Spiritualität in der Psychotherape -  - E-Book

Spiritualität in der Psychotherape E-Book

0,0

Beschreibung

Echte Psychotherapie beginnt mit der Auseinandersetzung und Auflösung, das heisst, mit der Integration der persönlichen Geschichte, und schafft somit den gesunden Boden eines Menschen und seines Lebens. Danach führt er sie natürlicherweise in die Spiritualität, ins Erwachen für Einheit und für die Magie des Lebens. Dies schafft den Himmel, ermöglicht erst wirkliches Ankommen als Wesen und im Sein. Dieses Buch enthält alle Vorträge und Erfahrungsberichte während des Kongresss Spirtualität in der Psychotherapie, der vom 2. - 4. Juni 2017 in Lüsslingen-Nennigkofen, Schweiz, stattfand. Er wurde veranstaltet von Avanti, der Internationalen Ärztegesellschaft für Echte Psychotherapie und Alternative Psychiatrie, in Zusammenarbeit mit WWMM, World Wide Magic Movement im Rahmen der TTSU, der Therapeutisch-Tantrisch-Sprituellen Universität.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 131

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dritter internationaler Kongress

für Echte Psychotherapie, Psycholyse und Alternative Psychiatrie

2.–4. Juni 2017

Internationale Ärztegesellschaft für Echte Psychotherapie und Alternative Psychiatrie

In Zusammenarbeit mit dem World Wide magic Movement

Avanti, Grossmatt 296, CH-4574 Lüsslingen

www.aerztegesellschaft-avanti.org

www.world-wide-magic-movement.org

Eine Veranstaltung der

Therapeutisch-Tantrisch-Spirituellen Universität

In Nennigkofen-Lüsslingen, Schweiz

für Therapeuten, Patienten, Experten, Betroffene und alle Interessierten

www.kongress-echte-psychotherapie.org

„Wenn die Spiritualität aus der Psychotherapie ausgeschlossen bleibt,

wird diese nicht wirklich Heilung bewirken."

„Echte Psychotherapie beginnt mit der

Auseinandersetzung und Auflösung,

das heisst, mit der Integration der persönlichen Geschichte,

und schafft somit den gesunden Boden eines Menschen und seines Lebens.

Danach führt er sie natürlicherweise in die Spiritualität,

ins Erwachen für Einheit und für die Magie des Lebens.

Dies schafft den Himmel,

ermöglicht erst wirkliches Ankommen

als Wesen und im Sein."

„Die Spiritualität beginnt im Becken.

Die spirituelle Praxis ist keine neue Methode,

sondern besteht im Überwinden aller Methoden.

Spirituell orientierte Menschen setzen auf Einsicht,

nicht auf Glauben."

„Wenn uns Menschen etwas noch retten und wieder vereinen kann,

wird es eine spirituelle Wissenschaft

beziehungsweise eine säkularisierte1 Spiritualität sein.

Die spirituelle Einstellung strebt nicht nur nach Einsicht,

sondern auch nach einem ethischen Handeln

aus dieser Einsicht."

„Auch wer spirituell ist, stirbt am Ende.

Spiritualität schützt nicht vor dem Tod."

Inhaltsverzeichnis

Begrüssung – von Kasia Weidenbach

Vorträge

Was ist Spiritualität...? –von Samuel Widmer

Spiritualität beginnt im Becken – von Kasia Weidenbach

Spiritualität in der Echten Psychotherapie –von Sebastian Weidenbach

Der magische Traum als konkreter Ausdruck von Spiritualität –von Danièle Nicolet Widmer

Spirituelle Krisen – von Anne Lehnerer

Vishnu träumt ein Universum – eine Choreographie des Staunens – von Helena Gemmel und Claudia Pölderl

Erfahrungsberichte

Führt künstlerisches Tun in der Kunsttherapie zu Erleuchtung? –von Astrid Hochbach

Spiritualität und Selbsterkenntnis in der Bildungsarbeit – von Ursula Meyer

Echte Psychotherapie führt in die Spiritualität – von Beatrix Frey

Begrüssung – von Kasia Weidenbach

Ich freue mich sehr, euch heute nun schon zum dritten Internationalen Kongress für Echte Psychotherapie, Psycholyse und Alternative Psychiatrie, diesmal unter dem Titel „Spiritualität in der Psychotherapie", begrüssen2 zu dürfen.

Das Thema steht schon seit zwei Jahren fest, seit dem letzten Kongress zum Thema „Tantra". Weil es ein wichtiges Thema ist, auch ein weiteres Tabuthema, wenn man es mit Psychotherapie in Verbindung bringt. Als wichtigen Gegenpol zum Thema Tantra und auch als Herausforderung für uns selbst, da wir wie die meisten Menschen dazu neigen, uns zu viel und zu lange mit uns selbst und mit Beziehungen zu beschäftigen, anstatt weiterzugehen auf eine neue Ebene.

Nun ist im Januar unser liebster Freund und Lehrer, unser Herz, Samuel gestorben und davongeflogen ins Unermessliche. Es ist ein grosses Loch zurückgeblieben. Und auch eine grosse Dankbarkeit für alles, was er war und hinterlassen hat. Er hatte diesen Kongress noch mit auf den Weg gebracht und sogar seinen Vortrag schon fertiggeschrieben. Die Samuel-Gita, die er ebenfalls noch vollendet hat, wird uns in diesen Tagen begleiten und inspirieren. Heute Abend werden wir einen neuen Film über sein Leben und Wirken sehen. Und morgen Abend werden wir noch einmal zusammen Abschied nehmen in einem besonderen Abschiedsritual.

Samuel ist gegangen. Als Wesen ist er aber noch da und auch seine Visionen, die unsere gemeinsamen Träume sind, bleiben lebendig. Die Ärztegesellschaft Avanti, die diesen Kongress organisiert hat – natürlich wieder mithilfe des World Wide Magic Movements WWMM und der Kirschblütengemeinschaft – ist eines der vielen Projekte, die ihm besonders am Herzen lagen.

Avanti hat das Erbe der SÄPT3 und des ECBS4 angetreten und ist den Weg weitergegangen, den diese beiden Organisationen, die Samuel mitgegründet hat, nicht gehen wollten oder konnten, nämlich der Öffnung für das Grosse, das Neue, für die Liebe. Das war Samuels Traum und den werden wir gemeinsam weiterträumen! Vor allem im Inneren, in der Stimmung der Einheit unter uns. Und in unserem Mut, die Evolution der Menschheit an vorderster Front weiter voranzutreiben.

Samuels Tod hat nicht nur ein Loch zurückgelassen, sondern auch einen Raum geöffnet. Dadurch bekommt die spirituelle Dimension und die Frage, ob wir einen Zugang dazu haben, eine neue, besondere Dringlichkeit und Bedeutung. Nur wenn wir einen Zugang zu dieser neuen Dimension finden, finden wir auch ihn, sein Wesen und seine Energie.

Wo diese Dimension ist, was sie ausmacht, wie man sie sucht oder findet und was das mit Echter Psychotherapie zu tun hat, werden wir in diesen Tagen zusammen erforschen. Ich hoffe, dass wir danach mit tiefen Einsichten, neuen Erkenntnissen, vor allem aber mit einem direkten Erleben, einem Gefühl dafür wieder in unser Leben zurückkehren werden.

Ich möchte euch einladen, in Momenten der Stille, die es zwischen den vielen Programmpunkten hoffentlich auch geben wird, auf das, was hinter den Dingen liegt, zu lauschen, euch berühren zu lassen vom Grossen. Das kann jeder und jede für sich tun, um sich mit der anderen Dimension zu verbinden. Noch schöner wäre es, wenn wir es gemeinsam tun würden, wenn wir Einheit wirklich entdecken und spüren könnten und darin zusammen sein.

Dazu möchte ich noch jemand anderen zu Wort kommen lassen, der uns die passenden Worte als Inspiration für unseren Kongress an diesem Pfingstwochenende geschenkt hat.

(Filmausschnitt von Samuel Widmers Vortrag am Symposium „Zusammen Leben" 2016: Über das Pfingstwunder)

2 Dieses Buch folgt der schweizerischen Rechtschreibung ohne ß.

3 Schweizerische Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie

4 Europäisches Collegium für Bewusstseinsstudien

Vorträge

Was ist Spiritualität...? – von Samuel Widmer

... und die intellektuelle Redlichkeit des Thomas Metzinger?

Was ist Spiritualität?

Würde man jeden Menschen hier danach fragen, bekäme man wohl viele verschiedene und vor allem vage und unklare Antworten. Kaum ein Begriff, den ich in meinem Wortschatz führe, ist so diffus und auch für mich wenig fassbar und klar definiert wie der Begriff Spiritualität.

Natürlich bezeichnen wir damit eine Haltung oder Einstellung, die mit unserer Einsicht in das Wesen des Ungetrenntseins von allem zu tun hat, mit der Erkenntnis, dass alles eins und aus Liebe gemacht ist. Aber auch die Begriffe Tantra oder Psycholyse brauchen wir für dieselbe Lebenssicht und für die Praxis der Lebensführung, die sich für uns daraus zwingend ergibt.

Deshalb war ich ganz glücklich, im letzten Jahr auf ein Buch und einen Menschen dahinter zu stossen, die für mich sehr stimmige Gedanken zu diesem Thema vorzulegen wissen. Mit seiner gesamten Philosophie mag ich an anderen Stellen auch in Widerspruch stehen, aber die Ausführungen zum Wesen der Spiritualität, wie er sie im Nachwort zu seinem Buch umreisst, finden in mir ein volles Ja und bringen eine gewisse Genauigkeit in das vermeintlich Ungenaue, das diesen Lebensbereich üblicherweise umgibt. Ich will sie daher hier zur Einleitung ins Thema zusammenfassen und kommentieren.

Thomas Metzinger, ein Philosoph und Leiter des Arbeitsbereichs Theoretische Philosophie und der Forschungsstelle für Neuroethik an der Universität Mainz, gilt weltweit als einer der profiliertesten akademischen Philosophen der Gegenwart. In seinem Buch „Der Ego Tunnel"5 definiert er Spiritualität als das Gegenteil von Religion. Er sieht die heute verbreitete Spiritualität als eine im Kern epistemische, das heisst, erkenntnistheoretisch auf ein bestimmtes Erkenntnisziel, auf ein bestimmtes Wissen ausgerichtete Einstellung des spirituellen Menschen, also eine Einstellung, die auf Wissen beruht, das allerdings beim spirituellen Sucher auf Erkenntnis ausgerichtet ist und die nicht theoretisch, sondern praktisch gewonnen wird.

„Spirituelle Personen wollen wissen, nicht glauben", sagt er. „Es geht ihnen um eine erfahrungsbasierte Form von Erkenntnis, die mit innerer Aufmerksamkeit, Körpererfahrung und der systematischen Kultivierung bestimmter veränderter Bewusstseinszustände zu tun hat." Der Inhalt der Erkenntnisziele richte sich auf Befreiung und Erleuchtung und werde als spezielle Form der Selbsterkenntnis beschrieben, meint er, einer Selbsterkenntnis, die reflexiv auf das eigene Bewusstsein gerichtet sei. Es gehe dabei um die Bewusstheit als solche unter Auflösung der Subjekt-Objekt-Struktur und jenseits der Erste-Person-Perspektive.

Auf Metzingers Einstellung zu veränderten Bewusstseinszuständen und damit zur Psycholyse als spirituellem Hilfsmittel werden wir am Schluss des Vortrags noch zu sprechen kommen.

„Ist spirituelle Praxis eine Methode oder vielmehr das Loslassen aller Methoden? Erfordert sie Anstrengung oder ist sie anstrengungslos? Woran kann man echten Fortschritt erkennen? Und lassen sich Illusionen, Wahnvorstellungen oder Selbsttäuschung davon unterscheiden?", benennt er die Fragen, die spirituelle Sucher umtreiben. Ethische Integrität, das im Verhalten beobachtbare ernsthafte Streben nach einer prosozialen, ethisch stimmigen Lebensweise, wird als Kriterium für die Beantwortung dieser Fragen benannt. Bezüglich des angestrebten Wissens, des Inhalts der Erkenntnisziele von Spiritualität gäbe es allerdings aus wissenschaftlicher Sicht wenig zu sagen, da es sprachlich kaum mitteilbar oder argumentativ begründbar sei. Es gehe also bei der mit Spiritualität verbundenen Meditationspraxis um ethische Integrität durch Selbstwissen, um eine radikale, existenzielle Form von Befreiung durch Selbsterkenntnis sowie um Schulung und Selbstvervollkommnung. Die spirituelle Einstellung strebt also sowohl nach Erkenntnis wie auch nach Ethik. „Die spirituelle Einstellung ist eine Ethik des inneren Handelns um der Selbsterkenntnis willen", fasst Thomas Metzinger zusammen.

Interessant ist, dass Thomas Metzinger als Wissenschaftler und akademischer Philosoph Jiddu Krishnamurti als einen der grössten nicht-akademischen Philosophen des letzten Jahrhunderts erkennt und würdigt. Er sieht ihn als absoluten Klassiker in einem möglichen Fach „Theorie der Meditation".

Krishnamurti akzeptierte die Unbestechlichkeit des Selbst als die einzige Spiritualität. Unbestechlichkeit sieht denn auch Metzinger als „semantischen Kern eines wirklich philosophischen Begriffs einer säkularisierten Spiritualität", die er anstrebt; Unbestechlichkeit gegenüber den Vertretern von Glaubenssystemen, die Meditation an irgendeine Theorie binden wollen, Unbestechlichkeit auch gegenüber den rein ideologischen Formen des rationalistischen Reduktionismus, die alle nicht-wissenschaftlichen Formen des Erkenntnisgewinns diskreditieren möchten, vor allem aber auch Unbestechlichkeit gegenüber sich selbst, die von allen Theorien und Vorstellungen unabhängig bleibt.

„Was heisst es aber, unbestechlich, vor allem auch sich selbst gegenüber nicht korrupt zu sein?", fragt er. Gibt es einen solchen „inneren Anstand", eine klar benennbare geistige Qualität der Redlichkeit? Denn diese müsste die Grundlage für eine ethische Integrität bilden, welche als Kriterium für die Beantwortung der vorgenannten Fragen dienen könnte.

Intellektuelle Redlichkeit definiert er als die Haltung, einfach nicht bereit zu sein, „sich selbst etwas in die Tasche zu lügen". Er bringt sie in Zusammenhang mit „Anständigkeit, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit", mit einem „inneren Anstand", und nennt sie „eine konservative Weise, wirklich subversiv zu sein". Intellektuelle Redlichkeit, ist er überzeugt, ist das, was Vertretern der organisierten Religionen und allen Theologen fehle. Intellektuelle Redlichkeit, weiss er, bedeutet, dass man „nicht vorgibt, etwas zu wissen oder auch nur wissen zu können, was man nicht wissen kann, dass man aber trotzdem einen bedingungslosen Willen zur Wahrheit und zur Erkenntnis besitzt", und zwar vor allem auch, wenn es um die Erkenntnis seiner selbst geht.

Es geht also auch um moralische Integrität. In der Spiritualität geht es genauso wie in der Wissenschaft beim „Ideal des vernünftigen, rationalen Denkens", um „eine Ethik des inneren Handelns um der Erkenntnis willen" mit dem Ziel der „Erhöhung von geistiger Autonomie". Darum ist eine spirituelle Einstellung nicht von einer wahrhaft wissenschaftlichen zu trennen. Wir selber sprechen daher im Zusammenhang mit Spiritualität gerne von der intuitiven Wissenschaft, wie sie C. G. Jung seinerzeit genannt hat, die sich nur auf das eigene Erleben und dessen redliche Beurteilung stützen kann.

Metzinger beruft sich bei seinen Ausführungen zur Spiritualität beziehungsweise deren Verbindung zur intellektuellen Redlichkeit neben Krishnamurti unter anderem auch auf Immanuel Kant, der festhielt, dass es um „die Lauterkeit der Absicht, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein" gehe. Für Kant ist intellektuelle Redlichkeit „der innerste Kern des Moralischen überhaupt", „die Essenz des Willens zur ethischen Integrität". Er nennt sie „die Idee des sittlich Guten in seiner ganzen Reinigkeit" und erinnert uns mit der Aussage, dass „der Mensch als moralisches Wesen sich selbst gegenüber zur Wahrhaftigkeit verpflichtet ist", daran, dass echte Spiritualität nicht nur viel mit Wissenschaft, sondern überdies mit einem strengen, altmodischen Rationalismus zu tun hat, der konservativen Weise, wirklich subversiv6 zu sein, wie sie Metzinger benennt und wir es auch immer gesehen haben. Metzinger erinnert in diesem Zusammenhang auch an moralische Begriffe Kants, mit denen dieser Unredlichkeit zu fassen versuchte. Er sprach von „innerer Lüge" und versteht sie als „blosse Ermangelung von Gewissenhaftigkeit".

Auch auf Nietzsche kann sich Metzinger abstützen, für den intellektuelle Redlichkeit „das Gewissen hinter dem Gewissen" bildete. Nietzsche sieht, dass „der Wille zur Wahrhaftigkeit in seiner höchsten Form" uns erlaubt, „der Tatsache ins Auge zu schauen, dass wir radikal sterbliche Wesen" sind und alle diesbezügliche Selbsttäuschung zu überwinden, also „das Wahnhafte und die systematische Endlichkeitsverleugnung" in unserem Selbsterkennen abzulegen.

Zur Unterscheidung zwischen Religion und Spiritualität beruft sich Metzinger schliesslich auf den Philosophen William Kingdon Clifford. Er verurteilt mit dessen Hilfe den klassischen Standpunkt organisierter Religion im Gegensatz zu dem der Spiritualität. Den Fideismus, den reinen Glaubensstandpunkt, für den es legitim ist, an Überzeugungen nicht nur ohne positive Argumente dafür, sondern selbst angesichts starker Gegenargumente dagegen, festzuhalten, versteht er als „Verweigerung jeder ethischen Einstellung zum inneren Handeln", als „Mangel an innerem Anstand" und damit als psychische Krankheit. Denn es geht in ihm um „vorsätzliche Selbsttäuschung, um systematisches Wunschdenken oder auch um Paranoia". Die Redlichkeit der Spiritualität erkennt Metzinger im Gegensatz dazu als eine Form „geistiger Gesundheit", als „intellektuelle Integrität" an.

Metzinger schreibt: „Wenn man sich in vollständiger Abwesenheit positiver theoretischer oder praktischer Gründe gehen lässt und es sich gestattet, einfach an einem bestimmten Gauben festzuhalten, dann hat man also die ganze Idee einer Ethik des inneren Handelns bereits aufgegeben. Man lehnt das Projekt der intellektuellen Redlichkeit ab, man verweigert auf der Ebene des eigenen Geistes nicht nur die Rationalität, sondern auch die Moralität. Damit verändern sich aber nicht nur die eigenen Meinungen und Überzeugungen, sondern letztlich verliert auch die Person als ganze ihre Integrität. Und das ist es, was ich am Anfang damit meinte, dass intellektuelle Redlichkeit das ist, was Theologen und die Vertreter der organisierten Religion aller Art einfach nicht haben können. Vielleicht hat dieser Satz zunächst nach billiger Polemik oder Provokation um der Provokation willen geklungen. Es geht aber um einen einfachen und klaren sachlichen Punkt, nämlich das «Prinzip der Selbstachtung« – also darum, dass man seine Würde und seine geistige Autonomie nicht verliert. Vor allem betrifft diese Aussage natürlich nicht nur die traditionellen Kirchen, sondern auch einen sehr grossen Teil der so genannten «spirituellen Alternativkultur»: Vieles, was in den letzten Jahrzehnten in Europa und Amerika entstanden ist, hat seinen fortschrittlichen Impuls lange verloren. Es stabilisiert heute nur noch den Status quo, zeichnet sich durch infantile Selbstgefälligkeit und grobe Formen der intellektuellen Unredlichkeit aus. Wenn man ernsthaft an der Frage nach der Möglichkeit einer säkularisierten Spiritualität interessiert ist, muss man alle relevanten empirischen Daten und alle möglichen Gegenargumente in Betracht ziehen. Der Philosoph William Clifford hat im Jahre 1877 über Leute, die das nicht tun, Folgendes gesagt: «Wenn jemand vorsätzlich das Lesen von Büchern und die Gesellschaft anderer Menschen, die kritische Fragen aufwerfen, vermeidet, dann ist das Leben dieser Person eine einzige lange Sünde gegen die Menschheit.»"

Der Klärung bezüglich Redlichkeit beziehungsweise der Borniertheit, wie sie die Anhänger von Glaubenssystemen kennen, geht Metzinger nach, indem er sich redlich den klassischen philosophischen und spirituellen Fragen „Existiert Gott?", „Gibt es ein Leben nach dem Tod?" und „Gibt es so etwas wie Erleuchtung?" stellt und zur redlichen Antwort findet, dass wir darüber nichts wissen und nichts wissen können.

Obwohl ich auch damit einverstanden bin, kann ich seiner Argumentation bezüglich dieser Fragen nicht vollumfänglich folgen. Darin bleibt er mir zu intellektuell und zu beschränkt. Dass jemand für eine tiefere Sicht nicht erwacht ist, kann er meiner Meinung nach nicht als Begründung dafür anführen, dass es dieses Tiefere nicht gibt. Doch darauf wollen wir hier nicht näher eingehen. Ich hoffe, dass dies im Laufe der Tage andere in ihren Beiträgen tun werden.

Metzinger sieht Religion als „die vorsätzliche Kultivierung eines Wahnsystems", „die dogmatische und fideistische7 Verweigerung einer Ethik des inneren Handelns", „Spiritualität dagegen", ist für ihn, „die epistemische Einstellung, bei der es um Erkenntnis geht". Deshalb betrachtet er Spiritualität als das Gegenteil von Religion.