Sozialpädagogische Präventions- und Interventionsmöglichkeiten in der Arbeit mit Vorschulkindern - Katharina Bormann - E-Book

Sozialpädagogische Präventions- und Interventionsmöglichkeiten in der Arbeit mit Vorschulkindern E-Book

Katharina Bormann

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Beschreibung

Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1, Hochschule Hannover (Fakultät V - Diakonie, Gesundheit und Soziales), Sprache: Deutsch, Abstract: Aufgrund der Stigmatisierung schwieriger Kinder, die bereits vor der Einschulung beginnt, ist diesen Kindern der Weg als Verlierer in unserer Gesellschaft nahezu vorgzeichnet. Diesen durch die frühzeitige Etikettierung als „verhaltensgestört“ vorgezeichneten Weg des Verlierers gilt es zu verhindern. Die zentrale These ist, dass Sozialpädagogen/innen durch frühzeitige Prävention das Hineinrutschen in diesen „Teufelskreis“ der Stigmatisierung verhindern können. Im Verlau werden Zahlen präsentiert, die belegen, dass im Laufe der Entwicklung immer mehr Kinder Förderschulen mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung besuchen und dass ihre Chancen, einen hohen Bildungsabschluss zu erlangen, stark reduziert sind. Dann wird Basiswissen über Störungen im emotional-sozialen Bereich thematisiert. Im dritten Kapitel wird die Notwendigkeit früher sozialpädagogischer Hilfen erarbeitet. Im vierten Kapitel werden sozialpädagogische Präventions- und Interventionsmöglichkeiten in der Arbeit mit Vorschulkindern mit emotional-sozialen Störungen näher beleuchtet. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die vermehrte Entwicklung von Familienzentren in der Region Hannover seit 2006. Eine besondere Rolle innerhalb sozialpädagogischer Handlungsmöglichkeiten nimmt die Frühförderung ein, die sich hinsichtlich emotional-sozialer Störungen bei Vorschulkindern rechtlich problematisch gestaltet. Am Ende des vierten Kapitels werden drei Präventionsprojekte vorgestellt, die die Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern zum Ziel haben. Die Zusammenarbeit mit Eltern ist ein sehr wichtiger und unerlässlicher Bereich in der sozialpädagogischen Arbeit mit Kindern, sodass ein besonderes Augenmerk auf diese Thematik gerichtet wird. Die Entwicklung vieler früh einsetzender Hilfsangebote für Eltern belegt den hohen Bedarf sehr deutlich. Es ist allerdings fraglich, ob die vielfältigen bestehenden Angebote für alle Eltern, insbesondere für Eltern sozial schwacher Lebenslagen, erreichbar und ansprechend sind. Am Ende werden Überlegungen dazu angestellt, welchen Beitrag Soziale Arbeit leisten kann, um Kindern den durch Etikettierung vorgezeichneten Weg zu ersparen.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Störungen im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung - ein
2.1 Statistische Daten über Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich
2.2 Störungen emotionaler und sozialer Entwicklung
2.2.1 Erscheinungsformen und Merkmale
2.2.1.1 Hyperkinetische Störungen
2.2.2 Feststellbarkeit emotional-sozialer Störungen im Vorschulalter
2.2.3 Ursachen und Einflussfaktoren
2.2.4 Schutzfaktoren, die das Risiko emotional-sozialer Störungen mindern
3. Die Notwendigkeit früher sozialpädagogischer Hilfen.
3.1 Selektion im deutschen Schulsystem
3.2 Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie.
3.2.1 Emotionale und soziale Entwicklung im Vorschulalter.
3.2.2 Ergebnisse der Bindungsforschung.
4.1 Kinder- und Jugendhilfe.
4.2 Kindertageseinrichtungen und Familienzentren
4.3 Frühförderung
4.4 Präventionsprojekte.
4.4.1 Kindergarten plus
4.4.2 Kinder früher fördern
4.4.3 FAST - ein Präventionsprogramm zur Familienstärkung
5. Sozialpädagogische Unterstützung für Eltern
5.1 Die Situation der Eltern.
5.2 Beratungsangebote für Eltern.
5.3 Projekte für und mit Eltern.
5.3.1 Triple P (Positive Parenting Program)
5.3.2 Starke Eltern - starke Kinder.
5.3.3 Eltern stärken - Dialogische Elternseminare
5.3.5 Prager-Eltern-Kind-Programm (PEKiP)
6. Zusammenfassung und Perspektiven für sozialpädagogisches Handeln
7. Literatur- und Quellenverzeichnis.

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Einleitung

1. Einleitung

Diese Diplomarbeit widmet sich der sozialpädagogischen Prävention und Intervention emotional-sozialer Störungen bei Kindern im Vorschulalter, d. h. Null- bis Sechsjährigen. Das Interesse an diesem Thema entstammt aus der Projektpraxis, die im Rahmen des Studiums im Projekt Schulsozialarbeit an der Schule auf der Bult - Förderschule mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung abgeleistet wird. Dort werden Kinder und Jugendliche beschult, bei denen im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ausgeprägte Störungen der emotionalen und sozialen Entwicklung diagnostiziert wurden. Aufgrund der Konzentration der „Störer“ in bestimmten Förderschulen findet eine enorme Ausgrenzung dieser Schüler/innen statt. Es ist fraglich, ob Störungen abgebaut werden können, wenn diese mit vielschichtigen Problemen belasteten Kinder und Jugendlichen unter sich bleiben und dadurch positive Vorbilder Gleichaltriger größtenteils fehlen.

Aufgrund der Stigmatisierung schwieriger Kinder, die bereits vor der Einschulung beginnt, ist diesen Kindern der Weg als Verlierer in unserer Gesellschaft nahezu vorgezeichnet. An einer Förderschule sind die Chancen relativ gering, die Störungen so weit zu bearbeiten, dass das Kind wieder in eine Regelschule zurückgeschult werden kann, wobei diese sich mit zunehmendem Alter des Kindes verringern. Die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt stehen für Menschen mit geringer Bildung sehr schlecht, sodass viele der ehemaligen Förderschüler/innen als einzige Perspektive das Arbeitslosendasein sehen. Diesen durch die frühzeitige Etikettierung als „verhaltensgestört“ vorgezeichneten Weg des Verlierers gilt es zu verhindern. Es stellt sich die Frage, ob das Problem beim Kind zu suchen ist oder ob nicht viel mehr in unserer Gesellschaft nach Mängelzuständen gesucht werden sollte und diese behoben werden müssten. Sozialpädagogik hat aber keinen so großen politischen Einfluss, dass sie dieser Problematik in relativ kurzer Zeit Abhilfe schaffen könnte. Deshalb wird untersucht, über welche Möglichkeiten Sozialpädagogen/innen in ihrem Rahmen, in dem sich ihre alltägliche Arbeit bewegt, verfügen. Die zentrale These ist, dass Sozialpädagogen/innen durch frühzeitige Prävention das Hineinrutschen in diesen „Teufelskreis“ der Stigmatisierung verhindern können bzw. Kindern, die dort schon hineingeraten sind durch individuelle Förderung heraushelfen müssen. Im Verlauf der Arbeit wird diese

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Einleitung

These geprüft, indem unterschiedliche sozialpädagogische Präventions- und Interventionsmöglichkeiten untersucht werden.

Zunächst werden Zahlen präsentiert, die belegen, dass im Laufe der Entwicklung seit 1955 anteilig immer mehr Kinder Förderschulen mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung besuchen und dass ihre Chancen, einen hohen Bildungsabschluss zu erlangen, stark reduziert sind. Auch werden Erkenntnisse des Kinder- und Jugendge-sundheitssurveys des Robert-Koch-Instituts Berlin dargelegt, die emotional-soziale Probleme bei Vorschulkindern nachweisen.

Daran anschließend wird Basiswissen über Störungen im emotional-sozialen Bereich thematisiert, d. h. Begrifflichkeiten, Erscheinungsformen und Merkmale sowie die Feststellung. Auch werden Einfluss- bzw. Risikofaktoren dargestellt und ein besonderes Augenmerk wird auf Schutzfaktoren gerichtet, die die Widerstandskraft gegen belastende Lebensumstände stärken.

Hyperkinetische Störungen bilden in dieser Arbeit als Sonderform emotional-sozialer Störungen eher ein Randthema und werden deshalb nur kurz thematisiert.

Im dritten Kapitel wird die Notwendigkeit früher sozialpädagogischer Hilfen erarbeitet. Einerseits ergibt sich diese bei näherer Betrachtung des deutschen Schulsystems, insbesondere im Vergleich zu den Schulsystemen anderer Länder, die bei PISA deutlich besser abgeschnitten haben. Andererseits begründet sich das frühe Eingreifen aus Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie, wobei der Schwerpunkt innerhalb dieser Arbeit auf Ergebnisse der Bindungsforschung gelegt wird.

Im vierten Kapitel werden sozialpädagogische Präventions- und Interventionsmöglichkeiten in der Arbeit mit Vorschulkindern mit emotional-sozialen Störungen näher beleuchtet und es wird gezeigt, an welchen Stellen weitere Maßnahmen notwendig erscheinen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die vermehrte Entwicklung von Familienzentren in der Region Hannover seit 2006. Auch der internationale Vergleich der vorschulischen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen führt zu interessanten Denkanstößen bezüglich des deutschen Systems.

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Einleitung

Eine besondere Rolle innerhalb sozialpädagogischer Handlungsmöglichkeiten nimmt die Frühförderung ein, die sich hinsichtlich emotional-sozialer Störungen bei Vorschulkindern rechtlich problematisch gestaltet.

Am Ende des vierten Kapitels werden drei Präventionsprojekte vorgestellt, die die Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern zum Ziel haben.

Die Zusammenarbeit mit Eltern ist ein sehr wichtiger und unerlässlicher Bereich in der sozialpädagogischen Arbeit mit Kindern, sodass ein besonderes Augenmerk auf diese Thematik gerichtet wird. Die Entwicklung vieler früh einsetzender Hilfsangebote für Eltern belegt den hohen Bedarf sehr deutlich. Es ist allerdings fraglich, ob die vielfältigen bestehenden Angebote für alle Eltern, insbesondere für Eltern sozial schwacher Lebenslagen, erreichbar und ansprechend sind. Aufgrund hoher Hemmschwellen haben sich aufsuchende Angebote mit einer Geh- anstelle der oftmals noch üblichen Komm-Struktur bewährt, sodass bestehende Angebote für Eltern daraufhin untersucht und Überlegungen zu Verbesserungsmöglichkeiten angestellt werden.

Nach einer Zusammenfassung der im Verlauf der Diplomarbeit gewonnenen Erkenntnisse findet sich am Ende eine kritische Auseinandersetzung mit den Perspektiven für die sozialpädagogische Arbeit mit Familien, in denen emotional-soziale Störungen bei Kindern vorhanden oder zu erwarten sind. Es werden Überlegungen dazu angestellt, welchen Beitrag Soziale Arbeit leisten kann, um Kindern den durch Etikettierung vorgezeichneten Weg zu ersparen.

Aufgrund der hohen Praxisrelevanz und Aktualität des Themas wurden im Rahmen dieser Diplomarbeit fünf leitfadengestützte Interviews mit Fachkräften aus der Praxis durchgeführt1. Den Interviewpartnern/innen gilt sehr herzlicher Dank für ihre freundliche Bereitschaft, Auskunft über ihre Arbeit zu geben. Die Interviews finden sich im Anhang.

1Zur Methode des leitfadengestützten Interviews vgl. Mayring 2002.

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Störungen im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung - ein zunehmend verbreitetes soziales Problem in Deutschland

2. Störungen im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung - ein zunehmend verbreitetes soziales Problem in Deutschland

Immer mehr Kinder haben Störungen in ihrer emotional-sozialen Entwicklung. Auf-grund dieser Bezeichnung könnte man vermuten, dass dies das Problem der jeweiligen Kinder sei, denn sie haben ja die Störung. Dass dem nicht so ist sondern dass zunehmende Zahlen von Kindern mit Störungen im Bereich der emotional-sozialen Entwicklung die gesamte Gesellschaft belasten und dieses soziale Problem2aus der gesellschaftlichen Situation heraus entstanden ist, wird in den folgenden beiden Kapiteln dargestellt. Doch zunächst ist es notwendig, einige Begrifflichkeiten zu klären. Im Rahmen der Entscheidung für den Verzicht auf Eigenschaftsbegriffe in der Kultusministerkonferenz von 1994 wurde der Begriff des/der Schülers/in mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich emotionale und soziale Entwicklung eingeführt (vgl. Preuss-Lausitz 2005, S. 17). Aufgrund dessen sprechen wir heute statt von Sonderschulen oder Schulen für z. B. Erziehungshilfe von Förderschulen mit verschiedenen Schwerpunkten, u. a. dem der emotionalen und sozialen Entwicklung. Um sich mit emotionaler und sozialer Entwicklung beschäftigen zu können, sollte geklärt werden, was darunter verstanden wird.

Emotionen sind ein Teil der Grundausstattung des Menschen und bestimmen sein Handeln und Empfinden. Sie betreffen sowohl das physische als auch das psychische Erleben. Durch Emotionen gewinnen Aktivitäten an Bedeutung. Gerade in Interaktionen spielen Gefühle und soziale Bindungen eine zentrale Rolle für die Entwicklung und das Wohlbefinden des Menschen (vgl. Stimmer 2000, S. 160). Kontakt, Beziehung und die Gefühle anderer sind sehr wichtig, denn das Bewusstsein über die eigenen Emotionen und die Wahrnehmung der Emotionen anderer spielen eine entscheidende Rolle beim Eingehen und der Gestaltung sozialer Beziehungen (vgl. Lueger 2005, S. 85). Sozialisation, d. h. die bestehenden gesellschaftlichen Werte und Normen aufzunehmen und sich zu Eigen zu machen, ist ein lebenslanger Prozess (vgl. Hurrelmann 2002, S. 15 f.).

2Soziales Problem: Situation einer Gruppe, Schicht o. Ä., die nach Meinung mind. einer Person in einer Gesellschaft durch Maßnahmen verändert werden soll, z. B. defizitäre Bildung und Erziehung (vgl. Kaller 2001, S. 366 f.).

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Störungen im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung - ein zunehmend verbreitetes soziales

Die Entwicklung des emotionalen und sozialen Verhaltens ist stark von der Persönlichkeit und der Umwelt eines Kindes abhängig (vgl. Lueger 2005, S. 85 f.), worauf in Kapitel 3.2 vertiefend eingegangen wird.

Zunächst werden statistische Daten thematisiert, die Angaben darüber machen, wie viele Kinder eine Förderschule mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung besuchen, wobei vordergründig Bezug zu Daten für Niedersachsen genommen wird und auch Daten für Deutschland einfließen. Aktuelle und ältere Daten zu vergleichen erscheint hierbei sinnvoll, um den stattfindenden Wandel zu verdeutlichen. Des Weiteren werden einige Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts Berlin eingebracht, der sich mit Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen beschäftigt.

2.1 Statistische Daten über Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung in Niedersachsen

Aktuell beklagen die Förderschulen mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung in der Region Hannover Platzmangel, d. h. die Förderschulen können dem Bedarf an sonderpädagogischer Förderung im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung nicht gerecht werden (vgl. Pennigsdorf 2007, S. 1, siehe Anhang I). Besonders im Grundschulbereich steigt die Zahl der Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf der emotionalen und sozialen Entwicklung. Doch auch in Kindergärten machen sich diese Störungen zunehmend bemerkbar, sodass es bereits einige wenige Kindergärten mit speziellen Gruppen für Kinder mit schwierigem Verhalten gibt (vgl. ebd.). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Kollegen/innen aus der Praxis dieses Verhalten nicht nur bei Kindern aus sozial schwachen Milieus beobachten sondern zunehmend auch bei überbehüteten Einzelkindern (vgl. Ortner/Ortner 2000, S. 233). Aufgrund der Zunahme der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf der emotionalen und sozialen Entwicklung wird eine Ausweitung des Förderangebotes zur Diskussion gestellt (vgl. Pennigsdorf 2007, S. 2). Auf den Aspekt der schulischen Betreuung von Kindern mit emotional-sozialen Störungen wird in Kapitel 3.1 ausführlich eingegangen.

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Störungen im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung - ein zunehmend verbreitetes soziales

Zunächst wird untersucht, ob die statistischen Daten eine mögliche Ausweitung des Förderangebots rechtfertigen. Die niedersächsische Statistik bietet hierzu interessante Daten.

InNiedersachsenhaben sich seit 1955 einige Änderungen hinsichtlich der Verteilung der Schüler/innen an allgemein bildenden Schulen ergeben. Im Jahr 1955 besuchten insgesamt 866.301 Schüler/innen allgemein bildende Schulen in Niedersachsen. Davon wurden 1,60 % an Förderschulen unterrichtet. Bereits 1989 waren es 3,29 %, also doppelt so viele Förderschüler/innen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2007, S. 12, siehe Anhang II).

Die Höchstzahl der Förderschüler/innen wurde im Jahr 2003 mit 40.133 (4,04 %) erreicht. Im Jahr 2004 bestand die höchste Gesamtzahl der Schüler/innen an allgemein bildenden Schulen in Niedersachsen mit 993.056 Schüler/innen. Seitdem fällt sie stetig und mit ihr sowohl die Zahl der Förderschüler/innen als auch ihr Anteil an der Gesamtzahl der Schüler/innen an allgemein bildenden Schulen. Dieser betrug 2006 3,94 % und wurde für 2007 auf 3,83 % geschätzt. Für das Jahr 2020 werden die Gesamtschüler/innenzahl an allgemein bildenden Schulen in Niedersachsen bei 730.664 und der Anteil der Förderschüler/innen bei 3,66 % vermutet (vgl. ebd.). Im Zuge der sich verändernden Bevölkerungsstruktur (vgl. Rachow/Stollorz 2003, S. 1) werden in den nächsten Jahren die Schüler/innenzahlen insgesamt fallen, sodass die Abnahme des Anteils der Förderschüler/innen auch dadurch begründet und nicht etwa nur auf eine starke Verbesserung der (integrativen) Förderung zurückzuführen ist. Die Einteilung der Förderschulen in unterschiedliche Schwerpunkte ist in der Statistik des Niedersächsischen Kultusministeriums von 2007 bis 1970 zurückzuverfolgen. Damals betrug der Anteil der im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung besonders geförderten Schüler/innen 2,12 % der Gesamtzahl der Förderschüler/innen. Im Jahr 2006 waren 7,02 %aller Förderschüler/innenin Niedersachsen an Förderschulen mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, d. h. innerhalb von 16 Jahren hat sich der Anteil mehr als verdoppelt. Am häufigsten werden Förderschüler/innen auch heute noch im Bereich Lernen gesondert gefördert (2006: 58,32 %), wobei das große Überwiegen dieses Bereichs seit 1970 (87,85 %) stark abgenommen und eine Umverteilung auf die anderen Schwerpunkte, z .B. Sprache oder geistige Entwicklung, stattgefunden hat (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2007, S. 25).

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Störungen im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung - ein zunehmend verbreitetes soziales

0,28 %aller Schüler/innen an allgemein bildenden SchuleninNiedersachsenbesuchten zum Schuljahresbeginn 2006 Förderschulen mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Bemerkenswert ist die Verteilung der Geschlechter an diesen Förderschulen, denn dort werden zu 91,19 % Jungen beschult. Der Anteil der Ausländer/innen an Förderschulen mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung beträgt 5,96 %. Von allen Ausländer/innen an Förderschulen besuchen 2,95 % eine Förderschule mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Die meisten Ausländer/innen an Förderschulen werden im Bereich Lernen (73,46 %) gesondert gefördert (vgl. Niedersächsisches Landesamt für Statistik 2006, S. 2, siehe Anhang III).

Weiterhin ist interessant, welche Schulabschlüsse Förderschüler/innen inDeutschlanderlangen können. Im Schuljahr 2004/05 erreichten 237.712 Schüler/innen an allgemein bildenden Schulen in Deutschland den Hauptschulabschluss; 4,15 % davon waren Förderschüler/innen. Von insgesamt 398.749 Schüler/innen mit Realschulabschluss waren 0,24 % Förderschüler/innen. Lediglich 0,03 % betrug der Anteil der Förderschüler/innen an allen Absolventen mit Hochschul- oder Fachhochschulreife. Gravierend hoch, mit 49,49 % aller Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss in Deutschland 2004/05, ist die Zahl an Förderschüler/innen, die die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen (vgl. Statistisches Bundesamt 2007, S. 131, siehe Anhang IV). Es wird deutlich, dass Förderschüler/innen sehr selten höhere Bildungsabschlüsse erlangen und die Förderschule oftmals ohne den Hauptschulabschluss verlassen, sodass ihnen wenige Möglichkeiten für ihren weiteren Werdegang offen stehen.

Die Art der erreichten Bildungsabschlüsse hat sich im Rahmen des demografischen Wandels in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich stark verändert, was am BeispielNiedersachsenerläutert wird.

Im Schuljahr 1959/60 erlangten lediglich 6 % eines Jahrgangs die allgemeine Hochschulreife, 2005/06 waren es 27,8 %. Auch der Realschulabschluss erfuhr eine Steigerung von 25,9 % im Schuljahr 1974/75 auf 46,1 % in 2005/06. Der Hauptschulabschluss hingegen wurde im Schuljahr 1974/75 von 51,4 % eines Jahrgangs erworben und wird heute immer seltener angestrebt, sodass 2005/06 nur noch 18,4 % eines Jahrgangs diesen Abschluss erwarben. Die Zahl der Schulabgänger/innen, die allgemein bildende

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Störungen im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung - ein zunehmend verbreitetes soziales

Schulen ohne Hauptschulabschluss verlassen, ist seit 1974/75 von 9,6 % bis auf 8,2 % im Schuljahr 2005/06 gesunken. Allerdings verlassen immer mehr Förderschüler/innen die Schule ohne Hauptschulabschluss: 1990/91 waren es noch 3,8 %, wohingegen im Schuljahr 2005/06 4,2 % der Abgänger/innen eines Jahrgangs die Förderschule ohne Hauptschulabschluss verließen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2007, S. 43, siehe Anhang V). Die hohe Quote der Förderschulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss und somit ihre geringe Chance auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt tritt hier also nochmals in den Vordergrund.

Die gesellschaftlichen Hintergründe dieses Phänomens werden zu einem späteren Zeitpunkt eingehend thematisiert. Zunächst werden einige Ergebnisse des Kinder- und Ju-gendgesundheitssurvey eingebracht, in dessen Rahmen das Robert-Koch-Instituts Berlin zwischen Mai 2003 und 2006 Untersuchungen zu Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen u. a. durch Befragung der Eltern durchgeführt hat (vgl. Hölling u. a. 2007, S. 784 - 793).

Themen dieser Elternbefragungen waren emotionale Probleme, Verhaltens- und Hyperaktivitätsprobleme, Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen sowie prosoziales Verhalten3ihrer Kinder. Dabei fand eine Unterteilung in verschiedene Altersgruppen statt, nämlich drei bis sechs, sieben bis zehn, elf bis dreizehn und vierzehn bis siebzehn Jahre (vgl. ebd.).

Aufgrund der Eingrenzung der Altersgruppe innerhalb dieser Arbeit wird bei der Darstellung einiger Ergebnisse dieser Studie der Fokus auf die Gruppe der Drei- bis Sechsjährigen gerichtet.

Im Bereichemotionaler Probleme,zu denen z. B. Ängste und Depressionen zählen, schätzten Eltern der Drei- bis Sechsjährigen 6,6 % der Kinder als auffällig und 6,4 % als grenzwertig ein. In der Altersgruppe der Sieben- bis Dreizehnjährigen liegt der Anteil der als auffällig gesehen Kinder mit 11,2 % deutlich höher. Jungen und Mädchen sind in dieser Altersklasse noch etwa gleich häufig von emotionalen Problemen betroffen, was sich erst bei den Vierzehn- bis Siebzehnjährigen deutlich verändert, indem Mädchen deutlich mehr emotionale Probleme haben. Kinder mit Migrationshintergrund sind häufiger betroffen und auch der sozioökonomische Status hat Einfluss auf die emotiona-

3ProsozialesVerhalten: die Bereitschaft, anderen zu helfen und deren Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen und Rücksicht darauf zu nehmen (vgl. Hölling u. a. 2007, S. 790).