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Die Presse berichtet regelmäßig von Verfehlungen in großen Sportorganisationen. Ursache hierfür kann eine fehlende Sport Governance sein. Das Buch stellt die Theorie der Sport Governance vor und beschreibt konkret Strukturen sowie rechtliche, regulatorische und ethische Aspekte. Zudem geht es u. a. auf Stakeholding und Compliance ein. Herausforderungen lässt es nicht außer Acht.
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Frank Daumann / Florian Follert / Lev Esipovich / Malte Schurade
Sport Governance
Theorie, Praxis, Herausforderungen
UVK Verlag · München
Dr. Frank Daumann ist Professor für Sportökonomie und Gesundheitsökonomie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Dr. Lev Esipovich ist Lehrkraft für besondere Aufgaben am Lehrstuhl für Sportökonomie und Gesundheitsökonomie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Dr. Florian Follert ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, an der Privatuniversität Schloss Seeburg.
Malte Schurade ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportökonomie und Gesundheitsökonomie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Umschlagabbildung: © demachi · iStock
© 2024 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
DOI: https://doi.org/10.36198/9783838561929
© UVK Verlag 2024— Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung
utb-Nr. 6192
ISBN 978-3-8252-6192-4 (Print)
ISBN 978-3-8463-6192-4 (ePub)
Fini, Arno und Heiner Abdulsowie S. & the Little Monstersgewidmet
Sport als soziales Phänomen umfasst sowohl die körperliche Betätigung von Amateuren im engen Umfeld als auch den Genuss einer professionellen Unterhaltungsdienstleistung im Stadion. Hinter beiden Ausprägungen des Sports befinden sich ausdifferenzierte institutionelle Strukturen. Dabei zeigt sich, dass die Kommerzialisierung des Sports mit einem teilweise noch recht amateurhaften institutionellen Gefüge abgewickelt wird, das nicht nur für Ineffizienzen, sondern auch für Unregelmäßigkeiten anfällig ist, was an manchen Korruptionsphänomenen in der Verbands- und in der Vereinswelt deutlich wird.
Das Themenfeld Sport Governance adressiert diese Problembereiche: Es setzt sich aus einem positiven und einem normativen Bereich zusammen. Ersterer umfasst die Beschreibung und die Analyse der Strukturen und Prozesse, die eine Sportorganisation einsetzt, um ihre strategischen Ziele festzulegen, ihre Leistung anhand dieser Ziele zu überprüfen und zu gewährleisten, dass die Leitung im besten Interesse der eigenen Mitglieder erfolgt. Der normative Bereich der Sport Governance besteht aus der technologischen Nutzung der Erkenntnisse, die im positiven Bereich gewonnen werden, zur Sicherstellung einer effektiven Funktionsweise und zweckmäßigen strategischen Ausrichtung von Organisationen des Sports.
Mit diesem Lehrbuch soll Studenten, Praktikern und Interessierten das Themenfeld der Sport Governance erschlossen werden. Wir hoffen, dass dieses Buch dazu beiträgt, ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen und Möglichkeiten in der Sport Governance zu entwickeln und auf diese Weise einen positiven Beitrag zur Weiterentwicklung dieses Bereichs zu leisten.
Anstoß für die Entstehung dieses Lehrbuchs war die Einführung des Masterstudiengangs Sport Governance an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und die im Rahmen der Vorlesungen dieses Studiengangs geführten fruchtbaren Diskussionen mit den Studenten, denen an dieser Stelle besonders für ihr Interesse gedankt werden soll. Besonderer Dank gilt zudem Rick Hölzel, der die Formatierungsaufgaben übernommen hat.
Wir wünschen dem geneigten Leser viel Freude bei der Lektüre und freuen uns über entsprechende Anregungen.
Jena und Seekirchen am Wallersee, im Sommer 2024
Frank Daumann
Lev Esipovich
Florian Follert
Malte Schurade
AEUV | Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AO | Abgabenordnung
ANOC | Association of National Olympic Committees
AntiDopG | Gesetz gegen Doping im Sport
AVMD | Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste
BGB | Bürgerliches Gesetzbuch
BGW | Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
BJKS | Rat für Bildung, Jugend, Kultur und Sport der Europäischen Union
BSI | Bundesverband der Sportartikelindustrie
CEO | Chief Executive Officer
CMS | Compliance-Management-System
COB | Chairman of the Board
DFB | Deutscher Fußball-Bund
DFL | Deutsche Fußball-Liga
DIS | Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit
DOSB | Deutscher Olympischer Sportbund
DLV | Deutscher Leichtathletik-Verband
EK | Europäische Kommission
ENGSO | Europäischer Dachverband der Nichtregierungsorganisationen im Sport
EOC | Europäische Olympische Komitees
EP | Europäisches Parlament
EPO | Erythropoetin
EU | Europäische Union
EuG | Gericht der Europäischen Union
EuGH | Europäischer Gerichtshof
e. V. | eingetragener Verein
FGRC | Football Governance Research Centre
FIA | Fédération Internationale de l’Automobile
FIFA | Fédération Internationale de Football Association
FINA | Fédération Internationale de Natation
GG | Grundgesetz
GWB | Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HGB | Handelsgesetzbuch
IBA | International Boxing Association
IOC | International Olympic Committee
ISCA | International Sport and Culture Association
KPI | Key Performance Indicator
LSK | Landessportkonferenz
MLB | Major League Baseball
MLS | Major League Soccer
MLL | Major League Lacrosse
MStV | Medienstaatsvertrag
NADA | Nationale Anti-Doping Agentur
NIE | New Institutional Economics
NFL | National Football League
NGO | Non-Governmental Organisation
NPO | Non-Profit-Organisation
NS | Nationalsozialismus
NWSL | National Women's Soccer League
OECD | Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OLG | Oberlandesgericht
SMK | Sportministerkonferenz
SRI | Stanford Research Institute
TAFISA | Trim and Fitness International Sport for All Association
UCI | Union Cycliste Internationale
UEFA | Union of European Football Associations
UN | United Nations
UNO | United Nations Organisation
UWG | Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
VSA | Vereinigung Sportsponsoring-Anbieter
WADA | Welt-Anti-Doping-Agentur
WHO | Weltgesundheitsorganisation
WNBA | Women’s National Basketball Association
WTA | Women’s Tennis Association
Lernziele | Nach diesem Kapitel sind Sie in der Lage,
die Rahmenbedingungen und Entwicklungen, mit denen Sportorganisationen gegenwärtig konfrontiert sind, zu erläutern,
die Begriffe Sport, Governance und Sport Governance zu definieren,
den Unterschied zwischen Governance und Management zu erklären,
die der Governance zugrundeliegenden Perspektiven und
die Themen, die durch die einschlägige Forschung besetzt werden, zu beschreiben.
Wie bereits angeklungen soll in diesem Kapitel zum einen kurz auf die Rahmenbedingungen eingegangen werden, denen sich Sportorganisationen aktuell ausgesetzt sehen. Zum anderen sollen die für die Thematik maßgeblichen Begriffe erläutert werden.
Der Handlungsspielraum und das Verhalten von Sportorganisationen werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst (Hoye & Cuskelly, 2007, S. 19):
Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen,
die staatliche SportpolitikSport, Politik und das Ausmaß der Verflechtung von Staat und Sportorganisationen (Neokorporatismus),
die Regulierungen übergeordneter SportorganisationenSport, Organisation,
die Zielsetzungen und die Marktmacht verschiedener StakeholdergruppenStakeholder1 sowie
das Ausmaß des WettbewerbsWettbewerb auf den verschiedenen für die Sportorganisationen relevanten Märkten.
Gegenwärtig sehen sich Sportorganisationen einer Vielzahl äußerer Einflüsse ausgesetzt, aus denen besondere Herausforderungen für ihre Leitung resultieren. Diese Einflüsse können in Anlehnung an Ferkins, Shilbury und McDonald (2005) nach dem Aggregationsgrad in Makro- und Mikro-Einflüsse differenziert werden. So können auf der Makro-EbeneMakro-Ebene insbesondere die folgenden Entwicklungen benannt werden:
Die zunehmende Komplexität des einschlägigen Rechtsgefüges,
die sich verändernden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen,
politische Instabilitäten, die vor allem durch die COVID-19-PandemieCOVID-19-Pandemie (insbesondere 2020–2022) und militärische Auseinandersetzungen in den Randbereichen Europas (insbesondere ab 2022) befördert werden, sowie
eine zunehmende öffentliche und mediale Wahrnehmung in allen Handlungsfeldern sowie die damit einhergehende Verbreitung von Informationen und Meinungen.
Auf der Mikro-EbeneMikro-Ebene lassen sich die folgenden Sachverhalte identifizieren:
Eine rückläufige Bereitschaft, ein ehrenamtliches EngagementEhrenamt zu übernehmen,
Variety-SeekingVariety-Seeking – also die Wechselbereitschaft trotz Zufriedenheit – als zentrales Konsummotiv und damit eine abnehmende Bindungsbereitschaft breiter Bevölkerungsschichten,
höhere Erwartungen an die QualitätQualität seitens der Nachfrager, Mitglieder und Partner von Sportorganisationen sowie
zunehmend ausdifferenzierte Anforderungen der StakeholderStakeholder, die oftmals unvereinbar sind.
Als besondere Herausforderungen des ManagementsManagement von Sportorganisationen sind daher die folgenden Sachverhalte zu nennen:
Probleme bei der Beschaffung notwendiger finanzieller und personeller RessourcenRessourcen auf allen Ebenen (Haupt- und EhrenamtEhrenamt),
eine fehlende strategische Ausrichtung,
ein pyramidenförmiger Aufbau, der eine demokratische Entscheidungsfindung nur begrenzt zulässt,
Defizite bei der Besetzung des Vorstandes (unzureichende Bewerberlage, mangelnde fachliche Eignung),
fehlende Transparenz bei der Entscheidungsfindung in Verbindung mit dem Auftreten politischer Machtkämpfe sowie
mangelhafter Umgang mit den Dysfunktionen des Sports (Doping, Match Fixing etc.).
Den Inhalt des Begriffs SportSport zu verorten, stellt sich notgedrungen als schwierig heraus. In der Alltagsprache werden dem Phänomen Sport häufig Eigenschaften wie körperliche Bewegung, Leistungsvergleich resp. Wettbewerb, ein sportartspezifisches Regelwerk und die Unproduktivität zugeordnet (Daumann, 2023, S. 20–23). Nun zeigt sich aber, dass manche Sportarten wie etwa Darts oder Schach lediglich ein geringes Maß an körperlicher Bewegung erfordern. Ebenso lässt sich ein Leistungsvergleich nicht bei allen sportlichen Betätigungen feststellen: So tritt dieser im Rahmen des Gesundheits- oder Fitnesssports kaum auf. Auch explizite oder implizite Regelungen fehlen manchen sportlichen Betätigungen, wenn man etwa an den ungebundenen Freizeitsport wie das frühmorgendliche Joggen denkt. Und insbesondere im Leistungssport wird oftmals ein Produkt – eine Unterhaltungsdienstleistung – hergestellt, die sich mitunter gut vermarkten lässt. Mit anderen Worten: Es fällt schwer, eine befriedigende essentialistische Definition des Phänomens Sport zu geben.
Exkurs | Essentialistischer vs. nominalistischer DefinitionsansatzSport, Definitionsansatz
Aus essentialistischer Sicht hat eine Definition folgendes zu leisten: Sie muss das Definiendum, also das zu erläuternde Phänomen, erschöpfend durch das Definiens beschreiben. Hiergegen wird insbesondere von K. R. PopperPopper, Karl. R. (2003, S. 62) eingewendet, dass jede Beschreibung notgedrungen selektiv sei: „Es ist uns nicht möglich, ein ganzes Stück der Welt oder ein ganzes Stück der Natur zu beschreiben, ja nicht einmal das kleinste ganze Stück läßt sich beschreiben, denn jede Beschreibung ist notwendig selektiv“. Dem essentialistischen Ansatz, der nach dem Wesen der Entität fragt, steht der nominalistische Ansatz gegenüber, der sich rein auf die Semantik beschränkt (Popper, 1980). Demnach werden realiter vorgefundene Phänomene mit Begriffen versehen, um in erster Linie Aussagesysteme im Sinne von Ursache-Wirkungsbeziehungen bzw. von Ziel-Mittel-Beziehungen zu ermöglichen.
▶ Siehe hierzu Popper (1980; 1994; 2003).
Der Begriff GovernanceGovernance hat einen französischen Ursprung (gouverner, auf Deutsch: verwalten, leiten, erziehen). Fukuyama (2013, S. 350) definiert den Begriff aus politikwissenschaftlicher Perspektive als „[…] a government’s ability to make and enforce rules, and to deliver services […]“. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob die Regierung demokratisch legitimiert ist, oder nicht. In der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur wird Governance unterschiedlich definiert. Die Commission on Global Governance (1995, S. 2) versteht Governance als ein System aus Regelungen, nach dem Einzelpersonen und öffentliche bzw. private Organisationen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. Dieses System umfasst sowohl formelle Regelungen als auch informelle Vereinbarungen, mit denen das Handeln der beteiligten Akteure kanalisiert werden soll.
Mel Gill (2002) leuchtet den Begriff wie folgt aus: GovernanceGovernance umfasst Prozesse, Strukturen und organisatorische Traditionen, die kanalisieren, wie Macht ausgeübt wird, in welchem Umfang die Interessen der Stakeholder berücksichtigt werden und auf welche Weise die Entscheidungsträger zur Rechenschaft gezogen werden können.
Eine ähnliche DefinitionGovernance, Definition unterbreiten Hoye und Cuskelly (2007, S. 9): Demnach stellt Governance die Strukturen und Prozesse dar, die eine Organisation einsetzt, um ihre strategischen Ziele festzulegen, ihre Leistung anhand dieser Ziele zu überprüfen und zu gewährleisten, dass der Vorstand im besten Interesse der Mitglieder der Organisation handelt.
Das Business Dictionary (2016) füllt den Inhalt des Begriffs Governance wie folgt: Governance ist „establishment of policies, and continuous monitoring of their proper implementation, by the members of the governing body of an organization. It includes the mechanisms required to balance the powers of the members (with the associated accountability), and their primary duty of enhancing the prosperity and viability of the organization”.
Die dargelegten Definitionen des Begriffs verbinden damit hauptsächlich vier Bereiche:
StrategieStrategie im Sinne der Strategieentwicklung der Entscheider,
MachtMacht, hier verstanden im Sinne des Einflusses von Stakeholdern,
RegulierungRegulierung im Sinne der Einengung der Handlungsspielräume der Entscheider sowie
Kontrolle des Handelns der Entscheider.
Insgesamt kann man den Begriff GovernanceGovernance etwa wie folgt mit Inhalt füllen: Governance umfasst sämtliche institutionellen Arrangements einer Organisation, mit denen der Spielraum der Entscheidungsträger in einer Organisation insbesondere vor dem Hintergrund der Interessen der Stakeholder ausgestaltet wird und wie diese Entscheidungsträger für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden können.
Sport GovernanceSport, Governance stellt somit die Governance von Sportorganisationen – und hier in erster Linie von (privaten) Sportklubs und Sportverbänden auf allen Ebenen – dar. Ferkins, Shilbury and McDonald (2009, S. 245) definieren den Begriff wie folgt: Sport Governance ist „the responsibility for the functioning and overall direction of the organization and is a necessary and institutionalized component of all sport codes from club level to national bodies, government agencies, sport service organizations and professional teams around the world”.
Mit anderen Worten ist Sport Governance der Komplex der Sicherstellung der effektiven Funktionsweise und strategischen Ausrichtung, der als Kodifizierung handlungsleitend für Sportorganisationen auf allen Ebenen ist.
Der Unterschied zwischen GovernanceGovernance und ManagementManagement – letzteres verstanden als Organisationsführung oder -leitung – lässt sich wie folgt fassen: Während bei der Management-Theorie das „handelnde Steuerungssubjekt“ als zentral betrachtet wird, ist dies bei der Governance-Theorie die „RegelungsstrukturRegelungsstruktur“ (Mayntz, 2006, S. 16). Diesen Grundgedanken greifen auch Pechardscheck und Flis (2022) auf, die dem Management die Aufgaben Planen, Aufbauen, Ausführen und Überwachen zuordnen. Governance hingegen besteht aus den Aufgaben Überwachen, Evaluierenevaluieren und Lenken. Trotz der wichtigen Trennung bestehen Wechselwirkungen zwischen den Bereichen. Zudem muss sich die Effektivität von Governance und Management an den Zielvorgaben messen lassen. Dieser Sachverhalt wird in → Abbildung 1 deutlich.
Unterscheidung zwischen Management und Governance. | Quelle: Pechardscheck & Flis, 2022.
GovernanceGovernance lässt sich wiederum aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Henry und Lee (2004) unterscheiden die folgenden Perspektiven:
SystemicSystemic:
Hierbei geht es um den Wettbewerb, die Kooperation und die gegenseitige Anpassung zwischen Organisationen und Unternehmen oder politischen Systemen.
Political:
Diese Perspektive erfasst die Steuerung der Organisationen durch politische Institutionen.
Organizational:
Dieser Bereich bezeichnet die Fülle an normativen, ethisch begründeten Standards für das Verhalten von Führungskräften zwecks Erfüllung der auferlegten Organisationsziele.
Eine komprimierte Differenzierung in lediglich zwei Perspektiven liefern Shilbury und Ferkins (2020a):
Organizational GovernanceOrganizational Governance:
Hierbei steht die Tätigkeit der Leitung einer einzelnen Organisation im Fokus.
Systemic bzw. Network GovernanceNetwork Governance:
Dieser Begriff beschreibt das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Organisationen, die wiederum auf der gleichen oder auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein können (im Bereich des Sports wäre dies etwa das Zusammenspiel zwischen den Sportklubs, regionalen Sportverbänden, dem nationalen Sportverband, dem internationalen Fachsportverband und dem IOC).
King (2017) hingegen differenziert nach anderen Blickwinkeln:
GovernanceGovernance als Steuerungssystem:
Dieser Bereich umfasst die Strategieformulierung und -umsetzung durch das Management, den Einbezug der Erwartungen, die an das Management von Seiten der Stakeholder herangetragen werden, die Definition, Überwachung und Bewertung der organisatorischen Erfolge sowie die Rechenschaftslegung des Managements gegenüber den wichtigsten Stakeholdern.
Governance als NetzwerkNetzwerk:
Governance wird hier als Zusammenarbeit in Netzwerken verstanden. Transaktionen und Verhandlungen sowie deren Ergebnisse in Form formeller und informeller Vereinbarungen nehmen dabei eine zentrale Rolle ein. Besondere Bedeutung erlangt die Verteilung der Macht über das Netzwerk.
Governance als Good GovernanceGood Governance:
Bei dieser Perspektive treten ethische Maßstäbe (Rechenschaftspflicht, Transparenz, Korruptionsbekämpfung, Beteiligung der Interessengruppen) und die Einhaltung des rechtlichen Rahmens in den Vordergrund.
Hinsichtlich der Arten einer Organisation kann Corporate Governance von Non-Profit-Governance unterschieden werden. Corporate GovernanceCorporate Governance kann mit Welge und Eulerich (2021, S. 5) als „[…] der faktische und rechtliche Ordnungsrahmen von Unternehmen verstanden [werden], der eine gute und ordnungsgemäße Unternehmensführung, -kontrolle und -überwachung im Sinne aller Shareholder und Stakeholder gewährleistet und unterstützt“. Während sich dieser Bereich der Governance auf Organisationen bezieht, bei denen der Fokus regelmäßig auf der Gewinnmaximierung (Wöhe et al., 2020) liegt, hat letzteres gemeinnützige Organisationengemeinnützige Organisationen (NPO) zum Gegenstand, die primär nach der Realisierung von Sachzielen trachten. Nach King (2017, S. 47 f.) lassen sich zwischen dem Corporate Governance und dem Non-Profit-Governance die folgenden Gemeinsamkeiten identifizieren:
Es findet eine Verlagerung von vertikalen zu horizontalen Führungsmodellen resp. von Hierarchien zu Netzwerken statt.
Bei beiden lässt sich ein Druck zur Umsetzung von Good Governance (z. B. soziale Verantwortung, Rechenschaftspflicht, Transparenz) feststellen.
ComplianceCompliance hat eine hohe Bedeutung.
Der Messung von Leistung (finanziell, sportlich und sozial) kommt ein besonderer Stellenwert zu.
Die Rechenschaftspflicht wird durch einschlägige Rechnungslegungsvorschriften etabliert und kanalisiert.
Freilich gibt es auch erhebliche Unterschiede:
So unterscheidet sich der rechtliche Status der Organisationen.
Die Organisationen verfolgen in Abhängigkeit von ihren priorisierten Adressaten unterschiedliche Ziele.
Für die Leistungsmessung müssen unterschiedliche Indikatoren verwendet werden. In NPOs können nichtfinanzielle Ziele oftmals nur heuristisch operationalisiert werden.
In For-Profit-OrganisationenFor-Profit-Organisationen (FPO) erhalten die Mitglieder der Leitungsgremien ein Entgelt für ihre Tätigkeit. Bei Non-Profit-Organisationen üben viele Mitglieder der Leitungsorgane ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Dadurch entsteht die Herausforderung, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen bezahlten und ehrenamtlichenEhrenamt Mitarbeitern zu realisieren.
Ferkins, Shilbury und McDonald (2005) liefern ein hilfreiches Instrumentarium, um die unterschiedlichen Themenbereiche der Sport Governance zu strukturieren. Sie unterscheiden drei Themenkreise, die sie weiter differenzieren:
Entwicklung der Rahmenbedingungen von SportorganisationenSport, Organisation:
Die Rahmenbedingungen können wiederum nach Faktoren auf der Makro-Ebene (z. B. rechtliche Anforderungen, Forderungen der Stakeholder, Berichterstattung der Medien) und der Mikro-EbeneMikro-Ebene (z. B. Finanzierungsquellen, Anzahl der Mitglieder, Mitarbeit der Ehrenamtlichen) unterschieden werden.
Themenbereiche der eigentlichen Sport GovernanceSport, Governance:
Hierzu gehören etwa die Bereiche der kollaborativen Führung, die Motivationen des Boards, die Rollen des Boards sowie die Struktur desselben.
Governance-Fähigkeiten:
Dieses Feld umfasst neben den strategischen Dimensionen Leistung, Konformität (etwa bei der Umsetzung der Politik, der Rechenschaft usw.) und Politik (hier insbesondere deren Entwicklung sowie die Verteilung der Ressourcen) die operative Dimension, etwa die Häufigkeit der Zusammenkünfte des Leitungsorgans, die Beziehungen im Board, die Form der Durchführung seiner Zusammenkünfte sowie Beziehungen innerhalb des Gremiums.
Exkurs | Das Board of DirectorsBoard of Directors (Board)
In der Governance-Literatur nimmt der Begriff Board eine zentrale Rolle ein. In der anglo-amerikanischen Literatur bezieht sich dieser Begriff regelmäßig auf das sogenannte Board of Directors, das mit den Begriffen Verwaltungsrat oder Direktorium in die deutsche Sprache übertragen werden kann.
Beim Board of Directors handelt es sich um das oberste Leitungs- und Kontrollgremium von amerikanischen Kapitalgesellschaften, das von den Anteilseignern der betreffenden Gesellschaft gewählt wird. Zu den Aufgaben des Board of Directors gehören im Wesentlichen
die Festlegung und Überprüfung der Unternehmensstrategie,
die Überwachung der Unternehmensleitung,
die Bewertung der Risiken, die sich auf das Unternehmen auswirken können,
die Entscheidung über die Dividendenpolitik,
die Auswahl und Beurteilung des Führungspersonals einschließlich des CEO (Chief Executive Officer), der die operativen Geschäfte leitet, sowie
die Sicherstellung der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und ethischer Standards.
Bei den Mitgliedern des Board of Directors kann zwischen geschäftsführenden (executive) und nicht geschäftsführenden (non-executive) Mitgliedern unterschieden werden. Während die geschäftsführenden Mitglieder, die oft als Chief Officers bezeichnet werden, die operative Geschäftsführung des Unternehmens ausüben, sind die nicht geschäftsführenden Mitglieder des Boards vor allem beratend und kontrollierend tätig. Letztere üben ihr Amt nicht hauptberuflich aus und sind keine Beschäftigten des Unternehmens. Der Vorsitzende dieses Boards trägt regelmäßig den Titel Chairman of the Board (COB)Chairman of the Board (COB). Allerdings ist es auch denkbar, dass der CEOChief Executive Officer (CEO) zugleich Vorsitzender des Boards ist, was jedoch einer effektiven Überwachung im Wege steht.
Freilich können die spezifischen Befugnisse und Pflichten des Boards je nach Rechtsform und rechtlichem Umfeld variieren. Bei der amerikanischen Organstruktur handelt es sich um ein monistisches System der Unternehmensführung. Diesem steht das dualistische System gegenüber, das beispielsweise bei deutschen Kapitalgesellschaften gebräuchlich ist. Hier werden die Aufgaben zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat getrennt. So stellt der VorstandVorstand bzw. die GeschäftsführungGeschäftsführung das exekutive Führungsgremium dar und ist für die Führung der Geschäfte und die Umsetzung der Unternehmensstrategie zuständig. Der Aufsichtsrat, der lediglich bei Aktiengesellschaften verpflichtend vorhanden sein muss, fungiert als Kontrollorgan, das den Vorstand bzw. die Geschäftsführung überwacht und berät. Zudem wählt und entlässt der Aufsichtsrat die Mitglieder des Vorstands und entscheidet über grundlegende Unternehmensfragen. Fehlt ein Aufsichtsrat, so wird dessen Funktion durch die Gesellschafterversammlung wahrgenommen.
Bei eingetragenenVereine Vereineneingetragene Vereine (z. B. Sportvereine, Sportverbände) findet sich eine vergleichbare Organisationsstruktur: Der Vorstand ist das Leitungsorgan des Vereins und seine Mitglieder werden üblicherweise durch die Mitgliederversammlung gewählt. Der Vorstand umfasst regelmäßig einen PräsidentenPräsidenten, einen oder mehrere Vizepräsidenten und einen Schatzmeister; allerdings können die Bezeichnung der Positionen und die Struktur des Vorstands erheblich variieren. Die Mitgliederversammlung stellt das oberste Entscheidungs- und Kontrollgremium eines Vereins dar; sie wählt und überwacht den Vorstand, zudem entscheidet sie über grundlegende Vereinsangelegenheiten. Größere Vereine können über einen Aufsichtsrat verfügen, der ähnlich wie bei Kapitalgesellschaften die Tätigkeiten des Vorstands überwacht.
▶ Siehe hierzu:
Fechner, F., Arnhold, J. & Brodführer, M. (2014). Sportrecht. Stuttgart: UTB,
Magers, J., Eschenfelder, C. & Krause-Wichmann, L. (2022). Sustainable Corporate Governance. Aktienrechtliche Grundlagen einer nachhaltigen Unternehmensführung, Wiesbaden: Springer Gabler,
Mallin, C. (2019). Corporate Governance (6th ed.). Oxford: Oxford University Press, und
Tricker, B. (2023). The Practice of Corporate Governance. Boca Raton: CRC Press.
Erste Beiträge zum Thema Governance, ohne dass dabei der Begriff explizit Erwähnung findet, lassen sich bereits Mitte der 1980er-Jahre identifizieren. Folgt man den Untersuchungen von Ferkins, Shilbury und McDonald (2005) sowie Shilbury und Ferkins (2020a) beschäftigt sich die Forschung in diesem Bereich vor allem mit den folgenden Thematiken:
Bestimmung der RollenRollen im Governance-Bereich sowie Analyse der einschlägigen Motivationen:
In diesem Forschungsfeld werden etwa die Rolle und die Struktur der Leitungsgremien, die Motivation einzelner Mitglieder dieser Gremien sowie das Verhältnis zwischen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitgliedern thematisiert.
Verbesserung der ManagementprozesseManagementprozesse des Leitungsorgans:
Neben der Analyse von Sitzungen und Sitzungsagenden sind Dynamiken innerhalb des Gremiums Gegenstand dieses Forschungszweigs.
Hauptfunktionen des LeitungsorgansLeitungsorgane:
Hierbei stehen die Entwicklung einer StrategieStrategie, die Integration der verschiedenen StakeholderStakeholder sowie Fragen des Risikomanagements, der Compliance, der Steuerung sowie der Evaluierung der Leitung im Mittelpunkt der Forschungsbemühungen.
Kontinuierliche Verbesserung:
In diesem Feld werden Problemkreise wie der Schutz des Leitungsorgans, die Auswahl seiner Mitglieder und deren Entwicklung sowie die Leistung und die Evaluation adressiert.
Governance ist die Antwort auf Mängel im institutionellen Gefüge von Sportorganisationen, die sich in Fehlverhalten und Unregelmäßigkeiten niederschlagen können. Die Forschung hat sich in vielen Bereichen der Thematik bislang eher zögerlich entwickelt, was sicherlich auch an der Nähe zum weit entwickelten Theoriekomplex Management und des ausgeprägten QuerschnittscharaktersQuerschnittscharakter liegen mag. Insbesondere könnte die Durchführung empirischer Studien zur Auswirkung von unterschiedlichen Governance-Vorgaben auf die Zielsetzungen der Organisationen zusätzliche Impulse für die Forschung auch in den anderen Bereichen der Thematik bringen.
Für die Praxis gewinnt die Thematik GovernanceGovernance aufgrund der Rahmenbedingungen vor allem in Form gestiegener moralischer Ansprüche, die von außen an das Verhalten von Organisationen herangetragen werden, und der überbordenden Kommunikationsmöglichkeiten, die selbst den fragwürdigsten Meinungen eine Plattform bieten, eine zunehmende Bedeutung. Dabei darf jedoch nicht verdrängt werden, dass zum einen Governance Ausdruck bestimmter Moralvorstellungen ist, die nicht unbedingt von allen Protagonisten geteilt werden. Zum anderen bergen ausgedehnte Governance-Regelungen auch erhebliche Gefahren für Organisationen, die sich in einer zunehmenden Bürokratie und damit verbunden steigenden Kosten niederschlagen können. Governance-Regeln können somit die Flexibilität von Organisationen etwa durch eine schwerfällige Entscheidungsfindung erheblich einschränken und dazu führen, dass die Umsetzung innovativer Prozesse und Maßnahmen behindert wird.
Mit welchen Rahmenbedingungen sehen sich Sportorganisationen aktuell konfrontiert?
Wie lässt sich der Begriff Sport definieren? Grenzen Sie den essentialistischen vom nominalistischen Definitionsansatz ab!
Was versteht man unter Governance?
Wie lässt sich der Begriff Sport Governance definieren?
Wie kann Governance von Management abgegrenzt werden?
Welche Perspektiven der Governance lassen sich unterscheiden?
Welche Fragestellungen werden in der Forschung im Bereich Sport Governance untersucht?
Chappelet, J.-L. (2017). Beyond governance: the need to improve the regulation of international sport. In Sport in Society, 21(5), 1–11.
Fishel, D. (2003). The Book of the Board: Effective Governance for Non-profit Organisations. Sydney: Federation Press.
Fukuyama, F. (2013). What Is Governance? In Governance: An International Journal of Policy, Administration, and Institution, 26(3), 347–368.
King, N. (2017). Sport Governance: An introduction. New York & London: Routledge.
Mallin, C. (2019), Corporate Governance (6th ed.). Oxford: Oxford University Press.
Shilbury, D. & Ferkins, L. (2020a). An overview of sport governance scholarship. In D. Shilbury & L. Ferkins (Hrsg.), Routledge Handbook of Sport Governance (S. 3–17). London & New York: Routledge.
Lernziele | Nach diesem Kapitel sind Sie in der Lage,
die verwendeten theoretischen Ansätze, um die Phänomene der Sport Governance zu erklären, einzuordnen und
das Ausmaß der Erklärungskraft dieser theoretischen Ansätze zu beurteilen.
In diesem Kapitel sollen die wesentlichen Theorien dargestellt werden, die zu Erklärungszwecken im Bereich der Sport Governance herangezogen werden.
Eine Systematisierung der hier einschlägigen TheorienTheorie liefern Ferkins und Shilbury (2020b), die die verschiedenen Theoriegebäude zum einen nach deren Einflussgrad auf die Forschung im Bereich Sport Governance (hoch, gering) und zum anderen nach deren Ansatzpunkt (organisationsbezogen, systembezogen) klassifizieren. → Tabelle 1 bildet diese Einordnung ab.
Einflussgrad
Ansatzpunkt
organisationsbezogen
systembezogen
hoch
Agency Theory
Stewardship Theory
Leader Member Exchange Theory
Managerial Hegemony Theory
Stakeholder Theory
Network Theory
Resource Dependency Theory
Institutional Theory
gering
Board Strategic Balance Emerging Theory
Democratic Governance
…
Collaborative Government Theory
Property Rights Theory
…
Überblick über relevante Theorien im Bereich der Sport Governance-Forschung. | Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ferkins & Shilbury (2020b).
Überblick über die relevanten theoretischen Ansätze zur Analyse des Leitungsgremiums. | Quelle: Hung, 1998.
Eine andere Systematik liefert Hung (1998), der, wie in → Abbildung 2 ersichtlich wird, theoretische Ansätze nach der Rolle, die das Leitungsgremium einnimmt, unterteilt. Dabei wird eine eher passive Rolle von einer aktiven unterschieden.