Sphärenharfe - Manfred Ehmer - E-Book

Sphärenharfe E-Book

Manfred Ehmer

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Beschreibung

Sphärenharfe – dies ist ein exquisiter Lyrikband, der aus einer intensiven Beschäftigung mit den Traditionen der westlichen Esoterik und Mythologie erwachsen ist. Er enthält im ersten Teil eine Sammlung von lyrischen Gedichten, die teils Naturgedichte sind, teils transzendentale Erfahrungen zum Ausdruck bringen. Im zweiten Teil enthält der Band eine Reihe von esoterischen Kunstmärchen, im dritten Teil inspirierte Texte wie etwa ein Grals-Evangelium, Botschaften des Erzengels Sandalphon und ein Mysterienspiel in Anlehnung an das Märchen von Eros und Fabel. Man muss sich von diesem Gedichtband verzaubern lassen!

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Manfred Ehmer

Sphärenharfe

Gedichte, Märchen, meditative Texte

Inhaltsverzeichnis

Gedichte

Märchen

Sandalphon

Der Heilige Gral

Eros und Fabel

Gedichte

Mysterium Unicornis

Wasserlilien wenden ihre Nachtschattenblätter um,

Eulen breiten Traumschwingen im Sternenlicht aus,

Flamingos tauchen ihre Schnäbel in den Fluss,

Um des Stromes Silberreflexe zu erhaschen.

Der Mond ergießt sich in die samtblaue Nacht

Wie ein Wasserfall in endlosen Kaskaden des Lichts,

Und Nebel von Jasminduft liegt in der schweren Luft:

Das ist des Einhorns Nachtgarten;

Hier weidet es, inmitten summender Insekten,

Von Spinnwebträumen liebkost.

Im Herzen des Waldes ward das Einhorn geboren,

In den schweigenden Räumen der Bäume wuchs es auf,

Bewacht von Winden und leichtfüßigen Schatten.

Heil Dir, Einhorn, Gott des Wissens!

Wie ein dunkler Geist an den Rändern des Bewusstseins

Bleibst Du uns als ein Nachtschatten der Seele.

Sind meinem Einhorn über Nacht Flügel gewachsen?

Der Mond hat sich in tiefschwarze Wolken gehüllt,

Doch auf den verborgenen Pfaden des Regenbogens

Kommt sein Gesandter, das Einhorn, daher:

Lichtpunkte glitzern auf seiner Mähne.

Das Einhorn hütet mancherlei Geheimnisse – :

Geheimnisse des Dschungels und des Mondlichts,

Wie kristallene Labyrinthe auf dem Grunde des Meers.

Hast Du je die Nähe des Einhorns verspürt? –

Berührte Dich die Kühle seiner silbernen Haut?

Spürtest Du den sanften Hauch seines Drachenatems?

Schautest Du dem Spiel seiner tänzelnden Hufe zu?

Und hast Du ihm je in die samtblauen Augen geschaut,

In jene Märchenaugen, in denen sich Welten spiegeln?

Das Einhorn kam in die Welt als das Erste aller Wesen,

Mit Milchglasflügeln landete es wie ein seidener Geist

Auf den felsigen Vorgebirgen der Schöpfung.

Aufrecht steht es in den Winden der Dämmerung,

Der Himmel voll von düsteren Drachenwolken,

Vom Lichte niedergehender Kometen sanft erhellt.

Einhörner stehen im weiten Weltenraum wie Fixsterne;

Dichtgedrängte Reihen von Einhörnern bewachen,

Wie Anthrazit-Statuen die Eckpunkte des Universums;

Machtvoll erglänzen die in Bronze gegossenen Flanken,

Sternenlicht umhüllt die silbernen Hörner.

Das Einhorn steht einsam wie ein Eiskristall im All;

Auf- und abwärts bewacht es die Kanäle der Zeit,

Denn Vergangenheit und Zukunft fallen ineins

In des Einhorns Gegenwart. Wächter ist es,

Das die Stille des Ungekannten bewahrt.

Wenn dann die Tempel bersten und die Erde erbebt,

Und die Sterne in dunkle Räume des Vergessens fallen,

Dann wird ein Einhorn aus den Kataklysmen brechen;

Und es wird wie ein Feuerross über den Himmel jagen:

Das ist das Einhorn der Apokalypse – :

In feurigen Purpurwolken wird es erscheinen,

Wenn der Jüngste Tag anbricht.

Denn es ist ein Engel der Dunkelheit und des Lichts;

Seine Sanftheit ist die eines milden Sommerregens,

Doch sein Horn bringt die Helle des Blitzes,

Wenn es aus purpurnen Schatten der Dunkelheit tritt;

Das Einhorn ist zugleich ein Wesen der Morgenschöne

und ein Schrecken der Mitternacht ….

Merlin

Ich bin Merlin, und ich bin so alt wie die Erde selbst,

Denn ich bin ein Teil der kosmischen All-Intelligenz.

Man nennt mich auch Myrddyn, den Harfner,

Und ich bin der Sänger des Ewigen Liedes —

Der Barde Gottes.

Vor Urzeiten sah ich, wie die Erde einst

Aus Feuerwirbel und Glutmasse erstarrte,

Wie die Kontinente sich hoben,

Die Weltmeere sich sammelten —

Wie eine Dunstatmosphäre sich bildete,

Unter immerwährendem Blitzezucken.

Ich sah die Erde in ihrer ersten Geburtsstunde —

Denn zu den Elohim, den schöpferischen Urgeistern,

Die einst das Machtwort "Es werde Licht" sprachen,

Gehöre auch ich.

Anrufung

des Großen Bären

Eiszeit war's, kalt ruhte die nebelverhangene Welt;

Ödnis herrschte, und der Polarwind sang sein Lied.

Sein Lied wehte über die namenlose Steppe hinweg,

Und es brach sich an den Bergen der Einsamkeit,

Die in der Ferne glänzten, von Gletschern gekrönt.

Wie eine Kristallglocke wölbte sich der Nachthimmel,

Und oben prangte das Sternbild des Großen Bären,

Der Himmels-Wagen. Da war es dem Urmenschen,

Als ob ein Funke des Mensch-Seins in ihm erwachte;

Anbetend hob er die Hände zum Himmel und sprach:

Großer Bär, Du leuchtendes Himmels-Tier,

Der Du mit stummen Sternenaugen auf die Erde blickst,

Ewig nur kreisend um den Nordstern in der Mitten,

Du zottiges Urgetier, aus Sternenstoff gewoben,

Steige herab, Geist des Großen Bären,

Denn wir rufen Dich, die Jäger der Urzeit:

Senke Dich herab in schweigender Polarnacht,

Erfülle uns mit einem Hauch Deines Wesens!

Mitternachtssonne

Unter dem magischen Schein der Mitternachtssonne verschwimmt die ganze weißverschneite Welt der Arktis zu einem goldenen, silbernen und scharlachroten Traum.

Entfernte Berge schweben am Himmel wie verzauberte Städte, und an bewölkten Tagen ist der schneebedeckte Boden mit dem verschneiten Himmel zur Einheit verschmolzen:

Sie bilden dann eine einzige, mystisch gleißende Leere, in der keine Horizontlinie Himmel und Erde mehr trennt.

Geheimnisvolles Traumland unter der Mitternachtssonne, Tor zu einer verbotenen Welt nie geschauter Wunder.

Im Lichte des Regenbogens

Schwarze Regenwolken, hochaufgetürmte Luft-Gebirge,

Bedrohlich, tiefschwarz – was schwebt uns da heran?

Des Donners Stimme kündigt sein Nahen an,

Und noch spannt sich kein Regenbogen am Himmel,

Sein Ende aufzuzeigen: der Regen! –

In Wolken-Luftschiffen zieht er über die Himmelsweite,

Und muss doch immer wieder erdenwärts streben:

Ein Netz von Silberfäden, im Himmel gesponnen,

Tauverströmend niederrinnend, erdenwärts,

Die Tränen einer Göttin vielleicht,

Unablässig Bäume und Wiesengrund benetzend.

Regen strömt herab auf die Wälder Albions.

Wie die Quellen sprudeln!

Wie die Sturzbäche schwellen!

Nebel webt Netze rinsgumher.

Gischt steigt vom Boden auf.

Keine Tropfen fallen mehr. Stille kehrt wieder ein.

Und in der Ferne spannt sich der Regenbogen,

Vielfarbig irisierend, wie ein Traumgespinst.

Einst galt er als Brücke zu fernen Götter-Reichen.

Kennt Ihr das Land am andern Ende des Regenbogens?

Das Licht-Reich der Unsterblichen?

Das Auge der Nacht

Wo bist Du nur geblieben, du glutheiße Sonne,

Sonne der sengenden Mittagshitze?

Sag, wo bist Du geblieben? Versinken seh‘ ich Dich,

Verlöschen im dunkelrot glutenden Farbenmeer,

Im unhörbaren Sphärengesang.

Gewichen ist die gleißende Helle des Mittags,

Und im Westen steht der Abendstern am Himmel –

Weggenosse verlöschender Sonnenglut,

Vorbote kommender Nachtmeer-Tiefen.

Tore zur Nacht öffnen sich,

geheimes Elfenleben erwacht,

Mitternachts-Mund schweigt noch,

Wartend, kommender Zukunft harrend.

Denn jetzt sprichst Du, heilige Abendstunde,

Zeit des Zwielichts und der Dämmerung,

Da müssen Mittag und Mitternacht schweigen!

Verklungen ist das Abendlied,

Das ich sang im Zwielicht der Dämmerstunde,

In abendlicher Stille ist es dahingegangen.

Und aus Welten-Tiefen steigt die Nacht herauf,

Alles umfangend im Schleier samtblauer Dunkelheit.

Die Welt gründet in dunklen Tiefen.

Wer hat je ihre Tiefen ausgelotet?

Wer hat je das Senkblei

In ihre Abgründe hinabgeführt?

In Welten-Abgründe!

Die Welt ist tief, tiefer noch, als Ihr wähnt,

Ihr Hellen, Mittäglichen, lichtklare Taggestalten!

Habt Ihr je hineingeblickt in diesen Welt-Grund,

Der tief ist wie ein bodenloser Brunnen,

Der unentwegt fließt, hochstrebt zur Tageshelle, –

Habt Ihr je hineingeblickt in das Auge der Nacht,

In dieses dunkle Welten-Auge? –

Nacht, Du sternenflammendes Äthermeer,

Aufgespannt über die Weite des Himmels,

Funkelnde Pracht myriadenfacher Sternenheere!

Nacht, Du stiller Abgrund, in den wir versinken:

Nacht der flüsternden Quellen und Bäume!

All Eure Harfen mögen schweigen in dieser Nacht,

Denn heilige Stille will sich verbreiten,

Und sie singt ihr Mitternachts-Lied!

Mystische Nacht, Du schwarzgeflügelte Göttin,

Trag uns empor zu den Gipfeln des Geistes!

Ewige Geheimnis-Nacht, Fülle der Dunkelheit,

Lass uns eintauchen in Deinen mystischen Ozean!

Denn Deine Dunkelheit ist uns eine Fülle des Lichts;

Deine Nacht-Tiefen sind uns höchste Gipfel-Höhen,

Oh Du namenloser Himmels-Abgrund der Nacht!

Vor Tagesanbruch

Lang hielt uns die Nacht umfangen, lang harrten wir aus im Schoß tiefer samtblauer Dunkelheit.

Nun aber: welch ein Flüstern in den Bäumen, Quellen, Gräsern, welch ein geheimes Regen überall – vor Tagesanbruch!

Dämmert nicht im Osten schon silberhell der Morgenstern? Mühvoll bahnt sich dein Licht den Weg, um die Finsternis zu überwinden – oh mein Morgenstern!

Wie einsam leuchtest du am rötlich gefärbten Osthimmel, öffnest die Tore des kommenden Tages – oh mein Morgenstern!

Du stiller Vorbote des großen feurigen Licht-Ozeans im Osten, des Sonnenballs, der sich noch gebären will!

Den feurigen Sonnen-Rossen, die im Osten heraufziehen werden, diesen Zug-Pferden aufgehender Sonne, ihnen eilst du voran –

Oh mein Morgenstern!

Hymnus an die Große Mutter

Heil Dir, Große Mutter, du wasserdurchfunkelte!

Tauglänzende Göttin, von schattigen Wäldern umdunkelte!

Ich grüße Dich, Erdmutter, Du alles Leben Tragende,

Du mit beschneiten Berggipfeln weithin Ragende!

Du Sonnenumkreisende, im Reigen sich Schwingende,

Tanzende! Lächelnde! Im Sphärenklang Singende!

Heil Dir, Große Mutter, Du von Weltmeeren umspülte,

Du Waldige, Baumreiche, nächtlich schattengekühlte!

Quellreiche Göttin, duftende, blütenumschwebte,

Von Berggeistern, lieblichen Nymphen durchwebte!

Verehrung sei Dir, Du herrlich wolkenumkränzte,

Du mit Gold- und Kupferadern durchglänzte!

Heil Dir, Große Mutter, Du Vielarmige, Vielbenamte,

Vom Mond umkreiste, vom Sternhimmel eingerahmte!

Sei Du unsre Wohnstatt, die heimische, traute,

Die von Städten und goldtürmigen Tempeln bebaute.

Du am Weihrauch sich Labende, im Himmel Thronende,

Du ewig im höchsten Lichtäther Wohnende!

Anrufung der vier Winde

Geister des Ostens, Kinder des Euros,

Heranstürmend aus fernen Nebelreichen,

Im Zwielicht des Morgensterns eingehüllt:

Seid bei uns mit Eurer Zaubermacht!

Geister des Südens, des Notos Genossen,

Mit glutheißem Feueratem wie Vulkane

Uns gleißende Mittagshitze schenkend:

Seid bei uns mit Eurer Zaubermacht!

Geister des Westens, wirbelnde Zephire,

Frühlingbringende Wolken herantreibend,

Aus fernem glückverheißendem Westland:

Seid bei uns mit Eurer Zaubermacht!

Geister des Nordens, Söhne des Boreas,

Über gefrorene Steppen, kristallne Seen

Und hohe eisgekrönte Berge brausend:

Seid bei uns mit Eurer Zaubermacht!

Hymnus an die vier Elemente

An das Wasser

Quelle des Lebens, heiliges Wasser,

Entsprungen dem Schoß der Göttin Erde,

Steigst Du an das Licht des Tages,

Sprudelnd in Quellen und Grotten,

Schäumend in wilden Sturzbächen,

Wogend im Wellenschlag des Meeres,

Ewig und immerwährend fließend,

Im Kreislauf der Jahreszeiten.

Ihr Wesenheiten des Wassers,

Ihr Quellgeister und Flussgötter,

Schar der Nixen und Undinen,

Geisterhaft webend in Wasserfluten,

Wir grüßen Euch, Ihr Unsterblichen!

Die Ihr im Reich des Wassers wohnet,

Seid uns stets gütig gewogen.

An die Luft

Atem des Lebens, Ströme der Luft,

Schwerelos himmelwärts schwebend,

Im höchsten Lichtäther wohnend,

In Zaubergebilden aus Wolken und Luft,

Allesdurchdringend mit göttlichem Odem.

Ihr Schwarm der tanzenden Sylphen,

Umschwebt uns mit heimlichen Schleiern,

Umtost uns im Chor der heulenden Stürme,

Auf Sturmrossen über den Himmel reitend,

Wolken hoch auftürmend zu Himmelsburgen.

Heil Euch, Ihr unsterblichen Sylphen!

Ihr Luftgeister und Wolkengötter,

Wir entbieten Euch den Friedensgruß!

Dass Ihr immerzu gewogen seid

Dem sterblichen Menschengeschlecht!

An die Erde

Heiliger Erdengrund, der uns trägt,

Keimtragende fruchtbare Erde,

Die Du aller Dinge Mutterschoß bist,

Der gegenwärtigen und der zukünftigen;

Die Du ungezählte Schätze in Dir birgst,

Gold und Edelsteine, wohlbehütet

Von den Geistern des Mineralreiches;

Die Du aller Menschen Heimstatt bist,

Geheiligt seist Du uns immerdar.

Ihr vielgeschäftigen Gnome und Zwerge,

Die Ihr in den Erdentiefen wohnt,

In Höhlungen und Felsgeklüften,

Als Hüter unterirdischer Schätze

Und kunstfertige Schmiedemeister,

Seid wohlgesinnt dem Menschengeschlecht!

An das Feuer

Heiliges Feuer, Flamme des Lebens,

Geboren aus des Urfeuers Kraft,

Und aus der Kraft des Weltenäthers:

Wärmendes und Verzehrendes,

Schützendes und Verheerendes,

Allgewaltig im Geben und im Nehmen,

Teil des großen ‚Stirb und Werde!‘.

Ihr tätigen Wesenheiten des Feuers,

Ihr Salamander und Vulkan-Geister,

Die Ihr im Kienspan, in der Kerze lebt,

In der Fackel auch und im Flächenbrand:

Wir rufen Euch an und wir bitten Euch:

Seid wohlgesinnt den Sterblichen,

Und wendet zum Guten die Kraft des Feuers

Und immer zum Wohle der Menschheit!

An den Mond

Ein Sonett

Mit Deinem Glanz hast Du die Nacht erhellt:

Durch Wolkenmeere zieht Dein Angesicht.

Und in den Quellen spiegelt sich Dein Licht,

Ein sanfter Abglanz der astralen Welt.

Du hast uns unter Deinen Bann gestellt:

Des Mondes Zaubermacht, die niemand bricht,

Aus tiefsten Seelengründen zu uns spricht,

Mit Ahnungen und Träumen uns befällt.

Und der Gezeiten wechselvolle Macht

Ziehst Du geheimnisvoll in Deinen Bann;

So manchen Wahrtraum hast Du uns gebracht.

Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan:

Wir schweben durch die blaue Äther-Nacht

Und kommen in der Monden-Sphäre an.

Auf dem Alten Friedhof

Ein Sonett

Der Friedhof träumt. Und auf vergessnen Grüften

Wächst Efeu, dichtes Immergrün und Gras.

Die Namen, die ich auf den Gräbern las,

Sind weggeflogen wie ein Hauch von Lüften.

Und über Grabgewölben, Steingeklüften,

Ergießt der Mond sein Licht so silberblass.

Aus Blumenbeeten, taubenetzt und nass,

Entströmt ein leiser Hauch von Frühjahrsdüften.

Ich sehe Blütenstaub im Wind verwehn;

Der fällt verwelkt und falb zum Boden nieder.

Muss alles Lebende denn untergehn?

Und aus den Gräbern klingen Jenseits-Lieder.

Doch alles Sterben ist ein Auferstehn:

Was starb, kehrt immerfort ins Leben wieder.

Ode an Orpheus

Sapphische Ode1

Mit der Kunst der himmlischen Lyra ziehst Du

Heimlich alle Sterblichen in den Bannkreis

Deiner mystisch klingenden Sphärentöne,

Göttlicher Orpheus.

Scheue Geister, Nymphen geweihter Haine,

Treten aus dem Schatten der Lorbeerbäume,

Und zum Klang der Leier des Sängers Orpheus

Tanzen sie Reigen.

Und des Waldes Tiere, sie lauschen reglos;

Selbst das Herz Proserpinas, Hades‘ Gattin,

Wie ein Stein, erstarrt im kristallnen Erdreich,

Lässt sich erweichen.

Mensch, Du Abbild kosmischer Harmonien,

Gleichst Du nicht der Leier des Sängers Orpheus?

Wenn ein rechter Barde Dich kunstvoll anrührt,

Klingen die Saiten.

Ein Brunnen-Gedicht

Als ich aus Nebelwiesen langsam aufwärts stieg,

Und, oben angekommen, seitlich in den Waldweg bieg‘,

Da tritt, unwirklich wie ein fernes Traumgesicht,

Ein Brunnen plötzlich aus dem grünen Dämmerlicht,

Von Bäumen und Gezweig ganz überschattet.

Ich bleibe stehen, bin schon leicht ermattet.

Doch auf dem Brunnen thront, ganz unversehrt,

Ein Reh aus Bronze, doch von Grünspan angezehrt.

Ein Rinnsal gießt sich in den runden Brunnengrund,

Der daliegt wie ein großer schweigender Orakel-Mund,

Aus dem es manchmal sprudelt, spuckt und gluckt;

Das Reh mit seinen toten Bronze-Augen guckt

Mich unablässig an, als wollt‘ es sagen:

Du wirst mich, Wanderer, gewiss nicht jagen.

Ich bin ein Bronzebild nur, stehe hier

Als dieses Brunnens Schmuckwerk und Gezier.

Verzückung

Da sitze ich, im Lichtmeer versunken.

Über mir: ein einsamer Silberzacken-Stern,

Ein Blitz aus der Wolke der Wahrheit.

Oh vielgezackter Silberstern-Blitz,

Sternschnuppe göttlichen Feuers,

Auf dem Nachthimmel meines Geistes!

Mein Geist, reglos wachend. Über mir:

Still der Mondhof meiner Ekstase.

Getaucht in ein Meer stummen Lichts.

Die mystische Rose

Mystische Rose, die auf den Gipfeln des Seins erblüht,

Göttliches Urbild, das kein sterbliches Auge sieht,

Rubinrote Rose, leuchtend in purpurner Farbenglut,

Flammendes Wunder, verströmend tiefrotes Rosenblut,

Ewige Rose in Gott, entfernt und auf immer entrückt,

Schau der Ekstase, die den Geist des Verzückten bestrickt,

Gipfel der kühnsten Visionen, die jemals ich sah,

Erblühend im Herzen, entrückt und dennoch so nah,

Rose, erstrahlend so rot wie die Sonne in Flammenglut,

Totlos, sich ewig erneuernd aus mystischem Rosenblut,

Unsterblich blühend: kein Altern, Welken, kein Tod,

Oh mystische Rose – oh Wunder in feurigem Rosenrot!

Heilige Stille

Stille! – Ich sehe ein Äthermeer rollen,

Droben im göttlichen Licht! – –

Stille! Es schweigt der Verstand, alles Wollen,

Vor diesem Traumgesicht ….. 2

Stille! Ein mystisches Sternengefunkel

Zeigt sich mir wieder, –

Und Lichtglanz, erhellend Weltendunkel,

Senkt sich hernieder…..

Stille! Zu Großes, um wirklich zu sein,

Tritt in mich hinein;

Es schweigt der Verstand, der Eigenwille,

So nichtig! So klein!

Wer hat die wogenden Geistgestalten

Im Urlicht droben gesehn?

Wer könnte dies Traumbild für immer behalten?

Zu schön wärs! Zu schön!

Auf dem Urmeer

Weißt Du es noch? Wie einstens wir gefahren

Gemeinsam über abgrundtiefes Meer?

Wir standen da, mit sturmdurchwehten Haaren;

Die Urzeit-Welt war unbewohnt und leer.

Weißt Du es noch, wie klar die Sterne waren?

Sternschnuppen sahn wir staunend hinterher.

Und feuersprühend kam ein Meteor gefahren,

Versank verglühend in dem Urzeit-Meer.

Kennst Du sie noch, die Sphärenwelten,

Die wir gemeinsam geist-entrückt geschaut?

Aus Licht, mit dem wir unsre Nacht erhellten,

Warn diese Geisteswelten aufgebaut.

Weißt Du es noch, wie wir seitdem gegangen

Durch Zeiten, Erdenleben ungezählt?

Wie wir, von lichter Ewigkeit umfangen,

Uns selber immer wieder neu erwählt?

Silbermond

In des Silbermonds Reich,

Da wuchsen mir Lichtäther-Flügel,

Mit denen flieg ich, dem Schmetterling gleich,

Über feenbewohnte Hügel.

In des Silbermonds Reich,

Da sah ich Traumwelten entstehen,

Gesichte, Visionen, und ich sah sie sogleich

Wie Schimären im Dunstlicht vergehen.

In des Silbermonds Reich,

Da erschienen mir liebliche Frauen.

Sie gingen wie Schemen, Gespenstern gleich,

Über taubenetzte Auen.

In des Silbermonds Reich,

An sumpfigen Ufergestaden,

Da sah ich nachts, wenn der Mond so bleich,

Undinen im Quellgrund sich baden.

In des Silbermonds Reich,

Dem nebligen, regennassen,

Da sah ich Luftschlösser, Traumbildern gleich,

Und ich sah sie im Mondlicht verblassen.

Chor der Hesperiden

An des Weltmeeres Strudeln, wo Geysire sprudeln,

Und die Welt ihren Abendtraum träumt,

Lag einst unser Reich, Paradiesen gleich,

Von smaragdgrünen Wellen umschäumt.

In diesen Gefilden, voller Zaubergebilden,

In des Mondes silbernem Schein,

Stand abgeschieden, bewacht von Hesperiden,

Ein den Göttern geweihter Hain.

Doch die Goldene Zeit der Unsterblichkeit

Ist anderen Zeiten gewichen:

Es klagen die Nymphen, in entseelten Sümpfen,

Dass die alten Götter verblichen.

Des Meers Wirbeltiefen, die uns zu sich riefen,

Die nahmen uns mit sich fort,

Die Welt ist vergreist, wie von Gletschern vereist,

Und der Garten der Götter verdorrt.

In des Meeres Abgründen, da könnt Ihr uns finden,

Da singen wir noch unser Lied,

Das wie von Sirenen, mit sphärischen Tönen

Rings um den Erdglobus zieht.

Denn was wir auch klagen, Luftgeister tragen

Die Worte bis an Euer Ohr.

Und in weiteste Fernen, zu den Polkreises Sternen,

Dringt unser klagender Chor.

Zauberland

Ich sehe oft ein Land in meinen Sehnsuchts-Träumen;

Das liegt wie eine Insel im kristallnen Meer.

Es leuchtet dort, wo gischtgekrönte Wellen schäumen,

Gleichwie ein Ätherbild mir aus der Ferne her.

Ich höre oft ein Lied aus fernen Weltenräumen;

Das dringt mit Silberflügeln heimlich an mein Ohr.

Es klingt, bin ich erwacht aus meinen Träumen,

Noch nach und bleibt lebendig wie zuvor.

Ich sehe oft ein Antlitz auf dem Meeresgrunde,

Ein Frauenbild, das blickt mich an so klar und rein.

Es spiegelt sich zu jeder Zeit, zu jeder Stunde,

In meinem Geist und prägt sich meinem Herzen ein.

Ich sende meinen Geist in längst vergangne Zeiten,

Ins Ursprungs-Paradies, wo einst Atlantis lag.

Ich wandre durch Äonen schon seit Ewigkeiten;

Und neu erschaffe ich mich jeden neuen Tag!

Shambhala

Himalaya. Steingebauter, hochragender Götterwille.

Zart-violettes Licht. Ein kristallnes Meer der Stille.

Diamant-Licht, das glitzert in tausend Schneekristallen,

Gespiegelt auf Zinnen, Türmen, eisblitzenden Hallen.

Shambhala. Welten-Auge in tief dunkler Brahma-Nacht,

Das gütig über die Menschheits-Entwicklung wacht.

Lichtburg Shambhala, aus reinem Geist-Feuer gebaut.

Im Äther schwebend. Wie ein Traumbild geschaut.

Wanderer, der Du nach fernen Berggipfeln strebst,

Die Welt ist nur Maya, solange Du in ihr lebst.

Doch wenn Du erwacht bist, dann siehst Du ganz nah

Den Lichtpfad der Seele, den Weg nach Shambhala.

Tempel des Geistes

Tretet ein! Ihr Schiff-Fahrer auf dem Meer der Zeit.

Ihr Weltenwanderer. Die Ihr Sterngeborene seid.

Tretet ein in den heiligen Bambus-Hain,

Taghell im goldgelben Vollmond-Schein.

Tretet ein in ägyptische Tempel-Gefilde,

In große gotische Kathedralen-Gebilde.

Tretet ein in den heiligen Shinto-Schrein!

Spiegel sollt Ihr des göttlichen Geistes sein!

Tretet ein in den großen Menschheits-Traum,

In den Geistes-Tempel, jenseits von Zeit und Raum.

Tretet ein! Ihr Tropfen im Meer der Unendlichkeit.

Inseln des ewigen Jetzt im Strom der Zeit

Ein heiliges ‚Ich bin’

Am Webstuhl sitze ich, jenseits von Raum und Zeit,