Star Trek - Classic: Die Asche von Eden - William Shatner - E-Book

Star Trek - Classic: Die Asche von Eden E-Book

William Shatner

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Beschreibung

Jim Kirk in Rente?

James T. Kirk hat seinen Abschied von der Sternenflotte genommen und eigentlich keinen Grund mehr, auf der Erde zu bleiben, als er eine faszinierende junge Frau trifft: Teilani, halb Klingonin, halb Romulanerin vom Planeten Chal. Die leidenschaftliche Romanze wirkt auf Kirk wie ein Jungbrunnen, und seine neue Geliebte hat eine Herausforderung für Kirk: Er soll Chal gegen Terroristen verteidigen. Hals über Kopf stürzt sich Jim Kirk in ein Abenteuer, ohne zu ahnen, dass er nur eine Marionette in einem kriminellen Machtspiel ist.

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Die großen Star-Trek-Romane von William Shatner, der als Captain James T. Kirk Film- und Fernsehgeschichte schrieb.

James T. Kirk, ehemaliger Captain der Enterprise und Held der Föderation, hat seinen Abschied von Starfleet genommen. Als sein Intimfeind, Admiral Androvar Drake, zum neuen Oberbefehlshaber der Flotte ernannt wird, sieht Kirk einen Grund mehr, der Erde den Rücken zu kehren. Da begegnet ihm eine faszinierende junge Frau, die halb Klingonin, halb Romulanerin ist: Teilani vom Planeten Chal.

WILLIAM SHATNER

DIE ASCHE VON EDEN

Star Trek™

Classic

So zart – das ist sie.

So würdevoll – das ist er.

Stattlich, einnehmend, graziös – das sind sie.

JUDYund GAR REEVES-STEVENS

und

Danksagung

Mein Dank gilt diesen wunderbaren Menschen,

ohne die diese Show nicht weitergegangen wäre:

KEVIN RYAN

RICHARD CURTIS

CARMEN LAVIA

Prolog

Achtundsiebzig Jahre, nachdem die Geschichtsbücher ihn für tot erklärten, hatte James T. Kirks Reise ein Ende gefunden.

Er ging heim.

Zum letzten Mal.

Auf einem Berghang, hoch über dem schlichten Steinhaufen, der Kirks Grab war, stand eine einsame Gestalt in nachdenklichem Schweigen, ein Wächter, der treu seiner Aufgabe nachkam.

Seine elegante schwarze Robe wehte in der Brise, die mit der Dämmerung über Veridian III aufgekommen war. Ihre komplizierten Stickereien verkündeten mit Metallfäden und vulkanischen Buchstaben die zeitlosen Prinzipien der Logik. Diese Grundsätze schimmerten im sterbenden Licht des Sonnenuntergangs.

Der Blick des Wächters blieb auf das ramponierte Starfleet-Emblem gerichtet, das auf dem Grab lag. Sein Gesicht verriet nicht die geringste Spur einer Gefühlsregung, bis seine Meditation beendet und der angemessenen Schicklichkeit Genüge getan war.

Dann quoll eine einzige Träne aus einem Augenwinkel.

Botschafter Spock kämpfte nicht dagegen an.

Dieser Kampf zwischen seinen beiden Hälften – der vulkanischen und der menschlichen – war schon vor Jahrzehnten ausgetragen und entschieden worden.

Drei Wochen vor diesem Tag hatte Spock nicht einmal gewusst, dass es diesen Planeten überhaupt gab. Doch nun wusste er, dass er sich niemals von ihm würde befreien können.

Denn die Geschichtsbücher verzeichneten nun, dass James T. Kirk auf dieser Welt wieder aufgetaucht war, nur um erneut zu sterben.

Spocks zweite Trauer um seinen Freund war viel, viel schlimmer, als die erste es je gewesen war.

Welche Logik konnte darin liegen?

Die untergehende Sonne warf einen langen Schatten des bescheidenen Steinhaufens, den Spock beobachtete. In der Luft über diesen Schatten erwachten fünf Lichtpunkte funkelnd zum Leben.

Spock sah zu, wie die Transporterstrahlen sich in fünf Starfleet-Offiziere verwandelten.

Einen kannte er – William Riker, ehedem Erster Offizier des Raumschiffs Enterprise. Irgendwo auf diesem Planeten wurden die zerschmetterten Trümmer dieses Schiffes von einem Team aus Starfleet-Technikern demontiert und entfernt. Gemäß der Ersten Direktive durften sie keine Spur einer fortgeschrittenen Technologie zurücklassen. Sollten die zukünftigen Bewohner der Schwesterwelt von Veridian III hier einmal landen, würden sie nichts finden. Nicht einmal Kirks Leiche.

Rikers vier Begleiter bildeten die Ehrenwache, die mit Spock zu Kirks offizieller Beisetzung zur Erde zurückkehren würden. Einer Heldenbestattung.

Nach allem, was Kirk für die Föderation bedeutet hatte, kam Spock diese Ehre trivial vor. Doch was sonst konnte man tun, um das Leid derer zu lindern, die Kirk berührt hatte, als sein Geist entschwunden war?

Spock war schon einmal durch diesen letzten Schleier getreten. Doch dank Kirk war er zurückgekehrt.

»Sie würden das gleiche für mich tun«, hatte Kirk ihm gesagt, vor langer Zeit auf dem Gipfel des Mount Seleya, als Spock wiedergeboren worden war.

Nun wurde die Träne in Spocks Auge größer, denn er wusste, es war ihm nicht möglich. Obwohl er sich wider jede Logik nichts anderes wünschte.

Zumindest war Kirk dem, was jenseits des Augenblicks des Todes lag, nicht entgegengetreten, ohne zu wissen, was ihn erwartete.

Spock wusste, dass sein Freund seinem Schicksal ins Auge gesehen und sich mit ihm versöhnt hatte, in jener Zeit zwischen Kirks Rückkehr von Khitomer und dem Stapellauf der neuen Enterprise, die sein Schicksal besiegelt hatte.

Spock fand Trost in diesem Wissen. Es kam ihm so am logischsten vor.

Am Horizont ging Veridian unter, und die Sterne leuchteten aus der zunehmenden Dunkelheit. Der Tag neigte sich endlich dem Ende zu.

Die Ehrenwache stand am Grab stramm. Wenn alles planmäßig verlief, würde in diesem Augenblick hoch über ihm ein Raumschiff seine Umlaufbahn verlassen und dann mit dem Transporter die Überreste unter den Steinen erfassen.

In Kirks Zukunft konnte es keinen Mount Seleya geben. Die Logik gebot daher, dass Spock Trost nicht in dem suchte, was vielleicht vor ihm lag, sondern in dem, was zuvor geschehen war.

Die Träne rollte seine Wange hinab. Spock beobachtete, wie sie in den Staub dieser Welt fiel. Verschluckt wurde, als hätte sie nie existiert.

Außer in seinen Erinnerungen.

Also wandte er sich nun diesen seinen Erinnerungen zu, dem letzten Abenteuer und den Enthüllungen jener letzten Tage, die er mit seinem Freund verbracht hatte.

Als James T. Kirks Reise ein Ende fand …

… aber noch nicht vorbei war.

Kapitel 1

Kirk blickte nicht auf die Vergangenheit zurück – er prallte dagegen. Er lief, sprang, landete mit der Schulter zuerst auf der Vulkanasche von Tycho IV und rollte sich neben Fähnrich Galt hinter einem zerklüfteten Felsbrocken in Deckung.

Aber der große Stein war für Galt keine gute Deckung gewesen. Der Fähnrich war tot. Die Haut blauweiß. Der Körper in einem letzten Schmerz verzerrt.

Kirk verlor den Mut. Er war vierundzwanzig Jahre alt, ein Lieutenant, der vor drei Jahren von der Akademie gekommen war. Fähnrich Galt war erst neunzehn gewesen. Auf seiner ersten Mission. Er hatte zu Kirk aufgeschaut, und Kirk hatte ihn nicht beschützt.

Der Kommunikator an Kirks Seite zirpte, und seine Reflexe übernahmen. Er war wieder handlungsfähig und klappte das Gerät auf.

»Hier Kirk.«

»Wo bleiben die Koordinaten?«

Es war Garrovick. Kirks Captain hatte sich nicht auf die Farragut zurückgebeamt, als er noch die Gelegenheit dazu gehabt hatte, bevor die Transporterspulen überladen worden waren. Er war bei den Verletzten geblieben. Wartete auf das Shuttle. Das noch immer zehn Minuten entfernt war.

»Ich scanne gerade«, sagte Kirk. Er zwang sich auf die Füße, machte sich dem sichtbar, was auch immer sich hinter dem Felsen befand. Was auch immer die Farragut angegriffen hatte. Was auch immer in der Asche von Tycho IV lauerte und nun ein Mannschaftsmitglied der Farragut nach dem anderen erledigte.

Kirk hielt den sperrigen Tricorder wie einen Schild vor seinen Körper. Seine Blicke schossen von den Anzeigen zu dem umgebenden Terrain und wieder zurück. Tycho Prime ging gerade unter. Der Horizont stand in blutroten Flammen. Aber er bekam keine Anzeigen.

»Captain, da draußen ist nichts!« Kirks Stimme verriet die Anspannung, die er verspürte.

Aber die Stimme, die aus dem Kommunikator drang, blieb ruhig. »Bleiben Sie liegen und suchen Sie weiter, Lieutenant! Sie haben die vordere Feuerkontrolle, bis die Hauptsensoren der Farragut wieder betriebsbereit sind!«

»Aye, Sir«, bestätigte Kirk. Im Standardorbit hoch über ihm unterstanden die Waffen der Farragut nun ihm. Solange keine Sensoren sie führen konnten, war Kirk ihr Zielerfassungssystem. Irgendwie fühlte sich die Last dieser Verantwortung gut an.

Ein ferner Schrei durchschnitt die Dämmerung und endete allzu abrupt. Ein hoher Schrei. Der einer Frau.

Kirk behielt seine Position bei. Sein Herz hämmerte heftig. Er kämpfte gegen den Drang an, den Kommunikator fallen zu lassen und die Laserpistole aus dem Halfter zu ziehen. Garrovick hatte ihm Befehle erteilt, und Kirk hätte für seinen Captain alles getan.

Eine Gestalt lief auf Kirks Felsbrocken zu. Sie war nichts weiter als eine rot getönte Silhouette vor dem Sonnenuntergang. Kirk warf schnell einen Blick auf seinen Tricorder. Es handelte sich um einen Menschen.

Androvar Drake.

Der junge Lieutenant glitt außer Atem und mit gezogenem Laser neben Kirk in Deckung. Sein kurz geschnittenes Stoppelhaar war von Strähnen schwarzer Vulkanasche durchzogen. Er warf einen Blick auf Galts Leiche, zeigte aber nicht mehr Reaktion, als auch ein Vulkanier an den Tag gelegt hätte.

»Dieser Schrei«, sagte Drake. »Das war Morgan.«

Noch während Kirk fühlte, wie der Schock sich durch seine Brust wand, sah er, dass auf Drakes Gesicht ein Lächeln aufflackerte. Faith Morgan war der Waffenoffizier der Farragut. In den letzten drei Monaten hatte sie Kirks Quartier geteilt. Als seine Geliebte.

Kirk hätte am liebsten Drakes Grinsen in die Felsen ihrer Deckung gewischt.

Aber er hatte seine Befehle. Garrovicks Befehle. Die Befehle von Starfleet. Für Faith Morgan konnte er nichts mehr tun, aber die Farragut hatte vierhundert Besatzungsmitglieder. Zumindest hatte sie so viele gehabt, als das Schiff dieses Sonnensystem erreicht hatte.

Kirk schwenkte den Tricorder im Halbdunkeln. Noch immer keine Messergebnisse. Er spürte, dass Tränen der Wut in seinen Augen brannten, doch er kämpfte sie zurück.

Vor allem anderen war er im Dienst.

Drake erhöhte die Emissionsstufe seiner Waffe auf das Maximum.

Kirk griff nach der Waffe und legte die Hand auf seinen Arm. »Laser richten bei dem Geschöpf nichts aus.« Das hatte eine Sicherheitswächterin mit ihren letzten Atemzügen noch keuchend über den Kommunikator mitteilen können, bevor der unbekannte Widersacher ihr Leben ausgeknipst hatte.

»Das Geschöpf kann seine Molekularform verändern«, hielt Drake dagegen. »Vielleicht erzielen Laserstrahlen nicht bei dieser, aber bei einer anderen Gestalt Wirkung.«

Kirk veränderte schnell die Einstellungen seines Tricorders, scannte erneut, suchte nach einem Ziel. »Garrovick meint, die Phaser schaffen es.« Phaser waren die neueste Waffe im Arsenal von Starfleet.

Drake winkte abschätzig mit seinem Laser. »Was weiß Garrovick schon?«

Kirk hakte den Kommunikator an den Gürtel, packte Drake am Kragen und stieß ihn hart gegen den Felsbrocken. »Er ist der Captain«, zischte er. »Er wird schon wissen, wie er uns hier rausholt.« Zumindest für Kirk stand das fest. Für ihn waren Captains von Raumschiffen so. Sie waren unbesiegbar. Mussten es sein.

Drake schien Kirks gefühlsmäßiger Ausbruch einfach nur zu amüsieren. Er glättete sein Uniformhemd, das Kirk zerknittert hatte. »In der Umlaufbahn hat er sich nicht so gut geschlagen, oder?«

Kirk klappte erneut den Kommunikator auf, um sich davon abzuhalten, Drake die Faust ans Kinn zu setzen. Drake war es nicht wert. Das hatte Kirk schon an der Starfleet-Akademie herausgefunden. Ihre letzte Prügelei nach einer Unterrichtsstunde in der Antigrav-Turnhalle hatte Kirk zwei Strafpunkte eingebracht. Kirk hatte gewonnen, aber nur knapp. Aber die größere Befriedigung hatte sich eingestellt, als er Drake um zwei Prozentpunkte geschlagen hatte und als Klassenbester mit einem Stern ausgezeichnet worden war.

»Etwas hat eine temporale Verschiebung im Sensorgitter verursacht«, sagte Kirk. Es war die einzige Erklärung dafür, dass Garrovick überrascht worden war.

Kirk hatte Dienst auf der Brücke der Farragut gehabt, als es passiert war. Die Sensorlampen hatten hell aufgeleuchtet, als … irgend etwas – eine Gaswolke, ein Lebewesen? – in das Schiff eingedrungen war. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie es nicht genau feststellen können.

Garrovick hatte befohlen, die Schilde auf volle Kraft zu verstärken. Das Geschöpf hatte darauf reagiert, indem es irgendwie aus dem Erfassungsbereich der Sensoren verschwunden war. Gleichzeitig hatte eine unmögliche temporale Phasenverschiebung jeden wichtigen Schaltkreis in der Farragut überlastet. Dabei mochte es sich um eine Abwehrmaßnahme des Geschöpfs handeln. Aber was auch immer den Ausfall verursacht hatte, eine atemlose Stunde lang hatte es den Anschein gehabt, dass das Schiff die Umlaufbahn nicht halten konnte.

Garrovick hatte die Evakuierung aller Crewmitglieder bis auf eine Minimalbesatzung befohlen. Dann hatte er das Schiff gerettet. Unbesiegbar.

Doch mittlerweile hatte das Geschöpf das Evakuierungslager auf Tycho IV gefunden. Und es war ein Lebewesen, daran konnte es jetzt keinen Zweifel mehr geben. Ein Wesen, das sich von den roten Blutkörperchen humanoider Lebensformen ernährte. Wie denen von Galt. Und Faith. Und allen anderen, die es schon niedergemacht hatte.

Auf der Planetenoberfläche hatte das Geschöpf methodisch ihre Verteidigungen erkundet. Es überwand ihre behelfsmäßig errichteten Energieschirme. Widerstand selbst stärkstem Laserbeschuss. Umhüllte alles mit einem widerlich süßen Geruch – dem Geruch des Todes auf einer bereits sterbenden Welt.

Ohne das geringste Zögern hatte Garrovick sich ins Zentrum des Geschehens beamen lassen und den Rückzug seiner Crew organisiert. An ihrer Seite gekämpft.

Dann, plötzlich, als etwa die Hälfte der Mannschaft wieder an Bord zurückgekehrt war, hatten die Schiffstransporter versagt. Sie waren überlastet vom ursprünglichen Zusammenbruch und der ersten Evakuierung.

Garrovick hatte die Shuttles angefordert.

Niemand glaubte, dass sie es rechtzeitig schaffen würden.

Aber Kirk bezweifelte keinen Augenblick lang, dass Garrovick sie retten würde. Irgendwie.

Er war der Captain.

Irgend etwas erzeugte auf dem Display des Tricorders eine auffällige Anzeige.

Kirk justierte das Gerät. Di-Kironium. Der Name sagte ihm nichts.

Aber dann wehte ein unwillkommener Geruch zu ihm herüber. Zu süß. Überwältigend.

»Es kommt zurück …«, sagte Kirk.

»Lieutenant!«, meldete sich Garrovick. »Wo bleiben die Messdaten?«

Etwas bewegte sich bei den weiter entfernten Felsen.

Nein … es bewegte sich nicht, es wogte. Wallte vor dem scharlachroten Himmel wie ein Sturm aus der Hölle.

»Kirk?«, wiederholte Garrovick.

Es war in diesem Augenblick gewesen, in einer anderen Zeit, einem anderen Leben, dass Lieutenant Kirk erstarrt war. Angesichts des sicheren Todes hatte er unter der Last seiner Verantwortung gezögert.

Aber diesmal nicht.

»Kirk an Farragut!«, rief er. »Zielposition dreißig Meter westlich von diesem Ort! Mit allen Phaserbänken feuern!«

Instinktiv sprang Kirk gegen Drake und zwang ihn ebenfalls in Deckung. Einen Herzschlag später wurde der Himmel von Tycho IV von der Doppellanze aus blauem Feuer aufgerissen.

Kirk spürte, wie der Boden erzitterte, als die Phaserenergie die Atome aller Objekte in seinem Strahl zerriss. Er roch verbrannten Staub, Hitze, beißendes Ozon, das von der Ionisation der Atmosphäre freigesetzt wurde.

Das Sperrfeuer endete.

Kirk spähte am Rand des Felsbrockens vorbei. Eine Staubwolke wurde von innen durch das Leuchten glühender Steine erhellt.

Das Geschöpf war verschwunden.

»Wir haben es geschafft!«, rief Kirk begeistert und hob den Kommunikator an den Mund. »Captain Garrovick … wir …«

Eine dünne Ranke aus weißem Dunst drehte sich wie ein entstehender Tornado im Rückwärtsgang aus der Staubwolke.

Kirk verstummte.

Der Dunst erhob sich vom Boden, wirbelte schneller, stieg an der Ionenspur empor, die die Phaserstrahlen zurückgelassen hatten.

Hinauf zur Farragut.

»Gott im Himmel …«, flüsterte Kirk.

Er sah Drake an. Dessen Augen leuchteten im letzten Rest des Lichts vom Sonnenuntergang. Sein Gesichtsausdruck war nicht zu deuten.

»Kirk an Farragut! Das Wolkengeschöpf fliegt einen Abfangkurs! Weg von dort, aber schnell!«

Garrovick schaltete sich in den Funkverkehr ein. »Farragut! Orbit verlassen! Maximale Warpgeschwindigkeit! Sofort!«

Der Wissenschaftsoffizier der Farragut antwortete. Ihre Stimme wurde vom Rauschen zerrissen.

»Schilde runter … bricht durch … Antimaterie-Eindämmung ist …«

Direkt über ihnen leuchtete ein neuer Stern auf.

»Farragut?«, sagte Garrovick. »Farragut, bitte melden …«

Nichts. Nicht einmal Rauschen.

Kirk starrte zu der flackernden Nadelspitze aus Licht hinauf. Zweihundert Besatzungsmitglieder. Ein Raumschiff der Constitution-Klasse. Reduziert auf einen sterbenden Stern zwischen so vielen.

Nun verdeckt von einer zarten Spirale aus weißem Dunst. Die sich vom Himmel herabdrehte.

Und zurückkam, um sie alle zu holen.

Drake lachte neben Kirk laut auf. »Toller Instinkt, Jimbo. Wir sehen uns in der Hölle!«

Das herabrasende Wolkengeschöpf hatte sie fast erreicht. Kirk sah keine Möglichkeiten mehr. Er konnte nur noch eins tun.

»Programm beenden«, sagte er.

Das Geschöpf und Drake und Tycho IV lösten sich in holographischem Dunst auf, verschwanden in der Vergangenheit, wohin sie gehörten …

… und Kirk nicht mehr gehörte.

»War der Anzug zu schwer, Sir?« Der junge Starfleet-Techniker wartete respektvoll auf Kirks Antwort, während Kirk den sperrigen VR-Helm ablegte, den er während der Simulation getragen hatte.

In dem gewölbeartigen Raum im Untergeschoss des Cochrane-Physiksaals der Starfleet-Akademie summten gewaltige Maschinenreihen. Die unlackierten Blöcke und Plattformen, die das felsige Terrain von Tycho IV nachgebildet hatten, zogen sich pflichtbewusst in schwarze Wände mit gelben Gittern darauf zurück.

Kirks Augen schmerzten vom Abdruck der visuellen Input-Encoder. Sein Rücken schmerzte vom Gewicht der Servotreiber, die das Feedback-Netz steuerten, das seinen Körper umgab. Die gesamte Holo-Umgebungs-und-Begegnungsmontur war zu schwer.

Aber Kirk wollte nicht derjenige sein, der sich darüber beklagte.

Er bemühte sich bewusst, gerader zu stehen und die Arme schneller zu bewegen. Dann ließ er ein Lächeln aufblitzen und bedachte den Techniker damit. »Fühlte sich ausgezeichnet an«, sagte er leichthin. »Fast, als trüge ich wieder meine alte Uniform.«

Der Techniker grinste beeindruckt. Als hätte er bislang nur Beschwerden gehört. Er schickte sich an, das Feedback-Netz abzutrennen.

»Wissen Sie«, sagte der Techniker, als wäre Kirk ein alter Freund von ihm, »eines Tages müsste es möglich sein, völlig ohne die Montur auszukommen. Wir werden fokussierte Traktorstrahlen benutzen. Mikrogravitationskontrolle. Vielleicht können wir sogar ein paar Anlagen mit Transporter-Materie-Replikation bauen.«

Kirk stöhnte innerlich auf, bewahrte aber das geduldige Lächeln auf dem Gesicht. Abgesehen von dem Gewicht scheuerte die Montur an Stellen, an denen er sich nicht kratzen wollte, wenn jemand in der Nähe war.

Er ließ den Techniker zufrieden über die wundersamen Möglichkeiten seiner Geräte und die Zukunft der holographischen Simulation plappern. Und er hoffte, der Techniker würde glauben, der Schweiß, der von der Stirn seines Opfers strömte, stamme von der hautengen Montur und nicht von der Anstrengung, die Kirk an den Rand der Erschöpfung getrieben hatte. Oder von den Schmerzen in seiner Schulter, die ihn nicht vergessen ließen, wie er sich auf den simulierten Boden geworfen und hinter den simulierten Felsbrocken gerollt hatte.

Er hielt es für zu schade, dass die Starfleet-Techniker nicht das Gefühl der Unzerstörbarkeit simulieren konnten, das er in seiner Jugend gehabt hatte, als er sich fünfmal am Tag auf einen echten Boden werfen konnte und dies keine Folgen für ihn gehabt hatte.

»Stellen Sie sich das nur mal vor!«, fuhr der Techniker mit unschuldiger Begeisterung fort. »Sie gehen einfach in Ihrer normalen Uniform in einen leeren Raum, und augenblicklich befinden Sie sich in einer Holoumgebung, die so realistisch ist, dass Sie nicht mehr den Unterschied zwischen ihr und der Wirklichkeit erkennen können.«

Kirk krümmte die Finger und erinnerte sich an das Gewicht des altmodischen Tricorders, den er während der Simulation getragen hatte. Und daran, wie der Stoff um Drakes Hals sich in seiner Faust zusammengezogen hatte. Das alles war eine Illusion gewesen.

»Glauben Sie mir«, sagte Kirk, »es ist jetzt schon sehr realistisch.« Er meinte es ernst.

»Sie können übrigens davon ausgehen, dass es so gekommen wäre.«

Kirk verstand nicht ganz. »Was wäre so gekommen?«

»Wenn Sie sofort auf das Wolkengeschöpf geschossen und nicht gezögert hätten, wie Sie es in Wirklichkeit getan haben.«

Nun verstand Kirk. Aber er wollte nicht darüber sprechen. Er hatte seit Jahren nicht mehr an Faith Morgan gedacht. Aber er hatte sie nie vergessen. Er würde keinen von ihnen je vergessen.

»Weil Sie nicht sofort mit den Phasern gefeuert haben«, fuhr der Techniker beharrlich fort, »hat das Geschöpf nur die Mannschaftsmitglieder auf der Planetenoberfläche angegriffen. Die Farragut und alle an Bord des Schiffes waren in Sicherheit. Aber hätten Sie sofort geschossen … nun ja, die Computerrekonstruktion der Fähigkeiten des Wolkengeschöpfs hat ergeben, dass es dann zur Farragut zurückgekehrt wäre, sie vernichtet und dann auch alle anderen auf dem Planeten erledigt hätte. Es war also richtig, beim ersten Mal zu zögern.«

Und Garrovick ist deshalb gestorben, dachte Kirk grimmig. Er wechselte das Thema. »Diese Holosimulation eignet sich hervorragend für Trainingszwecke.«

Der Techniker sah ihn verwirrt an. »Für Trainingszwecke? Ja, schon. Aber was ist mit dem Unterhaltungswert? Es gibt unendlich viele Spielmöglichkeiten.«

Kirk zog mühsam die Füße aus den schweren Feedback-Stiefeln, die in ihm das Gefühl hervorgerufen hatten, über vulkanischen Boden zu gehen. »Sie haben das alles wegen des ›Unterhaltungswerts‹ programmiert?«, fragte er.

Der Techniker behielt seinen verwirrten Gesichtsausdruck bei, während er Kirks Feedback-Stiefel aufhob und die gesamte Montur unbeholfen auf den Armen hielt. »Sir, wir haben fast alle Ihrer frühen Heldentaten in das System programmiert.«

»Meine Heldentaten?«

Der Techniker nickte begeistert. »Diese Begegnung mit dem Wolkengeschöpf auf Tycho IV, und wie Sie es dann elf Jahre später zerstört haben, bei Sternzeit 3619.2. Ihre Begegnung mit den Metronen und der Kampf Mann gegen Mann mit dem Gorn. Und 3468.1 – als Sie auf Pollux IV dem Außerirdischen entkommen sind, der behauptete, der griechische Gott Apoll zu sein. Wir haben sie fast alle, Sir. Und jeden Tag kommen neue hinzu.«

Kirk war völlig durcheinander. Und wenn seine Pension davon abgehangen hätte, er konnte sich an keine einzige Sternzeit von seiner ersten Fünf-Jahres-Mission mit der Enterprise erinnern. »Aber warum?«

Der Techniker sah Kirk verdutzt an, als könne er einfach nicht begreifen, wie sein Gegenüber diese Frage hatte stellen können. »Sir … Sie sind ein Held.«

»Ach.« Das schon wieder, dachte Kirk.

»Kommen Sie sich nicht so vor, Sir?«

Kirk zögerte. Er wollte nicht das Falsche sagen. Dieser junge Mann hatte eine gewaltige Anstrengung auf sich genommen, um in dem Starfleet-Prototypen einer holographischen Begegnungskammer einen Zwischenfall aus Kirks Vergangenheit nachzustellen. Und das mit einem unglaublichen Detailreichtum. Sogar Kirk hatte die Laser-Handwaffen vergessen, die damals zur Standardausrüstung von Starfleet gehörten.

Er hatte, gestand er sich ein, eine Menge aus jener Zeit vergessen.

Er lächelte den Techniker an und versuchte, den Tiefschlag etwas zu dämpfen. »Diese ›Heldentaten‹ …«, setzte er an.

»Ja, Sir?«

»Das war nur mein Job«, sagte Kirk einfach. »Und es ist schon lange her, dass ich diesen Job getan habe.«

Der Techniker sah Kirk einen Augenblick lang verdutzt an, als wisse er nicht genau, was er darauf erwidern sollte.

»Es war mehr als ein Job, Sir. Für uns.« Mit einem Nicken deutete er auf die anderen Techniker im Kontrollraum, in dem das Geschehen in der Begegnungskammer überwacht wurde. Männer und Frauen, und alle im Alter von Kirks Gesprächspartner. Kirk konnte sich nicht daran erinnern, jemals so jung gewesen zu sein. Und alle von ihnen standen an der Scheibe und beobachteten jede von Kirks Bewegungen. Es war irritierend, so vielen musternden Blicken unterworfen zu sein.

Kirk konnte das Dämmern der Desillusionierung in den Augen des jungen Technikers sehen. »Wir werden es nie vergessen, Sir.«

Mit diesen Worten drehte der junge Mann sich um und ging zum Kontrollraum zurück.

Kirk streckte die Hand aus, um ihn aufzuhalten. Er wollte etwas sagen, irgend etwas, um die Enttäuschung des jungen Mannes einzudämmen.

Aber er wusste nicht, was.

Und das war auch nicht das erste Mal.

Das ist das Problem mit Erwartungshaltungen, soviel war Kirk klar. So wichtig seine Vergangenheit auch für andere sein mochte, für ihn selbst barg sie nur wenig Reiz. Er hatte immer in die Zukunft geblickt, neue Herausforderungen erwartet, nicht an vergangene Leistungen gedacht.

Doch er hatte auch keine Zukunft mehr.

Er war ein Raumschiff-Captain ohne Raumschiff. Unfähig zurückzuschauen, unfähig, nach vorn zu gehen. In der Gegenwart gefangen. Voller unterdrückter Sehnsucht. Frustriert. Er konnte jederzeit explodieren.

Das war ein unerträglicher Zustand für James T. Kirk. Und er wusste, er musste bald etwas dagegen unternehmen. Sonst würde er aufgeben müssen. Und aufzugeben war für ihn nie in Frage gekommen.

Lieber würde er vorher sterben, und Kirk war noch nicht bereit, diesem letzten Augenblick ins Gesicht zu sehen.

Obwohl irgendwann, wie er wusste, auch ein Raumschiff-Captain sterben musste.

Kapitel 2

Niemand wusste, wer die Dark Range-Plattform erbaut hatte.

Die anscheinend wahllos angeordneten Stützverstrebungen der riesigen Raumstation erstreckten sich wie wirre Spinnennetze ins All. Sie wanden sich um ein Durcheinander aus Lebenserhaltungssphären und -zylinder, die in dem Jahrtausend, die die Station schon in Betrieb war, von einem Dutzend Spezies erbaut worden war.

Sie war vielleicht einmal ein Umsteigebahnhof für gewaltige Raumflotten gewesen. Hatte vielleicht einmal den Bewahrern selbst gehört. So alt war sie.

Aber nun war sie ein Treibstofflager am Arsch der Galaxis. Ein Ausgangspunkt für Träumer, die Glück und Reichtum zwischen den Sternen suchten. Ein Unterschlupf für Schmuggler und Halsabschneider, die ihnen diesen Reichtum stehlen wollten.

Sie trieb allein in der Dunkelheit zwischen den Sternen. In relativer Abgeschiedenheit im Hinterland der Föderationsgrenze und der Alten Regionen des Klingonischen Imperiums. Das beredtste Zeugnis über den wahren Wert der Station war der Umstand, dass weder die Föderation noch das Imperium sie beanspruchten.

Niemand wusste, wer die Dark Range-Plattform erbaut hatte. Und es interessierte auch niemanden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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