
Ihre Freundin wirkte erschöpft und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Dennoch strahlte sie über das ganze Gesicht, was mit Sicherheit an dem winzigen Bündel Mensch lag, das sich in ihren Armen befand.
Sie blickte auf und Miri sah, dass ihr Tränen über die Wangen rannen. Der auf einem Stuhl neben dem Bett sitzende Lukas beugte sich zu ihr, um sie liebevoll wegzuwischen. Er streichelte kurz über ihren Kopf, bevor er sich wieder seiner winzigen Tochter zuwandte. Die drei Neuankömmlinge beachtete er nicht. Vermutlich stand er ein wenig unter Schock.