11,99 €
Zwei Hexen und zwei Vampire. Ein Kräftetausch und ein mysteriöser Magieverlust. Der Kampf um die Elite der magischen Welt. Bonds of Blood and Magic Den Semesterbeginn an der Turadh Academy hat sich die 18-jährige Hexe Luce ganz anders vorgestellt. Bereits beim Einstandsfest geraten die vier verfeindeten Arten der Academy heftig aneinander. Um die Wogen zu glätten, verfügt die Universitätsleitung einen Kräftetausch unter den Studierenden, welcher Luce zum Verhängnis werden könnte. Denn mit ihrem Partner, dem gut aussehenden Vampir Cailan, teilt sie nicht nur die Gegenwart, sondern auch einen Kuss in der Vergangenheit, der niemals hätte passieren dürfen ... Spells of Villains and Witches Die Hexe Vanya kehrt für ihr zweites Semester an die Turadh Academy zurück. Sie kämpft weiter um die Chance, Teil der magischen Elite zu werden. Doch auch Alick, ihr Entführer und Lebensretter in einem, darf sein Studium unter strengen Auflagen fortsetzen. Sie sollte sich definitiv von ihm fernhalten. Seine abweisende Haltung sollte jeden von ihm fernhalten. Trotzdem ist Vanya überzeugt, dass sie ihren gemeinsamen dunkelsten Moment nur zusammen verarbeiten können ... Willkommen an der Turadh Academy. Werde Teil der magischen Elite. //Diese E-Box enthält beide Romane der romantischen Urban Fantasy-Dilogie um die Elite der Turadh Academy. -- Band 1: Bonds of Blood and Magic -- Band 2: Spells of Villains and Witches Diese Reihe ist abgeschlossen.//
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
www.impressbooks.de Die Macht der Gefühle
Alle Rechte vorbehalten.
Dieses E-Book ist ausschließlich für den persönlichen Gebrauch lizensiert und wurde zum Schutz der Urheberrechte mit einem digitalen Wasserzeichen versehen. Das Wasserzeichen beinhaltet die verschlüsselte und nicht direkt sichtbare Angabe Ihrer Bestellnummer, welche im Falle einer illegalen Weitergabe und Vervielfältigung zurückverfolgt werden kann. Urheberrechtsverstöße schaden den Autor*innen und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.
Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.
Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH, Völckersstraße 14-20, 22765 Hamburg © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2024 Text © Gina Mecke & June Winter, 2023, 2024 Coverbild: Shutterstock / © Ozz Design / © marinastash / © Gun2becontinued / © LUMIKK555 / © Tanya Antusenok / © Max Grig / © LadadikArt / © Arina Gladyisheva Covergestaltung der Einzelbände: Giessel Design ISBN 978-3-646-61145-8www.impressbooks.de
© privat
Gina Mecke wurde 1995 geboren und wuchs in einer kleinen Stadt auf dem Land auf. Nach dem Abitur studierte sie Lehramt an der Universität Potsdam. In dieser Zeit entstand ihr erster Roman Federkleid, den sie mit 23 Jahren veröffentlichte. Der zweite Band Fuchsfell folgte 2022. Mittlerweile ist sie Lehrerin an einer Grundschule und schreibt nebenher an neuen, fantastischen Geschichten.
June Winter wurde 1986 in Berlin geboren. Bereits in jungen Jahren brachte sie das Lesen fantastischer Literatur zum Schreiben, das sie seither nicht mehr losließ. 2021 beendete sie ihren ersten Roman. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt und versucht sich täglich am Spagat zwischen Mama-Sein, beruflichem Alltag und der Leidenschaft, spannende Geschichten zu erzählen.
Vita
Band 1: Bonds of Blood and Magic
Band 2: Spells of Villains and Witches
Buch lesen
Playlist
Danksagung
Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.
Jetzt anmelden!
Jetzt Fan werden!
Gina Mecke & June Winter
Bonds of Blood and Magic (Turadhs Elite 1)
Eine Hexe, die zur Elite gehören will.
Ein Vampir, der sich nach Freiheit sehnt.
Ein Kräftetausch, der das Vorhaben des anderen unmöglich macht.
Den Semesterbeginn an der Turadh Academy hat sich die 18-jährige Hexe Luce ganz anders vorgestellt. Bereits beim Einstandsfest geraten die vier verfeindeten Arten der Academy heftig aneinander. Um die Wogen zu glätten, verfügt die Universitätsleitung einen Kräftetausch unter den Studierenden, welcher Luce zum Verhängnis werden könnte. Denn mit ihrem Partner, dem gut aussehenden Vampir Cailan, teilt sie nicht nur die Gegenwart, sondern auch einen Kuss in der Vergangenheit, der niemals hätte passieren dürfen. Cailan hat nicht vor, seine Prüfungen zu bestehen, und setzt damit Luce’ Zukunft in der magischen Welt aufs Spiel, denn wenn einer von ihnen versagt, verlieren beide ihre Magie. Doch gerade als sie sich trotz ihrer unterschiedlichen Ansichten näherkommen, erschüttert eine Welle von Vermisstenfällen die Academy – und jedes Mal führt die Spur zu Cailan …
Für dich, für dich und dich: Für euch alle, deren Einstiegszauber Harry Potter und Twilight gewesen sind. Gebt es zu, sie waren grandios!Und auch für dich, für mich und für uns: Für eine gewachsene Freundschaft, die so viel Gutes hervorgebracht hat und regelrecht magisch geworden ist!
Nadiiife – New Season
XOV – Lucifer
Klergy, BEGINNERS – Dangerous Game
Karliene – Become the Beast
AURORA – Blood In The Wine
Bastille – These Streets
Rise Against – Satellite
Boy Epic – Scars
Bishop Briggs – Dark Side
Art Of Dying – Torn Down
AURORA – Under The Water
XOV – Blood Honey
Night Argent – Kamikaze
Cellar Kid – On My Own
Nathan Wagner – I Miss You
MaMan, Mitchel Dae – Wherever You’re Going - Acoustic
Rob Vischer – Kiss Me
Zella Day – Shadow Preachers
LAUREL – Fire Breather
The Souls – Close My Eyes
Dotan – Home
Die Bonds of Blood & Magic Playlist ist auf Spotify zu finden.
»Walle! Walle manche Strecke. Dass, zum Zwecke, Wasser fließe. Und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße.«
Ich spreize meine Finger und lasse sie über das Metall gleiten. Dieses Mal muss es einfach funktionieren. Erneut spreche ich die Worte des Zauberspruches, der einst durch Johann Wolfgang von Goethe zu einer albernen Ballade wurde.
»Walle! Walle manche Strecke. Dass, zum Zwecke, Wasser fließe. Und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße.«
Die alten Rohre des Mietshauses knattern, während sie das aufgeheizte Nass nach oben befördern. In einem plötzlichen Schwall ergießt es sich über das Porzellan, wobei einige Spritzer danebengehen und meine Arme und mein Gesicht besprenkeln. Es dauert nicht lange, bis die Wanne gefüllt ist und ich meine Hände zurückziehen kann, um den Strom des Wassers zu unterbrechen.
»Es ist einfacher, den Hahn aufzudrehen.« Mein kleiner Bruder steht mit verschränkten Armen im Türrahmen des Badezimmers und mustert mich mit hochgezogener Augenbraue. Darunter leuchtet mich ein unschuldiges Blau an, welches so gar nicht zu ihm passt. Ich kenne niemanden, der streitlustiger ist als er. Und doch bin ich es, die das düstere Rehbraun meines Vaters geerbt hat. Unsere Verwandtschaft kann man nur an dem Haselnusshaar erkennen, welches Mutter ihm bis über die Ohren kurz geschnitten hat.
»Ich würde den Hahn benutzen, wenn nicht ein gewisser Jemand das ganze warme Wasser aufgebraucht hätte. Also musste ich etwas vom Boiler der Nachbarn klauen. Und jetzt verschwinde, bevor das auch noch kalt wird.« Ich werfe ihm ein Handtuch ins Gesicht und als er schmunzelnd zurückstrauchelt, schlage ich ihm die Tür vor der Nase zu.
Endlich. Darauf habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut. Ein Moment nur für mich. Ein Moment, in dem ich abschalten kann, bevor morgen der große Tag beginnt.
Ich greife in eine Holzkiste neben der Wanne und nehme eine Handvoll Kräuter heraus. Gleichmäßig streue ich sie über das dampfende Wasser und murmle dabei die Worte: »Auf dass ihr es schafft, mir Ruhe und Kraft im neuen Leben und in Zeiten des Aufbruchs zu geben.«
Auf dem Boden stehen drei Kerzenständer, die ich mit einem Streichholz entzünde. Um Magie dafür zu nutzen, reicht mein Können bisher nicht aus. Die Sprüche des Feuers sind zu unberechenbar.
Aber bald werde ich auch dafür mächtig genug sein. Denn schon morgen geht es auf die beste Academy für junge Hexen, Hexer und andere magische Wesen: die Turadh Academy in Edinburgh.
Die ganze Woche konnte ich an nichts anderes denken, was zu einigen Missgeschicken führte. Und auch heute wurde ich davon nicht verschont. Während ich die Kürbisgewächse im Garten goss, wässerte ich bestimmt fünf Minuten lang die Hauswand, weil ich so tief in Gedanken versunken war. Und beim Vorbereiten des Abendessens schnitt ich mich während des Kräuterhackens so stark, dass die Wunde jetzt immer noch pocht.
Vielleicht schenkt mir das Bad für einen Moment etwas Ruhe vor den Ängsten, die sich in Dauerschleife in meinem Kopf abspielen: Werde ich gut genug sein oder fliege ich schon im ersten Semester von der Academy? Was wird passieren, wenn ich keinen der Abschlussplätze bekomme? Von allen Studenten werden am Ende nur die besten jeder Spezies einen Abschluss machen und ihre Magie behalten dürfen. Denn die Magie ist begrenzt und wird nur an die Elite vergeben.
Ich stelle es mir schrecklich vor, wenn einem jeder magische Tropfen Energie für immer genommen wird. Wie meiner Tante Terry. Sie wurde von der Familie zwar nicht ausgeschlossen, aber keiner möchte beim Essen neben ihr sitzen.
Das könnte jedoch auch an ihrem unangenehmen Geruch liegen. Als würde sie jede Nacht im Zwiebelbeet schlafen.
Ich schüttle beim Gedanken daran heftig den Kopf.
»Jetzt ist’s aber gut«, ermahne ich mich, weil ich schon wieder in Selbstzweifel versunken bin. Und damit ich morgen nicht auch nach Zwiebelbeet rieche, sollte ich jetzt endlich in die Wanne steigen.
Der Duft nach Thymian und Salbei schleicht sich verführerisch in meine Nase, während ich mir das langärmlige Herbstkleid vom Körper streife. Vorsichtig teste ich mit der Fußspitze die Wassertemperatur und gleite dann ganz in das Kräuterbad hinein.
***
Der Weg aus der Warriston Road im Stadtteil Bonnington bis nach Newhailes ist nicht lang. Da wir jedoch quer durch Edinburgh müssen, um an den Stadtrand zu gelangen, könnte es länger als die üblichen zwanzig Minuten dauern. Ich hoffe es, denn jeder Meter, der mich näher an die Academy bringt, lässt mein Herz noch schneller klopfen.
Ich kralle meine Hände in den Lederrucksack auf meinem Schoß und folge den ruhigen Straßen meines Viertels, bis wir in die Ferry Road abbiegen. Die kleinen Reihenhäuser setzen sich auch hier fort und schon bald passieren wir die Holy Cross Catholic Primary School, welche ich bis zur sechsten Klasse besucht habe. Das dunkle Grün der Uniformen ist mir jetzt noch ein Dorn im Auge. Wie gern hätte ich die Zeit in dieser engen wie engstirnigen Einrichtung übersprungen. Der streng gelebte Glaube der Kinder ließ sich nie mit mir als Hexe verbinden und so fiel es mir schwer, Freundschaften zu schließen sowie den Schulregeln zu folgen.
Mit zwölf Jahren wechselte ich endlich auf die Highschool und konnte es bis zu meinem Abschluss kaum erwarten, an der Turadh Academy aufgenommen zu werden. Wieso nur, frage ich mich heute, da mein Herz mir fast aus der Brust springt und das Klopfen nur von den besorgniserregenden Motorgeräuschen des alten Renault Scenics meiner Mutter übertönt wird.
Im Stadtteil Leight werden die Gebäude höher und imposanter. Das Hafenviertel ist durchzogen von hippen Restaurants und Cafés, welche den Charme der Hauptstadt Schottlands im Mantel des alten Gesteins erhalten.
Die Straße führt uns weiter am Nordufer entlang und erlaubt mir einen Blick auf den Ozean, welcher in unruhigen Wellen am Horizont wütet. Wie gern würde ich jetzt aussteigen und einen Spaziergang in den Böen machen. Meine braunen Strähnen würden verkrusten und auf meinen Lippen könnte ich das Salz des Meeres schmecken.
Vorbei am Portobello Beach verlassen wir die Stadt und ich weiß, dass mich nur noch wenige Minuten von meinem Ziel trennen. In Newcraighall fahren wir ab, die Wohnhäuser werden wieder kleiner und die Umgebung grüner. Am großen Kreisverkehr lichten sich die Baumreihen und geben den Blick frei auf das Tor zum Gelände der Turadh Academy.
Wir lassen uns von einem Parkwächter durch die imposante Einfahrt leiten und biegen kurz danach links auf den überfüllten Parkplatz.
In den Sommermonaten – den Semesterferien der Academy – findet man hier nur vereinzelte Besucher, die das alte Herrenhaus Newhailes aus dem 17. Jahrhundert besichtigen möchten. In den Augen der Menschenwelt gehört es einer privaten Stiftung, welche die Kultur und Denkmäler Schottlands schützt und regelmäßig Renovierungen an ebenjenen durchführt. Niemand ahnt, dass es während der offiziellen Schließzeiten zu einem Hort der Magie wird.
Um den Anschein zu wahren, ist bereits der Vorgarten erstaunlich unspektakulär gehalten. Zwischen unbeschnittenen Bäumen und Büschen läuft man einen Sandweg entlang, der meinen schweren Rollkoffer immer tiefere Kerben schlagen lässt.
Schließlich mündet der Weg in einen ebenso sandigen Vorplatz mit einem schlecht gepflegten Rasen. Kahle Stellen wechseln sich mit blütenlosen Gräsern ab.
Das Herrenhaus, welches am Ende des Pfades thront, hat seine besten Tage längst hinter sich. Die braune Fassade ist durch den Zahn der Zeit bereits angegriffen und die Treppe, welche zum Eingang hinaufführt, durch die Einflüsse der Natur vergilbt.
Aber mit jedem Schritt, den ich auf das Gebäude zumache, fühle ich den Wall an Energie, der nur wenige Meter vor mir beginnen muss. Und kaum, dass ich ihn durchschritten habe, werde ich daran erinnert, wie mächtig unsere Art werden kann.
Der Park verwandelt sich in eine grüne Oase aus perfekt gestutzten Hecken, welche den gepflasterten Vorplatz einrahmen, und Beeten aus herrlichen Blumenarrangements in allen Farben des Regenbogens. Das in die Jahre gekommene Herrenhaus wird zur reich besuchten Turadh Academy, der man ihr Alter nicht ansieht. Die Fassade trägt anstelle des bröckligen Putzes Klinker in edlen Grautönen. Sie rahmen auf Hochglanz polierte Fenster ein, hinter denen tanzende Lichter von antiken Kerzenständern leuchten. Über die Treppenstufen ist ein roter Samtteppich verlegt und das Geländer ist vom Rost befreit.
Die Schornsteine auf dem Dach zeigen, dass für unsere Ankunft die Kaminöfen bereits auf Hochtouren laufen, und die Eingangspforte ist weit geöffnet.
»Weiter kann ich dich nicht begleiten.« Meine Mutter zieht mich in eine feste Umarmung, die mir die Sicht versperrt.
»Mum«, beschwere ich mich, genieße jedoch die Wärme, die sie mir schenkt.
»Nur noch fünf Sekunden. Mir steht zudem die Zeit deines Dads zu, weil er heute nicht kommen konnte.« Nach einem weiteren tiefen Atemzug löst sie sich von mir. »Ich weiß, du hast Angst. Aber das wird eine unglaubliche Zeit. Genieße sie, egal was sie bringt. Denke immer daran, der Weg ist das eigentliche Ziel.«
Ich warte kurz ab, ob sie noch einen weiteren Spruch anhängt, und gebe ihr dann einen Abschiedskuss auf die Wange. »Ich werde das schaffen und euch stolz machen. Wir sehen uns in drei Monaten zur Weihnachtspause.«
»Die heiße Zimtschokolade wird für dich bereitstehen.«
»Das hoffe ich. Mit einem Extraklecks Sahne, bitte«, antworte ich lächelnd, hebe den Koffer hoch und trage ihn den Rest des Weges entlang, die Treppen hinauf und durch die schwere Doppeltür in mein neues Zuhause.
Im Inneren der Academy muss ich versuchen, mich nicht an der Architektur festzusehen und mitten im Durchgang stehen zu bleiben. Schwarzer Marmor, durchzogen von hellen Rissen, glänzt auf dem Boden und die Säulen hinauf bis zur Decke. Statuen der mächtigsten magischen Wesen der Zeitgeschichte thronen auf Podesten an den Wänden, welche so viel höher sind, als es der Blick von außen vermuten lässt. Die Glaskuppel über unseren Köpfen zeigt die vorbeiziehenden Wolken am Himmel, die das Licht des Tages beinahe verschlucken.
»Neuankömmlinge bitte hier rüber!«, ruft die krächzende Stimme eines Koboldes, der mit einem Flyer hinter einem Holzstand herumwedelt.
Ich stelle meinen Koffer wieder ab, um ihn auf Rollen hinter mir her zu ziehen. Irgendjemand wird mir bestimmt den Weg zum Zimmer zeigen können.
»Stellt euch bitte zum passenden Wappen und wartet ab, bis euch ein Artgenosse zu den Schlafräumen bringt.«
Erst jetzt bemerke ich die verschiedenen Embleme an dem Stand. Es gibt ein waldgrünes mit einem Ahornblatt für die Feenwesen, ein königsblaues mit einem Kessel für die Hexen und Hexer, ein goldenes mit einem Hammer für die Kobolde und natürlich ein blutrotes mit einer Fledermaus für die Vampire.
Obwohl die Symbole veraltet erscheinen, so stehen sie doch für unsere einzigartigen Stärken. Während die Feenwesen die Sprache der Natur sprechen, erschaffen die Kobolde besondere Feuer, welche die mächtigsten Waffen schmieden. Die Vampire sind die Einzigen mit der Gabe, andere zu manipulieren, und die Hexen und Hexer können ihre Magie verflüssigen und in Phiolen verkorken.
»Weißt du etwa nicht, wo du hingehörst?« Ein anderer Erstsemester reißt mich aus meinen Gedanken. Er grinst überheblich und ich erkenne zwei spitze Zähne in seinem Zahnpastalächeln. Natürlich … ein Vampir. Diese Fledermäuse mit ihrer arroganten Art konnte ich noch nie leiden. Außerdem gibt es seit jeher eine anhaltende Feindschaft zwischen unseren Völkern. Daher sehe ich den Spitzzahn erst gar nicht genauer an und nehme mir vom königsblauen Schild einen Flyer.
»Eine Hexe also.«
Ich höre geradezu das Naserümpfen in seiner Stimme, doch ich versuche keine Regung zu zeigen und halte nach meiner Academy-Führung Ausschau.
Nachdem sich hinter mir noch etwa vier weitere Hexen eingereiht haben, kommt endlich ein Hexer um die Ecke, welcher uns den Weg zu unseren Zimmern zeigt. Man sieht ihm an, dass er mindestens ein Semester erfolgreich abgeschlossen hat. Die schmale Brust hat er stolz nach außen gewölbt und das Kinn trägt er so hoch, dass er uns kaum in die Augen sehen kann. Er geht voran die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Auch dort ist der schwarze Marmor auf dem Boden vorherrschend. Die Wände sind nicht ganz so hoch wie in der Eingangshalle, aber genauso reich verziert. Kunstvolle Schnitzereien zeigen auch hier Höhepunkte der Geschichte der Magie. Momente, in denen Vampire, Kobolde, Feen und Hexen gemeinsam über ihre Widersacher triumphierten. Aufgespießte Orks und Drachen jammern gegenüber den jubelnden Soldaten in einem Inferno aus Feuer, Sturm und Flut. Im Vorbeigehen erkenne ich auch einen Teil der Geschichte, in denen Kriege mit den Menschen um die verschiedenen Territorien geführt worden waren, bis die Machthaber schließlich entschieden, dass wir trotz all unserer Magie zahlenmäßig unterlegen waren und im Verborgenen weiterexistieren sollten.
Der Hexer leitet uns zum Ende des Ostflügels und macht vor einer Tür halt, die unmissverständlich unser Wappen trägt.
»Gegenüber findet ihr die Jungenschlafsäle aufgeteilt in die Jahrgangsstufen. Hinter eurer Tür sollten zwanzig Betten zu finden sein. Sucht euch selbst eines aus. Noch habt ihr die Wahl. Ihr wisst, dass es mit jedem Jahr weniger werden. Am Ende bleiben im Schnitt nur fünf von euch übrig.«
Danke, denke ich mir nur. Es ist schließlich nicht so, als würden wir uns nicht schon selbst genügend Druck machen.
»Genießt die Zeit und damit herzlich willkommen auf der Turadh Academy.«
Er öffnet mit einer großen Geste die schwere Holztür und die anderen Hexen strömen staunend hinein. Dabei ist dies vermutlich der am spärlichsten eingerichtete Raum. Die Wände sind in einem schlichten Weiß gehalten und zusammen mit den Metallgestellen der Betten fühle ich mich beinahe wie in einem Krankenhaus.
Das einzig Beeindruckende sind die hohen Fenster, welche nach draußen in den Garten weisen.
Während die anderen sich um das Bett am Kleiderschrank streiten, schmeiße ich meinen Lederrucksack auf eines der Hochbetten direkt am Fenster und stelle meinen Koffer einfach daneben. Dann klettere ich hinauf, streife die Schuhe ab und strecke mich auf der dünnen Wolldecke aus.
Ich werde in drei Jahren zur Elite gehören. Komme, was wolle.
»Wahnsinn, du bist tatsächlich ein Vampir.«
Ich ignoriere den Zwerg, der sich mir an die Sohlen geheftet hat, seit ich den Campus betreten habe, doch das hält ihn nicht davon ab, seine Rede fortzusetzen.
»Ich meine, ich wusste ja, dass ich hier auf eure Art treffen würde, aber nicht, dass ihr so … imposant seid.«
Er muss zu mir aufsehen, weil ich zwei Köpfe größer bin als er, und hat dabei sogar die Hand vor die Augen gehoben, um sie vor der Sonne abzuschirmen, die gerade durch die Wolken gebrochen ist.
Als ich wieder nicht antworte, sehe ich im Augenwinkel das erwartungsfrohe Grinsen, das sich verbreitert, als ich mich ihm zuwende.
»Was willst du, Kleiner?«, frage ich genervt, weil mein Tag schon bescheiden angefangen hat und die Aussichten auf den Rest nicht gerade besser sind.
»Zunächst einmal bin ich nicht klein, sondern einer der größten Kobolde meiner Art. Und das sage ich mit einem gewissen Stolz, weil du eigentlich recht hast – aber nur, weil du als Vampir von Natur aus mit einer stattlichen Größe gesegnet bist und nicht wissen kannst, dass ich für einen ausgewachsenen Kobold außerordentlich groß geraten bin. Zum anderen wollte ich mich vorstellen. Ich bin Lenn. Also, eigentlich Lennox, aber das klingt so schnöselig. Keine Ahnung, was meine Eltern damit bezweckt haben, als sie zu mir in die Wiege schauten und meinten, das sei ein guter Name für mich.« Er streckt mir die Hand hin. »Ich mache nur Scherze. Sag trotzdem lieber Lenn zu mir.«
Ich brumme unwirsch, was in etwa das Höflichste ist, das ich hervorbringen kann. Wie kann man nur so viel reden? Noch dazu mit einem Fremden, der den Redefluss mit einem Biss versiegen lassen könnte? Zumindest weiß er bestens über meine Art Bescheid, auch wenn er vergessen zu haben scheint, dass es angebracht wäre, eine gewisse Vorsicht an den Tag zu legen.
Der Kobold lässt die Finger sinken. »Oh, okay. Du musst natürlich nicht … Wäre mir vermutlich eh zu kalt, wo es heute doch so frisch ist. Es stimmt doch, dass ihr keinen Herzschlag habt, oder?«
Ich ziehe eine Braue hoch.
»Ich meine ja nur, deine Haut muss eiskalt sein.«
»Hör mal, Lenny …« Ich stoppe und der Kies knirscht unter meinen Sneakers. Eine Nebelwolke stiebt zwischen Mund und Mantelkragen in die Campusluft.
»Eigentlich Lenn.«
»… ich habe nichts gegen dich …«
»… du kennst mich ja auch noch nicht.«
»Unabhängig davon würde ich einfach gern diesen beschissenen Tag überstehen. Wenn du also einen anderen Vampir studieren könntest, würde das meinem Wunsch nach Ruhe und Einsamkeit sehr entgegenkommen.« Um meine Worte zu bekräftigen, habe ich mich zu ihm hinuntergelehnt und straffe mich nun wieder. Kurz scheint er verstummt, aber noch während ich meine Hände in meine Taschen schiebe, setzt er zu einer Antwort an: »Ach, weißt du, wenn ich immer darauf gehört hätte, sobald mich jemand fortjagen wollte, hätte ich meine Ziele nie erreicht.«
»Und was sind deine Ziele?«
»Freundschaften schließen zum Beispiel. Hier kämpft zwar jede Spezies für sich, aber letztlich sind wir keine Konkurrenten. Mit einem Freund lässt sich das alles leichter überstehen. Sogar so ein erster beschissener Tag wie heute.«
»Da bin ich anderer Meinung.« Ich lasse ihn endgültig stehen und diesmal scheint er aufgegeben zu haben. Zumindest für den Moment, denn während ich auf die großen Flügeltüren der Academy zugehe, höre ich hinter meinem Rücken sein fröhliches »Wir sehen uns dann später!«.
Der Schlafsaal ist schlicht und genau so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Hier sind alle Studenten gleich, egal welchem Clan oder Rang sie angehören. Wir Erstsemester sind nicht die Elite. Nur ein Dutzend Fledermäuse, von denen einige mehr als andere mit dem goldenen Löffel großgezogen wurden und so mancher sich darüber zu profilieren versucht, dass er einen Platz im oberen Teil der Doppelstockbetten ergattert. Ich schmeiße meine Tasche ans Fußende einer unteren Etage und hoffe, dass ich es nicht bereuen werde, wenn sich über mir jemand breitmacht.
Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, nähern sich Schritte.
»Na, hast du dich schon häuslich eingerichtet, Cousin?«
Meine Fangzähne schießen augenblicklich in meinen Kiefer und schieben sich mit bedrohlicher Schnelligkeit durch mein Zahnfleisch. Dieser Tag zerrt ohnehin an meiner Selbstbeherrschung, aber dass man mich derart auf die Probe stellt, muss ein schlechter Scherz sein.
Ich widerstehe dem Drang, mich umzudrehen, denn ich weiß bereits, wessen Grinsen mich hinter meinem Rücken erwartet. Stattdessen wühle ich in meiner Tasche, ziehe Laken und Bettwäsche hervor, die unser Hausmädchen heute Morgen erst gebügelt und gefaltet hat. Sie ist die Einzige neben Mum, die mir tatsächlich fehlen wird, weil sie nur mich gesehen hat. Nicht den Vampir, von dessen Existenz sie als Mensch nichts wusste.
Die Schuhe stoppen dicht hinter mir und der Kerl, dem sie gehören, zieht übertrieben laut die Luft ein. »Mhh … Lavendel und Vanille. Ich habe nie verstanden, weshalb du sie nicht in dein Bett geholt hast. Wo sie doch so willig war.«
»Verpiss dich, Alick!«
Ohne meiner Aufforderung nachzukommen, lehnt sich der missratene Sohn meines Onkels gegen das Bettgestell und versperrt mir so den Weg zu meinen Sachen.
»Warum so feindselig, Cail? Du und ich … wir sind schließlich Familie. Ich hätte gedacht, du freust dich mich zu sehen.«
Ich richte mich auf und will ihm sein selbstgefälliges Getue am liebsten aus dem Gesicht prügeln. Er sieht auch heute wieder aus, als wäre er der Fantasie Bram Stokers entsprungen, und wirkt mit seinem schwarzen Mantel und dem gleichfarbigen Leinenhemd wie aus der Zeit gefallen. Trotzdem bin ich derjenige, der sich in Jeans und Hoodie in seiner Gegenwart plötzlich schäbig vorkommt. Eines seiner wenigen Talente ist, dass er noch arroganter ist als ich. Seine spöttische Aura lässt dich vergessen, dass du ihm eigentlich überlegen bist. Dabei ist es leider wie überall, auch wenn die meisten es nicht wahrhaben wollen: Am Ende entscheidet eben doch nicht nur deine Leistung über deinen Abschlussplatz, sondern auch, wer du bist und wer dir dein Leben lang alles in den Arsch gesteckt hat.
»Du wärst nicht mal dann meine Familie, wenn wir die Letzten unserer Art wären.«
»Sei besser vorsichtig mit deinen Wünschen. Manchmal sieht das Schicksal die irrwitzigsten Wege für uns vor.«
»Kryptisch.«
»Nicht wahr? Aber weißt du, was? Mir gefällt unser kleiner Austausch. Ich denke, ich bleibe hier. Oben ist doch noch frei, oder?« Er klopft mit der flachen Hand auf die Matratze.
»Nicht für dich.«
»Dachte ich’s mir. Danke fürs Freihalten.«
Provokant streift er den Mantel ab und wirft ihn auf die Matratze. Bevor er noch seine Manschetten zurechtrücken kann, schlucke ich den Fluch hinunter und greife mir mein Zeug. Alick lacht nur, als ich mir ein Bett am anderen Ende des Saals suche, das ich mir kurze Zeit später mit einem Typen teile, der mehr stumm als mit Worten kommuniziert.
Die tiefe Zufriedenheit darüber hält jedoch nur kurz an. Nachdem ich mein Bett bezogen und meine wenigen Habseligkeiten, darunter mein Lieblingsbuch und die Taschenuhr meiner Großmutter, im Spind an der Stirnseite des Bettes verstaut habe, fällt mein Blick aus dem Fenster.
Das Monstrum aus Planen und kitschigem Blumendekor in Weiß und Grün ist bedauerlicherweise keine Projektion für die Menschen, sondern ohne Zweifel der Veranstaltungsort der Einstandsfeier für uns Erstsemester. Nichts könnte mir mehr zuwider sein. Ein Gewimmel von Wesen, ein Beschnuppern und Gesehenwerden, ein Anstoßen auf die glorreiche Zeit als angehende Elite und mahnende Worte, dass nicht jeder am Ende des Schuljahres dazugehören wird. Dazwischen rauscht jede Menge Alkohol durch die ohnehin vor Aufregung pulsierenden Venen der Studierenden, was dem ganzen Tumult mit fortschreitendem Abend eine spezielle Würze verleihen wird. Und weil der ganze Mist Pflicht ist, werde ich nicht drum herumkommen, zumindest einem Teil des Gehabes beizuwohnen, ehe ich ungesehen verschwinden kann.
Vorher aber muss ich dringend etwas essen. Die letzte Konserve gestern Abend ist mir nicht gut bekommen oder es war schlichtweg die Nervosität, die mich heute Morgen keinen Schluck hat runterbringen lassen. Vermutlich war es Letzteres. Sehr sicher sogar, wenn ich mir eingestehen würde, dass ich längst nicht so cool bin, wie ich es gern wäre.
Aber immerhin bin ich ein Rebell. Deshalb ziehe ich meine Kapuze auf und werfe mir meinen Mantel über, ehe ich im Gehen einen Zettel aus meiner Hosentasche befördere. Die Adresse ist in einer Schrift verfasst, die ich nicht kenne. Ich habe das Papier in meiner Tasche gefunden, als ich die Bettwäsche herausgezogen habe, und konnte es einstecken, bevor Alick etwas davon mitbekam. Da ich keine weiteren mir bekannten Feinde habe, ist meine Neugier geweckt. Dem Namen nach deutet die Anschrift nämlich auf eine Bluthöhle hin – und genau das ist es, was ich jetzt brauche. Körperwarmes, herrlich duftendes Blut, das mit Euphorie und Lust getränkt gemächlich in meinen Mund sickert. Mein Magen findet den Gedanken ebenfalls fantastisch, weshalb ich nach wenigen Minuten bereits den Campus verlasse und mir übers Handy ein Taxi rufe.
***
Ich hatte recht. Die Adresse im Navi hat meinen Fahrer zu einem Gebäude gelotst, das schon von Weitem nach Eisen, lebendigen Körpern und den Gewürzen verschiedenster Erregungszustände duftet. Beim Herannahen intensivieren sich die Aromen, sodass mein Hunger und ich nun furchtbar ungeduldig vor dem Einlass der alten Fabrik darauf warten, dass man uns die Tür öffnet. Während das menschliche Ohr lediglich einen feinen Geräuschpegel wahrnehmen würde, werden meine Sinne bereits auf der Schwelle überstrapaziert. Das lebhafte Gemurmel, Kleingeld, das auf Scheine gelegt und über Holz geschoben wird, das Aufreißen von Haut, aufgeschürft von spitzen Zähnen, und schließlich der Schwall, der sich daraus ergießt … Es hat immer den gleichen betörenden Klang.
Endlich öffnet mir ein bulliger Kerl, dessen Aftershave aus der Nähe noch viel scheußlicher riecht. »Name?«
»Cailan.«
»Cailan und weiter?«
»MacRae.«
Er mustert mich kurz, als würde er auf meiner Stirn eine imaginäre Gästeliste abscannen, dann schwingt er die Tür einen Spaltbreit auf und ich zwänge mich an seinen breiten Schultern vorbei ins Innere. Es gab einige solcher ersten Male, bei denen ich im Eingang stand und von den Eindrücken zunächst überwältigt war.
Manchmal wählst du direkt nach dem Eintreten, wonach dir ist: ein kleiner Snack an der Konserven-Bar, Gesellschaft mit »Bloody End« oder ein Hauptschlagader-Dinner in der Horizontalen. Meist kannst du dich aber erst setzen und eine Karte studieren, die der eines Steakhauses ähnelt. Nur dass das Fleisch einen Namen hat und fast immer auf zwei Beinen zu dir kommt. Ich gehe grundsätzlich nicht in Bars, in denen Tiere zum Laben angeboten werden. Sie können weder ihr Einverständnis geben noch sich zur Wehr setzen. Und wenn es nach mir ginge, gehörte genau das verboten.
Als sich zarte Finger von hinten an meine Schulter legen, lasse ich mir den Mantel abnehmen und streife anschließend auch meine Kapuze vom Kopf. Die Hände gehören zu einer Brünetten, die das Kleidungsstück an einen Typen von der Garderobe weiterreicht. Dann wendet sie sich mir mit wallenden Locken zu. »Na, Hübscher, wonach steht dir der Sinn?«
Zumindest die Floskeln sind überall gleich.
Ich nicke an ihr vorbei in den hinteren Teil neben der Bar. »Eine Loge und eine vollständig verschlossene Vene. Alles andere ist mir egal.«
»Verstehe, du hast Hunger. Dann komm mal mit. Dagegen können wir etwas tun.«
Sie ist schön, aber ihr Zwinkern wirkt einstudiert, ebenso wie ihr Hüftschwung, mit dem sie mir die zugewiesene Ecke als etwas Besonderes anpreisen will. Ich sehe darüber hinweg, denn dass sie auf ein Trinkgeld aus ist, gehört dazu. Wir sind nur hier, um miteinander Geschäfte zu machen.
Noch bevor sie mich in der kleinen Nische zurücklässt, die mit einer Art Chaiselongue, einem Tisch mit Lampe und einem Gedeck mit Tüchern und einer Waschschüssel für die Reinigung danach ausgestattet ist, habe ich ihr einen Schein zugesteckt. Es hat absolut nichts Überhebliches, sondern ist so üblich.
Ich muss nicht lange warten, da sticht mir mit dem Betreten meiner Mahlzeit ein angenehmer Duft in die Nase. Honig und Patschuli. Sie wird fantastisch schmecken. Bevor jedoch meine Sinne mit mir durchgehen, lasse ich sie sich setzen. Die Spenderin ist ein wenig älter als ich, ihrem Geruch nach Mensch, und sie sieht nicht schüchtern aus. Sie überlässt dennoch mir die Begrüßung, während ich weiterhin stehe und zu ihr hinabsehen muss. »Bist du freiwillig hier?«
»Bitte was?«
Witzig, dass die Reaktion fast immer die gleiche ist. Ich unterdrücke ein Schmunzeln, weil es angesichts der Ernsthaftigkeit der Situation nicht angemessen ist. »Willst du hier sein oder hat man dich gezwungen?«
»Sehe ich so aus, als hätte man das?«
»Genau das ist meine Frage.«
»Sicher, Süßer.«
»Pass auf, ich kenne dieses Haus nicht. Wenn du dich also anbietest, weil du in Not bist, bin ich nicht der richtige Gast für dich.«
»Oh, ein Mann mit Prinzipien. Das mag ich.«
»Ich mag aber nicht, dass du meiner Frage ausweichst.«
Endlich scheint sie zu begreifen, dass das kein Scherz ist. Es wird kein Blut fließen, solange ich mir nicht sicher sein kann. Und kein Blut bedeutet kein Geld, bedeutet Zeit, die verloren ist, weil sie sich jemand anderem hätte widmen können.
»Also schön.« Sie setzt sich ein wenig aufrechter hin, als hätte sie gleich ein wichtiges Telefonat und wollte, dass ihre Stimme durch ausreichend Atem besonders seriös klingt.
»Ich bin freiwillig hier. Ich werde gut behandelt und bezahlt und brauche weder um Leib noch um Leben zu fürchten. Reicht dir das?«
Es klingt ehrlich, deshalb nicke ich. Dann gehe ich zu ihr hinüber, was sie als Aufforderung auffasst, um beiseitezurutschen und neben sich Platz zu machen. Schließlich lehnt sie sich nach hinten in die Kissen, weil sie annimmt, ich sei auf ihren Hals aus.
Stattdessen aber halte ich ihr die Hand hin. »Handgelenk. Bitte.«
Ihre hellen Augen werden groß, denn für gewöhnlich sind die Logen teuer und mit dem zartesten Stück Fleisch verbunden, das es auf der Karte zu finden gibt. Dass ich nur meine Ruhe und etwas Abgeschiedenheit haben wollte, konnte sie nicht wissen. Ein wenig ungläubig legt sie deshalb ihre Finger in meine. Bevor ich die Haut über ihren Pulsadern an meine Lippen lege, hüllt mich ihr Duft für einen kurzen Moment ein.
Honig, Patschuli und Orangenblüten.
Himmlisch.
Meine Reißzähne durchschlagen ihre Haut langsam und mit Genuss. Während sie die Ekstase des Schmerzes fühlt, fällt ihr Kopf in den Nacken und ein leises Stöhnen entweicht ihr, das in Kontrast zu dem gierigen Laut steht, den mein erster Schluck mir abringt. Mit jedem weiteren steigt meine Zufriedenheit, nährt sich das bisschen Frieden in mir, das ich mir erhalten konnte.
Als ein dünnes Rinnsal Blut an meinem Kinn hinabläuft, kann ich es mit der anderen Hand gerade noch auffangen und öffne ruckartig die Augen. Ich war so im Rausch, dass ich die scharfe Nuance in der Luft um uns nicht bemerkt habe.
Ein Paar Augen blinzelt mich an. Als der Besitzer sieht, dass ich zurückstarre, weiten sich seine Pupillen. Angst schießt in seinen Körper. Der Gestank ist augenblicklich überall. Langsam, um meine Partnerin nicht unsanft aus dem Paradies zu werfen, fahre ich meine Zähne ein, und als sie unter mir erschlafft, lehne ich sie in die Polster zurück.
Dann herrsche ich mein Gegenüber an: »Lenny!?«
»Nein. Äh. Nicht ganz, meine ich. Du kannst immer noch Lenn sagen.«
»Mir egal, wie du heißt. Was soll der Scheiß?«
»Ich wollte nur …«
»Gaffen? Macht dich das vielleicht an oder so?«
»Muss ich darauf antworten?«
Ich funkle ihn an.
»Ich meine … nein. Aber ich wollte es mal sehen. Das heißt, eigentlich wollte ich helfen. Das macht man doch als Freund.«
»Wir sind keine Freunde.«
»Aber wir können es werden.«
»Sicher nicht.«
»Aber meine Chancen stehen besser, wenn ich dir helfe. Dachte ich zumindest. Also habe ich …«
»Du hast mir den Zettel in die Tasche gesteckt.«
»Das Essen in den Academy-Cafés soll für Vampire scheußlich sein, habe ich recher… gehört.« Er räuspert sich. »Und … na ja … wir hatten einen holprigen Start. Ich wusste nicht, ob du meine Hilfe willst. Da habe ich einen dezenten Hinweis gestreut, wo du am besten …«
»Lenn?«
Er horcht auf. »Ja?«
»Verschwinde!«
»Oh. Okay.«
Trotzdem scheint der Kobold wie erstarrt. Nur auf seine Lippen stiehlt sich ein beinahe seliges Lächeln.
»Was grinst du so?«
»Du hast mich Lenn genannt. Das ist sicher der Beginn einer großartigen Freundschaft.«
Nur wenige Minuten später hallt das Knarzen der Tür ein weiteres Mal durch den Wohnraum, gefolgt von dem Gezanke der zwei Hexen, die hineinkommen.
»Ich brauche eines der unteren Betten, sonst bekomme ich Höhenangst.« Die Stimme ist so quietschig, dass ich sie eher einem Kobold zuordnen würde.
»So etwas Dummes habe ich ja noch nie gehört.«
Das passt schon viel besser zu einer Hexe. Rauchig, als hätte sie gerade noch über einem dampfenden Kessel mit Schneckensud gestanden.
»Das ist nicht dumm, sondern wirklich hinderlich. Ich bekomme schon Schwindelanfälle, wenn ich auf einer kleinen Trittleiter stehe.«
»Und die brauchst du tagtäglich, nicht wahr?«
Das fiese Schmunzeln kann ich auch mit geschlossenen Augen sehen.
»Hey! Keine Witze über meine Größe.«
»Mach ich nicht. Du kannst froh darüber sein. Wärst du so groß wie eine normale Hexe, würdest du vermutlich schon beim Gehen Höhenangst bekommen.«
Jetzt werde ich doch neugierig und setze mich auf.
Die wirklich sehr klein geratene Hexe mit dem blond gelockten Haar übergeht den Kommentar.
»Ist unter dir noch frei?«, fragt sie mich und kommt auf mein Bett zugelaufen.
»Klar«, murmle ich, während sie bereits ihre Reisetasche auf die Matratze wirft.
»Danke. Wenigstens sind hier nicht alle so furchtbar unhöflich wie Orna.«
Ihre Begleitung zieht abschätzig eine Augenbraue hoch und zeigt dabei das klassische Bild einer Hexe.
Das schwarze Kleid liegt so hauteng an, dass es jede ihrer Kurven betont. Die Spitze darüber lässt sie jedoch nicht sexy, sondern düster wirken. Ebenso ihre hochtoupierten Locken und die hellbraunen Augen.
»Ich bin übrigens Vanya.« Die blonde Schönheit sieht eher aus wie eine Kreuzung aus Feenwesen und Kobold. Die Korkenzieherlocken fallen perfekt über ihre Brust und ihre Augen könnten nicht blauer sein.
»Luce«, stelle ich mich vor und setze mich an den Rand des Bettes.
»Freut mich. Kommst du gleich mit zur Einstandsfeier?«
»Welche Einstandsfeier?«
»Das ist nur der feinere Ausdruck für Erstsemesterparty.« Orna hat ihre Sachen mittlerweile auf dem Bett neben uns abgelegt und kramt darin nach etwas. Vielleicht nach einer Haarbürste.
»Sie beginnt um 16 Uhr und geht bis in die Abendstunden hinein«, ergänzt Vanya.
Ich schaue auf meine Uhr.
»Dann läuft der Einstand bereits«, stelle ich fest.
»Ja, aber wer geht schon pünktlich zu einer Party? Wir tauchen frühestens mit Einbruch der Dunkelheit auf.« Orna holt tatsächlich eine Haarbürste aus ihrer Tasche und öffnet die Spange an ihrem Hinterkopf, welche die meisten ihrer dunklen Haare zurückgehalten hat. »Es bleibt also genügend Zeit, um uns etwas aufzuhübschen. Wir müssen schließlich immer noch das Klischee ausräumen, Hexen seien schrumpelige Greisinnen mit krummen Nasen.«
»Auf jeden Fall. Die können sich auf was gefasst machen«, pflichtet Vanya ihr bei und die Neckerei um ihre Größe ist schon vergessen.
Es ist eben leichter, die anderen magischen Wesen an dieser Schule zu hassen als die eigenen Artgenossen.
Und ich kann diese Wut auch in mir fühlen. Ständig werden die Vampire und Feen als außergewöhnlich schön und charmant angesehen, während wir, mit Pickeln übersät, dem Teufel gleichgestellt werden. Und allein deshalb spüre ich dieses Bedürfnis, ihnen das Gegenteil beweisen zu müssen. Ob das eine Art Instinkt ist, mit dem wir schon geboren werden?
Der Grund ist mir jedoch ziemlich egal. Ich habe mehr als Lust, mich aufzubrezeln und bei dem ein oder anderen Cocktail über die Tanzfläche zu schweben. »Ich bin dabei.«
Minuten später betrachte ich prüfend mein Spiegelbild, während ich ein letztes Mal mit etwas Haarspray versuche, meinen dünnen Strähnen Volumen zu geben.
Mit der Fingerspitze biege ich meine frisch getuschten Wimpern nach oben und trete dann einen Schritt vom Spiegel zurück.
Meine Lippen habe ich dunkelrot geschminkt und die Sommersprossen unter einem Concealer versteckt. Ich gefalle mir, bin aber froh, dass ich mich im Alltag auch ohne Make-up wohlfühle. Ich hätte keine Lust, jeden Tag dafür eine halbe Stunde eher aufzustehen.
Zum Schluss schlüpfe ich in ein graues Neckholder-Kleid und ziehe eine Jeansjacke darüber.
»Bereit?«, fragt mich Vanya, die ihre Blümchenbluse gegen ein bordeauxrotes Cocktailkleid getauscht hat.
»Auf jeden Fall. Orna?«
»Lasst uns gehen!« Mit diesen Worten lehnt sie sich an den Türrahmen des Badezimmers und betont umso mehr jede ihrer Kurven, die sich in dem engen, kleinen Schwarzen abzeichnen. Dieses Mal ohne die düstere Spitze.
»Schick.«
»Danke. Wegen der Schuluniformen werde ich nicht oft die Gelegenheit dazu bekommen, mich so rauszuputzen.«
Ich stimme nickend zu und hänge mir dann meine braune Kameratasche um.
Bereits als wir den Flur durchquert haben und die Treppen hinuntersteigen, stöhnt Vanya genervt auf. »Zum Glück findet die Party direkt hinter der Academy statt. Einen langen Fußmarsch würde ich damit nicht überstehen.« Sie deutet auf ihre Pumps, die einen verboten hohen Absatz haben.
»Wie willst du denn damit tanzen?«, frage ich sie. Ein Grund, warum ich mich für Turnschuhe entschieden habe.
»Wer sagt denn, dass ich damit tanzen werde?«
»Was willst du sonst den ganzen Abend tun?«
»Präsentieren und beobachten, Schätzchen. Dieser Abend ist dafür da, sich zu zeigen und die Konkurrenz abzuchecken.« Vanya zwinkert mir zu, geht voran durch die Eingangshalle und öffnet die hintere Ausgangstür in den Garten.
Die angrenzenden Stufen führen uns direkt in eine lang gezogene Pergola, über die weiße Stoffbahnen gelegt wurden. Sie wehen im sanften Abendwind und zwischen ihnen blitzen immer wieder Lichterketten auf, die für eine angenehm weiche Beleuchtung sorgen.
Über den Rasen, in dem Vanya sonst mit ihren Pumps einsinken würde, wurden große Steinplatten gelegt, die im Mondlicht schimmern. Sie leiten uns bis zu einem riesigen Festzelt, das mitten auf dem Feld thront.
Es erinnert an einen Wintergarten mit seinem schwarzen Holzgestell und den durchsichtigen Planen, die darübergespannt sind. Man kann durch sie hindurch jedoch nur wenig vom Abendhimmel sehen, da unzählige Blumengestecke und Rankengewächse am Gewölbe befestigt wurden. Zwischen ihnen hängen Kronleuchter aus Bergkristall, die alles zum Funkeln bringen.
Während ich meinen Blick kaum von der atemberaubenden Kulisse abwenden kann, stürzen sich meine Begleiterinnen sofort auf das Buffet.
»Uh, es gibt Blaubeertörtchen.« Vanya nimmt sich eine schwarze Serviette und tut sich etwas auf. Auch mein Körper erinnert sich daran, dass ich seit dem wenigen Frühstück nichts gegessen habe. Die Möglichkeit auf ein letztes Mittagessen zu Hause mit meinem Lieblingsgericht Spaghetti Carbonara habe ich nicht genutzt, da mir die Aufregung den Appetit verdorben hatte.
»Ich brauche etwas Richtiges«, entgegne ich, als Vanya mir eines der Küchlein reichen will.
»Dem schließe ich mich an.« Orna folgt mir und wir finden schließlich kleine Flammkuchen und mundgerechte Geflügelkeulen, die ich mir auf den Teller stapele.
»Da ist aber jemand hungrig.«
Ich erkenne den selbstgefälligen Vampir von heute Nachmittag wieder. Er zeigt mir seine spitzen Zähne und beißt genüsslich von einer der Keulen ab.
»Na, blutig genug?«, frage ich, obwohl mir klar ist, dass Vampire zum Genuss auch richtiges Essen verspeisen. Das Blut brauchen sie, um ihre Kräfte zu stärken. Außerdem haben sie die Fähigkeit, den Lebenssaft zu manipulieren und so die Menschen zu steuern. Eine unheimliche Fähigkeit, weswegen ich diesen düsteren Gestalten nicht über den Weg traue.
»Du weißt schon, dass Hähnchen nie blutig serviert wird?«
Natürlich weiß ich das. In seinem Fall würde ich mir jedoch wünschen, dass er sich eine Salmonellenvergiftung einfängt.
»Komm, Luce. Vanya hält uns einen Platz frei«, will mich Orna aus der Situation retten.
Doch ich kann für mich selbst sprechen. »Ich komme gleich. Aber vorher brauche ich unbedingt noch einen Drink.« Erhobenen Hauptes gehe ich an Graf Dracula vorbei und bestelle mir einen Wildberry Lillet an der Bar.
Danach erspähe ich Orna und Vanya an den Tischen und setze mich zu ihnen.
»Das war übrigens Alick MacRae«, klärt mich Vanya auf.
»MacRae? Ist das nicht eine der ältesten Vampirfamilien?«
»Nicht nur eine der ältesten, auch der einflussreichsten.«
»Und eine der unausstehlichsten«, ergänzt Orna.
»Egal wie unausstehlich sie sein mögen. Ich stehe auf Männer in Leinenhemden.«
»Du liebst es doch nur, dass du seine Bauchmuskeln darunter siehst«, zieht Orna ihre Freundin auf und ich mustere beide mit hochgezogenen Augenbrauen, bevor wir gemeinsam in Gelächter ausbrechen.
Langsam verstehe ich den Gedanken hinter den Schlafsälen. Obwohl nur wenige magische Wesen existieren und wir über viele Städte verstreut sind, finden wir automatisch Anschluss und leben uns besser ein. Ich bin froh, dass die beiden mich direkt mitgezogen haben und ich mich in dieser ersten Nacht nicht allein fühlen muss.
Nachdem ich die letzte Keule auf meinem Teller verspeist habe, lasse ich meinen Blick wieder durch den Saal schweifen. Auch ich kann nicht leugnen, dass ich vielen schönen Gesichtern und Silhouetten begegne.
Augenblicklich erfasst mich die Lust, sie für die Nachwelt festzuhalten, und ich hole meine Sofortbildkamera aus der Tasche.
Ich entdecke eine Fee, welche die Röte ihrer Wangen mit einem Glas zu kühlen versucht. Die Perlen des Kondenswassers glänzen dabei wie Diamanten auf ihrer Haut. Ein Klicken ertönt und das Surren, welches beim Entwickeln des Bildes entsteht.
Danach erregt ein Mann meine Aufmerksamkeit. Er ist gerade in das Festzelt geschlendert und steht nicht weit entfernt mit dem Rücken zu mir gewandt. Sein Haar ist noch zerzaust und vom Abendtau verklebt. Er bringt in dieses fröhliche Ambiente eine unheimliche Melancholie hinein und das, ohne dass ich sein Gesicht sehen kann. Zu gern würde ich aufstehen und ihn wie eine Statue von allen Seiten betrachten. Ich könnte schwören, dass sich ein dunkler Schatten unter seinen Augen gebildet hat und sein Kiefer vor Anspannung harte Kanten in sein Gesicht zeichnet. Er hebt die Hand, fährt durch sein feuchtes Haar und versucht es glatt zu streichen.
Ich nutze den Moment. Ein Klicken. Ein Surren.
Bevor er sich umdrehen und mich erwischen kann, verstecke ich das Foto und richte die Kamera auf die Decke über mir. Dabei setze ich einen der Kronleuchter in den Fokus, der von weißen Gerbera umspielt wird. Ich drücke auf den Auslöser und entnehme kurz danach das Bild, um auch dieses in meiner Tasche verschwinden zu lassen.
Da Vanya und Orna sich davon überhaupt nicht gestört fühlen und immer noch in ihre Analysen über Leinenhemden und Bauchmuskeln vertieft sind, nehme ich sie als Nächstes ins Visier.
Ihr Lachen hinter vorgehaltener Hand ist echt, genauso wie die letzten Krümel der Blaubeertörtchen an Vanyas Wange. Ein Moment und es klickt und surrt.
»Hey«, beschwert sich Orna, als sie mich bemerkt.
»Luce, du bist ja ein richtiger Paparazzo. Ich hoffe für dich, dass du mich von meiner Schokoladenseite erwischt hast.«
»Sieh selbst.« Ich reiche ihr das Foto, nachdem die Kamera es entwickelt hat, und nach wenigen Sekunden erscheinen die Farben der Feier wie von Zauberhand auf dem Papier.
»Oh, das ist aber wirklich schön.« Vanya klingt überrascht und will das Polaroid an Orna weiterreichen. Die reagiert jedoch nicht und starrt stattdessen völlig gebannt auf die Tanzfläche.
Ich folge ihrem Blick und sehe, was ihre Aufmerksamkeit und die vieler weiterer Gäste gefangen hält.
In der Mitte des Festzeltes kann ich hektische Bewegungen wahrnehmen, die nicht dem Takt der Musik folgen. Als diese auch noch unterbrochen wird und die Gespräche der Gäste versiegen, werden die hitzigen Worte mehrerer Studenten laut.
Ein Streit ist ausgebrochen, der sich in wutverzerrten Gesichtern wiederfindet, die in einem Pulk zusammenstehen. Wie viele Wesen dort aneinandergeraten sind, kann ich jedoch nicht ausmachen.
»Siehst du was? Warum müssen die alle so riesig sein?«, beschwert sich Vanya.
Noch bevor jemand von uns reagieren kann, zischt ein Lichtblitz über die Tanzfläche und trifft einen hochgewachsenen Typ im Smoking. Er wird ein Stück zurückgeschleudert und seine Fliege schlingt sich enger um seinen Hals.
Eine Woge der Unruhe zieht durch die Menge, Stühle kratzen über den Boden und erschrockene Laute mischen sich mit wütenden Schreien.
Auch Vanya und Orna haben sich von ihren Sitzen erhoben, aber ich bin wie festgewachsen und starre auf den am Boden liegenden Studenten, der sich windet und nach Luft ringt.
Nach Sekunden, die sich unendlich anfühlen, kommt ihm endlich jemand zu Hilfe und schneidet den Stoff mit einem Messer durch.
Daraufhin bricht Chaos aus.
Wilde Beschimpfungen unter den Völkern zerreißen die Luft.
»Wer war das?«
»Selbstverliebte Fee, das wirst du bitter bereuen!«
»Rühr sie an und du verlierst die Hand!«
»Sie war es nicht, der Hexer hat es getan. Ich habe es genau gesehen!«
»Der könnte doch kaum mehr als ein Duftwässerchen werfen.«
»Sag das noch mal und ich zeige dir, welche Duftwässerchen ich in meiner Tasche habe!«
»Na, mach schon!«
»Schwächling!«
»Feigling!«
Nachdem die Masse durch den Lichtblitz auseinandergestoben ist, rückt sie nun wieder enger zusammen. Kobolde und Feen, Hexen und Vampire stehen sich gegenüber und funkeln sich finster an. Es fehlt nur ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
»Hey, jetzt beruhigen wir uns alle wieder.« Ein rothaariger Kobold versucht die Aufmerksamkeit der Streithähne auf sich zu ziehen. Und gerade als ich denke, die Spannung würde sich wieder auflösen, greift der Vampir im Leinenhemd nach dem Kobold und zieht ihn am Hemdkragen nach oben.
»Du bist eine Schande deiner Art.« Mit diesen Worten beißt er ihm in den Hals und der arme Rotschopf erstarrt in seinen Händen.
Der Tropfen fällt, das Fass läuft über und die Welle überschwemmt die Abendgesellschaft.
Der Kobold schreit und was dann geschieht, ist eine Abfolge von Dingen, die ich nicht kontrollieren kann.
Es passiert einfach.
Im Bruchteil einer Sekunde knie ich vor ihm und zerre Alicks Zähne aus seinem Hals, reiße meinen Cousin an der Schulter von ihm los und schlage ihm anschließend derart fest gegen die Brust, dass sein Lachen in einem Gurgeln erstickt. Kurz darauf schleudert er einige Meter weit gegen einen tragenden Pfeiler des Festzeltes. Der Aufprall ist so heftig, dass das Holz splittert, Blüten durch die Luft fliegen und Staub aufgewirbelt wird.
Lenn röchelt unter mir und halluziniert, während der Schmerz ihn immer wieder in eine Ohnmacht treibt. Alick hat ihm kein Paradies gegönnt, nur die reine Qual, die der Biss eines Vampirs ohne seinen guten Willen auslöst. Der Kobold denkt, er stirbt und das in jeder Sekunde, mit jeder Empfindung, zu der sein zu kurz geratener Körper fähig ist. Seine Haut ist leichenblass, Blut sickert aus der frischen Wunde und das Fieber setzt bereits ein. Aber er lebt.
Noch.
»Verdammte Scheiße.«
Er muss hier weg.
Doch als ich mich umsehe, ist das rauschende Fest zu einem Strudel aus Hass und Gewalt geworden, der in bahnbrechender Geschwindigkeit alles um sich herum in die Tiefe reißt. Volk kämpft gegen Volk, Magie gegen Magie, die Stärkeren hetzen gegen die Schwächeren und die Schwachen gegen die Wehrlosen, so lange, bis Blut an ihren Händen klebt. Es stinkt überall danach. Nicht auf die gute Art, sondern nach Verderben.
Selbst die eigene Spezies ist zum Feindbild in der Katastrophe geworden, die sich vor meinen Augen anbahnt. Lange wird es nicht mehr dauern und das erste Leben wird gefordert, wenn niemand dem Geschehen hier ein Ende bereitet.
Inmitten des Chaos’ entdecke ich plötzlich sie. Ein Moment, wie in Zeitlupe, obwohl alles normal weiterläuft.
Sie sieht mich an, als könnte sie in meinen Kopf blicken, in unserer gemeinsamen Erinnerung wühlen, die mir in Sekundenschnelle wieder ins Gedächtnis schießt: die Halloweenparty an der Highschool im letzten Jahr. Die Hexe und der Vampir. Wir. Ein Kuss, den ich vergessen wollte, weil wir keine Kostüme waren. Weil wir verdammt echt waren. Wie ihr Atem, als sie zwischen unseren Mündern Luft holte, und wie meine Hand, die über ihrem Puls lag, der, obwohl er so schnell ging, kein Verlangen in mir auslöste. Ihr Blut war mir völlig egal.
Wer weiß, wo es geendet hätte, hätte das Ende selbst uns nicht demaskiert. Wenn sie nicht vor meinen Zähnen zurückgeschreckt wäre, die genauso wenig nur ein Accessoire waren wie das Fläschchen, das ihr vor Schreck aus der Tasche fiel und zwischen unseren Füßen zerplatzte. Meine feinen Sinne setzten die Bestandteile zusammen: Myrrhe, Weihrauch, Lilienwurz. Und auch ohne die Wirkung des aufsteigenden Abwehrzaubers stieß es mich von ihr ab.
»Wenn ich gewusst hätte …«, keuchte sie und presste sich die Finger auf die Lippen.
»Was dann, Hexe?«
Ich hatte keine Ahnung, woher meine plötzliche Wut gekommen war. War es, weil ich auf sie hereingefallen war? Weil sie es geschafft hatte, mich in meinen Urinstinkten zu täuschen, die das magische Wesen, das sie war, hätten erkennen müssen? Oder weil es mir gefallen hatte? Danach sah ich sie in der Menge verschwinden. Zwischen einem Pappbecher, gefüllt mit irgendeinem Drink, der dem Besitzer über die Schuhe kippte, weil sie ihn beinahe umrannte. Es war das letzte Mal.
Bis heute.
Ich überlege nicht lange, hebe das Fliegengewicht von Kobold auf meine Arme und überwinde die Distanz zu ihr in einem Windhauch. Dann lege ich den Körper zu ihren Füßen ab.
Sie sieht anders aus. Ihre Haare sind gewellt und ihre Lippen glutrot. Diesmal schreit alles an ihr »Hexe!« und ich frage mich, wie ich es übersehen konnte. Aber jetzt ist keine Zeit für mein angekratztes Ego.
»Kümmere dich um ihn«, sage ich schärfer als beabsichtigt.
Die Hexe fragt nicht, was sie zu tun hat. Ich sehe ihr an, dass sie es weiß. Sie ist überrumpelt, nickt aber, ehe ihre Augen an mir vorbeigleiten.
»Hinter dir«, entweicht es ihr, da kribbelt auch schon mein Nacken und Alicks Stimme wird in meinem Kopf laut.
»Cousin!«
Als ich mich umwende, ist sein Mund geöffnet, die Reißzähne und sein Kinn sind koboldblutgefärbt.
Er hat sich aufgerichtet und legt nun den Kopf schief.
»Jetzt und hier«, lacht er irre. »Zeig mir, wie sehr du mich hasst.«
Über meine Schulter sehe ich noch, wie die Hexe durch ein umherfliegendes Trümmerteil von den Füßen gerissen wird und auf dem Hintern landet, sich aber sofort wieder aufrappelt und über Lenn beugt. Mit der Gewissheit, dass es ihnen gut geht, krachen Alick und ich diesmal gemeinsam gegen Holz, durchbrechen es und schlagen mit aller Härte auf Stein auf. Schlimmer als der Aufprall sind die Schreie, die unserer Schneise der Verwüstung folgen.
Spätestens jetzt geht es um Leben.
Wir rollen über den Boden. Etwas stürzt hinter uns ein und das warme Flackern, das dem Knall folgt, verrät, dass es brennt.
»Was stimmt nicht mit dir?«, herrsche ich meinen Cousin an, dessen Gesicht von einem hämischen Grinsen entstellt ist.
»Oh, glaub mir«, keucht er über mir und verpasst mir mit der Faust einen Hieb, der meine Wirbelsäule knacken lässt. »Es fügt sich alles bestens.«
»Runter von mir!«
»Nicht, ehe noch mehr Blut fließt.« Das belustigte Schnauben entfernt sich, als ich ihm einen Tritt verpasse und er aus meinem Gesichtsfeld verschwindet. Sein Keuchen hält jedoch nicht lange genug an, sodass ich mich nur kurz auf die Ellenbogen stützen und zurückblicken kann: Die Holzkonstruktion, die das Zelt gehalten hat, ist zusammengekracht, Teile der Planen stehen in Flammen. Scheiße, wieso tut niemand was? Da sind nur andauernde Kämpfe, Schreie, Hitze und das Aufwölben von am Boden liegenden Stoffbahnen, weil darunter jemand um sein Leben kämpft.
Ich muss wenigstens versuchen ihnen beizustehen, Hilfe zu holen, was auch immer … Doch dazu kommt es nicht.
Mit einem Sprung hockt sich Alick auf mich. Seine Knie bohren meine Oberschenkel in die Steinplatte unter mir und sein Gesicht schiebt sich vor meins.
»Wen suchst du, Cail? Verrate es mir. Deinen Kobold-Fan oder die kleine Hexe, die bei deiner Heldentat ganz weiche Knie bekommen hat? Hast du jetzt ein Herz für Gesindel?«
Unvermittelt rammt er mir seine Handflächen gegen die Schultern und ich knalle nach hinten; mein Kopf schlägt auf. Ich könnte schwören, dass mein Schädel bricht. Alles dreht sich. Obwohl der Schmerz auszuhalten ist, bin ich kurz orientierungslos.
Aber dann begreife ich es. Der Kobold war kein Zufall. Lenn war meinetwegen sein Ziel. Vermutlich hat Alick uns zusammen gesehen und der Streit mit ihm war provoziert, weil er dachte, er könnte so mich treffen. Dass ich mich um Lenns armseliges Leben gekümmert habe, war ihm der Beweis, dass der Kobold mir nicht egal ist.
Verdammt.
Und die Hexe?
Scheiße.
Im letzten Moment sehe ich Alicks Hand nach vorn schießen, die mich vermutlich in die Realität zurückohrfeigen will.
Ich bin schneller.
Meine Finger schließen sich ruckartig um die seiner Rechten und ziehen sein Handgelenk zu mir heran. Dann beiße ich zu. Mein Cousin weiß sofort, dass ich vorhabe ihn zu schwächen, und rammt mir seine freie Faust in die Rippen. Aber es nützt nichts. Ich öffne meine Lippen noch weiter und trinke sein scheußliches Blut. Zunächst einen Schluck, der zu wenig ist, dann einen zweiten, den ich im Mund behalte und erst ausspucke, als Alick seine Gegenwehr aufgeben muss.
»Hör auf!!«, herrsche ich ihn an.
Weil ich noch nicht genug getrunken habe, leistet er Widerstand. Er zerrt an seinem Handgelenk, das ununterbrochen blutet, doch mein Griff ist fest und stärker als er.
Schließlich zeigt der Blutverlust Wirkung. Alicks Augen sprühen vor Wut und zucken lebendig, während er von mir runterkippt und in der Bewegung gefriert. Sein Kiefer mahlt angestrengt und er hebt das Kinn mit letzter Kraft, aber mehr, als zu demonstrieren, dass ihm zuwider ist, was ich gerade getan habe, kann er nicht.
Ich nutze seinen schwachen Moment und springe auf, taumle die nächsten Meter zu einer Steckdose und reiße dort ein Kabel ab. Wieder zurück, binde ich Alick damit Handgelenke und Füße zusammen. Nicht sehr fachmännisch, aber stramm.
Ich will gerade dazu ansetzen, endlich den anderen zu helfen, da fegt eine Druckwelle über das Gelände und alles wird still. In mir wird es still, auf dem Platz wird es still und das Stöhnen und Wimmern, das qualvolle Jammern und der Kampf an der Schwelle zum Tod verstummen. Die Flammen ziehen sich zurück, bis nur noch ihr Ruß sich in der Luft kräuselt und den Nachthimmel schwarz färbt. Die aufgescheuchten Vögel am Rande des Waldes kommen zur Ruhe und setzen ihre Krallenfüße mit leisem Kratzen um die Äste eines Baumes. Und noch etwas ist in der Stille zu hören: Schritte.
Mindestens drei Paar Füße, die im Gegensatz zu allen anderen nicht innegehalten haben, da sie mit Magie zur Ruhe gezwungen wurden. Noch bevor die Universitätsleitung den Platz betritt, setzt Gemurmel ein, erheben sich Lichtpunkte in die Luft, welche die Szenerie erleuchten, steigen Trümmerteile und Stofffetzen auf, die Studenten unter sich begraben hatten, und machen das Ausmaß des Ganzen sichtbar. Es ist noch schlimmer als erwartet und die von uns, die nicht verletzt oder bewusstlos sind, stecken ganz schön in der Scheiße.
»Zum Himmel, was ist hier passiert?«
Die hagere Frau, die gesprochen hat, sieht erschüttert aus. Ich erkenne sie von einer Wandtafel aus dem Foyer wieder. Sie ist eine Hexe und als eine von vier Dekanen der Academy für ihr Volk zuständig. Neben ihr laufen die halb so hohe Dekanin der Kobolde und der Feendekan. Der Platz für den Leiter der Vampire, zugleich Rektor der Fakultät, war auf dem Plakat leer geblieben, ebenso fehlt er nun beim Eintreffen der Obersten, was am kürzlichen Wechsel der Leitung liegen kann.
»Kaum hier und schon so verdorben«, drückt auch die Koboldin ihr Entsetzen aus. »Es ist eine Schande. Sie sind allesamt eine Schande, sage ich, für die gesamte magische Welt.«
»Das gehört bestraft!«, ruft der Feenvertreter voller Entsetzen, doch das Wimmern der Verletzten übertönt seine Worte.
»Da stimme ich dir zu, Alistair. Dennoch sollten wir uns in Ruhe besprechen, wenn der Rat vollständig ist. Zunächst müssen wir uns um die Verletzten kümmern. Die Heiler sind da.«
***
Die meisten Studenten konnten noch vor Ort versorgt oder zur Behandlung auf die Krankenstation der Academy gebracht werden. Darunter auch Lenn, der schon wieder Witze gemacht, insgesamt aber noch geschockt gewirkt hat. Ich schätze, so eine Nahtoderfahrung haut selbst das sonnigste Gemüt um.
Die Hexe habe ich aus den Augen verloren, aber sie war zumindest nicht unter den Schwerverletzten, die zur Versorgung mitgenommen werden mussten. Seltsamerweise erleichterte es mich, vor allem, da heute Morgen das Gerücht die Runde machte, dass einige von ihnen die Nacht gerade so überlebt hätten.
Obwohl mein Hinterkopf etwas abgekriegt hatte, lehnte ich die Hilfe der Heiler dankend ab. Meine Selbstheilungskräfte als Vampir würden die Sache in den nächsten Tagen erledigt haben.
Ich frage mich noch immer, wie die Situation derart eskalieren konnte. Ob es nicht besser gewesen wäre, stattdessen im Gebäude zu bleiben. Pflichtveranstaltung hin oder her. Zumindest wäre dann das Zelt heil geblieben und die Quetschungen und Verbrennungen einiger Erstsemester würden nun nicht auf meinen Schultern lasten. Auch wenn Alick mich angegriffen hat und ich mich nur verteidigt habe, fühle ich mich für sie verantwortlich. Und ich hasse es. Es war nicht meine Entscheidung, hier zu sein. Keine Wahl, die ich hatte.
Genauso wenig habe ich jetzt die Möglichkeit, auf meinem Zimmer zu bleiben. Stattdessen werden alle Anwesenden des Vorabends zu einer Hauptversammlung einberufen.
Die Stimmung ist trotz des drohenden Nachspiels noch immer aufgeheizt. Die Völker bleiben im Atrium der Academy unter sich, die Blicke, die sich begegnen, sind feindselig und schuldzuweisend. Obwohl ich mich im hinteren Bereich aufhalte, wo ich mit überschlagenen Beinen an einer Säule lehne, spüre ich sie besonders – und auch das Anklagen, das Verurteilen, die gemurmelten Flüche. Fast niemand hat gesehen, dass ich Lenn aus der Schusslinie gebracht habe, die meisten jedoch haben Alick und mich mit den Augen verfolgt, bevor das Unheil über ihnen zusammenbrach. Hoffentlich bringen wir das Ganze hier schnell hinter uns, tun Buße bis in alle Ewigkeit und den Rest der Zeit das, was von uns verlangt wird: studieren.
Ich entdecke Alick in der vordersten Reihe; er sieht sich nach etwas um. Oder nach jemandem. Denn als ich die Hexe in den Reihen ihrer Artgenossen ausmache, bleibt auch sein Blick dort haften. Dann dreht er sich um und findet mich, ohne gesucht zu haben.
»Ein hübsches Ding, nicht wahr?«, sagt er grinsend in meinem Kopf. »Komm nach vorn, dann riechst du, was ich rieche. Betörend.« Er schließt die Augen voller Genuss und ich wünschte, er würde sie nie mehr öffnen.
Die Hexe hat seinen Blick bemerkt und fühlt sich merklich unwohl. Das lässt sie jedoch nicht den Platz wechseln.
Über uns befindet sich eine Galerie, deren Zugang sich nun öffnet und die Universitätsleitung erscheinen lässt. Sie sind noch immer nur zu dritt, aber immerhin stelle ich erleichtert fest, dass niemand von ihnen Trauerkleidung trägt.
Das heißt, alle haben überlebt.
Die Oberste der Kobolde tritt heran. Sie kann zunächst kaum über die Brüstung sehen, steigt dann jedoch auf eine Erhöhung und erlangt so die Aufmerksamkeit aller.
»Der Vorfall gestern Abend hat mehreren Studenten beinahe das Leben gekostet. Einige schweben noch immer in Gefahr, sich nicht mehr zu erholen, andere sind so schwer verletzt, dass sie das Studium abbrechen müssen und nur mit intensiver Magiebehandlung überhaupt die Möglichkeit haben, je wieder gesund zu werden.«
Noch mehr Schuld in allen Gesichtern.