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Die 19. Ausgabe des Raumfahrt-Klassikers. Nehmen Sie teil am großen Abenteuer unserer Zeit... Raumfahrt im 21. Jahrhundert: Spannender als Science Fiction. In den SPACE-Jahrbüchern halten wir für Sie die aktuellen Entwicklungen in der Raumfahrt fest. Sachkundig, pointiert, aktuell und spannend Deutsche Kleinträger – Ein Erfolgsmodell? *** Der Glenn Pilot Report *** Wettflug Branson gegen Bezos *** Mit dem Starship nach Hawaii *** Japan fliegt zu Phobos und Deimos *** China – Das Neueste von der Raumfahrtsupermacht *** Würzburger Kleinsatelliten im Formationsflug *** Spaceports in Europa *** Die Vision: Zu Mond und Mars *** SF-Wettbewerb 2021 *** Raumfahrtchronik und Raumfahrtstatistik *** Raumfahrt-Panorama *** und vieles mehr...
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ePub-Edition Dezember 2021
Copyright © by VFR e.V., München
Alle Rechte vorbehalten
Initiator: Verein zur Förderung der Raumfahrt e.V., www.vfr.de
Herausgeber: Thomas Krieger
Organisation: Peter Schramm
Lektorat: Heimo Gnilka, Margit Drexler, Thomas Krieger, Peter Schramm, Stefan Schiessl
Titelmotiv: SpaceX
Layout & Satz: Stefan Schiessl, www.exploredesign.de
Web: www.space-jahrbuch.de / eMail: [email protected]
ISBN 978-3-944819-51-8 (ePub)
Meine Güte. Es ist ganz schön was los in der Raumfahrt. Vorbei sind die drögen Zeiten, in denen es die üblichen zwei jährlichen bemannten Missionen zur ISS gab, deren Besatzungen man schon Jahre im Voraus kannte, und vielleicht noch alle Jubeljahre die eine oder andere Sondenmission, die auf die Reise zu Monden und Planeten ging. Im September 2021, der Zeitpunkt an dem ich diese Zeilen schreibe, überschlagen sich die Ereignisse geradezu. Kaum ein Tag ohne neue Sensation. Nicht zuletzt deswegen ist diese aktuelle Ausgabe von SPACE die umfangreichste, die wir jemals produziert haben. Gerade eben (und an sich schon ein paar Tage außerhalb unseres Berichtszeitraumes) kehren Jared Isaacman, Sian Proctor, Hayley Arcenaux und Christopher Sembrowski nach zwei Tagen und 23 Stunden von ihrem rein privaten „Inspiration4“-Einsatz zurück und eröffnen mit dieser historischen Mission eine ganz neue Ära der Raumfahrt.
Für mich persönlich war jedoch die Entscheidung der NASA, SpaceX zum alleinigen Anbieter im Entwicklungsprogramm für den nächsten bemannten Mondlander zu machen, die größte Sensation des Jahres. Eine Entscheidung, die bei Blue Origin und Dynetics, den anderen beiden Anbietern für das Programm, zu wütenden Protesten führte. Blue Origin begann denn auch sofort danach, die NASA mit Klagen zu überziehen, um diesen Beschluss noch einmal auszuhebeln.
Mit furiosem Elan entsteht in Boca Chica das Raumtransportsystem der nächsten Generation. Erneut ist es SpaceX, das allen Konkurrenten vorauseilt. Starship-Prototypen führten im Berichtsjahr eine Reihe von Testflügen bis in Höhen von 12.000 Metern durch, und erstmals wurde die Kombination aus Starship und Super Heavy am Startplatz aufgebaut und lässt ahnen, was hier schon in naher Zukunft abgehen wird.
In China und den USA kam es zu einer Reihe von Testflügen neuer Kleinträgerraketen. Mit recht gemischten Ergebnissen, wie Sie im Statistik-Teil von SPACE 2022 nachlesen können. Hier gilt weiterhin eines der ungeschriebenen Gesetze der traditionellen Raumfahrt: 50 Prozent aller Testflüge scheitern.
Da und dort gab es auch Anlass zu einer gewissen Sorge. Der Geisterflug des „neuen“ russischen Nauka-Raumstationsmoduls zur ISS und der schlechte technische Zustand der russischen Module geben einigen Anlass zur Skepsis hinsichtlich der angestrebten „Haltbarkeit“ der ISS bis in die frühen 2030er-Jahre. Wie überhaupt die russische Raumfahrt mehr und mehr zurückfällt gegenüber den jetzt schon fast gleichrangigen Raumfahrt-Hegemonialmächten USA und China.
Während SpaceX mit seinem Crew Dragon inzwischen Mission um Mission mit Routine und Professionalität abwickelt, schaffte es Boeing auch in diesem Jahr nicht, seinen Starliner zum Einsatzbeginn zu bringen. Das Unternehmen stolpert von einem technischen Problem in das Nächste, und man fragt sich, wo die großen Zeiten dieses Traditionsunternehmens geblieben sind. Das Dauerversagen des Aerospace-Giganten freut natürlich SpaceX, das momentan das Geschäft der Crew-Transporte zur ISS ganz alleine abwickelt. Zu den anerkannt lukrativen Preisen, die man der NASA berechnen kann.
Enttäuschend wie so oft war auch dieses Jahr Europas müde Performance in Sachen Raumfahrt. Der bereits für 2018 angesetzte und auf 2020 verschobene Start der neuen europäischen Exomars-Plattform, bestehend aus dem Kasatschok-Lander und dem Rosalind Franklin-Rover musste auch dieses Mal abgesagt und auf 2022 verschoben werden. Auch der Erstflug der Ariane 6, an sich schon kein Highlight innovativer Raumfahrtkunst, musste erneut vertagt werden. Vor Ende 2022 wird es wohl nichts werden. Neue, spannende Programme sind in Europa nicht in Sicht. Ein bisschen Erdbeobachtung hier und ein wenig Navigation dort ist dem Alten Kontinent Raumfahrt genug. Die Haltung Europas zur eigenständigen bemannten Raumfahrt ist weiterhin „indifferent“ um es milde auszudrücken und es gilt die Hoffnung, die schon die letzten Jahrzehnte geprägt hat: Irgendwer wird uns schon mitfliegen lassen. Vor vielen Entwicklungen (Bespiel: Nukleare Energiequellen für Forschungssonden ins äußere Sonnensystem) drückt man sich aus ideologischen Gründen oder aus Desinteresse. Um diese „müde Performance“ ein wenig bildhafter zu machen: Zwischen dem 1. Januar und dem 15. September 2021 gab es weltweit 89 Orbitalstarts. Genau drei davon waren aus Europa. Alleine das US-Privatunternehmen SpaceX führte 23 dieser 89 Starts durch.
Unser diesjähriger Leitartikel hinterfragt kritisch die Chancen deutscher Kleinträgerraketen auf dem Weltmarkt. Es gibt derzeit hierzulande drei Neuentwicklungen, ein zunächst einmal sehr erfreulicher Aspekt. Die großen Hürden vor ihnen sind aber nicht Design und Entwicklung, sondern die Vermarktung und die Produktion. Gute Nachrichten kommen aus der Schnittstelle von der akademischen Forschung zur wirtschaftlichen Nutzung der Raumfahrt. Wir sehen uns hier die Würzburger Satellitenschmiede um Professor Schilling an, die mit interessanten neuen Projekten auf dem Kleinsatelliten-Sektor aufwartet. Ich sage nur: Formationsflug im All.
Einen Hahnenkampf der besonderen Art gab es in diesem Jahr in den USA beim Wettbewerb um den ersten bemannten Einsatzflug eines suborbitalen Raumtransportsystems. Den gewann Jeff Bezos. Oder Richard Branson? Oder vielleicht doch Jeff Bezos? Naja, wie auch immer. Mit Branson & Bezos – Suborbitaler Wettflug können Sie sich dazu selbst eine Meinung bilden. Wenn Sie schon immer einen Direktflug von Boca Chica in Südtexas nach Hawaii buchen wollten, und zwar einen, dessen Scheitelpunkt 900 Kilometer über der Erdoberfläche liegt, dann ergäbe sich jetzt die Gelegenheit dazu. Das ist nämlich die Strecke, die das SpaceX-Starship bei seinem (nahezu) orbitalen Jungfernflug abfliegen wird. Details dazu erfahren Sie in Mit dem Starship nach Hawaii. Das Neueste vom mit Volldampf wachsenden Markt des orbitalen „Weltraumtourismus“ lesen sie im Bericht „Privater Ausflug in den Orbit“. Da gibt es auch Details zu Isaacman, Proctor, Arcenaux und Sembrowski, die ich eingangs erwähnte.
Mit einer sehr interessanten japanischen Planetenmission, einer Probenrückführmission zum Marsmond Phobos, die 2024 starten soll, befasst sich MMX-Mission zu Phobos und Deimos. Unser diesjähriger Beitrag zur Raumfahrtgeschichte beschreibt die Friendship 7-Mission von John Glenn am 20. Februar 1962. Es war seinerzeit der erste bemannte Orbitalflug der USA. Ich habe Glenns damaligen Flugbericht übersetzt.
China, von vielen über lange Jahrzehnte als behäbig und langsam in Sachen Raumfahrtentwicklung eingeschätzt, verschärft zusehends das Tempo. In dieser Ausgabe bringen wir einen Statusbericht über die chinesischen „Flaggschiff-Aktivitäten“.
In der Öffentlichkeit kaum bekannt ist das rechtliche Rahmenwerk, das sich mit der Nutzung des Weltraums vor allem in Hinblick auf das Vorhaben ARTEMIS beschäftigt. Wir füllen diese Lücke und berichten darüber in Der ARTEMIS-Accord. Ebenfalls wenig bekannt ist, dass sich in einigen europäischen Ländern Initiativen zur Einrichtung von „Weltraumbahnhöfen“ für Kleinträgerraketen entwickelt haben. Selbst im bürokratiefreudigen und wenig technik-affinen Deutschland. Ob das gut gehen kann, erfahren sie im Beitrag Spaceports in Europa – Ein Statusbericht.
Und zu unserem Projekt Zeittunnel haben wir Ihnen dieses Mal eine detaillierte „Referenzvision“ für die Entwicklung der NASA/SpaceX-Aktivitäten der nächsten 15 Jahre ins Buch gestellt. Ihre Vorstellung zu diesem Thema mag aber ganz anders aussehen. In dem Fall versuchen Sie sich doch einfach mit einer eigenen Version www.space-jahrbuch.de.
Covid lässt – hoffentlich und dann nie wieder – ein letztes Mal grüßen: Der Autor hat es aufgrund der obwaltenden Umstände nicht geschafft, im Kino einen SF-Blockbuster zu sehen und ein paar grätig-kritische Worte darüber zu verfassen. Allerdings haben wir, wie eingangs festgestellt, auch ohne diesen „Stammartikel“ bereits die dickste SPACE-Ausgabe aller Zeiten, so dass Sie mir – denke ich – das ausnahmsweise durchgehen lassen können.
Unser diesjähriger Science-Fiction Wettbewerb befasste sich mit dem Thema Raumfahrt im äußeren Sonnensystem. Wie immer finden Sie die drei besten Beiträge im Buch. Sie sind dieses Jahr, wie ich finde, auf einem besonders hohen Niveau, phantasiereich und spannend geschrieben. Sie können sich wirklich darauf freuen. Erstmals befassen wir uns in dieser Ausgabe von SPACE mit einer neuen Science-Fiction Kategorie: Den Ultrashort-Stories. Sie stammen ursprünglich aus der englischsprachigen Twitter-Szene und sind dort auf 240 Zeichen beschränkt. Das erschien uns denn doch ein wenig sehr kurz, vor allem wenn man bedenkt, dass die deutsche Sprache in der Regel etwa 25 Prozent mehr Platz benötigt, um denselben Sachverhalt zu erzählen. Wir haben deshalb großzügig auf 500 Zeichen erweitert, inklusive Leerzeichen. Wir haben über 60 Zusendungen erhalten und stellen Ihnen die – aus unserer Sicht – fünf besten in dieser Ausgabe vor.
Neben den Artikeln und den Kurzgeschichten widmen wir einen wesentlichen Teil des Buches wie immer einer ausführlichen Dokumentation aller Raumfahrtstarts in der SPACE-typischen Berichtsperiode, die für den aktuellen Band vom September 2020 bis August 2021 läuft. Wir haben damit in den bislang erschienen 19 Bänden jede einzelne Mission, die seit dem 5. Januar 2003 in den Orbit oder darüber hinausging, im Detail dokumentiert. Vor zwei Jahren eingeführt, gibt es ergänzend auch in diesem Jahr im Raumfahrt-Panorama 24 jeweils drei Absätze lange Meldungen zu wichtigen und interessanten Ereignissen in der Raumfahrt, die nichts mit Starts und (bemannten) Landungen zu tun haben. Für die Zahlenfreaks und die Statistik-Afficionados unter unseren Lesern haben wir wie jedes Jahr einen Block von über 20 Seiten zur Raumfahrtstatistik des Jahres erarbeitet.
Wir sagen danke
Und zwar an alle, die zum Entstehen dieser Ausgabe beigetragen haben. Das sind in der SPACE-Redaktion unser „Exploredesigner“ Stefan Schiessl und unser „General Manager“ Peter Schramm. Unterstützt haben uns auch der Organisator des Science Fiction Wettbewerbs Lothar Karl, sowie unsere Lektoren Margit Drexler und Heimo Gnilka. Nicht zu vergessen unsere Sponsoren. Sie tragen den Teil der Erstellungskosten, die mit den Verkäufen alleine nicht zu decken wären.
Nachdem unser erster Kalender 2020 gut angekommen ist, bringen wir auch heuer einen SPACE 2022 Raumfahrtkalender heraus. Er ist auf unserer Website und im Buchhandel bestellbar. Exklusiv auf der Website und auf Veranstaltungen erhältlich ist dagegen das informative Weltraum-Glossar, welches wir ihnen im Rahmen einer Bestellung gerne kostenfrei zusenden.
Per e-Mail erreichen Sie uns jederzeit über [email protected]. Auf unserer Website www.space-jahrbuch.de erwartet Sie Wissenswertes rund um Raumfahrt und die Entstehung des Jahrbuchs. Hier können Sie auch die Bände vergangener Jahre nachbestellen, die im Buchhandel möglicherweise schon vergriffen sind. Facebook-Nutzer finden uns auf www.facebook.com/SPACE.Jahrbuch, das fast tägliche Updates erlebt. Abonnieren Sie es und kommentieren Sie mit. Noch persönlicher und direkter ist der Kontakt beim jährlichen Dachauer SPACE-Abend im November, bei dem das Jahrbuch jeweils Premiere feiert. Infos zum nächsten SPACE-Abend erhalten Sie auf unserer Website, zusammen mit Videos und Berichten der bisherigen Veranstaltungen. Wenn Sie Kritik für uns haben oder Lob, Tipps oder Meinungen, ein Problem oder eine Frage zu den Inhalten, wenn Sie sich schon mal die Ausgabe für das nächste Jahr reservieren wollen oder gerne der Tochter oder dem Sohn eines der Bücher schenken wollen, gerne auch signiert, wenn sie eine Prognose zum zukünftigen Verlauf der Raumfahrt abgeben wollen: nehmen Sie über eine der Möglichkeiten Kontakt mit uns auf. Wir freuen uns auf Ihr Feedback.
Und jetzt hinein ins Raumfahrtgeschehen. Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre von SPACE 2022. Bleiben Sie uns weiterhin treu und gewogen.
Im Namen des SPACE-Teams, Ihr Eugen Reichl
Diese Szene könnte sich bereits gegen Ende des Jahrzehnts so abspielen: Ein Lunar Starship von SpaceX entlädt zwei Toyota Lunar Cruiser.
Der Weltraum ist schon lange nicht mehr nur ein erdferner Ort exotischer Forschung, sondern wird zunehmend zum Wirtschaftraum. Das gilt nicht nur für die längst etablierten Anwendungen wie Telekommunikation, Erdbeobachtung, Meteorologie oder wissenschaftliche Arbeit quer über alle Fachrichtungen, sondern auch für Zukunftsmärkte, die heute vielen noch exotisch und kurios erscheinen.
Ein Indikator für innovative und zukunftsgewandte Volkswirtschaften sind ihre Raumfahrtaktivitäten. China ist da ganz vorne dran. Die USA auch. Diese beiden führen das Feld mit immer größerem Abstand an. Das unbewegliche Europa mit seinen byzantinischen Entscheidungsprozessen tut sich gegen diese Konkurrenz schwer. China und die USA planen und erproben schon die nächsten und übernächsten Schritte im All. Seien es die in der kurz- bis mittelfristigen Zukunft liegenden Anwendungen wie kommerzielle Raumstationen, der Abbau von Rohstoffen auf Erdmond und Asteroiden oder die Energiegewinnung durch orbitale Solarkraftwerke oder sei es in etwas fernerer Zukunft die Verlagerung umweltschädlicher Industrien von der Erde in den Weltraum oder die Einbeziehung des Alls als Wohn- und Lebensraum. Dinge wie diese scheinen vor allem uns in Europa als reine Science Fiction, doch die regulatorischen Entscheidungen zu diesen Themen werden in diesen Jahren getroffen. Europa sollte da eigentlich auf Augenhöhe mitreden. Das geht aber nur, wenn es von den anderen Parteien auch ernst genommen wird, doch tut es viel zu wenig dazu, sich in eine Position zu bringen, aus der das auch möglich ist. Wichtige Gebiete der Raumfahrt werden in Europa derzeit völlig ignoriert. Bemannte Raumfahrt beispielsweise. Hier herrscht die Meinung: Brauchen wir nicht. Irgendjemand wird uns schon mitfliegen lassen. Die Russen, die Amerikaner, die Chinesen und vielleicht bald auch die Inder. Ganz generell ist der Raumtransport, nicht nur für bemannte Flüge, die Schlüsseltechnologie für den Zugang zum Weltraum. Hier ist Europa denkbar schlecht aufgestellt. Nur ein Beispiel: Bis zum 15. September des Jahres 2021 – dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe von SPACE – wurden weltweit 89 Orbitalstarts durchgeführt. Ganze drei davon aus Europa.
Für den unbeschränkten Zugang zum Weltraum benötigt Europa zu allererst preiswerte Trägerraketen, die technologisch und leistungsmäßig auf dem neuesten Stand sind. Im oberen Leistungsbereich der Trägerraketen hat Europa bereits wichtige Entscheidungen verschlafen. Die Ariane 6 als Nachfolgerin der Ariane 5 hat noch nicht einmal ihren (vielfach verschobenen) Erstflug absolviert und ist dennoch schon hoffnungslos veraltet. Sie ist technologisch ein Träger der frühen achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts, der sich unnötigerweise in die Gegenwart verirrt hat. Diese Rakete soll in einer Variante (als Ariane 62) für Europa auch den Bereich der oberen Mittelklasse abdecken. Im wichtigen Gebiet der mittleren Mittelklasse besitzt Europa überhaupt keinen eigenen Träger. Hier hat man sich in Vereinbarungen mit Russland die Sojus-Trägerrakete ins Haus geholt, den konzeptionell weltweit ältesten Träger überhaupt. Er geht zurück auf Russlands R-7 Interkontinentalrakete aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Europas Rakete der unteren Mittelklasse, die Vega, ist zu teuer, nicht zuletzt wegen ihrer sehr geringen Startfrequenz. Und sie ist nur mäßig zuverlässig, wie zwei Startversager in den letzten beiden Jahren gezeigt haben. Was schließlich den Bereich der Kleinträger betrifft, gab es in Europa bis vor einer Weile außer bunten Powerpoint-Präsentationen gar nichts. Immerhin, diese Situation ändert sich nun.
Momentan werden in Europa ein halbes Dutzend Kleinträgerentwicklungen in einem mehr oder weniger fortgeschrittenen Stadium betrieben. Das sind in Spanien PLD Space mit der Miura 5-Rakete, in Italien Avio mit der Vega Light und in England Skyrora mit der Skyrora XL-Rakete. Die anderen drei kommen aus Süddeutschland: Die Rocket Factory Augsburg (RFA), die zur OHB-Gruppe gehört, Isar-Aerospace aus Ottobrunn bei München und die Hyimpulse Technologies GmbH in Neuenstadt am Kocher, nahe Heilbronn. Von den deutschen Unternehmen sind RFA und Isar-Aerospace für die Anfangsphase eines solchen Unterfangens ausreichend finanziert. HyImpulse mit seinem SL-Launcher steht nicht ganz so gut da. Das Start-up versucht sich mit einem inkrementellen Entwicklungsprogramm auf dem Umweg über Höhenforschungsraketen auf der Finanzierungsleiter zum Orbitalträger hochzuarbeiten. Immerhin gibt es bei HyImpulse (wie bei den beiden anderen deutschen Firmen auch) Fördermittel vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der nationalen deutschen Raumfahrtbehörde. Zusätzlich erhält das Unternehmen eine intensive Betreuung durch das Forschungs- und Testzentrum für Raketenantriebe in Lampoldshausen. Diese Zuwendung ist nicht verwunderlich, denn bei HyImpulse handelt es sich um eine Ausgründung des DLR. Technologische Unterstützung (z. B. durch die dortigen Prüfstände) ist notwendig, denn dieses Unternehmen arbeitet an einem neuen technischen Konzept mit einem Antrieb, der Paraffin als Treibstoff einsetzt. Umwege über vorbereitende Technologieprogramme sind allerdings einem schnellen und preisgünstigen Entwicklungsprozess nicht gerade förderlich, so dass man die Entwicklung des SL-Launchers bislang eher als akademisches Projekt denn als ein nach dem Markt ausgerichtetes Unterfangen bezeichnen muss. Sollte es aber eines – wahrscheinlich eher ferneren – Tages mit dem geplanten dreistufigen Orbitalträger soweit sein, dann strebt HyImpulse einen Preis für das Kilo Nutzlast in den Orbit in der Gegend von 7.000 Euro an. Das ist in etwa der Durchschnittspreis, mit dem die schon auf dem Markt befindlichen Kleinträger derzeit um Kunden werben. Deutlich marktnäher sieht es bei den Konkurrenten RFA und Isar-Aerospace aus. Die beiden Unternehmen arbeiten an klassischen Trägerraketen die mit Kerosin und flüssigem Sauerstoff (RFA) und mit Propan und flüssigem Sauerstoff (Isar-Aerospace) betrieben werden. Diese beiden Start-ups haben gute Chancen, innerhalb der nächsten etwa zwei bis drei Jahre eine funktionsfähige Rakete auf die Startrampe zu bringen. RFA gehört zum deutschen Raumfahrtkonzern OHB Group und dürfte über die tiefen Taschen der Mutter ausreichend finanziert sein, um bis zum Prototypen zu gelangen. Der Starttermin für den Erstflug des dreistufigen Trägers liegt hier noch nicht fest. Wohl aber der Preis pro Kilogramm Nutzlast. Der soll nach Angaben von RFA bei 2.300 Euro liegen. Diese Zahl ist derart niedrig, dass sie angesichts der verwendeten Technik und der absehbar niedrigen Startfrequenz vollständig unrealistisch sein dürfte. Finanziell eher noch besser steht die Isar-Aerospace da, denn hier hat eine Investorengruppe unter der Führung der Porsche SE (dem Mehrheitsaktionär von VW) Gefallen an dieser Firma gefunden und mehr als 150 Millionen Euro hineingesteckt. Damit ist das Ottobrunner Unternehmen nach eigenen Worten das „bestfinanzierte und am schnellsten wachsenden Space-Start-up in der EU“. Es ist auch mit derzeit etwa 180 Mitarbeitern das personell am besten ausgestattete. Ihre zweistufige, über beide Stufen mit Kerosin und flüssigem Sauerstoff betriebene, Rakete namens Spektrum soll bereits irgendwann gegen Ende des kommenden Jahres vom norwegischen Startplatz Andoya aus zum Erstflug aufbrechen. Ziel der Isar-Aerospace-Ingenieure ist es, das Kilo Nutzlast für weniger als 10.000 Euro in den Orbit zu bringen. Die weitere Entwicklung nach dem Erstflug, also der eigentliche Eintritt in das Geschäftsmodell, ist bei allen drei deutschen Firmen noch recht wolkig. Isar-Aerospace behauptet, in fünf Jahren etwa 10 Raketen jährlich herstellen zu können, vielleicht sogar bis zu 30. Aber an dieser Stelle zeichnet sich schon ein gefährlicher Mangel ab, der gerade deutschen Startups nicht abzugewöhnen ist: Dem großen Interesse am Produkt und seiner Technik steht ein deutliches Desinteresse an seiner Platzierung auf dem Markt und seiner Vermarktung gegenüber.
Ein hervorragendes Geschäftsmodell, einen schlagkräftigen Vertrieb und eine perfekte, bis zum äußersten durchrationalisierte Serienfertigung wird es brauchen. Dinge erfinden und entwickeln konnte man in Deutschland schon immer ziemlich gut. Auf einem ganz anderen Blatt steht die chronische deutsche Schwäche bei der Vermarktung, die sich quer durch alle Gebiete neuer Technologien zieht. Und eine perfekte Vermarktung wird notwendig sein, denn die deutschen Startups werden auf einen Markt treffen, der vollständig gesättigt ist. Nach Informationen des Northrop Grumman Smallsat Launcher Survey, der von seinen Autoren jährlich auf den Neuesten Stand gebracht wird, sind derzeit 155 Unternehmen weltweit dabei, Kleinträger zu entwickeln. Zehn davon sind bereits im Einsatz. Sechs dieser einsatzfähigen Kleinträgerraketen stammen aus China. Weitere etwa 10-15 werden ihren Erstflug in weniger als einem Jahr durchführen. Im Abstand von wenigen Wochen kommen neue Entwicklungen dazu und selbst Raumfahrt-Nerds verlieren inzwischen den Überblick bei all den exotisch klingenden Start-ups wie Aevum, Acrux Space, Beyond Earth, Green Launch, X-Bow, Merida Aerospace, Thor Launch Systems und viele, viele mehr, die sich zu den Namen dazugesellen, an die man sich schon etwas gewöhnt hat, wie Rocket Lab, Virgin Orbit, Astra, Firefly, iSpace, Landspace, Orbex, Launcher, Galactic Energy, Firefly, Relativity Space oder ABL. Fakt ist: Die Welt hat nicht gerade darauf gewartet, dass irgendwann auch noch die Deutschen (oder die Europäer generell) auf dem Markt eintreffen. Wenn sie es denn in zwei, drei oder noch mehr Jahren tatsächlich tun, dann finden sie dort eine große Anzahl von Unternehmen vor, die alle schon ihre Entwicklungsprobleme hinter sich gelassen haben, bei denen die Serienfertigung läuft, und die nun um die etwa 5-7 Positionen kämpfen, die der Markt auf absehbare Zeit wirklich benötigt. Wie fast immer auf dem Gebiet neuer Technologien ist Europa und hier vor allem Deutschland viel zu langsam. Das liegt noch nicht einmal an der oft beklagten deutschen Technikfeindlichkeit sondern auch häufig am nicht vorhandenen positiv regulativen Rahmen, an der überbordenden Bürokratie, fehlendem Pragmatismus und einer extrem technikkritischen Medienlandschaft, die neue Entwicklungen lieber ins Lächerliche zieht, anstatt sich objektiv damit zu befassen. Früher war es die Magnetschwebebahn, heute sind es Flugtaxis und Trägerraketen.
Ein Design zu erstellen ist die mit weitem Abstand leichteste Aufgabe. Schon deutlich schwieriger ist es, einen flugfertigen Prototypen zu bauen. Das wahre Problem aber liegt im Produktionssystem. Das benötigt ein Vielfaches des Aufwandes, den Design und Prototypenbau erfordern. Elon Musk, der dieses Problem aus eigener leidvoller Erfahrung kennt, meint dazu, dass der Aufwand für „Manufacturing“ sträflich unterschätzt werde. Es ist etwas vollständig anderes, einen für 150 Millionen Euro in jahrelanger liebevoller Arbeit „handgebastelten“ Prototypen herzustellen, als für fünf Millionen Euro eine Serienrakete in so wenigen hoch rationalisierten Prozessschritten wie möglich. Der Weg zur Serienfertigung ist lang, beschwerlich, extrem teuer und es ist der Schritt, an dem Deutschland oft scheitert. Es ist der Schritt, bei dem die Leidensfähigkeit eines Unternehmensmanagements seine wahre Nagelprobe erlebt. Bei Trägerraketen kostet die Einrichtung einer Serienfertigung das Vielfache der Prototypenentwicklung. Ein relativ transparentes Beispiel ist hier Rocket Lab, die seit Jahren recht erfolgreich die Elektron-Kleinträgerrakete vertreibt. Auch dort gelang die Entwicklung der Rakete bis zum Prototypen mit etwa 120 Millionen Dollar. Für Serienreifmachung, Produktionsoptimierung, Beschaffung und Kalibrierung der Produktionsinfrastruktur, Bereitstellung der gesamten Bodenausrüstung (des so genannten „Ground support equipment) und der Startanlagen kolportiert man dagegen Zahlen vom sechs- bis siebenfachen dieser Summe. Solche Beträge bei Geldgebern erst einmal zu bekommen, und in der Folge auch zu amortisieren, bei einer Rakete, die wegen der beinharten Konkurrenzsituation auf dem Kleinträgermarkt nicht mehr als vielleicht fünf bis sieben Millionen Euro kosten darf, gelingt ausschließlich mit hohen Startzahlen. Astra in den USA beispielsweise plant auf lange Sicht mit einem Start täglich. Auch Rocket Lab müsste, um wirtschaftlich sein zu können, mehrere Dutzend Starts pro Jahr absolvieren. Momentan liegt das Unternehmen bei 8-9 Starts jährlich. Nächstes Jahr sollen es 20 – 24 werden. Sehen wir einmal in die USA, dann wird schnell klar, warum es dort vergleichsweise einfach ist, ein Raketen-Startup hochzuziehen. Das Land ist technik-affin, Raumfahrt steht hoch im Kurs und wird von der Regierung als zukunftsweisende Schlüsseltechnologie verstanden. Die Regularien sind überschaubar, klar und industriefreundlich. Genehmigungsprozesse laufen zügig, und werden nicht, wie hierzulande, oft über viele Jahre verschleppt. Es gibt eine ganze Auswahl von möglichen Startplätzen und mit das Wichtigste: Es gibt dort Investmentgesellschaften, die sich darauf spezialisiert haben, Startups an die Börse zu bringen, und ihnen somit das nötige Kapital zur Serienreifmachung zu verschaffen. Ein weiteres deutsches Problemfeld ist die Vermarktung. Wann immer man sich durch die Veröffentlichungen der deutschen Raketenstartups liest, trifft man auf Aussagen der jeweiligen Geschäftsleitungen, dass man jetzt erstmal die Rakete entwickeln werde und dann schon schauen werde, was sich auf dem Markt so ergibt. Devise: Erst bauen, dann schauen. Doch das ist eine komplett falsche Einstellung. Die Vermarktung ist ein Gebot der ersten Stunde. Gwynne Shotwell, die heute das Unternehmen SpaceX wirtschaftlich leitet, gehörte zu den ersten 10 Angestellten, die Elon Musk im Jahre 2002 einstellte. Schon wenige Wochen nach ihrer Einstellung war sie beim „Klinkenputzen“ bei den potentiellen Kunden, auch wenn danach noch Jahre bis zum ersten erfolgreichen Start vergingen.
Und noch ein Problemfeld für Deutschlands und Europas Kleinraketenbauer: Der Markt ist dynamisch und baut sich ständig um. Europäische und deutsche Reaktionszeiten auf diese Marktdynamik sind viel zu langsam. Für Kleinnutzlasten, die nicht sensitiv für spezielle Anforderungen an ihre Umlaufbahn sind, bietet beispielsweise SpaceX seit einer Weile einen für Raumfahrtverhältnisse revolutionären Service an: Mehrmals jährlich regelmäßige Transportflüge zu festen Terminen. Sie gehen stets auf dieselbe sonnensynchrone polare Umlaufbahn in 500 Kilometer Höhe, denn das ist der beim Kunden beliebteste Orbit. Sie finden statt, egal ob sie ausgelastet sind oder nicht (doch es ist kein Geheimnis: Sie SIND komplett ausgelastet). Aufgrund der enormen Nutzlastkapazität dieser Rakete können dabei pro Flug 100 oder mehr Kleinsatelliten mitgenommen werden. Zu – für Raumfahrtverhältnisse – sensationell niedrigen Preisen. Die ersten 200 Kilogramm Nutzlast kosten den Kunden des Transporter-Programms von SpaceX eine Million Dollar, somit 5.000 Dollar (oder etwa 4.000 Euro) pro Kilogramm. Mit diesem unschlagbaren Angebot saugt SpaceX momentan einen großen Anteil der klassischen Nutzlasten der Kleinträger vom Markt. Dieser Markt wächst zwar laufend, aber SpaceX hält hier mit seiner nahezu unbegrenzten Startkapazität mühelos dagegen. Damit bleiben für die Mikro-Launcher nur zwei Lösungen. Zum einen die Startaufträge für die maßgeschneiderten Lösungen, die den Einschuss in spezielle Bahnen und besondere Orbithöhen erfordern, und die deswegen auch etwas teurer sein können, und zum anderen die Möglichkeit noch billiger zu sein als SpaceX. Das Letztere erfordert ein technisch enorm simples Konzept in Verbindung mit sehr hohen Startraten.
Ist es also vergebliche Liebesmüh, in Deutschland oder in Europa Kleinraketen entwickeln zu wollen? Tatsächlich scheint es nicht gut auszusehen. Deutschland und Europa sind für derlei Technologien, man muss es so hart sagen, weder dynamisch noch mental dafür gut genug aufgestellt. Sie würden, so wie sich die Situation gegenwärtig darstellt, in der „freien Wildbahn“ des offenen weltweiten Marktes nicht überleben. Ein Ausweg wäre es, in die USA zu gehen, wo die Voraussetzungen wesentlich besser sind. Dort hätte man dann auch Zugang zum US-Markt mit seiner generell sehr dynamischen privaten und institutionellen Raumfahrtszene. Zusätzlich könnte man damit auch die strikten US-Technologietransfer-Regularien umgehen, die heute einem außeramerikanischen Unternehmen Starts technologisch sensitiver US-Nutzlasten verhindern. Den Weg einer US-Registrierung haben beispielsweise das neuseeländische Unternehmen Rocket Lab oder das britische Unternehmen Virgin Orbit beschritten. Ein Sonderfall mag in Deutschland die Rocket Factory Augsburg sein. Sie hat ihren finanziellen und technologischen Rückhalt bei der OHB Gruppe, die selbst Kleinsatelliten baut. Allerdings momentan nur einige wenige pro Jahr. Wenn dieses Geschäft bei OHB aber wächst, wäre für diese Rakete zumindest eine gewisse Grundauslastung aus dem eigenen Haus gegeben.
Im Prinzip müssen wir aber zur eingangs gemachten Betrachtung zurückkommen. Europa braucht schon alleine aus geostrategischen Überlegungen eine vollständige Palette moderner und leistungsfähiger Raumfahrtträger. Angefangen von der Schwerlastrakete bis zum Mikro-Launcher. Die Chancen für Deutschlands Kleinraketen wären also vor allem innerhalb eines geschützten europäischen Binnenmarktes gegeben. Allerdings müsste man dazu alle institutionellen Nutzer solcher Träger dazu verpflichten, nur das europäische Produkt zu nehmen und nicht zum günstigeren Anbieter außerhalb des EU-Raumes zu gehen. Es wäre dann ein ähnliches Konstrukt, wie es beispielsweise auch für die Ariane 6 gefordert wird.
Aber schön ist so eine Lösung nicht. Es ist ein Eingeständnis der Schwäche, des Nicht-mithalten-könnens. Hoffen wir also, dass ich mich hier mit meiner Einschätzung irre und sich die neuen deutschen Kleinträger in Zukunft auf dem freien Markt behaupten können.
John Glenn war der bekannteste Astronaut der Mercury 7, wie sich die sieben Astronauten des ersten bemannten US-Raumfahrtprogramms selbst bezeichneten. Am 20. Februar 2022 jährt sich der Tag des ersten US-Orbitalfluges zum 60. Mal. Bei seinem Flug mit der Mercury-Raumkapsel Friendship 7 wurde Glenn zum fünften Menschen im Weltraum, und zum ersten Amerikaner, der die Erde umkreiste.
John Glenn war der Einzige der Mercury-Astronauten, der schon vor seiner Zeit als Astronaut eine nationale Berühmtheit war, seit er am 16. Juli 1957 einen neuen Geschwindigkeitsrekord für die Überquerung der USA aufgestellt hatte. An diesem Tag war er von der Los Alamitos Naval Air Station in Kalifornien aufgestiegen und war danach in seiner Vought F8U Crusader in drei Stunden und 23 Minuten nach New York geflogen. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 1.167 Kilometern pro Stunde, entsprechend Mach 1,1 war dies der erste Transkontinentalflug mit Überschallgeschwindigkeit.
Kurz nach seinem Raumflug schrieb John Glenn für das damals (wie heute) führende US-Luftfahrtmagazin Aviation Week & Space Technology einen Flugbericht, der in der Ausgabe vom 23. April 1962 erschien. Stilistisch bewegt er sich zwischen den üblichen Testflugberichten der damaligen Zeit, einem wissenschaftlichen Paper und einem Erlebnisbericht. Der generelle Duktus ist technisch-nüchtern, lässt aber dennoch überall die Erstmaligkeit des Erlebnisses und emotionale Momente durchscheinen. Der Report enthält Einzelheiten, die heute selbst unter gewieften Raumfahrthistorikern nicht mehr bekannt sind. Und er lässt in jedem Detail spüren, wie sehr man sich damals im bemannten Raumflug auf unbekanntem Gelände bewegte. Von diesem Bericht gibt es keine deutsche Fassung. Ich habe ihn übersetzt und um etwa 40 Prozent gekürzt. Die Kürzungen betreffen vor allem Schilderungen technischer Details sowie die sehr ausführlichen Beobachtungen der Erde, das Wahrnehmen von Oberflächenmerkmalen, Siedlungen, Schiffen und Verkehrswegen, der Morphologie von Wolkenformationen und Ähnlichem. Glenn sollte insgesamt 15 Experimente durchführen. Vier betrafen Meteorologie, sieben Astronomie und vier waren medizinische Versuche. Unter anderem gab es da eine Position die „drinking“ hieß, also einfach „trinken“, da man seinerzeit noch annahm, dass Schlucken in der Schwerelosigkeit problematisch sein könnte. Eine Reihe dieser Experimente konnte er aber wegen seines andauernden Problems mit der automatischen Lageregelung nicht wahrnehmen, da er während der letzten beiden Erdumkreisungen die Kapsel manuell fliegen musste.
Die Testziele für die Mission MA-6 der Friendship 7 waren – im Einklang mit den Missionsrichtlinien – die Folgenden:
Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Mensch-Raumfahrzeugsystems während einer Mission mit drei Erdumkreisungen.Bewertung der Effekte eines Raumflugs auf einen Astronauten.Beurteilung der operationellen Tauglichkeit des Raumfahrzeugs und der unterstützenden Systeme für einen bemannten Raumflug durch einen Astronauten.Das sind ganz offensichtlich sehr allgemeine Zielvorgaben. Die Funktionsweise der Raumfahrzeugsysteme wurde bereits in früheren Veröffentlichungen teilweise recht detailliert erläutert, und – bis zu einem gewissen Grad – auch die Integration des Menschen in diese Systeme. Mein Bericht beschäftigt sich daher hauptsächlich mit den Punkten in den drei Testzielen, bei denen die Beurteilungsfähigkeit des Menschen Informationen liefert, die durch andere Mittel nicht zu erlangen sind. Der Bericht wird zeigen, dass ein bemanntes Vehikel einen großen Vorteil gegenüber einem unbemannten Fluggerät hat, das oft taub und blind gegenüber dem Neuen und Unerwarteten ist. Mein Report hebt deswegen vor allem heraus, was ich während des Orbitalfluges hörte, sah und fühlte.
Die Vorbereitung, der Transfer zur Startrampe und das Besteigen des Raumfahrzeugs verliefen wie geplant. Die Techniker und ich hatten diese Vorgänge zuvor vielfach praktiziert. Wie bei jedem Countdown kam es auch hier zu kurzen Unterbrechungen, sobald sich Probleme ergaben. Die Halterung für das Helmmikrofon wurde beschädigt und musste ausgetauscht werden. Ein Teil das zuvor buchstäblich tausende Male justiert und bewegt worden war. Als die Luke des Raumfahrzeugs gesichert wurde, brach einer der Bolzen und musste ebenfalls ersetzt werden. Während dieser Zeit war ich damit beschäftigt, meine Checklisten durchzugehen und die Instrumente des Raumfahrzeugs zu beobachten. Viele Menschen sorgten sich um meine mentale Verfassung während dieser und anderer Verzögerungen, die Teil der Vorbereitung für einen bemannten Raumflug sind. Menschen haben sich zuvor schon wiederholt erkundigt, ob ich vor dieser Mission Angst hätte. Menschen fürchten sich immer vor unbekannten Situationen – das ist ganz normal. Wichtig ist nur, was wir mit dieser Angst tun. Wenn wir es ihr erlauben, uns zu lähmen und vom angemessenen Handeln abzuhalten, dann ist Angst gefährlich. Das beste Gegenmittel gegen Angst ist es, so viel über eine Situation zu wissen, wie nur irgend möglich. Es ist der Mangel an Wissen, der die Menschen oft in die Irre führt, wenn sie sich die Gefühle eines Astronauten vor dem Start vorstellen. Während der Jahre der Vorbereitung für das Projekt Mercury sind diese unbekannten Bereiche, so glauben wir, auf ein akzeptables Niveau reduziert worden. Für diejenigen aber, die nicht in den Genuss dieses Trainings kamen, erscheint das Unbekannte groß und unüberwindbar, und das verringert die Zuversicht bei diesem Personenkreis um ein Erhebliches.
Alle Mitglieder des Mercury-Teams arbeiten schon lange auf diese Fluggelegenheit hin. Wir haben uns nicht vor ihr gefürchtet, wir haben sie erwartet. Nach drei Jahren der Vorbereitung dürfen wir wegen einiger Verzögerungen nicht ungebührlich besorgt sein. Die wichtigste Erwägung ist, dass alles bereit ist und dass nichts durch unnötige Hast gefährdet wird, was durch umsichtiges Handeln bewahrt werden kann. Die erste ungewöhnliche Erfahrung der Mission besteht darin, sich an der Spitze der Atlas-Trägerrakete zu befinden, nachdem der Wartungsturm zurückgefahren ist. Durch das Periskop kann man nun über weite Teile von Cape Canaveral sehen. Wenn man sich in der Liege vor und zurückbewegt, bemerkt man, wie sich das ganze Vehikel leicht bewegt. Wenn die Triebwerke geschwenkt werden, kann man die Vibration fühlen. Wenn der Tank mit flüssigem Sauerstoff gefüllt wird, vibriert und zittert das Raumfahrzeug, wenn sich die Metallhaut durch die Kälte zusammenzieht. Durch das Fenster und das Periskop ist die weiße Wolke des ausgasenden Sauerstoffs sichtbar.
Als der Countdown Null erreichte, konnte ich die Zündung der Triebwerke fühlen. Das Raumfahrzeug schüttelte sich. Nicht wild, aber dennoch nachdrücklich. Über den Zeitpunkt des Lift-offs gab es keinen Zweifel. Als die Halteklammern die Atlas freigaben, gab es augenblicklich ein sanftes Schwanken, das einen wissen ließ: man ist auf dem Weg. Die Rollbewegung der Rakete in den korrekten Start-Azimuth war nach dem Abheben deutlich wahrnehmbar. Ich hatte den kleinen Spiegel am Fenster vorab eingestellt, um den Boden sehen zu können. Ich blickte nach dem Abheben kurz hinaus und konnte sehen, wie sich der Horizont drehte. Sofort nach dem Liftoff gab es einige Vibrationen. Nach etwa 10-15 Sekunden nahmen sie etwas ab, verschwanden aber nie vollständig. Es war ein mäßiges, aber deutliches Vibrationsniveau, das anhielt, bis das Raumfahrzeug etwa eine Minute nach dem Verlassen der Startrampe die Zone des maximalen aerodynamischen Staudrucks (Anmerkung des Übersetzers: Die Originalbezeichnung lautete „max q“) durchquerte. Die Annäherung an max q kündigt sich durch eine erhebliche Zunahme des Vibrationsniveaus an. Die Kraft, die von außen auf das Raumfahrzeug einwirkte, war für diese Phase mit 982 Pound pro Quadratfuß berechnet worden. Während dieser Zeit nahm ich ein gedämpftes, dumpfes Röhren der Triebwerke wahr. Nachdem die Zone hohen Staudrucks passiert war, nahmen die Vibrationen deutlich ab. Das Raumfahrzeug war aber während der gesamten angetriebenen Phase nie vollständig vibrationsfrei. Der Aufbau der Beschleunigung war erheblich, aber nicht belastend. Vor dem Flug sagte mein Ersatzmann, Astronaut Scott Carpenter, er denke, dass es sich gut anfühlen würde einer geradlinigen Beschleunigung ausgesetzt zu sein, als der kreisenden, wie wir sie aus dem Zentrifugentraining her kannten. Und er hatte Recht. Der Brennschluss der Booster-Triebwerke erfolgte bei zwei Minuten und 9,6 Sekunden nach dem Liftoff. Als die beiden Außentriebwerke stillgelegt und abgeworfen wurden, fiel die Beschleunigung, aber nicht so ruckartig, wie ich es eigentlich erwartet hatte. Vielmehr baute sie sich über etwa eine halbe Sekunde ab. Es gibt einen Wechsel im Lärmpegel und im Vibrationsniveau, nachdem diese Triebwerke abgeworfen wurden. Ich sah einen Rauchstoß aus meinem Fenster und dachte zunächst, dass der Fluchtturm vorzeitig abgetrennt worden wäre und berichtete das auch. Dieser Ausstoß war aber offensichtlich reflektierter Rauch von der Booster-Trennung, der das Raumschiff kurzzeitig umgab. Der Fluchtturm wurde bei 2 Minuten und 33,3 Sekunden abgeworfen, und ich berichtigte meine vorherige Aussage. Ich war bereit, für den Fall manuell einzugreifen, wenn es beim automatischen Ablauf des Trennprozesses zu Unregelmäßigkeiten kommen sollte, und zählte daher die Sekunden herunter bis der Turm abgetrennt wurde. Ich blickte auf die Düsen der Fluchtturm-Raketen als sie feuerten. Der Turm beschleunigte schnell in gerader Linie vom Raumfahrzeug weg. Ich beobachtete ihn bis in eine Distanz von etwa einer halben Meile. Das Raumfahrzeug war darauf programmiert, sich vor dem Abwurf leicht nach unten zu neigen, und dieses Manöver gab mir die erste wirkliche Sicht auf den Horizont und die Wolken. Ich konnte die Wolken und den Horizont hinter dem Turm erkennen, als der sich vom Raumfahrzeug trennte. Nachdem der Fluchtturm abgefeuert war, richtete sich das Raumfahrzeug wieder langsam auf und ich verlor die Sicht auf den Horizont. Ich erinnere mich etwa um diese Zeit einen Kommentar abgegeben zu haben, dass der Himmel sehr schwarz sei. Die Beschleunigung begann sich erneut aufzubauen, aber wie zuvor stellte sie kein größeres Problem dar. Ich konnte bis zum Maximum von 7,7 g gut kommunizieren. Dann endete der Schub des Marschtriebwerks. Unmittelbar vor dem Ende des angetriebenen Fluges gab es eine Erfahrung, die ich nicht erwartet hatte. Zu dieser Zeit waren die Oxidator- und Treibstofftanks schon fast leer und offensichtlich wurde die Atlas dadurch merklich flexibler, als sie es in vollgetanktem Zustand war. Ich hatte das Gefühl, mich am Ende eines federnden Sprungbrettes zu befinden und konnte oszillierende Bewegungen fühlen, so als würde die Nase des Startvehikels leicht vor und zurück schwingen.
Der Geräuschpegel steigerte sich noch einmal als das Fahrzeug sich SECO näherte (Anmerkung des Übersetzers: Sustainer Engine Cutoff – Brennschluss des Marschtriebwerks). Als das Marschtriebwerk bei 5 Minuten und 1,4 Sekunden stillgelegt wurde und die Beschleunigung auf Null fiel, hatte ich das deutliche Gefühl nach vorne zu fallen. Dieses Gefühl kannte ich bereits aus dem Training in der Zentrifuge. Beim realen Flug war das Gefühl nicht so deutlich ausgeprägt wie dort, und nachdem das Raumfahrzeug an diesem Punkt tatsächlich eine Kippbewegung nach unten machte, mag es eher das Ergebnis der tatsächlichen Bewegung gewesen sein, als eine Illusion. Es gab keinen Zweifel, wann der Spannring zwischen der Atlas und der Mercury feuerte. Es war ein lauter Vorgang und ich fühlte augenblicklich die Kraft der Trennraketen, die das Raumfahrzeug von der Rakete lösten. Vor dem Flug hatte ich angenommen, dass die Beschleunigung dieser drei kleinen Triebwerke unbedeutend sei und dass wir sie womöglich gar nicht wahrnehmen würden. Es gibt aber keinen Zweifel darüber, wann sie feuern. Sofort nach der Trennung von der Atlas begann der Autopilot das Raumfahrzeug zu wenden. Als das Raumfahrzeug seine normale Position erreicht hatte, mit dem Hitzeschild in Flugrichtung und aus der Sicht des Piloten rückwärts fliegend, konnte ich die Atlas durch das Fenster erkennen. Zu diesem Zeitpunkt schätzte ich, dass sie etwa 200 Yards entfernt war. Eine Bahnanalyse nach dem Flug ergab, dass die Entfernung zwischen der Trägerrakete und dem Raumfahrzeug zu diesem Zeitpunkt tatsächlich etwa 600 Fuß betragen sollte. Recht gut für eine grobe Schätzung also. Ich bilde mir nicht ein, dass ich normalerweise so kurze Entfernungen gut schätzen kann. In dieser Schätzung war auch ein gewisser Zufallsfaktor beinhaltet, dennoch zeigt das Resultat, dass ein Mensch eine angemessene Schätzung zumindest auf kurze Distanzen zu einem bekannten Objekt im Weltraum vornehmen kann. Diese Fähigkeit wird in zukünftigen Missionen, in denen der Mensch ein Rendezvous durchführen soll, von Bedeutung sein, denn hier wird es auf den Piloten ankommen, um das finale Annäherungsmanöver durchzuführen. Ich behielt die Atlas für etwa sechs oder sieben Minuten in Sicht, während ich den Atlantik überquerte. Beim letzten Mal, als ich ihre Sichtung berichtete, war sie etwa zwei Meilen hinter und eine Meile unter dem Raumfahrzeug. Ich konnte sie leicht als helles Objekt gegen den schwarzen Hintergrund des Weltraums und später gegen den Hintergrund der Erde ausmachen.
Der Autopilot drehte das Raumfahrzeug herum und brachte es in die vorgesehene Raumlage. Nach meinem ersten Funkkontakt mit Bermuda erhielt ich die Zeiten für die Zündung der Retro-Raketen und begann das Kontrollsystem zu checken. Dies ist ein Test der Steuerungssysteme des Raumfahrzeugs. Ich hatte das viele Male auf dem Boden im Mercury Procedures Trainer geübt und der Test verlief genau wie im Simulator. Ich war begeistert, mit welcher Präzision die Prozedur ablief. Der Test ist ein ziemlich komplexer Vorgang. Man muss mit der rechten Hand den Steuerknüppel bewegen und die Wasserstoff-Peroxid-Triebwerke damit betreiben, um das Raumfahrzeug zu rollen, zu gieren und zu nicken. Mit der linken Hand wechselt man dabei von einem Kontrollsystem zum anderen, während das Raumfahrzeug manuell durch eine Anzahl von präzisen Bewegungsraten und Lagewinkeln geht. Es war das erste Mal, dass ich vollständig im manuellen Modus flog, und es war sehr beruhigend, dass das Raumfahrzeug nicht nur wie erwartet reagierte, sondern auch meine eigene Fähigkeit zu sehen, es so manuell zu kontrollieren, wie wir uns das erhofft hatten. Nach dem Check der Flugkontrollsysteme ging ich wieder zurück auf den Autopiloten und in diesem Modus arbeitete das Raumfahrzeug auch während der gesamten ersten Erdumkreisung einwandfrei.
Wegen einer Fehlfunktion in einem Lageregelungstriebwerk am Ende des ersten Orbits wurde es notwendig, das Raumfahrzeug für die restlichen beiden Erdumkreisungen von Hand zu steuern. Diese Anforderung bildete kein ernsthaftes Problem, und tatsächlich gab es mir sogar die Möglichkeit zu demonstrieren, was ein Mensch tun kann, um ein Raumfahrzeug zu kontrollieren. Allerdings begrenzte es die Zeit, die ich mit den Experimenten zubringen konnte, von denen ich gehofft hatte, ich könnte sie während des Fluges durchführen. Der Flugplan für den ersten Orbit bestand darin, für die Bahnverfolgung mittels Radar und für Kommunikationstests die optimale Raumlage des Raumfahrzeugs aufrechtzuhalten. Auf diese Weise wären zum frühestmöglichen Zeitpunkt gute Bahndaten verfügbar, die mir die Möglichkeit gegeben hätten, mich an neue Bedingungen anzupassen, für den Fall, dass das nötig werden sollte. Weitere Beobachtungen und Aufgaben waren für den zweiten und dritten Orbit geplant. Nachdem es aber das Triebwerksproblem erforderlich machte, dass ich während der Orbits zwei und drei meistens manuell fliegen musste, konnten einige der geplanten Beobachtungen und Experimente nicht durchgeführt werden. Eine Reihe von Fragen befasste sich mit der Fähigkeit eines Menschen, den Erdhorizont als Referenz für die Kontrolle der Raumlage des Raumfahrzeugs zu verwenden. Während dieses Fluges gab es nie ein Problem, den Horizont zu erkennen. Während des Tages ist die Erde hell und der Hintergrund des Weltraums ist schwarz. Dadurch ist der Horizont deutlich markiert. Bei Nacht, vor Mondaufgang, kann der Horizont ebenfalls gegen den Hintergrund der Sterne erkannt werden. Nach Mondaufgang (während des Fluges war Vollmond) ist die Erde ausreichend beleuchtet, um den Horizont klar erkennen zu können.
Mit dem Horizont als Referenz kann der Nick- und Rollwinkel des Raumfahrzeugs leicht kontrolliert werden. Das Fenster kann überall hin positioniert werden, wohin mal will. Einen Bezugspunkt für den Gierwinkel zu finden ist dagegen nicht so leicht. Ich glaube aber, dass es mit der Fortdauer des Fluges eine Lernphase hinsichtlich meiner Fähigkeit gab, den Gierwinkel zu bestimmen. Hilfreich für diese graduelle Verbesserung war der Gebrauch der Sicht durch das Periskop und das Fenster. Um das Gieren des Raumfahrzeugs bestimmen zu können, muss die Geschwindigkeit des Raumfahrzeugs über der Erde zu Hilfe genommen werden, die eine scheinbare Drift der Erdoberfläche unter dem Raumfahrzeug erzeugt. Wenn das Raumfahrzeug korrekt in der Orbit-Ebene ausgerichtet ist, scheint sich der Grund parallel zur Längsachse des Raumfahrzeugs zu bewegen. Während des Fluges entwickelte ich eine Prozedur, die mir half, diese Drift als Referenz für den Gierwinkel zu verwenden. Ich neigte die Spitze des Raumfahrzeugs relativ zur normalen Raumlage etwa um 60 Grad nach unten. Danach war eine recht gute vertikale Sicht möglich. Aus diesem Blickwinkel hatten Wolken und Landschaften, die unter mir vorbeizogen eine höhere scheinbare Bewegung als in der normalen Raumlage, bei der meine Blickrichtung zum Horizont hin ausgerichtet war.
Nachts, mit dem Vollmond, der die Wolken unter mir beleuchtete, konnte ich immer noch den Gierwinkel durch das Fenster bestimmen, aber nicht so schnell wie tagsüber. Nachts konnte ich die Drift der Sterne verwenden, um die Flugrichtung zu ermitteln, aber es dauerte länger und war weniger genau. Während des ganzen Fluges zog ich das Fenster zur Bestimmung der Raumlage dem Periskop vor. Es schien auf der Tagseite länger zu dauern, den Gierwinkel mittels des Periskops zu bestimmen. Auf der Nachtseite ist die Beleuchtung der Wolken zu schwach, um gut durch das Periskop erkannt zu werden. Dreimal während des Fluges drehte ich das Raumfahrzeug in einer Gierbewegung um 180 Grad und blickte danach in Flugrichtung. Mir gefiel diese Raumlage viel besser, da ich sehen konnte wo es hinging anstatt zu sehen, wo ich war. Als Auswirkung dieses Manövers gab mir mein Instrumentenreferenzsystem eine falsche Raumlageanzeige. Es war jedoch einfach, die korrekte Raumlage durch eine Referenz auf den Horizont über das Fenster oder das Periskop zu bestimmen. Überhaupt war es kein Problem, die Orientierung aufrecht zu erhalten. Ich glaube aber, dass sich der Pilot im Weltraum automatisch mehr auf visuelle Wahrnehmung orientiert als in einem Flugzeug, wo es zusätzliche Hinweise durch die Schwerkraft gibt. Der Erfolg, mit dem ich das Raumfahrzeug während des gesamten Einsatzes kontrollieren konnte, war für mich eine der wichtigsten Erkenntnisse des Fluges.
Die Schwerelosigkeit war eine angenehme Erfahrung. Ich berichtete, dass ich mich gut fühlte sobald sich das Raumfahrzeug von der Trägerrakete getrennt hatte. Dieses Gefühl hielt für die ganze Dauer des Fluges an. Während des Fluges führte ich etwa alle 30 Minuten eine Reihe von Übungen durch, um festzustellen, ob mich die Gewichtslosigkeit in irgendeiner Weise beeinträchtigte. Um herauszufinden, ob Kopfbewegungen in einer Zero G-Umgebung irgendwelche Symptome von Seekrankheit oder Schwindel erzeugten, versuchte ich zunächst meinen Kopf von einer Seite zur anderen zu bewegen, dann nach oben und unten und schließlich von einer Schulter zur anderen zu neigen. Mit anderen Worten: Ich bewegte meinen Kopf im Roll, Kipp- und Gierwinkel. Ich begann vorsichtig mit diesen Übungen, aber in der Fortdauer des Fluges bewegte ich meinen Kopf schneller und heftiger und gegen Ende der Mission führte ich diese Bewegung so schnell durch, wie es mein Druckanzug erlaubte. Bei einem anderen Test, in dem nur Augenbewegungen durchgeführt wurden, verfolgte ich einen sich schnell bewegenden Lichtpunkt, der durch meine Fingerspitzenlichter (Anmerkung des Übersetzers: des Raumanzuges) erzeugt wurde. Ich hatte kein Problem, dem Lichtfleck zu folgen und kein Gefühl von Schwindel oder Seekrankheit. Auf meinem Instrumentenpaneel befand sich ein Sehstärken-Prüffeld mit Buchstaben verschiedener Größen und einer Grafik mit einem Speichenradmuster, um sowohl meine generelle Sehfähigkeit als auch eine mögliche Tendenz zu Astigmatismus zu prüfen. Auch hier war keine Abweichung vom Normalzustand erkennbar. Ein Augenbewegungstest wurde durchgeführt, bei dem die Drehraten des Raumfahrzeugs mit Empfindungen und Augenbewegungen in Verbindung gebracht wurden. Die Ergebnisse waren allesamt normal. Die entsprechenden Kalibrierungsmessungen waren vor dem Flug in der Naval School of Aviation Medicine in Pensacola, Florida mit Dr. Ashton Graybiel durchgeführt worden. Dadurch war ich mit meinen Reaktionen auf dieselben Bewegungen bei normaler Schwerkraft gut vertraut.
Um medizinische Daten über das kardiovaskuläre System zu erhalten, führte ich von Zeit zu Zeit eine Übung durch, die darin bestand, einen Expander für eine Dauer von 30 Sekunden jeweils einmal pro Sekunde zu betätigen. Diese Übung lieferte eine bekannte Belastung, deren Resultate mit vorausgegangenen Tests dieser Art verglichen werden konnten, die ich auf dem Boden gemacht hatte. Die Flugärzte berichteten über den Effekt, den die Übung auf meinen Puls und meinen Blutdruck hatte. Es war genau derselbe, den die Übung auf dem Boden auf mich machte – sie machte mich müde. Ein weiteres Experiment mit Bezug auf mögliche Auswirkungen der Schwerelosigkeit war Essen im Orbit. Bei der relativ kurzen Flugdauer von Friendship 7 war Essen keine Notwendigkeit, sondern vielmehr ein Versuch zu bestimmen, ob es ein Problem dabei gäbe, Nahrung in gewichtslosem Zustand zu sich zu nehmen und zu verdauen. Zu keiner Zeit hatte ich ein Problem mit dem Essen. Ich glaube, dass jede Art von Nahrung gegessen werden kann, so lange sie nicht auseinanderfällt oder bröselt. Vor dem Flug machten wir Scherze drüber, ob wir nicht normales Essen wie etwa ein Schinkensandwich mitnehmen sollten. Jetzt denke ich, dass das praktisch wäre und wir es versuchen sollten. In einem Raumfahrzeug unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit zu sitzen, ist angenehmer als unter den Bedingungen von 1 g auf dem Boden, denn man ist nicht irgendwelchen Druckpunkten ausgesetzt. Ich hatte den Eindruck, dass ich mich sehr schnell an die Schwerelosigkeit anpasste. Ich hatte keine Tendenz über Dinge hinaus zu greifen noch stellte ich irgendein anderes Zeichen mangelnder Koordination fest. Auch nicht in den ersten Momenten nach der Trennung des Raumfahrzeugs von der Rakete. Ich fand mich selbst unbewusst Vorteil aus den Bedingungen der Schwerelosigkeit zu ziehen, wenn ich zum Beispiel die Kamera oder ein anderes Objekt einfach im Raum schweben ließ, während ich mich anderen Dingen zuwandte. Das war kein geplantes Manöver, sondern entstand spontan aus der Eingebung des Momentes, wenn andere Dinge meiner Aufmerksamkeit bedurften. Erst später fiel mir auf, dass ich das so natürlich getan hatte als würde ich die Kamera in einem 1 g-Feld auf den Tisch legen. Es illustriert pointiert, wie schnell sich der Mensch anpassen kann. Auch an etwas so Fremdartiges wie die Schwerelosigkeit.
Wir lernten von diesem Flug, dass einige Probleme hinsichtlich des Verstauens und Sicherns von Ausrüstung noch gelöst werden müssen, die in einem Raumfahrzeug verwendet wird. Ich hatte eine Anzahl von Instrumenten dabei, wie Kameras, einen Feldstecher und ein Fotometer, mit denen ich Beobachtungen aus dem Raumfahrzeug machen wollte. All das befand sich in einer kleinen Packtasche an meinem rechten Arm. Jeder dieser Ausrüstungsgegenstände war mit einer etwa 90 Zentimeter langen Leine mit der Tasche verbunden. Als ich begann, Teile dieser Ausrüstung zu verwenden, begannen sich die Leinen zu verheddern. Obwohl mir die Schnüre im Weg herumgingen ist es dennoch wichtig, sie in irgendeiner Weise zu sichern, wie ich erfahren musste, als ich versuchte, einen Film zu wechseln. Die Filmhülsen waren nicht mit der Packtasche durch eine Leine verbunden. Ich ließ eine davon in der Luft schweben, während ich mit der Kamera beschäftigt war, und als ich danach greifen wollte, stieß ich sie versehentlich an und sie verschwand hinter dem Instrumentenpaneel.
Die größte Überraschung des Fluges ereignete sich im Dämmerungsbereich. Als ich während des ersten Orbits den Nacht-Tag-Terminator überflog, beim ersten Aufblitzen des Sonnenlichtes am Raumfahrzeug, hatte ich gerade meinen Blick für 15 – 20 Sekunden nach innen gerichtet, um die Instrumente zu checken. Als ich aufblickte und durch das Fenster sah, war meine erste Reaktion, dass das Raumfahrzeug taumelte und dass ich nichts anderes als sich bewegende Sterne durch das Fenster sehen konnte. Ich stellte aber schnell fest, dass ich mich nach wie vor in einer stabilen Raumlage befand. Das Raumfahrzeug war von leuchtenden Partikeln umgeben. Diese Partikel waren von heller gelblich-grüner Farbe. Es schien, als würde sich das Raumfahrzeug durch eine Wolke von Glühwürmchen bewegen. Sie waren etwa so hell wie ein Stern erster Magnitude und variierten in der Größe von Stecknadelkopfgröße bis etwa 3/8 Inch. Sie waren etwa 8 bis 10 Fuß vom Raumfahrzeug entfernt und relativ gleichmäßig im Raum um das Raumfahrzeug verteilt. Gelegentlich bewegten sich ein oder zwei der Partikel langsam auf mich zu oder quer über das Fenster, trieben dort sehr, sehr langsam herum und bewegten sich schließlich wieder langsam weg. Ich beobachtete diese leuchtenden Objekte für annähernd vier Minuten jedes Mal, wenn ich aus der Nachtseite auf die Tagseite der Erde wechselte. Während des dritten Sonnenaufgangs drehte ich das Raumfahrzeug herum und sah nach vorne und versuchte herauszufinden, woher diese Partikel kamen. Wenn ich nach vorne sah, konnte ich nur etwa 10 Prozent so viele davon sehen wie wenn ich die Sonne im Rücken hatte. Sie schienen sich aber immer noch aus einiger Distanz zu mir hinzubewegen und schienen nicht vom Raumfahrzeug selbst zu stammen. Um was es sich bei diesen Partikeln handelt, wird derzeit diskutiert und erwartet noch weitere Klärung.
Anmerkung: Scott Carpenter konnte beim nachfolgenden Mercury-Flug das Wesen dieser Leuchtpartikel herausfinden. Es handelte sich um Eiskristalle, die am Raumfahrzeug anhafteten, sich beim Erreichen der Tagseite ablösten und dann innerhalb weniger Minuten verdampften. Sie entstanden als Zerfallsprodukt des Feuerns der Lageregelungstriebwerke, die mit Wasserstoffperoxid betrieben wurden. Dieses Zerfallsprodukt bestand aus Wasser und Sauerstoff. Das Wasser gefror auf der Nachtseite der Erde, setzte sich zunächst am Rand der Triebwerke an und löste sich beim Erreichen der Tagseite durch die Sonneneinstrahlung ab und verdampfte nach wenigen Minuten.
NASA
Das Retro-Raketenpaket mit den Haltebändern am Hitzeschild der Kapsel.
Nachdem ich das Raumfahrzeug während des letzten Orbits noch einmal gedreht hatte, um die Leuchtpartikel zu beobachten, manövrierte ich es nun in die korrekte Raumlage für die Zündung der Retroraketen und verstaute die Ausrüstung in der Packtasche. Während der letzten Morgendämmerung fiel mir eine leichte Abweichung im Raumlageindikator auf. Aber noch bevor es Zeit war, die Retroraketen zu feuern, hatte der Horizontscanner die Kreisel wieder in die korrekte orbitale Raumlage zurückgebracht. Ich nahm daraufhin einen Kontrollcheck mittels wiederholter Vergleiche der Instrumentenanzeigen, der Darstellung im Periskop und der durch das Fenster beobachteten Raumlage vor. Obwohl es während des Fluges zu gelegentlichen Abweichungen in den Instrumentenanzeigen kam, hatte ich nie ein Problem bei der Bestimmung meiner Raumlage, die ich über das Fenster oder durch das Periskop ermittelte. Schließlich erhielt ich einen Countdown von der Bodenkontrolle und die Retroraketen feuerten planmäßig knapp vor der kalifornischen Küste. Ich konnte das Feuern jeder Rakete hören und spürte, wie der Schub das Raumfahrzeug verlangsamte. Nachdem ich aus der Schwerelosigkeitsphase kam, erzeugten die Retroraketen ein Gefühl, als würde ich zurück nach Hawaii beschleunigen. Dieses Gefühl war natürlich eine Illusion. Nach der Retro-Zündung fiel wegen der Unsicherheit, ob der Lande-Airbag ausgefahren war oder nicht die Entscheidung, dass ich das Retro-Paket während des Wiedereintritts an Ort und Stelle belassen sollte. Diese Entscheidung erforderte es, dass ich eine Reihe von Vorgängen manuell durchführen musste, die normalerweise vorprogrammiert sind und automatisch ablaufen. Ich brachte dabei das Raumfahrzeug unter manueller Kontrolle in die richtige Raumlage für den Wiedereintritt. Das Periskop fuhr ich durch Betätigung des manuellen Rückziehhebels ein. Als die Bremsverzögerung zunahm, konnte ich ein zischendes Geräusch wahrnehmen, das klang, als würden kleine Partikel über das Raumfahrzeug reiben. Wegen der Ionisierung um das Raumfahrzeug ging nun die Funkverbindung verloren. Dies war auch bei früheren Missionen geschehen und ereignete sich zum erwarteten Zeitpunkt. Als die Aufheizung begann, gab es ein Geräusch und einen Schlag am Raumfahrzeug. Ich sah eines der Bänder, die das Retropaket fixieren, vor meinem Fenster hin- und herschwingen. Die Aufheizung der umgebenden Luftmoleküle verstärkte sich, bis ich eine glühende orange Farbe durch das Fenster sehen konnte. Brennende Stücke brachen weg und flogen am Fenster des Raumfahrzeugs vorbei. Zu diesem Zeitpunkt erregte diese Beobachtung einige Besorgnis in mir, da ich nicht wusste, um was es sich dabei handelte. Ich hatte angenommen, dass das Retropaket abgeworfen worden war, als ich die Haltebänder vor meinem Fenster sah. Ich dachte daher, dass diese flammenden Brocken Teile des Hitzeschildes sein könnten. Wir wissen jetzt aber, dass die Stücke vom Retropack kamen. Es gab keinen Zweifel daran, wann die Wärmeentwicklung während des Wiedereintritts zunahm, aber es dauerte eine Weile bis die Hitze vom Raumfahrzeug aufgenommen wurde und die Luft in der Kabine aufzuheizen begann. Es fühlte sich nicht besonders heiß an, bis wir auf etwa 75.000 bis 80.000 Fuß gesunken waren. Von da an wurde es ungemütlich warm, und zum Zeitpunkt, an dem der Hauptschirm ausgeworfen wurde, schwitzte ich erheblich. Die Bremsverzögerung beim Wiedereintritt war mit 7,7 g wie erwartet und ähnelte der Erfahrung, die wir bei den Trainingsläufen in der Zentrifuge gemacht hatten. Es hatte im Vorfeld Fragen gegeben, ob unsere Fähigkeit hohe Beschleunigungslasten zu ertragen durch die 4,5 Stunden Schwerelosigkeit beeinträchtigt werden könnte. Ich konnte allerdings keine Unterschiede zwischen der Bremsverzögerung bei diesem Flug und denen bei den Trainingseinheiten in der Zentrifuge auf dem Boden erkennen.
Nach dem Maximum der Bremsverzögerung begann sich die Amplitude der Oszillationen des Raumfahrzeugs aufzubauen. Ich hielt sie mit dem manuellen Fly-by-Wire System unter Kontrolle bis der manuelle Treibstoff verbraucht war. Nach diesem Punkt war ich, ohne es zu wissen, nur mit dem (nun treibstofflosen: Der Übersetzer) Fly-by-Wire System verblieben und die Oszillationen nahmen wieder zu. Ich wechselte zum Hilfs-Dämpfungssystem, welches das Raumfahrzeug unter Kontrolle hielt, bis auch da der Treibstoff verbraucht war. Ich langte gerade zum Schalter, um den vorzeitigen Auswurf des Stabilisierungsschirms zu veranlassen um diese Schwingungen zu reduzieren, als er auch schon automatisch ausgeworfen wurde. Der Pilotschirm stabilisierte das Raumfahrzeug schnell. Bei 10.800 Fuß wurde der Hauptschirm ausgeworfen. Ich konnte ihn über mir herausströmen sehen, zunächst nur teilgefüllt. Als die Reff-cutter aktiviert wurden, füllte sich der Schirm komplett. Die Öffnung des Fallschirms verursachte einen Ruck, aber weniger stark, als ich erwartet hatte. Der Aufschlag bei der Landung war dagegen härter, als ich erwartet hatte. Zuvor hatte ich alle Anschlüsse zu meinem Raumanzug getrennt und mich für einen schnellen Ausstieg vorbereitet. Dafür war aber kein Bedarf. Ich erhielt die Nachricht, dass mich der Zerstörer Noa innerhalb von 20 Minuten aufnehmen würde. So lag ich ruhig im Raumfahrzeug und versuchte so kühl wie möglich zu bleiben. Die Temperatur im Inneren des Raumfahrzeugs schien nicht zu sinken. Das in Verbindung mit der hohen Feuchtigkeit der Luft, die jetzt ins Raumfahrzeug geleitet wurde, hielt mich unangenehm warm und ich schwitzte heftig. Als die Noah längsseits war, gab es ein wenig Verzögerung bei der Bergung. Das Raumfahrzeug wurde teilweise aus dem Wasser gehoben, um das Wasser aus dem Lande-Airbag herauslaufen zu lassen. Während des Anhebens des Raumfahrzeugs bekam ich einen heftigen Schlag. Es war wahrscheinlich der härteste Stoß der ganzen Reise, als das Raumfahrzeug beim Heraufziehen gegen die Seite des Schiffes prallte. Gleich danach war das Raumfahrzeug an Deck. Ich hatte ursprünglich geplant, durch die Spitze des Raumfahrzeugs auszusteigen, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits für etwa 45 Minuten heftig geschwitzt. Ich entschied mich stattdessen, die seitliche Sprengluke zu aktivieren um auszusteigen.
NASA
John Glenn wird mit dem Hubschrauber von der Noah abgeholt und zur USS Randolph geflogen.
Was kann nun über den Menschen als Teil des Systems gesagt werden? Von erheblicher Bedeutung ist die Erkenntnis, dass auf den Menschen als zuverlässig handelndem Teil der Mensch-Raumfahrzeug-Kombination viel mehr Bedeutung gelegt werden kann. Auf vielen Gebieten kann seine sichere Rückkehr von seinem eigenen intelligenten Handeln abhängig gemacht werden. Obwohl bislang noch keine diesbezügliche Design-Philosophie etabliert wurde, betrachtete das Projekt Mercury dennoch den Astronauten nie als hauptsächlich passiven Passagier. Diese Gebiete müssen vorsichtig erwogen werden, denn der Mensch ist nicht unfehlbar, wie wir alle nur zu gut wissen. Ein Beispiel dafür aus dem Flugverlauf: Einige von ihnen mögen bemerkt haben, dass es eine kleine Diskrepanz der (mittels der automatisch laufenden Filmkamera – der Übersetzer) vom Piloten aufgenommenen Fotos beim Start und der Landung gibt. Beim Start war das Visier geschlossen. Während des Wiedereintritts war es offen. Wäre der Kabinendruck gefallen, dann hätte ich die Gesichtsplatte rechtzeitig schließen können, um eine Dekompression zu vermeiden. Nichtsdestotrotz war der Wiedereintritt mit offenem Visier nicht geplant gewesen. Auch auf dem Boden würde man nunmehr einiges anders machen. Als Beispiel halte ich es für ratsam, im Fall einer vermuteten Fehlfunktion, wie etwa den Problemen mit dem Hitzeschild-Retropack, die ausführliche Beratungen zwischen dem Bodenpersonal erfordern, dem Piloten jedes Bit an Information sofort weiterzugeben, anstatt darauf zu warten, dass man ihm am Ende eine finale, klar umrissene Empfehlung vom Boden aus geben kann. Dies würde den Piloten in jeder Phase voll informiert halten, vor allem für den Fall, wenn es im weiteren Verlauf des Fluges zu Kommunikationsproblemen käme, die es für ihn notwendig machen, alle seine Entscheidungen aufgrund der Informationen zu fällen, die er bereits verfügbar hat (Der Übersetzer: Die Bodenkontrolle informierte John Glenn nicht über ein mögliches Problem mit dem Hitzeschild, obwohl er aus den spezifischen Fragen, die ihm im Verlauf des Fluges gestellt wurden, darauf schließen musste, dass ein ihm unbekanntes ernstes Problem vorläge. Die „Geheimnistuerei“ um diesen Punkt wurde seinerzeit als der größter Fehler der Mission betrachtet).