Spells of Villains and Witches (Turadhs Elite 2) - Gina Mecke - E-Book

Spells of Villains and Witches (Turadhs Elite 2) E-Book

Gina Mecke

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Beschreibung

Ein Vampir, der niemanden an sich heranlässt. Eine Hexe, die hinter seine Fassade geblickt hat. Ein mysteriöser Magieverlust, der immer weiter fortschreitet. Die Hexe Vanya kehrt für ihr zweites Semester an die Turadh Academy zurück. Sie kämpft weiter um die Chance, Teil der magischen Elite zu werden. Doch auch Alick, ihr Entführer und Lebensretter in einem, darf sein Studium unter strengen Auflagen fortsetzen. Sie sollte sich definitiv von ihm fernhalten. Seine abweisende Haltung sollte jeden von ihm fernhalten. Trotzdem ist Vanya überzeugt, dass sie ihren gemeinsamen dunkelsten Moment nur zusammen verarbeiten können. Auch Alick zieht es immer wieder zu ihr hin und zwischen ihnen flammt eine Leidenschaft auf, die bereits vor Monaten Funken geschlagen hat. Während sie sich körperlich schnell näherkommen, halten beide ihre wachsenden Gefühle zurück. Zur gleichen Zeit scheinen immer mehr magische Wesen ihre Kräfte zu verlieren. Vanya macht es sich zur Aufgabe, dieses Rätsel zu lösen. Wenn sie dabei nur nicht auf Alicks Hilfe angewiesen wäre ...  Willkommen an der Turadh Academy. Kämpfe für deine Magie.  //»Spells of Villains and Witches« ist der zweite Band der romantischen Urban Fantasy um die Elite der Turadh Academy. Er ist einzeln lesbar, nimmt jedoch stark Bezug auf die Geschehnisse von Band 1.  Band 1: Bonds of Blood and Magic   Band 2: Spells of Villains and Witches   Diese Reihe ist abgeschlossen.//  

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Gina Mecke & June Winter

Spells of Villains and Witches (Turadhs Elite 2)

Ein Vampir, der niemanden an sich heranlässt.

Eine Hexe, die hinter seine Fassade geblickt hat.

Ein mysteriöser Magieverlust, der immer weiter fortschreitet.

Die Hexe Vanya kehrt für ihr zweites Semester an die Turadh Academy zurück. Sie kämpft weiter um die Chance, Teil der magischen Elite zu werden. Doch auch Alick, ihr Entführer und Lebensretter in einem, darf sein Studium unter strengen Auflagen fortsetzen. Sie sollte sich definitiv von ihm fernhalten. Seine abweisende Haltung sollte jeden von ihm fernhalten. Trotzdem ist Vanya überzeugt, dass sie ihren gemeinsamen dunkelsten Moment nur zusammen verarbeiten können. Auch Alick zieht es immer wieder zu ihr hin und zwischen ihnen flammt eine Leidenschaft auf, die bereits vor Monaten Funken geschlagen hat. Während sie sich körperlich schnell näherkommen, halten beide ihre wachsenden Gefühle zurück. Zur gleichen Zeit scheinen immer mehr magische Wesen ihre Kräfte zu verlieren. Vanya macht es sich zur Aufgabe, dieses Rätsel zu lösen. Wenn sie dabei nur nicht auf Alicks Hilfe angewiesen wäre …

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Vita

Playlist

Danksagung

© privat

Gina Mecke wurde 1995 geboren und wuchs in einer kleinen Stadt auf dem Land auf. Nach dem Abitur studierte sie Lehramt an der Universität Potsdam. In dieser Zeit entstand ihr erster Roman Federkleid, den sie mit 23 Jahren veröffentlichte. Der zweite Band Fuchsfell folgte 2022. Mittlerweile ist sie Lehrerin an einer Grundschule und schreibt nebenher an neuen, fantastischen Geschichten.

June Winter wurde 1986 in Berlin geboren. Bereits in jungen Jahren brachte sie das Lesen fantastischer Literatur zum Schreiben, das sie seither nicht mehr losließ. 2021 beendete sie ihren ersten Roman. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt und versucht sich täglich am Spagat zwischen Mama-Sein, beruflichem Alltag und der Leidenschaft, spannende Geschichten zu erzählen.

Für dich, für dich und dich: Für euch alle, deren Einstiegszauber Harry Potter und Twilight gewesen sind. Gebt es zu, sie waren grandios! Und auch für dich, für mich und für uns: Für eine gewachsene Freundschaft, die so viel Gutes hervorgebracht hat und regelrecht magisch geworden ist!

Playlist

Tommee Profitt, Sam Tinnesz - Heart Of The Darkness

UNDREAM, IOVA - Monster

BELLSAINT - Landmines

Mree - In the Kitchen

Chandler Leighton - When You Say My Name

VOILÀ - Drinking with Cupid

Jiovanni Daniel - Rituals

Halflives - Victim

SINA - Undone

Bohnes - You’ve Created a Monster

Chloe Adams - Dirty Thoughts

Adam Jensen - Lowlife

Roses & Revolutions, Weathers - Dancing in a Daydream

Madalen Duke - How Villains Are Made

Emily Jane White - Pallid Eyes

Villain of the Story - Wrong

Jill Andrews - Lost It All

Roses & Revolutions - The Pines

Madalen Duke - Love into a Weapon

Euphoria, Bolshiee - Masquerade

Simon, Trella - Down

...

Die Spells of Villains and Witches Playlist ist auf Spotify zu finden.

Kapitel1

Alick

Als ich die Klinge über ihrem Puls ansetze, stöhnt die Kleine auf. Anscheinend steht sie auf das Metall, das sich, von meiner Hand geführt, immer tiefer in ihre blasse Haut drückt. Scharf und präzise zeichnet der Schnitt eine feine Linie auf ihre Gänsehaut und bildet ein rotes Rinnsal.

Sobald das Blut herausläuft, reißt das Mädchen die Augen auf, aber noch während ich meine Lippen auf die Wunde presse, keucht sie betört und wirft den Kopf in den Nacken. Ihre Locken verfangen sich an meinen stoppeligen Wangen, ihre Finger umschlingen mein Handgelenk. Ich lasse sie, damit sie stillhält, denn ihr Körper ist in Aufruhr. Je eher ich auf meine Kosten komme, desto schneller bin ich hier wieder weg.

Ich verstehe immer noch nicht, wie man so scharf darauf sein kann, mit einem Skalpell geöffnet zu werden. Statt gebissen. Auch die Male zuvor war es einfach, die Spenderinnen zu überzeugen, sich mir und meiner Klinge darzubieten, was sicher nicht nur am großzügigen Aufpreis zur üblichen Pauschale lag. Vielleicht kommen hier ja öfter Vampire vorbei, die nur knapp dem magischen Knast entkommen sind und dafür die Hälfte ihrer Identität verloren haben.

Fuck, es fehlt mir. Das hier ist nicht dasselbe. Es macht aus dem Akt des Trinkens etwas Mechanisches, beinahe Menschliches. Hat nichts von der Ästhetik eines Vampirs, wenn er mit den Zähnen das Fleisch durchschlägt und mit seinem Gift ein Paradies in die Adern injiziert. Vampire erschaffen Kunst für sich und ihr Gegenüber. Ich hingegen bin gerade nicht mehr als ein Stümper mit Klappmesser.

Meine Spenderin scheint das nicht zu stören. Gierig drückt sie mir ihren Hals entgegen, an dem ein schweres, süßes Parfüm haftet, dessen Alkohol zusammen mit der Eisennote ihres Blutes brennend heiß in meine Kehle fließt. Das Gefühl ist das gleiche, aber Geschmack und Geruch lassen mich meine scharfen Sinne vermissen, die ich seit der Sache im letzten Semester nur noch hinter den Mauern der Turadh Academy nutzen kann. Sobald ich den Campus verlasse, vermeldet die Fessel an meinem Fuß rotes Licht, und ich spüre, wie der Vampir aus mir hinausgesogen wird. Ein Werkzeug, um Magie zu bannen. Zurück bleibt jemand, der mir ähnlichsieht, aber nichts mehr mit mir zu tun hat. Es ist bemitleidenswert.

Hier in der Bluthöhle am Rande von Newcraighall gibt es deshalb keine Nuancen von Früchten, Blumen, Sandelholz oder der Besonderheit einer Blutgruppe, während ich mich an ihr labe. Nur Zucker und Metall. Allerdings bleibt mir nichts anderes übrig, wenn ich nicht von der Academy fliegen will, denn frisches Blut zu trinken, ist dort untersagt, und ich habe die Regel bereits einmal gebrochen. Unglücklicherweise bin ich dabei erwischt worden, weil das Mädchen in Ekstase geraten war und angefangen hatte zu schreien. Dass sie es aus Lust getan hatte, war leider kein brauchbares Argument gewesen.

Ich seufze schwer, was die Kleine vor mir wieder stöhnen lässt. Sie glaubt scheinbar, das hier gefällt mir ebenso wie ihr. Dabei finde ich mich abstoßend, wie ich versuche, mir das Hirn zu vernebeln, weil es das Einzige ist, was noch funktioniert. Noch ein paar Momente länger und ihr Blut wird mich berauschen wie eine Droge, mir Sinne und Erinnerungen nehmen und mich auf gute Weise lähmen. Das ist alles, was ich zurzeit brauche, um zu verdrängen. Auch wenn es mich nicht vergessen lässt.

Als ich genug habe, schüttle ich ihre Hand ab und falle neben ihr in den Kissenberg aus schwarzem Satin. Unterdessen nestelt die Kleine an ihrem Hals und ich weiß, dass sie ein magisches Tonikum aufträgt, das die Wunde verschließt. Danach erhebt sie sich nicht, um mir die benötigte Ruhe zu gönnen, sondern schmiegt sich an mich. Ihre Brüste drücken sich an meine Schulter, ihr nackter Schenkel legt sich auf meine Jeans. Die Bewegung lässt ihren ohnehin kurzen Rock lasziv nach oben rutschen. Würde sich nicht längst alles drehen, könnte ich alles von ihr sehen.

»Du gefällst mir«, haucht sie in mein Ohr. »Was hältst du von einem Upgrade auf Kosten des Hauses?« Sie öffnet die oberen Knöpfe meines Hemdes, ihre Finger fahren über die freigelegte Haut.

Träge halte ich ihre Hand zurück. »Nein.«

»Und wenn du mich berührst und ich tue dafür so, als wärst du nie hier gewesen?«

Ich wische mir über den Mund, an dem immer noch ihr Blut klebt. Meine Stimme klingt verwaschen. »Es geht mir nicht ums Geld. Ich … will dich einfach nicht.« Unter anderen Umständen hätte ich ihr Angebot vielleicht angenommen. Sie ist heiß. Aber so muss sie denken, sie würde mir nicht gefallen. Das jedoch ist nicht der Punkt. Der Punkt ist …

Der Punkt …

Fuck, fuck, fuck.

Kann es denn nicht schneller gehen?

Ich hieve mich hoch und presse die Hände gegen meine Schläfen. Zu vieles dahinter will einfach keine Ruhe geben. Das Dröhnen ist nicht angenehm, sondern beißend und laut. Ein Eindringling in meinem Kopf, der die Erinnerungen umgarnt, damit sie hervordrängen, anstatt sie endlich verstummen zu lassen.

»Verstehe«, sagt die Spenderin hinter meinem Rücken und es klingt weit weg. Lichtjahre entfernt. Sie murmelt noch etwas von »vollem Preis« und hat scheinbar nichts verstanden.

Scheiß auf das Geld! Davon habe ich genug. Ich habe von allem zu viel, darum geht es. Nur von dem, worauf es ankommt … davon habe ich zu wenig. Genau genommen nichts.

Ein Schatten zieht an mir vorbei, der wohl das Mädchen ist. Eine Tür schließt sich. Ich bin allein.

Durch den Dunst in meinem Schädel steuere ich das Waschbecken neben dem Eingang an, bekomme den Hebel zu fassen und lasse Wasser über meine Hände laufen, spritze es mir ins Gesicht. Kalt und nass klebt mein Haar an meiner Stirn, als ich mich auf dem Rand aufstütze und in den Spiegel sehe.

Mitleiderregend, MacRae. Absolut erbärmlich.

Meine Hand ballt sich wie von selbst zur Faust und schlägt auf das Porzellan ein. Aber außer dem Schmerz, der durch meinen kleinen Finger fährt, passiert nichts. Mein fucking Spiegelbild wackelt nicht einmal.

Als meine Beine nachgeben, lasse ich es geschehen, sacke in mir zusammen. Mein Kopf fällt dumpf gegen die Wand.

Minuten vergehen.

Wie ich hier so auf dem Boden hocke, breitet sich endlich Ruhe in mir aus. Das Tosen hinter meiner Brust verebbt und mein Atem normalisiert sich. Eine wunderbare Leere nimmt mich ein, von der Lunge bis in die Zehen. Ich inhaliere sie gierig und atme tief wieder aus.

Stille.

Endlich.

Nur ein Punkt flackert weiter vor meinen Augen, schwebt mitten im Raum. Wenn ich jetzt genau hinsehen würde, zeigte er ein Gesicht. Deshalb schließe ich die Lider und warte auf die süße Ohnmacht.

***

Nachdem ich den Rausch am Nachmittag ausgeschlafen habe, komme ich bei meinem Pflichttermin im Sanatorium an.

Ich werde bereits erwartet.

»Du bist zu spät«, schnauzt der Zwerg mit grimmiger Miene, als er mich hereinschlendern sieht. Seit meinem ersten Tag ist er schlecht auf mich zu sprechen, vor allem deswegen, weil ich es nicht lassen kann, ihn Zwerg zu nennen. Ein Schimpfwort für seine Art. Er besteht auf Kobold, aber das kann ich mir beim besten Willen nicht merken. Erst recht nicht, ohne es zu wollen. Dafür lässt mich der Kerl, der aussieht, als hätte man ihn zurechtgestaucht, geschrumpft und in ein Maskottchenkostüm für einen Glücksspielverein gesteckt, nicht aus den Augen und wird nicht müde, an mir rumzunörgeln. Wenn er wüsste, wie sehr mir das am Arsch vorbeigeht …

»War voll auf den Straßen.«

»Du hast dich doch nur wieder zugesoffen in einer eurer dreckigen Lasterhöhlen. Glaub ja nicht, dass du das vor mir verheimlichen kannst. Dein blutverkaterter Atem stinkt schon von Weitem.«

»Wenn du das so genau weißt, was machst du dann einen solchen Aufstand? Gibt nur Falten, Zwerg. Noch mehr als bei deiner Art üblich.« Ich grinse ihn an und lasse ihn stehen, noch ehe der Kerl eine seiner Schimpftiraden auf mich loslassen kann, die in etwa so lautet, dass er mich beim Magischen Ministerium verpfeifen und mich hinter Gitter bringen wird. Wo ich hingehöre. Aber das wissen wir beide.

Genau genommen hatte ich ein Scheißglück, dass man mich hierher gesteckt hat, ins »Musselburgh Sanatorium für altehrwürdige magische Wesen«. Den Menschen ist es als Theater bekannt, dessen verglaster Betonbau auf zwei Ebenen klassische Musik, Comedy, Tanz- und Filmvorführungen zeigt. Auf der magischen Seite landen hier Wesen, deren Kräfte mit dem Alter schwinden oder die von Krankheiten geplagt zu gesund fürs Krankenhaus sind. Wie Rufus. Der ehemalige Hexer hat seine Kräfte nach einem Zusammenstoß mit einem Feenwesen quasi über Nacht verloren. Was genau passiert ist, weiß niemand, aber es hat ihn aus dem Leben gerissen und als ein Häufchen Elend zurückgelassen.

Als ich das Zimmer betrete, wühlen seine Finger gerade in den grauen Locken, die ihm vom Kopf abstehen, als hätte er damit den Boden gewischt. Obwohl er dabei vor dem Fenster sitzt, als würde er hinaussehen, hat er die Augen geschlossen und murmelt Unverständliches vor sich hin.

Ich weiß echt nicht, was ich hier soll. Denn weder scheint der Typ mich wahrzunehmen noch Hilfe gebrauchen zu können. Wie auch immer die aussehen mag. Also mache ich das, was ich jeden Tag tue, seitdem man mich hier meine Strafe ableisten lässt. Dafür, dass ich im letzten Semester dabei geholfen habe, Studenten zu entführen und sie meinem Onkel Gregor als Opfer für seine Experimente zu überlassen, um die Vampire über die Menschen zu erheben. Oder so ähnlich. Denn genau genommen wollte ich mir damit seine Liebe erkaufen. Etwas, das er nie besessen hat. Schon gar nicht für mich. Als ich das erkannte, habe ich ihn verraten. Nur deshalb und wegen der Aussage der Hexe, die ich für ihn eingefangen hatte, kam es zu diesem Deal.

Scheiße, ich hätte nicht gedacht, dass es wie Salz in einer Wunde brennen würde, an Gregor zu denken.

Ich trete näher und stelle mich wortlos neben Rufus. Die Hände vergrabe ich in den Taschen meiner Lederjacke. Normalerweise hätte ich mich umziehen und die Einheitskleidung der Einrichtung anlegen sollen, aber ich habe nicht vor, lange zu bleiben. Außerdem entspricht die nicht meinem Stil.

Mein Blick schweift hinaus auf die Straße und findet meine Ducati, die ich auf dem Bürgersteig geparkt habe. Sie ist die logische Konsequenz daraus, dass meine Eltern mir den Fahrer gestrichen haben und ich damit aufgehört habe, ihnen ein fügsamer Sohn zu sein.

Der Hexer ist völlig unbeeindruckt von meiner Präsenz, deshalb rattere ich meinen Text wie gewohnt herunter: »Hi, Rufus. Schöner Tag heute, nicht wahr? Ja, das Wetter könnte besser sein, aber so ist das nun mal mit dem schottischen Winter. Falls du nichts weiter brauchst, würde ich bei der alten Aignéis weitermachen. Ich glaube, sie steht ein wenig auf mich, aber das ist in Ordnung, solange sie ihre Finger bei sich behält.«

Der letzte Teil war improvisiert. Ich will mir ja nicht nachsagen lassen, dass ich mir keine Mühe gebe. Wie immer ist die Reaktion dieselbe – nämlich keine –, sodass ich mich gerade umdrehen will, als ich sehe, wie sich jemand an meinem Bike zu schaffen macht. Soweit ich es erkennen kann, sind es ein Spitzohr und eine Hexe.

Sicher bin ich mir erst, als ich auf dem Vorplatz ankomme, wo ich gerade noch miterlebe, wie die Hexe das Benzin aus meinem Tank durch Hexerei in einer Phiole verschwinden lässt. Als die beiden Kreaturen mich entdecken, rast das Fläschchen auf mich zu und trifft mich schließlich am Arm, weil sich mein Körper ohne meine Vampirkräfte zu langsam bewegt und mich nicht rechtzeitig ausweichen lässt. Das Glas zerspringt und der Inhalt breitet sich stinkend über meine Jacke aus.

»Mörder!«, ruft die Hexe daraufhin. »Lydia war meine Freundin. Du verdienst Schlimmeres als das!«

Das Spitzohr hat auch etwas zu sagen: »Hast Glück, dass wir nicht so sind wie du, sonst würdest du nicht so leicht davonkommen. Viel Spaß beim Schieben.« Anschließend besitzt er die Frechheit, mir den Mittelfinger zu zeigen.

Ich mache mir gar nicht die Mühe, die beiden fassen zu wollen, aber ärgern tut es mich schon. Ihre Aktion hier ist nicht die erste und wird nicht die letzte sein. Mich wundert es ohnehin, dass ich an die Academy zurückkehren darf, wo mit Widerstand wie diesem zu rechnen ist. Es kümmert mich ehrlich gesagt nicht weiter, aber den Oberen wird es sicher nicht gefallen, dass sie ständig hinter mir aufräumen müssen.

Ich kehre wieder ins Sanatorium zurück und nachdem ich Aignéis in einer Partie Magischem Schach geschlagen habe, das ohne die Kräfte der Althexe ebenso wenig magisch war wie ihre Annäherungsversuche, laufe ich im Regen zur nächsten Tankstelle. Während der dicke Kerl hinter der Kasse das Wechselgeld raussucht, fällt mein Blick nach draußen und für einen Moment glaube ich hinter einem vorbeifahrenden Autofenster ein bekanntes Gesicht zu sehen. Doch sobald mein Gegenüber mir seine fleischige Pranke hinstreckt und »Dein Wechselgeld!« blafft, ist das Auto auch schon verschwunden und die hervorgeholte Erinnerung auch.

Mir recht.

Es reicht, wenn der Spießrutenlauf morgen beginnt. Dann nämlich startet offiziell das zweite Semester.

***

An der Academy gibt es zwei Fraktionen: eine, die mich hasst, und eine andere, die es anmacht, dass ich ein böser Junge bin. Nicht meine Aussage. Aber ich lasse es mir gefallen, solange ich in den Genuss von zarten Lippen komme, die äußerst geschickt meinen Mund erforschen, während ich den Körper der Besitzerin zwischen mir und einem Bibliotheksregal einpferche. Eigentlich habe ich nur ein Buch ausleihen wollen, das auf der Materialliste für das kommende Halbjahr steht. Aber dann hat sich der Rotschopf vor das Objekt der Begierde geschoben und ihm den Rang abgelaufen. Außerdem kann es nicht schaden, bei der mir positiv gesinnten Seite ein paar Pluspunkte zu sammeln. Noch dazu, wenn sie so leicht verdient sind.

Leider fängt die kleine Vampirin nach einer Weile an zu quatschen: »Ich hasse … die … anderen Rassen«, stöhnt sie atemlos in meinen Mund.

»Ist das so?«, will ich wissen, hoffe aber, sie antwortet nicht.

»Ja. Ich …«, sie unterbricht unser Geknutsche, um mir ihre Hände auf die Brust zu legen und mir tief in die Augen zu sehen, »hätte euch sogar geholfen, die Kreaturen zu fangen.«

Langsam nehme ich ihre Finger von mir und dränge mich noch näher an sie. »War nicht nötig«, flüstere ich in ihr Ohr und während sie kichert, fahre ich mit meinen Reißzähnen über ihren Hals und zurück zu ihrem Mund, in den sie meine Zunge bereitwillig einlässt.

Ich will nicht lügen, aber der spaßige Teil ist vorbei. Ihre Küsse haben einen bitteren Beigeschmack bekommen, der sich wie Rotwein auf einem weißen Teppich übelbringend in mir ausbreitet. Ihre Begeisterung für mich ist die eine Sache, die Verherrlichung dessen, was ich getan habe, etwas völlig anderes. Da ich allerdings mittendrin stecke, kann ich auch noch bis zum Schluss weitermachen. Dann hält sich vielleicht wenigstens das Gerücht, dass der Bad Guy in gewissen Dingen alles andere als unzulänglich ist.

Meine gute Tat für mich selbst wird jäh unterbrochen, als ich ein Ziehen hinter meiner Schläfe spüre, einen Gedanken, der aggressiv um Einlass bittet. Ich kann mir schon denken, wer sich auf telepathischer Ebene Zutritt verschaffen will, und lasse ihn widerwillig in meinen Kopf.

»Kaum zu fassen, dass du es gewagt hast zurückzukommen. Wenn die Vampirin nicht wäre, würde ich dich in Stücke reißen.«

Ich lache innerlich. »Das würde sicher Spaß machen, aber nichts für ungut, mit der Kleinen habe ich noch mehr. Du bist bestimmt ein ganz mieser Küsser. Und jetzt verzieh dich, Cailan!«

Als ich selbstgefällig von meinem Groupie aufsehe, sind es jedoch nicht die Augen meines Cousins, die ich finde.

Es sind ihre.

Fuck.

Kapitel2

Vanya

»Wo bin ich?«, ist die erste Frage, die sich über meine rissigen Lippen schleicht.

Das Wispern hallt von steinigen Wänden wider und vermischt sich mit dem Trommeln des Regens auf einem Dach, das ich nicht sehen kann.

Dazwischen bewegt sich eine gespenstische Stille.

Ein Aufstöhnen.

Doch es ist nicht meines.

»Wer ist da?«

Wieder nur Stille und dieses Trommeln.

Unter mir harter Stein, der seine Kälte in meine Knochen jagt.

Meine Hände legen sich auf die bleichen Unterarme, um sie zu wärmen, doch sie spüren etwas anderes: Schläuche haben sich unter meine Haut gegraben. In ihnen rauscht eine helle Flüssigkeit, die im matten Licht schimmert.

Was ist das nur?

»Du bist wach.«

Ich schrecke hoch zu der Stimme, die im Schatten hinter einer Gefängniszelle liegt.

Meiner Gefängniszelle.

Ich bin gefangen.

Shit. Wie bin ich hierhergekommen?

»Wer bist du? Zeig dich, Feigling!« Auch wenn meine Glieder sich schwach anfühlen, solange meine Zunge nicht lahm ist, werde ich sie nicht hüten.

»So viel Mut in solch einem kleinen Körper.« Die Umrisse des Schattens werden hart, als er einen Schritt nach vorn tritt und hinein in das wenige Licht, welches durch einen Spalt in der Wand fällt.

»Alick?«

Der hochgewachsene Vampir schaut auf mich herab und sein Haar wirkt durch die Dunkelheit beinahe schwarz, während seine grünen Augen leuchten.

Erst da flattert vor mir eine Erinnerung auf, wie diese Augen sich zu verführerischen Schlitzen verengt haben, während er sich durch die perfekt gestylte Frisur fuhr.

»Du erinnerst dich also wieder an heute Morgen.«

»Verfluchter Mistkerl«, herrsche ich ihn an. »Erst flirtest du mit mir und dann entführst du mich, weil du mit einer Abfuhr nicht klarkommst, oder wie?«

»An eine Abfuhr kann ich mich nicht erinnern.« Er hockt sich vor mich hin und flüstert nun: »Du bist unter meinen Worten doch geschmolzen wie Wachs.«

»Das hättest du wohl gern. Auf deiner kalten Haut kann niemand schmelzen, höchstens erstarren.«

»Harte Worte gegen die Hand, die dich am Leben hält.«

»Am Leben halten … Dass ich nicht lache.« Ich spucke ihm vor die Füße. »Was machst du mit mir? Was ist das hier in meinen Armen und warum kann ich meine Magie nicht mehr spüren? Warum fühle ich mich so schwach?« Nun bricht sie doch, meine Stärke, und ein Zittern legt sich in meine Stimme.

Ich sehe, wie das amüsierte Grinsen aus Alicks Gesicht verschwindet. Er richtet sich auf und geht. Ohne ein weiteres Wort, ohne eine Erklärung.

Er lässt mich auf dem Boden zurück.

Zitternd.

Bis mich die Schwäche wieder in eine Ohnmacht fallen lässt.

Nach jeder Nacht kommt ein neuer Tag. Und so wecken mich die ersten Sonnenstrahlen, die es an diesem Morgen durch die dichte Wolkendecke geschafft haben.

Der Morgen des Semesterbeginns. Kaum zu glauben, dass ich es bis hierhin geschafft habe.

Nicht wegen meiner Fähigkeiten oder meines Ehrgeizes. Daran hat es nie gefehlt. Sondern dass ich aus diesem furchtbaren Preston Tower lebend herausgekommen bin.

Auch wenn mich die Erinnerungen daran nachts immer noch wachhalten, will ich sie doch hinter mir lassen. Aber wie soll ich das nur hinbekommen?

Es klopft an meiner Tür und ich werde zum Frühstück hinuntergerufen.

»Reiß dich zusammen, Vanya«, flüstere ich mir selbst zu und schwinge mich aus dem Bett zu meinem Kleiderschrank, um das perfekte Outfit für den ersten Tag herauszusuchen und hineinzuschlüpfen, bevor ich es mir anders überlegen kann.

Dann setze ich ein Lächeln auf, schnappe mir meine Tasche und gleite die Treppe hinunter.

Doch das Lächeln vergeht mir, sobald ich die letzte Stufe erreicht habe.

»Ich finde es unmöglich, dass sie ihn wieder an die Academy lassen nach allem, was er getan hat.«

»Das hat dieser Bastard doch nur seinem Familiennamen und dem hohen Stand zu verdanken.«

»Von wem redet ihr?«, will ich von meinen Eltern wissen, während ich in die Küche komme und mich am Tisch niederlasse. Ich frage jedoch nicht, weil ich die Antwort wissen will. Ich kenne sie bereits. Es ist das Thema, welches seit Wochen meine Familie beherrscht, und ich kann es einfach nicht mehr hören. Immer dieses Flüstern und Munkeln hinter meinem Rücken. Und kaum, dass ich einen Raum betrete, verstummen sie und machen eine gute Miene. Manchmal, wenn die Diskussion nur hitzig genug ist, sprechen sie weiter und wiegen jedes einzelne Wort genau ab oder lassen es ganz aus. Als wäre ich ein Kind, vor dem man keine Schimpfwörter benutzen darf. Also stelle ich diese Frage nicht, weil ich die Wahrheit im Keim ersticken und wenigstens einen Tag Ruhe vor ihr haben will.

Vor diesem Namen.

Vor ihm.

Und all den Erinnerungen, die damit verbunden sind.

»Von niemandem, mein Schatz. Setz dich und iss dein Porridge.«

Für eine Sekunde denke ich, es ist mir gelungen, das Thema zu beenden, aber dann dreht sich mein Vater um und verkündet mit einem schwingenden Kochlöffel in der Hand: »Wir sprechen von diesem Alick MacRae. Er hat wohl eine milde Sozialstrafe bekommen und darf unter Auflagen weiter an der Turadh Academy studieren.«

»Oh.« Mehr bringe ich nicht über die Lippen und schlucke den schweren Kloß in meinem Hals hinunter.

»Ich werde Beschwerde bei der neuen Rektorin einlegen«, beschließt mein Vater und lässt den Holzstab in den Kochtopf fallen, wobei ein bisschen Porridge hinausspritzt.

»Aber nicht, dass deine Beschwerde auf Vanya zurückfällt«, überlegt meine Mutter, schnappt sich ein Küchentuch und tupft die Tropfen weg, bevor sie anbrennen können.

»Das wird es nicht«, beschwichtigt mein Vater und nimmt ihr das Tuch aus der Hand, um die Herdplatte selbst zu reinigen.

»Und was ist mit uns anderen?« Meine zwei jüngeren Schwestern kommen in die Küche und greifen sich eine leere Schüssel, um sich etwas Frühstücksbrei auftun zu lassen.

Sie werden erst im nächsten Jahr ihr Studium beginnen, könnten jedoch vermutlich schon mit den Hexen und Hexern meines Jahrgangs mithalten. Um die Zwillinge mache ich mir also keine Sorgen.

Meine zwei älteren Brüder und meine ältere Schwester haben die Academy längst verlassen und bekleiden hohe Positionen.

Das will ich auch irgendwann schaffen, und zwar allein. Ohne ständig den Spiegel der Vergangenheit vorgehalten zu bekommen.

»Bitte lass es sein, Dad. Ich krieg das schon hin.« Außerdem sehe ich Alick selbst nicht als Bedrohung. Er ist es nicht, der mir Angst macht. Eigentlich hat er das nie.

Mein Vater holt Luft und will insistieren, doch dann kommt er zu mir herüber und legt seine große, warme Hand auf meine Schulter.

»Da bin ich sicher, mein Schatz. Niemand ist so stark wie die Familie O’Brien.«

Er weiß gar nicht, wie viel Kraft mir diese unscheinbare Berührung und seine Worte geben. Ich lächle ihm zu und schaffe es, das meiste von meinem Frühstück runterzubekommen.

Dann mache ich mich auf den Weg zur Academy.

Dieses Jahr auf meinem eigenen Motorrad. Denn mit jedem Semester kommen neue Privilegien für die Studenten hinzu und ab sofort haben wir Zugang zum Privatparkplatz der Turadh Academy. So muss ich nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und genieße die Freiheit, welche die Maschine mir schenkt.

Wenn der Wind an meinen Haarspitzen nestelt und ich die Stärke des aufheulenden Motors spüre, wallt mein altes Selbstbewusstsein in mir auf, welches sich nach den Ereignissen vor wenigen Wochen verkrochen hatte.

***

Nachdem ich meine kleine Yamaha auf einem der schmaleren Parkplätze am Rand abgestellt habe, nehme ich den Helm ab und schüttle meine blonden Locken aus. Die Knoten lösen sich nur schwer und ich frage mich, ob ich mir meine Mähne nächstes Mal besser zu einem langen Zopf flechten sollte.

Dann schnalle ich meinen Koffer von der Maschine ab und mache mich auf den Weg. Dabei fällt mir die Ducati neben mir auf, bei welcher die Kette etwas locker hängt. Die sollte dringend nachgezogen werden.

Noch bevor ich das Gebäude betreten kann, um in Ruhe anzukommen und mich nach meinem Zimmer umzusehen, werde ich von hinten überrascht.

»Vanya!«

Jemand stürzt sich auf mich und hält mir mit den Händen die Augen zu. Mein Herz rast los und ich taumle ein Stück zur Seite.

»Oh, entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.« Luce zieht ihre Hände schlagartig zurück und ich lasse erleichtert die Luft aus meiner Lunge.

Mein erstarrter Körper entspannt sich wieder und ich drehe mich zu ihr um. Luce’ Wangen leuchten burgunderfarben.

»Alles gut, es ist schön, dich zu sehen.«

Das ist es wirklich. Und doch löst der Blick in ihr Gesicht eine unangenehme Erinnerung bei mir aus. Die zusammengezogenen Augenbrauen, die Falte, welche sich dazwischen bildet, und ihre aufeinandergepressten Lippen, die sich nach unten biegen.

Als meine Freundin mich im Krankenhaus besucht hat, lag der gleiche Ausdruck auf ihrer Miene und ich bin es leid, ihm ständig bei den Menschen in meiner Umgebung gegenüberzutreten. Immer und immer wieder den eigenen Schmerz zu sehen, dem man einfach nicht entkommen kann.

»Na los, ich zeig dir unseren Schlafsaal. Er ist viel schöner als der aus dem letzten Jahr. Wenn sich das weiter so steigert, bin ich gespannt auf das Zimmer im Abschlussjahrgang.«

Luce schafft es, den unangenehmen Moment mit ihren Worten zu überwinden, und führt mich mit der aufkeimenden Vorfreude in die magischen Gemäuer der Turadh Academy.

Ich habe es vermisst, hier zu sein. Auch wenn ich die Rückkehr gefürchtet habe, so schafft es die Energie, mich doch wieder aufzufangen. Vor allem die Gerüche, welche hier ganz anders sind als vor dem Schutzwall.

Draußen ist der geschmolzene Rest des Winters zu riechen. Feuchte Erde und Nässe liegen in der Luft und wecken meine Sehnsucht nach dem Frühling. Hier drin begrüßt mich der Duft des flüssigen Kerzenwachses, des herunterbrennenden Holzes im Kamin und der frisch lackierten Wandvertäfelung.

Während sich die Erstsemester unten in der Marmorhalle sammeln, um hinaufgeleitet zu werden, gehen wir einfach an ihnen vorbei und betreten im oberen Stock sogleich den Schlafsaal für die verbliebenen Hexen. Die richtige Tür ist kaum zu übersehen, da auf ihr eine Zwei hervortritt.

Der Raum, welcher dahinterliegt, ist zwar genauso groß wie jener im letzten Jahr, doch aus den Doppelstockbetten sind Einzelbetten geworden. Genau wie die Bettenanzahl hat sich auch die Zahl der Studenten halbiert. Nur wer das erste Semester bestanden hat, durfte an die Academy zurückkehren. Alle anderen haben ihre Kräfte bereits verloren und sind zu Menschen geworden.

Zu den größeren Betten für die Zweitsemester kommen schwere dunkelblaue Stoffvorhänge, die darübergespannt sind, sodass man zumindest etwas Privatsphäre genießen kann. Neben dem großen Gemeinschaftsschrank hat jeder einen eigenen Bettkasten für die wenige private Kleidung, die wir brauchen. Unsere Uniformen liegen schon bereit, aber erst ab morgen sind wir wieder gezwungen, sie zu tragen. Eine Sache, auf die ich wirklich verzichten könnte.

Mich selbst mit meiner Kleidung auszudrücken, wird mir damit einfach genommen. Und dabei liebe ich es so sehr, an verregneten Tagen ein gelbes Kleid voll mit Sonnenblumen zu tragen, die den Frust verblassen lassen, oder mich in Momenten der Traurigkeit unter einem hochgeschlossenen Oberteil aus Spitze zu verstecken.

»Hey, ich muss noch ein Buch zurückbringen, das ich über die Semesterferien mit nach Hause genommen habe. Kommst du mit?«, fragt Luce, als wir alles ausgepackt haben.

Da Orna noch nicht da ist, um mich in der Zwischenzeit abzulenken, stimme ich zu und folge ihr zurück zu Kerzenwachs, Kaminfeuer und Holz.

In der Bibliothek kommt noch eine weitere Note hinzu. Ich bemerke, wie Luce den Duft des Pergaments in sich aufnimmt, aber ich muss zugeben, dass ich mich nie sonderlich dafür begeistern konnte.

Für mich riecht es nach dem Dachboden meiner Gran und dort gab es vor allem eines: Staub.

Trotzdem lasse ich mich von den farbigen Lederbuchrücken und den Gold- und Silberlettern darauf mitreißen. Während Luce nach einer Bibliothekarin sucht, schlendere ich durch die Bücherregale und fahre mit meinen Fingern die Maserung des Holzes nach.

Dabei gräbt sich ein Splitter in meine Haut und ich ziehe die Luft scharf ein.

»Alles okay?«

Ich drehe mich um und treffe auf Alick.

Zumindest fast.

Sein Cousin, der etwas größer ist und dessen Haare goldener leuchten, bietet mir zur Begrüßung eine Umarmung an. In den Semesterferien habe ich mich oft mit ihm und Luce getroffen und so ist er zu einem guten Freund geworden.

»Cailan, schön dich zu sehen. Mir geht’s gut. Ich schätze nur, die Bibliothek nimmt es mir übel, dass ich sie mit dem Dachboden meiner Großmutter verglichen habe.«

»Oje. Lass das bloß nicht Luce hören.«

»Das wäre vermutlich besser. Sonst kündigt sie mir die Freundschaft. Wollen wir sie suchen? Bestimmt hat sie ihren letzten dicken Schinken längst abgegeben.«

Der Vampir nickt und ich gehe voraus, schlängle mich durch die Regale wie durch ein Labyrinth. Dabei pocht mein Finger mit jedem Schritt etwas mehr, als hätte er eine Vorahnung, was mich um die nächste Ecke erwarten würde.

Erst nehme ich die zwei Studenten gar nicht für voll, die sich da genüsslich in einer dunklen Ecke aneinanderschmiegen, küssen und über die Körper fahren. Doch dann rauscht Cailan an mir vorbei und ballt die Hände zu Fäusten.

Nein. Das darf nicht sein. Warum ausgerechnet hier? Nirgendwo in der Academy hätte ich weniger damit gerechnet, auf ihn zu treffen.

Der männliche Student hat mir den Rücken zugekehrt, doch noch bevor ich fliehen kann, dreht er sich um.

In der ersten Sekunde liegt noch ein verspieltes Lächeln auf seinem Gesicht. Der Lippenstift der Vampirin vor ihm bedeckt seinen Hals und sein Haar ist zerzaust. Auch sie sieht sichtlich erregt aus und ihr Schild hängt schief an der leicht aufgeknöpften Bluse: Bibliothekarin.

Aha.

Kein Wunder, dass es so schwer war, jemanden zu finden. Scheinbar sind die Mitarbeiter hier schwer beschäftigt.

Ich presse meine Lippen entnervt aufeinander und da erkennt der Vampir mich endlich. Noch bevor er sich ganz zu seinem Cousin umgewandt hat, bleibt er an meinem Gesicht hängen und sofort erschlaffen seine Mundwinkel und seine Augenbrauen ziehen sich zusammen.

Es war der Tag nach meiner Entführung, als ich diesen Ausdruck das erste Mal in Alicks Blick sah. Bedauern. Vielleicht auch Reue.

An diesem Tag erschien er mit einer Thermoskanne. Ich dachte erst, mein Entführer wollte es sich tatsächlich mit einem Kaffee neben meiner Zelle gemütlich machen und mir bei meinem Leid zusehen.

Doch dann schraubte er sie auf und ein herzhafter Geruch nach Suppe drang aus dem dampfenden Gefäß.

»Hast du keinen fröhlicheren Ort für dein Mittagessen gefunden, Spitzzahn?«, zischte ich ihn kraftlos, aber mit genügend Bitterkeit in der Stimme an.

»Das ist für dich, dumme Hexe«, entgegnete er und goss etwas davon in den Deckel. Dann schob er die Suppe zwischen den Gitterstäben hindurch. »Trink, es wird dir guttun. Ich habe noch Sauerampfer hineingegeben. Zur Stärkung.«

»Damit ich dick und fett werde und du mich schlachten kannst wie die Hexe in Hänsel und Gretel?«

»Ich mag meine Frauen kurvig. Außerdem bin ich ein Vampir und keine kinderfressende Hexe.«

Fast rang mir Alick ein Schmunzeln ab, wäre mir meine wenige Muskelkraft nicht viel zu schade dafür gewesen.

Und weil ich genauso wenig Energie hatte, stur gegen sein Angebot anzudiskutieren, griff ich nach dem heißen Mahl und trank es in einem Zug aus.

So schnell, dass es mir die Zunge verbrannte und ich aufstöhnte.

»Was hast du?«, fragte er. »Normalerweise bekomme ich Lob für meine Kochkünste.«

Das glaubte ich nur zu gern. Es mochte daran liegen, dass meine letzte richtige Mahlzeit eine Weile zurückgelegen hatte, aber es schmeckte tatsächlich himmlisch. Ich schob wortlos die leere, kleine Schale zurück.

Alick schmunzelte und schenkte mir mehr ein.

Und jedes Mal, wenn ich ausgetrunken hatte, füllte er den Deckel wieder auf. Bis nichts mehr übrig war.

»Warum hast du das getan?«

»Nun ja, die Suppe enthält viel Flüssigkeit und wärmt den Körper von innen.«

»Nein, ich meine, warum du mir überhaupt etwas zu essen gegeben hast. Ich bin mir sicher, dass alles, was ich zum Überleben brauche, auch durch diese Schläuche fließt.« Ich reichte den Deckel zu den Gitterstäben und er fasste hindurch, um ihn entgegenzunehmen.

Unsere Hände berührten sich und ich bildete ich mir ein, Wärme darin zu spüren.

Und dann konnte ich es sehen. Dieses Bedauern in seinen Augen. Oder war es Reue?

Nur für eine Sekunde erkannte ich es in seinem Blick. Sein Mund öffnete sich leicht.

Aber dann nahm er die Thermoskanne, schraubte sie zu und stand wieder auf.

»Meine Aufgabe ist es, dich und die anderen am Leben zu halten. Mehr nicht.«

»Wozu?«, fragte ich und lag in seinem Schatten, mein Überleben war seiner Gnade ausgeliefert. Ich war das Tier im Käfig und er der Zirkusdompteur.

Genau das hatte ich nie sein wollen.

Wehrlos. Ausgeliefert.

Und jetzt fühlt es sich fast wieder genauso an.

Während er am Regal lehnt und seine Hand noch halb auf der Brust eines anderen Zirkustiers hängt.

Doch dieses Mal werde ich mich nicht von ihm einfangen lassen und sei es nur von seinem Blick.

Also löse ich mich und verschwinde so schnell wie möglich hinter dem nächsten Bücherstapel.

Kapitel3

Alick

»War das etwa …?«, überlegt die Kleine vor mir laut, doch ich bin zu perplex, um etwas zu erwidern.

Scheiße, ja.

Das war sie.

Nummer vier. Die Hexe. Vanya …

»Dachte nicht, dass sie so gewöhnlich wäre.«

Was redet das Vampirweib da?

Die Schöne entführt vom Biest – so hatte der Magische Telegraf getitelt, nachdem sich ein Paparazzo-Elf ins Krankenhaus geschmuggelt und ein Foto während meiner Verhaftung geschossen hatte. Durch meine über den Kopf erhobenen Arme hatte er die Hexe in den Fokus gesetzt, ihre Augen weit aufgerissen im Gegenlicht des Gitterfensters, vor dem ihr Bett stand, während sie in dem übergroßen Einheitsnachthemd beinahe verschwand.

So gewöhnlich die Schlagzeile auch war, so sehr trifft sie zu. Klar wird mir das aber erst, als meine Fangzähne bei den Worten der Vampirin hervorschießen und ich sie von oben herab anherrsche: »Schnauze!« Meine Stimme ist ein Grollen, das direkt aus meiner Kehle kommt.

Sie fährt zusammen. »Woah, komm mal wieder runter. Ich wollte nicht …«

»Hast du aber«, unterbreche ich sie und bin nun endgültig fertig mit ihr. Ich drücke mich vom Regal ab und will mich an ihr vorbeidrängen, aber Cailan versperrt mir am Ende der Regale den Weg.

Auch seine Zähne sind ausgefahren. »Wage es, dich Vanya zu nähern, und ich mache meine Drohung wahr. Ich nehme dich auseinander, bis du die Academy nicht mehr betreten kannst.«

Irgendetwas in mir blockiert meine Zunge. Meine Worte bleiben mir im Hals stecken, sind nicht bereit für ein Gefecht. Stattdessen sage ich im Gehen nur: »Habe ich nicht vor«, und schiebe mich an ihm vorbei. Natürlich rempelt mich mein Cousin dabei an der Schulter an, aber auch das kann mich diesmal nicht provozieren. Ich will einfach nur hier raus.

Die Hexe so schnell wiederzusehen hat etwas mit mir gemacht und ich kann mir nicht eingestehen, was es ist. Bedauerlicherweise komme ich auf meinem Weg bei ihr entlang, denn sie hat die Bibliothek noch nicht verlassen. Als unsere Blicke sich begegnen, ist das ungute Gefühl in meinem Magen wieder da, das ich wahrnahm, als ich mir unser Wiedersehen vorgestellt habe. Vor mir selbst habe ich cool getan, aber mein Körper hat von Anfang an verräterische Signale gesendet, die … Ich weiß nicht, was sie sind. Schuld, Scham, Reue? Ein Cocktail aus allem, der durch meine Adern rauscht und mich langsam vergiftet. Wenn ich sie ansehe, sehe ich jeden Einzelnen von ihnen: jedes magische Wesen, das in meine Falle gegangen ist und für die dunklen Zwecke meines Onkels herhalten musste. Ich war zu feige, sein Tun zu hinterfragen, weil dann aufgeflogen wäre, dass ich nicht mehr als sein Werkzeug war. Etwas in mir gab sich zufrieden damit, sog die Aufmerksamkeit auf, die Gregor mir schenkte, und verwechselte sie mit väterlicher Liebe.

Wenn ich Vanya betrachte, sehe ich aber auch das: die Angst der Hexe und ihre Abscheu, als sie mich in ihrem Gefängnis zum ersten Mal wahrnahm und erkannte, dass ich es war, der sie verschleppt hatte. Der Typ mit der großen Klappe, der keine Gelegenheit verpasst hatte, ihrer besten Freundin Luce etwas vorzusäuseln, damit er sie seinem Cousin wegnehmen konnte. Sie zu besitzen wäre mein größter Triumph gewesen. Etwas, das er wollte und nicht haben konnte, weil die Hexe mich ihm vorzog. Hat nicht funktioniert. War wahrscheinlich besser so. Denn es war nie um das Mädchen gegangen.

Vanyas Anblick, als sie ausgerechnet mich erkannte, werde ich nie vergessen. Zuvor hatte ich meine Taktik gewechselt, damit ich sie um den Finger wickeln konnte, sie mir vertraute und es mir gelang, sie zu überwältigen. Ein zwangloser Flirt, nicht mehr, aber auch nicht weniger, Wochen im Voraus geplant. Sie hatte nicht vorgehabt, sich auf mich einzulassen, das hat sie sehr deutlich gemacht. Weil sie jedoch ihre Gegenwehr hatte fallen lassen, war sie empfänglich geworden für meinen perfiden Plan, der sie am Ende unseres Geplänkels ins Verderben gerissen hat.

Wir sind uns an dem Abend damals nicht zufällig begegnet, obwohl es für sie so ausgesehen haben musste.

Es war Mitte November, die letzte Chance, vor den Abschlussprüfungen noch einmal nach Edinburgh zu fahren und Einkäufe für Weihnachten zu erledigen. Ich hatte ein wenig recherchiert und herausgefunden, dass die Hexe eine große Familie hat. Ich war mir also ziemlich sicher, dass sie noch einmal in die Innenstadt fahren würde – und das war genau das, was ich brauchte. Ich musste sie allein antreffen, um Zeit mit ihr verbringen und sie für mich einnehmen zu können. Mit ihren Freundinnen im Schlepptau war der erste Versuch, sie zu fangen, schließlich gescheitert. Das durfte sich nicht wiederholen. Weil Gregors Forschungen an den anderen Kreaturen bereits weit vorangeschritten waren, drängte die Zeit – sein Vorhaben stand auf dem Spiel. Wir brauchten die Hexe. Also setzte ich darauf, dass sie die Geschenke allein einkaufen und ohne Begleitung unterwegs sein würde.

Ich sollte recht behalten.

So folgte ich ihr zum Bahnhof von Newcraighall, stieg an der Nebentür ein und beobachtete sie vom Nachbarabteil aus, bis wir gemeinsam in Edinburgh den Zug verließen. Ihr erster Weg führte sie in den »Nutcracker Christmas Shop«, vor dessen Eingang sie ein Selfie mit dem lebensgroßen Nussknacker machte, bevor sie das gemachte Bild noch einmal überprüfte und schließlich eintrat. Durch das Schaufenster sah ich, wie sie sich in dem überfüllten Laden an den Menschen vorbeischob, um einen Blick auf den Kitsch zu werfen, der glitzernd und schleifenverziert an den Wänden hing oder sich den Besuchern in zuckersüß dekorierten Auslagen anbiederte. Als sie auf eine Mitarbeiterin traf, bot diese ihr einen Keks an, den die Hexe lächelnd entgegennahm. Kurz danach verließ sie den Laden mit einer vollen Einkaufstüte.