Special Unit Serpent – Tödliches Verlangen - Nina Bellem - E-Book
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Special Unit Serpent – Tödliches Verlangen E-Book

Nina Bellem

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Beschreibung

Sie will sich von ihm fernhalten, doch er bringt sie immer wieder in Versuchung.

In Rileys Augen sind Beziehungen reine Zeitverschwendung. Denn bisher gab es noch keinen Mann, der sie nicht früher oder später verlassen oder betrogen hätte. Ihr Tattoostudio und ihre Familie stehen an erster Stelle. Trotz allem ist sie von dem Mann mit dem traurigen Blick fasziniert, der eines Tages in ihrem Laden steht, um sich ein Tattoo stechen zu lassen. Riley kann Killian nicht widerstehen und verbringt eine heiße Nacht mit ihm. Doch er hat in seiner Zeit bei den SEALs einen Schwur geleistet - und genau dieser Schwur könnte die beiden in tödliche Gefahr bringen und für immer trennen ...

Eine prickelnde Navy-SEAL-Romance, die man nicht aus der Hand legen kann. eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.


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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1: Riley

Kapitel 2: Killian

Kapitel 3: Killian

Kapitel 4: Riley

Kapitel 5: Riley

Kapitel 6: Riley

Kapitel 7: Riley

Kapitel 8: Killian

Kapitel 9: Riley

Kapitel 10: Killian

Kapitel 11: Riley

Kapitel 12: Killian

Kapitel 13: Riley

Kapitel 14: Riley

Kapitel 15: Riley

Kapitel 16: Killian

Kapitel 17: Riley

Kapitel 18: Killian

Riley

Kapitel 19: Riley

Kapitel 20: Riley

Kapitel 21: Killian

Kapitel 22: Riley

Kapitel 23: Riley

Kapitel 24: Killian

Kapitel 25: Killian

Kapitel 26: Riley

Kapitel 27: Killian

Kapitel 28: Riley

Kapitel 29: Killian

Epilog: Riley

Danksagung

Über dieses Buch

In Rileys Augen sind Beziehungen reine Zeitverschwendung. Denn bisher gab es noch keinen Mann, der sie nicht früher oder später verlassen oder betrogen hätte. Ihr Tattoostudio und ihre Familie stehen an erster Stelle. Trotz allem ist sie von dem Mann mit dem traurigen Blick fasziniert, der eines Tages in ihrem Laden steht, um sich ein Tattoo stechen zu lassen. Riley kann Killian nicht widerstehen und verbringt eine heiße Nacht mit ihm. Doch er hat in seiner Zeit bei den SEALs einen Schwur geleistet – und genau dieser Schwur könnte die beiden in tödliche Gefahr bringen und für immer trennen …

Über die Autorin

Nina Bellem wurde im tiefsten Ruhrgebiet geboren, aber es zog sie schon bald an andere Flecken der Erde. Nach Aufenthalten in Ostasien und Amerika hat es sie wieder zurück in die Heimat gerufen, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann und jeder Menge Reiseführer lebt und als Lektorin und Autorin arbeitet.

NINA BELLEM

Tödliches Verlangen

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Anne Pias

Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Meyhöfer

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de

Unter Verwendung von Motiven © shutterstock: AKaiser | Lustra Frisk | Halay Alex | Favious

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7325-6373-9

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für die vier Männer, die auf keinen Fall als Vorlage gedient haben. Danke, Jungs! :)

Kapitel 1

Riley

Die meisten Kunden, die in meinen Laden kommen, wissen nicht, was sie wollen. Viele glauben, sie wollen ein Tattoo, aber nur wenige wissen wirklich, warum, außer weil es cool oder »besonders männlich« ist.

Dieser Mann ist anders. Er weiß ganz genau, weswegen er durch die Tür des Pitch Black gekommen ist. Sein Blick wandert nicht an den Wänden voller Skizzen und Fotos von fertigen Tattoos entlang. Er tut auch nicht so, als hätte er mich hinter dem Glastresen nicht bemerkt, sondern nickt mir zu, kaum dass er durch die Tür ist.

Meine Neugier ist geweckt. Viel Tinte kann ich auf seinem Körper noch nicht entdecken, aber er trägt auch einen weiten Hoodie und eine lange Jeans. Die Kapuze des Pullovers hat er sich tief ins Gesicht gezogen, und bisher kann ich nur sagen, dass er ziemlich groß und breitschultrig ist, aber das ist nichts Ungewöhnliches in meinem Tattooladen.

Ein Teil von mir wünscht sich, dass er sich nicht den Namen seiner Freundin auf den Steiß tätowieren lassen will. Bei dem Gedanken muss ich unabsichtlich schmunzeln.

»Guten Tag gehabt?«, fragt er anstelle einer Begrüßung, als sein Blick auf meinen lächelnden Mund fällt.

Es war tatsächlich ein guter Tag, ich hatte ein paar angenehme Kunden, und kurz vor Feierabend schneit mir noch dieser Leckerbissen ins Haus – es könnte durchaus schlimmer sein. »Einen sehr guten«, erwidere ich daher, ohne mein Lächeln einzustellen. »Wie kann ich dir helfen?«

Er tritt an die Theke heran. »Ich habe gehört, du machst die besten Cover-ups der Stadt.«

Aha, also kein Arschgeweih mit Namen der Freundin. Sehr gut. »Kommt drauf an«, erwidere ich ausweichend, weil ich Cover-ups zwar wirklich gut kann, aber etwas in mir sich immer sträubt, wenn ich das Motiv eines anderen Künstlers mit meiner eigenen Tinte überdecken muss. Außer es handelt sich um einen Elefanten in einem männlichen Schambereich. Der sollte unbedingt IMMER überdeckt werden. »Wie sieht das Tattoo denn aus, das überstochen werden soll?«

Der große Mann packt den Saum seines grauen Hoodies, und bevor ich auch nur Piep sagen kann, hat er ihn sich über den Kopf gezogen und steht in einem schwarzen T-Shirt vor mir, das über seinen Muskeln spannt. Ein herber, angenehmer Duft steigt mir in die Nase. Als ich den Blick höher wandern lasse, sehe ich, dass sein Gesicht hält, was sein Körperbau versprochen hat. Er sieht verdammt gut aus: kantiges Kinn, weich aussehende Lippen, grüne Augen und halblange dunkelbraune Haare. Aber was mich so fesselt, ist nicht der trainierte Körper oder das kleine Grübchen auf seiner linken Wange, das sich durch sein Lächeln hervorgetraut hat, sondern der Ausdruck in seinen Augen. Er wirkt intelligent und wach, im Augenblick sogar ein wenig amüsiert, aber dahinter versuchen sich eine Traurigkeit und Erschöpfung zu verbergen, die mir vertraut vorkommen. Dieser Mann will mehr loswerden als nur sein altes Tattoo.

»Auf der Stirn ist es nicht«, sagt er mit tiefer Stimme.

Ich blinzle, um meine Verlegenheit zu überspielen, und konzentriere mich wieder auf meine Arbeit. Der Typ ist ja nicht hier hereingekommen, um für mich einen der Chippendales zu spielen.

»Dann zeig mal her«, fordere ich ihn auf, und er tippt sich gegen den linken Oberarm. Den Ärmel des T-Shirts hat er bereits hochgeschoben, damit ich das Kunstwerk in seiner ganzen Pracht bestaunen kann. Und verdammt, mehr als Staunen kann ich angesichts dieses Meisterwerks auch nicht. Es ist kein ganzer Sleeve, nimmt aber fast die gesamte Außenseite seines Oberarms ein. Die Farben wechseln zwischen Schwarz, Blau-Grau und einigen weißen Highlights. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein abstraktes Kunstwerk, aber als ich genauer hinsehe, kann ich einzelne Motive ausmachen. Vier Hände, die sich umfassen. Einen Stern. Meißel. Pinsel. Eine Schlange. Alles einzeln in wunderschönen Details ausgearbeitet, aber auch gemeinsam ergibt es ein harmonisches Bild, in dem kein Strich falsch oder zu viel ist. Es ist Perfektion, und ich kann mich nicht erinnern, jemals so etwas gesehen zu haben. Die Linien sind klar erkennbar, keine davon ist verblasst, und das, obwohl die Haut vollkommen glatt aussieht, als hätte jemand das Motiv erst vor ein paar Stunden mit Airbrush aufgesprüht, statt mit einer Nadel ins Fleisch zu stechen.

Ich sehe zu dem Mann vor mir auf. »Verarschst du mich?«

Mit dieser Reaktion hat er wohl nicht gerechnet, denn er verzieht das Gesicht überrascht und legt den Kopf schief. »Wie bitte?«

Mir wird jetzt erst klar, was mir da herausgerutscht ist, und ich räuspere mich verlegen. »Entschuldige, ich meinte, warum willst du so ein Kunstwerk überstechen lassen?«

Die Traurigkeit in seinen Augen tritt für einen kurzen Moment in den Vordergrund, aber verschwindet nach einem Lidschlag sofort wieder. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob ich sie wirklich gesehen habe.

»Stellst du deinen Kunden immer gleich so persönliche Fragen?«, brummt er als Erwiderung.

Ich zucke mit den Schultern. »Wenn ich so ein Meisterwerk zerstören muss, möchte ich schon gerne wissen, warum. Außerdem werden wir, sollte ich den Auftrag annehmen, sehr viel mehr Zeit miteinander verbringen, als dir lieb ist, und ich werde sehen, wie du dich vor Schmerzen windest. Da lernt man sich zwangsläufig persönlicher kennen.«

Wieder lächelt er, und es wirkt echter als zuvor. »Dagegen hätte ich nichts.«

Oha, flirtet er etwa mit mir? Instinktiv richte ich mich auf und trete einen Schritt zurück.

»Und, machst du es?«

Er ist wieder ernst geworden, und ich werfe einen weiteren Blick auf das Bild aus Tinte auf seinem Oberarm. Dann schüttle ich den Kopf. »Nein. Und ich bezweifle, dass du hier in New York irgendeinen anderen Tätowierer finden wirst, der dir dafür ein Cover-up machen wird. Also, zumindest keinen guten«, füge ich rasch hinzu, denn ich kenne die schwarzen Schäfchen meiner Zunft nur zu gut.

»Es muss weg«, erwidert er, »und du bist die Beste dafür. Was muss ich machen, um dich zu überzeugen?«

Er sagt das ohne jede Ironie, und ich blinzle überrascht. Ja, es stimmt, ich bin die Beste der Stadt, wenn es um Cover-ups geht. Das ist keine Arroganz, sondern etwas, was ich mir hart erarbeitet habe. Als Tätowiererin in New York muss man aus der Menge herausstechen, und ich habe viel Blut, Schweiß und Tränen in die Perfektion meines Könnens gesteckt und mir diesen Ruf zu Recht erworben. Aber zum ersten Mal wünsche ich mir, ich wäre für meine außergewöhnlichen Tierdarstellungen bekannt und nicht dafür, anderer Leute Arbeit zu überdecken.

»Du willst es wirklich loswerden?«, frage ich noch einmal, um sicherzugehen, dass er nicht doch einfach aus einer Laune heraus beschlossen hat, es überstechen zu lassen.

»So schnell und so vollständig wie möglich«, erwidert er und senkt den Blick.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und umrunde den Tresen, um neben ihn zu treten und mir das Tattoo besser ansehen zu können. Aber ich bin kaum einen Schritt weit gekommen, als mich die volle Wucht seiner Ausstrahlung trifft. Die Mischung aus seiner Körperwärme, seinem sinnlichen Duft und seinem Blick trifft all meine Sinne in einem geballten Angriff. Es ist, als wäre ich gegen eine Mauer gelaufen.

Fuck.

So etwas ist mir seit … eigentlich ist mir so etwas noch nie passiert. Ich beiße mir fester auf die Unterlippe, halte den Blick gesenkt, in der Hoffnung, dass er meinen kurzen mentalen Aussetzer nicht mitbekommen hat, und schiebe seinen T-Shirt-Ärmel noch einmal nach oben. Ich könnte schwören, dass an der Stelle, an der unsere Haut sich berührt hat, Funken gesprüht haben, aber wahrscheinlich liegt das gerade nur an meinem überreizten Gehirn. Oder einem anderen Körperteil, das ich offensichtlich viel zu lange vernachlässigt habe, wenn es anfängt, so herumzuspinnen.

Aus der Nähe kann ich die feinen Poren seiner Haut erkennen, kann sehen, wie sich Tinte und Haut verbunden haben, um etwas ganz Neues zu erschaffen. Vorsichtig fahre ich die Umrisse des Tattoos nach. Hat er gerade eine Gänsehaut bekommen? Vielleicht. Ich lasse mich davon nicht beirren und zeichne das Tattoo weiter nach, als würde ich die erste Schablone übertragen.

»Es ist wirklich unglaublich«, murmle ich.

Ich kann verstehen, warum er einen Termin für ein Cover-up und nicht beim Arzt zum Lasern haben will. Lasern ist schmerzhaft, ebenso teuer wie ein Cover-up – wenn nicht sogar noch teurer -‍, und es würden trotz allem Narben zurückbleiben. Dieser Mann trägt das Tattoo nicht als reinen Körperschmuck, er verbindet etwas mit dieser Zeichnung und will die Erinnerung daran jetzt vollständig auslöschen.

Ich atme tief durch und lasse meine Hände sinken. Weil ich in seiner Nähe nicht weiß, was ich mit meinen Händen anstellen soll – ich weiß allerdings genau, was ich mit meinen Händen anstellen will, aber es kommt wahrscheinlich nicht gut, wenn ich ihm die Kleider vom Leib reiße -‍, stecke ich sie in die Gesäßtaschen meiner Jeans. »Morgen findet eine Tattooconvention im Madison Square Garden statt. Die meisten Tätowierer aus New York werden da sein. Wenn du dort einen guten Kollegen findest, der sagt, er macht dir das Cover-up, dann steche ich es dir höchstpersönlich und umsonst.«

»Und wenn ich keinen finde?« Er schmunzelt und zieht sich den Hoodie wieder mit zwei kurzen Handgriffen über den Kopf.

»Dann hatte ich recht«, erwidere ich und zucke mit den Schultern.

»Da muss schon mehr für dich drin sein, sonst lohnt sich so eine Wette doch gar nicht«, sagt er, als er wieder vollständig angezogen ist. Schade eigentlich.

»Na gut«, sage ich in einem Anflug von Größenwahn, »wenn du keinen findest, lädst du mich zum Essen ein und erzählst mir, wer dir das Tattoo gestochen hat.«

»Das kann ich gelten lassen. Also haben wir eine Wette?« Er streckt mir seine Hand entgegen, und ich schlage, ohne zu zögern, ein.

»Haben wir …« Ich stocke, und sein Schmunzeln wird zu einem breiten Lächeln, das auch das Grübchen wieder hervorlockt.

»Killian. Killian Walker.«

»Riley Michaels«, erwidere ich. »Für meine Kunden und Freunde Spades.« Pik. Wie beim Poker. So wie meine Mutter mich immer genannt hat, schießt es mir durch den Kopf, aber ich gebe diesen Worten keinen Raum, halte sie in meinem Innern verschlossen. Das ist ein Bereich meiner Erinnerungen, den ich gerade absolut nicht anrühren will.

»Spielst gerne Karten?«

Ich muss lachen. »Nein.« Ich schiebe den linken Ärmel meines Longsleeves hoch und zeige ihm meine Tätowierung. Ein Pik-Zeichen, umgeben von Efeuranken. »Es ist nur mein Glückssymbol.«

Er nickt anerkennend. »Dann sehen wir uns morgen auf der Convention? Gegen elf Uhr?«

Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er allein über die Con ziehen würde, aber dass er wie selbstverständlich davon ausgeht, dass ich ihn begleite, zaubert mir ein dummes Grinsen ins Gesicht. Ich kann förmlich fühlen, wie es sich immer tiefer in meine Mundwinkel gräbt. »Okay. Elf Uhr auf der Convention.«

Er nickt bestätigend, hebt die Hand und geht zur Tür. »Bis dann, Spades.«

Ich muss ein albernes Schulmädchenkichern unterdrücken und schaffe es irgendwie, zu winken. »Bis dann.«

Kurz vor Ladenschluss klingelt das Glöckchen über meiner Ladentür. Ich habe die Kasse bereits geschlossen und mache Kassensturz, weswegen ich auch nicht besonders erfreut bin. Als ich hochsehe, bin ich überrascht, dass wieder ein groß gewachsener Mann vor mir steht, dessen Gesicht man in jeden Modelkatalog mit Freuden aufnehmen würde. Hatte da Mutter Natur die Weather Girls beim Wort genommen und es hübsche Männer regnen lassen? »Hi, wir schließen leider gleich.«

»Hab ich gesehen.« Er lächelt verlegen und fährt sich mit der Hand durch die kurzen blonden Haare. Sein Hemd spannt sich über seinen Muskeln, und ich kneife die Augen ein wenig zusammen. Killian hatte in meinen Laden gepasst, dieser Mann jedoch nicht. Er trägt einen Anzug, ist glatt rasiert und sieht sich immer wieder unsicher um, als wäre er sich selbst nicht sicher, ob er am richtigen Ort ist. »Es steht ja an der Tür. Ich wollte nur nicht zur Stoßzeit kommen.«

Fast habe ich Mitleid mit dem Hübschen. »Ich nehme mir immer Zeit für meine Kunden, egal ob viel los ist oder nicht. Wie kann ich dir denn helfen?«

Er wirkt erleichtert und kommt näher an den Tresen. »Ich will mir ein Tattoo stechen lassen.«

Ich muss breit grinsen. »Da bist du in einem Tätowierladen schon einmal an der richtigen Stelle.«

Er guckt kurz verdutzt und lacht dann auf. »Oh. Ja, na klar, sorry, das war wohl offensichtlich.«

Ich zucke mit den Schultern. »Kein Problem. Es gibt auch keinen Grund, nervös zu sein. Du wirst nicht sofort auf den Stuhl geschnallt und dann zwangstätowiert. Heute reden wir nur. Weißt du denn schon, was für ein Motiv du dir wünschst? Und an welcher Stelle?«

Er kramt in seiner Hosentasche und fördert einen kleinen Zettel zutage. Er ist schon ziemlich abgegriffen und mehrmals gefaltet worden, aber das Motiv darauf ist von Knicken verschont geblieben. »Das hier«, sagt er und deutet auf seinen rechten Oberarm. »Genau hierhin.«

Ich blicke flüchtig zu seinem Arm und sehe mir das Muster auf dem Zettel genauer an. Es ist ein Tier, blau-grau schraffiert. Eine Schlange.

Ich runzele die Stirn; das Motiv kommt mir bekannt vor. Wo habe ich …? Dann fällt es mir wieder ein. Erst vor wenigen Stunden. Dieser Mann will sich die gleiche Schlange stechen lassen, die ich heute auf Killians Arm gesehen habe.

Kapitel 2

Killian

Die Musik ist zu laut, die Leute sind zu gut drauf und das Bier zu warm. Ziemlich genau so, wie ich es früher gemocht habe. Aber das scheint lange her zu sein, ein ganz anderes Ich in einer ganz anderen Zeit. Trotz allem trinke ich einen weiteren Schluck aus der Flasche, denn ich bin durstig, und die Alternative wäre, Wasser zu bestellen, und wer einmal das Vergnügen hatte, hinter die Theke dieser Bar zu schauen, weiß, dass das wesentlich ungesünder wäre als lauwarmes Bier.

»Hier, das ist ja nicht mitanzusehen.« Ich sehe auf und blicke in das grinsende Gesicht von Mitch Donovan. Er hat zwei geöffnete Bierflaschen zwischen seine Finger geklemmt und setzt sich neben mich an den Tisch. »Ich hab dir was Frisches mitgebracht.« Tatsächlich sind die braunen Glasflaschen mit einem feinen Film aus Kondenswasser bedeckt.

»Wie hast du das denn hierher geschmuggelt?«, frage ich ihn, nachdem er das Bier auf dem Tisch abgestellt hat und wir zur Begrüßung eingeschlagen haben. Er zuckt mit den Schultern, zieht seinen Mantel aus und hängt ihn über die Lehne. »Und wieso bist du so schick?«

»Ich habe nichts reingeschmuggelt, sondern an der Bar einfach mal nach dem guten Zeug gefragt, und das da ist nicht schick, sondern das sind die normalen Klamotten, die ich trage, wenn ich im Krankenhaus zu tun habe.«

Ohne zu fragen, nehme ich mir eine der Flaschen und trinke einen Schluck daraus. Kalt und köstlich rinnt mir der Hopfensaft die Kehle hinunter. Viel besser.

»Gut, dich zu sehen«, sagt Mitch und stößt mit seinem Bier gegen meins.

»Geht mir auch so«, brumme ich und sehe zur Tür. »Hast du was von den anderen gehört?«

»Kona verspätet sich, müsste aber gleich da sein. Und Hannibal …« Er zuckt mit den Schultern und lässt seinen Satz einfach ausklingen, weil wir beide wissen, was er damit sagen will. Hannibal wird nicht kommen. Schon wieder nicht.

»Hast du ihn überhaupt mal wieder gesprochen?«, hake ich nach, weil ich die Hoffnung einfach nicht aufgeben will.

Mitch schnaubt leise. Sein schwarzes Haar wird ihm dabei aus der Stirn gepustet und gibt kurz den Blick auf die Narbe an seiner Schläfe frei. Normalerweise sieht man nur ihren Ausläufer, eine Furche in seiner Augenbraue, an der kein Haar mehr wächst. Ich weiß, was diese Narbe verursacht hat und spüre immer eine Gänsehaut, wenn ich sie sehe. Mitch überspielt ihre Bedeutung immer und behauptet, dass die Frauen nur deswegen auf ihn fliegen. Womit er vielleicht recht hat, aber ich habe eher den Verdacht, es liegt an seinem Job im Krankenhaus und der Tatsache, dass er ein gut aussehender Hundesohn ist. »Nein. Er drückt mich weg, wenn ich ihn anrufe, ignoriert meine Mails, nur manchmal kriege ich auf eine SMS mal eine Reaktion.«

»Das heißt, er ist zumindest noch am Leben.« Mein Galgenhumor bringt mir nur ein freudloses Lachen von Mitch ein.

»Wer ist noch am Leben?« Die fröhliche Stimme reißt mich aus der trübseligen Stimmung, und Kona lässt sich schwungvoll auf den Stuhl zu meiner Linken fallen, der hingebungsvoll ächzt, aber standhält.

»Hannibal«, informiert Mitch ihn und schlägt in Konas ausgestreckte Hand ein.

Ich tue es Mitch nach und schiebe dann Kona mein lauwarmes Bier hin, während ich noch einmal an der kalten Variante nippe.

»Deinen Scheiß kannst du behalten.« Er lacht und schiebt die Flasche gleich weiter an den vierten Platz, der heute wohl wieder leer bleiben wird.

Mag sein, dass wir auch ohne Hannibal noch zusammenfinden, aber er war es, der uns alle erst zusammengebracht hat. Er hat uns geführt, zu einer Einheit geformt. Ohne ihn sind wir ziellos, nichts weiter als drei Freunde, die bei einem Bier zusammensitzen. Mein Blick wandert von dem leeren Platz zu Kona. Ich muss grinsen und bin dankbar, den Sunnyboy am Tisch zu haben. Kona heißt eigentlich Sterling Rutherford der Dritte und ist Erbe einer der reichsten Kaffeeplantagefamilien auf Hawaii, aber das würde man angesichts seiner sonnenverbrannten Haut, den zerrissenen Jeans und dem ausgebleichten T-Shirt nicht vermuten. Er verschleiert gern, wer er ist, und dass wir ihn Kona, wie den berühmten hawaiianischen Kaffee, nennen dürfen, ist schon das Höchste der Gefühle, denn sonst lehnt er alles ab, was ihn irgendwie mit dem Wohlstand seiner Familie in Verbindung bringen könnte. So, wie er und Mitch sich da gegenübersitzen, stellen die beiden optisch jeweils das krasse Gegenteil vom anderen dar. Konas wildes blondes Haar ist verstrubbelt, als wäre er direkt auf einer Welle von Coney Island hergeritten. Mitchs schwarzes Haar ist sorgsam zurückgekämmt, sein Anzug ist maßgeschneidert und sitzt perfekt. Trotzdem prosten sich die beiden gerade zu und trinken einträchtig ihr Bier miteinander.

»Also habe ich das richtig verstanden, Hannibal taucht heute auch nicht mehr auf?«, fragt Kona, nachdem er sich ein Bier bestellt hat.

»Nein«, erwidere ich und reibe mir über das Kinn.

Für den Bruchteil einer Sekunde wird Kona ernst und sieht, wie wir alle, zu dem leeren Platz am Tisch. »Denkt ihr, er wird überhaupt mal wieder rauskommen?«

Ich bemerke Mitchs bohrenden Blick an meiner Seite, sehe aber weiter zu dem leeren Platz. »Ich glaube nicht«, spreche ich schließlich aus, was wir alle insgeheim denken. »Er hat es nie verwunden, und wenn die letzten zwei Jahre ihm nicht dabei geholfen haben, zu verstehen, dass es nicht zu ändern ist, wird er es wohl nie verstehen.« Ich mache eine kurze Pause und fahre dann fort: »Wir alle müssen etwas ändern. Er hat beschlossen, dass wir so nicht weitermachen dürfen, also müssen wir lernen, unser Leben wieder aufzunehmen. Wir müssen mit der Special Unit Serpent abschließen.«

Mitch runzelt die Stirn und sieht mich an, Kona starrt nur, als hätte ich den Verstand verloren. »Das meinst du nicht ernst, oder?«, fragt er. Er widersteht offensichtlich dem Impuls, an meinen Oberarm zu greifen.

»Das ist mein voller Ernst«, antworte ich ihm. »Darum werde ich mir auch ein Cover-up machen lassen, es überstechen lassen. Es ist vorbei. Endgültig.«

Die nachfolgende Stille könnte nicht einmal einer von Konas Scherzen verscheuchen, aber er sieht gerade auch nicht so aus, als wäre ihm danach zumute, Witze zu reißen.

Mitch ist es, der das Schweigen bricht. »Nein, das ist es nicht. Mag sein, dass Hannibal es nicht verkraftet hat, mag sein, dass du glaubst, du kannst damit abschließen, aber wir haben etwas geschworen. Etwas, was wir nicht einfach vergessen können. Auch wenn die Special Unit Serpent nicht mehr existiert, sind wir noch da. Alle. Und wir werden auch in Zukunft füreinander da sein, komme, was wolle.«

»Amen«, sagt Kona und hebt seine Bierflasche. »Und wenn du blöder Penner versuchst, dich einfach aus dem Staub zu machen, verspreche ich dir, dass ich dich finden und dir den Arsch aufreißen werde, bist du wieder weißt, wo du hingehörst.«

Sogar Mitch muss lachen, und ich versuche gar nicht erst, das Grinsen zu unterdrücken, das ich auf meinen Lippen spüre. »Schon klar«, brumme ich, um das Thema nicht weiter zu vertiefen. Ich habe keine Lust, mich noch mehr deprimieren zu lassen. »Ich befürchte nur, dass ich eine gewisse Tätowiererin damit enttäuschen werde.« Das ist eine glatte Lüge, aber immer noch besser, als dass wir weiter hier sitzen und herumheulen, wegen etwas, was nicht mehr zu ändern ist.

Die Masche zieht, sofort habe ich die ungeteilte Aufmerksamkeit der beiden. »Was für eine Tätowiererin?«, fragt Kona, und Mitch grinst breit.

»Die, die wohl das Cover-up übernehmen sollte«, klärt er Kona auf, als wäre der zu blöd, um es zu verstehen.

Der zeigt ihm nur den Finger. »Los, erzähl, wie sieht sie aus?«

Ich lehne mich zurück und nehme den letzten Schluck aus der Flasche. Sofort sehe ich Riley vor mir – die kleine, aber kurvige Gestalt, die sie so lässig in Jeans und ein schwarzes T-Shirt gehüllt hatte. Die schwarzen Lederstiefel mit den kantigen Absätzen haben dafür gesorgt, dass sie mir gerade mal bis zum Ohrläppchen reicht, aber ich habe eine Schwäche für kleine Frauen. Dennoch sind es nicht die prallen Kurven, die ich vor mir sehe, als ich an sie denke. Vielmehr sind es ihr kastanienbraunes, fast schon rotes Haar, das herzförmige Gesicht mit den hohen Wangenknochen, der kleine freche Schmollmund und ihre Augen. Sie sind hell, bernsteinfarben, und in der kurzen Zeit, in der ich sie gesehen habe, konnte ich zweimal bewundern, wie sie von Bernstein zu Haselnuss und dann zu einem Farbton gewechselt haben, der fast schon ins Goldfarbene spielte. Unglaublich, was ein Paar brauner Augen alles können. Mich lassen sie zumindest nicht mehr los, und ich merke ein nur allzu vertrautes Ziehen im Schritt.

»Das«, sage ich und stelle meine Bierflasche auf dem Tisch ab, »geht euch beide einen Scheißdreck an.«

Kapitel 3

Killian

Ich stehe am Eingang des Madison Square Gardens in der Nähe der Penn Station und sehe mich um. Bisher habe ich noch keine Riley gesehen, nur jede Menge tätowierter Menschen, die entweder ins Innere der Halle drängen oder vor den Türen stehen und sich unterhalten. Die Stimmung ist entspannt, soweit New York das zulässt, und trotz der herbstlichen Temperaturen ist es sonnig und angenehm. Ich bewege meine Schultern, um mich zu lockern. Nervös bin ich nicht, aber letzte Nacht ist mir die kleine Tätowiererin einfach nicht aus dem Kopf gegangen. In meiner Vorstellung hatte sie sich schon längst des Shirts und der Jeans entledigt und war zu mir ins Bett gekrochen. Die Vorstellung, was ich alles mit ihr anstellen könnte, hat mich nicht schlafen lassen, nicht einmal, nachdem ich selbst Hand angelegt hatte. Und auch jetzt merke ich, wie sich zwischen meinen Beinen etwas regt, als ich die Fantasien noch einmal Revue passieren lasse.

Verdammt, Walker, reiß dich zusammen!

»Nicht einfach, sich hier zu finden, was?« Die helle Stimme reißt mich aus meinen Gedanken, und als ich mich umdrehe, sehe ich meinen Traum in Fleisch und Blut. Riley steht mit zwei Kaffeebechern vor mir und lächelt breit. Das kastanienbraune Haar mit den leichten Locken darin hat sie sich zu einem Messy Bun im Nacken zusammengebunden. Sie trägt eine schwarze Leggins, eine schwarze Lederjacke und ein T-Shirt, das sich eng an ihre Brüste schmiegt und auf dem ein Waschbär mit einer Knarre abgebildet ist. Das Motiv kommt mir vage bekannt vor.

»Wenn man in New York lange genug herumsteht, trifft man jeden«, erwidere ich und nehme den Pappbecher entgegen, den sie mir hinhält.

»Ich wusste nicht, wie du deinen Kaffee trinkst, darum bin ich auf Nummer sicher gegangen und hab ihn schwarz bestellt.«

Nicht schlecht. Ich trinke meinen Kaffee tatsächlich am liebsten schwarz, aber als ich einen Schluck nehme, habe ich das Gefühl, in einen Schokoriegel gebissen zu haben.

Als sie mein Gesicht sieht, wird sie rot. »Oh Mist, ich glaube, du hast meinen erwischt!« Hastig nimmt sie mir den Becher aus der Hand und drückt mir den anderen zwischen die Finger. »Sorry.«

»Kein Problem. Aber wie es aussieht, bevorzugst du mehr Zutaten in deinem Kaffee?«

Sie lacht verlegen und schiebt sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Ich bin ein ziemliches Leckermäulchen. Mit Süßem kriegt man mich immer.«

Ich betrachte sie vielleicht eine Sekunde zu lange und nehme dann einen Schluck aus meinem Becher, um den ganzen Zucker aus meinem Mund wegzuspülen. »Danke für den Kaffee.«

Sie strahlt und zuckt dann mit den Schultern. »Ich dachte mir, um diese Uhrzeit kannst du etwas gebrauchen, was dich aufweckt. Geht mir zumindest immer so.«

Ich werde ihr jetzt nicht auf die Nase binden, dass ich jeden Morgen um sechs Uhr aufstehe und dementsprechend schon ein paar Stunden wach bin. Irgendwie passt es zu ihr, dass sie zu den Langschläfern gehört. Ich würde zu gerne einmal sehen, wie sie, vergraben unter meiner Bettdecke, schläft, während die Sonne schon aufgegangen ist. Muss ein Anblick für die Götter sein.

Ich versuche irgendwie, meine beginnende Erektion unter Kontrolle zu bekommen, und Riley nicht aus den Augen zu verlieren, während sie vor mir herwuselt und mich ins Innere des Gardens führt. Die Convention kostet eigentlich Eintritt, aber sie winkt dem Mann am Eingang einfach nur zu, packt meine Hand und zieht mich ganz selbstverständlich durch die Tür.

Die Convention befindet sich auf zwei Ebenen. Im Erdgeschoss gibt es mehr Aussteller für Zubehör, erklärt Riley mir und deutet auf die aufgereihten Farbtöpfchen, Nadeln und Maschinen, die sich an diversen Ständen stapeln. »Ich muss zugeben, wenn es um Farben geht, benehme ich mich wie eine Elster, die irgendetwas Blinkendes sieht«, sagt sie entschuldigend, während sie sich einige Farbtöpfchen an einem Stand ansieht. »Ich kann einfach nicht daran vorbeigehen.«

Ich verstecke mein Schmunzeln, indem ich noch einen Schluck Kaffee trinke.

Ihre Augen funkeln regelrecht, während sie sich die Besonderheiten bestimmter Schattierungsfarben erklären lässt, die Konsistenz der Farbe prüft und ausprobiert, wie sich verschiedene Maschinen befüllen lassen. Es ist ein Anblick, von dem ich nicht genug bekomme, und ihre gute Laune ist ansteckend.

»Entschuldige«, sagt sie noch einmal, als sie sich schließlich von dem letzten Stand losreißt. »Ich wollte dich nicht warten lassen. Immerhin sind wir ja hier, weil du dir kein Cover-up stechen lassen willst«, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

»Oh, ich will mir unbedingt ein Cover-up stechen lassen«, erwidere ich, auch wenn der gestrige Abend meinen Entschluss etwas ins Wanken gebracht hat. »Ich muss nur die Tätowiererin überzeugen, es auch wirklich zu tun.«

»Da kannst du lange warten.« Sie schmunzelt und führt mich die Treppe hinauf zur nächsten Ebene. Es sieht ähnlich aus wie im Erdgeschoss, nur werden die Tische und Ausstellungsstände von großen Bannern mit den Namen von Tätowierern und Studios beherrscht, und überall hängen Fotos an den Wänden oder liegen dicke Ordner mit Bildern und Skizzen aus, durch die die Besucher blättern können. An fast jedem Stand mit einem Tätowierer steht auch eine Liege, damit man sich vor Ort sein Tattoo stechen lassen kann. Die meisten Menschen, die dort liegen, wirken entspannt, nur wenige verziehen das Gesicht. An einem Stand bricht ein Mann gerade in Tränen aus, nachdem die Tätowiererin die Nadel angesetzt hat.

»Und darum lässt man sich sein erstes Tattoo nicht auf einer Convention stechen«, sagt Riley, die meinem Blick gefolgt ist, seufzend an meiner Seite.

Wir gehen weiter an den Ständen vorbei.

»Warum bist du eigentlich kein Aussteller hier?«, frage ich sie.

Riley nippt an ihrem verflüssigten Schokoladeneistraum. »Früher war ich öfter mal dabei«, beginnt sie und dreht den Pappbecher zwischen den Fingern. Ihre Zungenspitze wagt sich zwischen den vollen Lippen hervor und leckt etwas von dem süßen Zeug aus ihrem Mundwinkel. Diese Geste lenkt meine Gedanken wieder in verdammt gefährliche Regionen, denn die Vorstellung, was sie mit dieser kleinen rosafarbenen Zungenspitze noch so alles anstellen könnte, bringt mich schier um den Verstand, und das verwirrt mich. So heftig und direkt habe ich bisher noch auf keine Frau reagiert.

»Mittlerweile ist es mir zu stressig«, fährt sie fort und hilft mir unbewusst dabei, mich abzulenken. »Ich müsste den Laden das ganze Wochenende über zumachen, mir Helfer engagieren, die Standmiete bezahlen, alles transportieren, und das nur, um Werbung für mich zu machen.« Sie zuckt mit den Schultern. »Ich habe viele Stammkunden, und Laufkundschaft kommt auch immer wieder mal rein. Ich verdiene damit zwar keine Unsummen, aber es reicht, damit ich mir keine Gedanken um die Miete machen muss, und es ist ein Pensum, das ich allein bewältigen kann.«

Für einen kurzen Moment huscht ein Schatten über ihr Gesicht, der so schnell wieder verschwindet, dass ich nicht sicher bin, ob ich ihn mir nur eingebildet habe.

»Du arbeitest also gerne allein«, stelle ich das Offensichtliche fest.

»Mir kann ich vertrauen, und die einzigen Fehler, die ich ausbügeln muss, sind meine eigenen.« Die Worte klingen sehr ernst und passen nicht so ganz zu der Frau, die ich bisher kennengelernt habe. Aber ich bohre nicht weiter nach, das Thema scheint ihr unangenehm zu sein.

Ein Stand in der Ecke zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Es stehen mehrere Leute um ihn herum und sehen einem Mann mit Glatze zu, der gerade einem Kunden einen stilisierten Kraken verpasst. Riley scheint meine Neugierde zu bemerken, denn sie schiebt sich wie ein Schneepflug vor mir durch die Menge, bis wir an den Tisch treten können.

Der Tätowierer sieht nicht einmal auf, aber einer der Männer, die neben der Liege sitzen, steht auf und hebt grüßend die Hand, als er Riley sieht. »Spades! Hab mich schon gefragt, wann du kommst.«

Sie lächelt, wischt sich, wahrscheinlich unbewusst, die rechte Hand an der Seite ihrer Jeans ab und streckt sie ihm entgegen. Noch während sie sich die Hände schütteln, sagt sie: »Hey, Marcus. Das konnte ich mir doch nicht entgehen lassen.«

Ich muss einen ungewohnten Anflug von Eifersucht niederkämpfen. Der Mann ist fast so groß wie ich, hat ebenfalls eine Glatze und einen grauen Bart, der nicht so ganz zu seinem noch recht jugendlichen Gesicht passen will. Er trägt ein schlichtes schwarzes Hemd und eine schwarze Hose. Schwarz scheint allgemein an vielen Ständen die vorherrschende Farbe zu sein, nur die Besucher der Convention bringen zusätzliche Farbe in die Halle.

Riley deutet mit einem Grinsen auf mich. »Kannst du dem Typen mal erklären, warum er sich sein Tattoo auf keinen Fall überstechen lassen darf?«

»Hey, das ist unfair«, erwidere ich, und ihr Grinsen ist so ansteckend, dass ich nicht anders kann, als es zu erwidern. »Keine Beeinflussung der Tätowierer!«

Marcus schmunzelt ebenfalls und blickt von mir zu ihr und wieder zurück. Er streckt mir jetzt die Hand entgegen, und ich ergreife sie. Sein Händedruck ist fest, aber nicht aggressiv, er steckt kein Revier ab, sondern stellt sich einfach nur vor. »Um was für ein Tattoo geht es denn, Mr …?«

»Killian Walker«, stellt Riley mich vor, noch bevor ich auch nur einen Mucks von mir geben kann, und Marcus‘ Schmunzeln verschwindet.

Er hält meine Hand noch immer gedrückt und runzelt die Stirn. Plötzlich erhellt sich seine Miene wieder, und er beginnt, meine Hand fester zu schütteln. »Killian Walker? Der Künstler?«

Ich hatte befürchtet, dass mich jemand auf der Convention erkennen könnte, sobald mein Name fällt. Fotos sind online, dank Kona, kaum welche von mir zu finden, also hatte ich gehofft, einigermaßen sicher zu sein. Aber jetzt ist es zu spät, mich herauszureden. »Ja«, sage ich daher nur schlicht, und Marcus strahlt regelrecht.

»Wow! Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemanden wie Sie hier sehen würde.«

»Bleiben wir doch einfach beim Du«, sage ich, nachdem er endlich meine Hand losgelassen hat.

Riley mustert mich neugierig.

»Kennst du ihn etwa nicht? Du hast ihn doch hergebracht«, fragt Marcus fassungslos, als er Rileys Gesichtsausdruck bemerkt.

»Ich kenne ihn erst seit gestern. Und viel hat er von sich noch nicht erzählt.« Ihr schiefer Blick nimmt ihren Worten die Spitze, und sie verschränkt die Arme vor der Brust, wodurch ihr Shirt gefährlich spannt. Herrgott, diese Frau wird noch einmal mein Untergang sein.

Marcus legt mir den Arm um die Schulter – zumindest versucht er es, kriegt die Hand aber nur bis zu meinem Rücken – und deutet mit der anderen Hand auf mich. »Das ist einer der grandiosesten Künstler, die du aktuell finden kannst. Er hat früher viele Tattoo-Vorlagen gezeichnet und die zur freien Verfügung ins Internet gestellt. Und du glaubst gar nicht, was für Arbeiten das waren. Hier.« Er lässt mich los, krempelt seinen linken Hemdsärmel hoch und präsentiert uns seinen bunten Unterarm. Ich entdecke den Hirschschädel darauf sofort. Er besteht nur aus geraden Linien und ist wie ein geometrisches Muster aufgebaut. »Das habe ich mir sofort stechen lassen, nachdem er es auf seiner Webseite veröffentlicht hat.«

Riley beugt sich vor, um das Tattoo genauer in Augenschein zu nehmen, und sieht erst Marcus und dann mich an, wobei sie die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. »Soso«, sagt sie nur.

»Ist gut geworden«, merke ich dafür an, und es ist nicht gelogen. Die Schattierungen des Motivs, die ich bei der Ursprungsskizze eingefügt hatte, sind hier so gut gestochen worden, dass sie einen 3-D-Effekt ergeben. Der Schädel scheint direkt auf Marcus‘ Haut zu liegen.

»Danke.« Er grinst und krempelt das Hemd wieder herunter. »Ich habe schon eine Weile keine neuen Arbeiten mehr von dir gesehen.«

Ah, das Thema, von dem ich gehofft hatte, es taucht nicht auf. »Ich zeichne seit einer Weile nur noch für mich. Mittlerweile mache ich mehr mit Bildhauerei für Privatkunden.«

»Schade, aber verstehe ich. War ohnehin ziemlich selbstlos von dir, die Sachen ins Netz zu stellen.« Marcus wirkt fast ein wenig verlegen, und er reibt sich den Hinterkopf. »Ich muss zugeben, ich habe eine ganze Menge Kunden, die explizit deine Vorlagen auf der Haut haben wollten.«

Das bringt mich zum Lachen. »Dann habe ich doch alles richtig gemacht.«

Marcus lacht ebenfalls erleichtert.

Riley steht neben uns und mustert uns ruhig, ohne etwas zu sagen, aber an ihrem Blick sehe ich, dass sie sich ihre eigenen Gedanken macht. Ob das gut oder schlecht ist, werde ich wohl noch erfahren.

Marcus nimmt das Gespräch wieder auf: »Und um welches Tattoo geht es?«

Ich ziehe den Ärmel meines Longsleeves hoch, damit er einen Blick auf meine Tätowierung werfen kann.

Er verschränkt nun ebenfalls die Arme, während er sie ansieht, und Riley stellt sich neben ihn. Marcus schüttelt den Kopf. »Mann, das kannst du auf keinen Fall überstechen lassen.«

Ich sehe Riley gespielt düster an. »Gib es zu, du hast ihn im Vorfeld geschmiert.«

Sie zuckt nur mit den Schultern und schenkt mir einen Blick, der eindeutig sagt: »Ich habe es dir doch gesagt.«

»Muss sie gar nicht«, erwidert Marcus an ihrer Stelle. »Das ist eindeutig ein Entwurf von dir, und ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, ich halte dich für ein verdammtes Genie. Darum nein, du solltest das auf keinen Fall überstechen lassen und schon gar nicht von mir.«

So viel dazu. Ich unterdrücke ein Seufzen und rolle den Ärmel wieder herunter. »Keine Chance, dich umzustimmen?« Mein letzter Versuch, aber er schüttelt den Kopf.

»Nicht einmal, wenn du mir dafür einen ganzen Ordner deiner Vorlagen gibst.«

Riley grinst nun so breit wie eine Katze, die gesehen hat, dass der Sahnetopf unbewacht ist, und stemmt die Hände in die Hüfte. »Wie es aussieht, hast du hier kein Glück.«

Ich blicke sie düster an, und Marcus zuckt zusammen, obwohl der Blick nicht einmal ihm galt. Riley hingegen bleibt ungerührt. Diese kleine Sphinx. Absolut undurchschaubar.

Wäre es nach mir gegangen, hätte ich sie gleich in das nächste Nebenzimmer gezerrt und ihr statt einem triumphierenden Grinsen Lustschreie entlockt, aber stattdessen reiche ich Marcus die Hand. »Danke für deine Einschätzung. Ich versuche mein Glück mal woanders.«

Er erwidert meinen Händedruck und zuckt etwas bedauernd mit den Schultern. »Sorry. Aber ich fürchte, du wirst hier nicht viel Erfolg haben.«

Ich nicke und wende mich ab. Riley folgt mir, und da die Becher leer sind, werfen wir sie in den nächsten Mülleimer. »Hast du das gewusst?«, frage ich sie, und sie schüttelt den Kopf.

»Ich kannte dich wirklich nicht. Deine Arbeiten sind mir zwar ein paarmal begegnet, aber ich wusste nicht, dass du sie ins Internet gestellt hattest. Das war wohl, bevor ich meine Lehre begonnen habe.«

In Gedanken überschlage ich die Zeit, die seit meinen ersten Zeichnungen im Netz vergangen ist. »Du tätowierst erst seit drei Jahren?«

»Vier.«

»Das nenne ich mal einen Raketenaufstieg.«

Sie zuckt mit den Schultern und sieht dann wieder zu mir auf. »Wenn ich Marcus‘ Reaktion so sehe, befürchte ich, dass deine Chancen, jemanden zu finden, der dir ein Cover-up machen würde, sehr gering sind.«

Das herausfordernde Funkeln in ihren Augen lässt mich breit lächeln. »Wollen wir doch mal sehen …«

Kein Einziger der Tätowierer, die wir im Laufe des Tages angesteuert haben, hat sich bereiterklärt, mir ein Cover-up zu machen. Riley hatte anfangs noch auf einige besonders gute Tätowierer hingewiesen, aber nachdem ich misstrauisch geworden war, hatten wir nur noch Stände besucht, die ich für vielversprechend hielt. Was immer in der gleichen Situation endete: Ich ging hin, Riley verriet meinen Namen, oder ich zeigte mein Tattoo, und schon wollte keiner mehr ein Cover-up machen. Ein wenig frustriert, aber insgesamt gut gelaunt verlasse ich mit Riley an meiner Seite am späten Nachmittag die Convention.

»Sieht so aus, als schuldest du mir ein Abendessen. Und eine Geschichte«, sagt sie und versucht gar nicht erst, ihr schadenfrohes Grinsen zu verbergen.

»Ich glaube immer noch, dass du deine Kollegen geschmiert hast«, sage ich und fahre schnell fort, bevor sie mich empört unterbrechen kann, »aber ich will kein schlechter Verlierer sein. Ich hole dich morgen Abend ab, einverstanden?«

Sie wirft mir nur wieder diesen Blick zu, der auch einer Sphinx gehören könnte, und reicht mir eine Visitenkarte. »Acht Uhr vor dem Pitch Black.«

Ich nehme die Karte und werfe einen kurzen Blick darauf. Nur die Adresse des Tattooladens, aber danebensteht, handschriftlich, ihre Handynummer.

Eigentlich wollte ich mich nur kurz verabschieden, doch Riley umarmt mich aus heiterem Himmel. »Bis Morgen.«

Ich spüre ihren weichen Körper in meinen Armen, ihr Duft von Jasmin und Sandelholz umgibt mich, und ich kann einen schwachen Hauch ihres Shampoos riechen, vermischt mit der Schokolade in ihrem Atem. Sie ist in mehr als einer Hinsicht eine süße Versuchung, von der ich kaum die Finger lassen kann, aber ich weiß, wenn sie zu lange in meinen Armen bleibt, wird das zu einem Skandal und einer Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses führen. Darum schiebe ich sie sanft von mir.

»Bis Morgen, Spades. Acht Uhr«, sage ich zum Abschied und wende mich dann rasch ab, um zu gehen.

Kapitel 4

Riley