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Die Zukunft befindet sich im Krieg mit der Vergangenheit. Freunde werden zu Feinden und die temporale Apokalypse beschleunigt sich. Doch was ist die wahre Ursache der Katastrophe? Während ein unbarmherziger Feind die Galaxis in Angst und Schrecken versetzt und eine Spur der Verwüstung hinterlässt, haben Captain Benjamin Sisko und Vedek Kira Nerys eine schreckliche Vorahnung einer unaufhaltsamen Apokalypse. Am brennenden Himmel des Bajor-Systems bedroht eine tödliche Konfrontation eine Milliarde Welten. Captain Jean-Luc Picard ist gezwungen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, als das Sternenflottenkommando sich weigert, die Invasoren herauszufordern, und rekrutiert vertraute Verbündete für einen verzweifelten, unmöglichen Kampf – doch der Preis für das Überleben ist ein Akt der Zerstörung jenseits aller Vernunft …
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Seitenzahl: 536
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JAMES SWALLOW
Story byDayton Ward, James Swallow, and David MackBased onStar Trek and Star Trek: The Next Generationcreated by Gene RoddenberryStar Trek: Deep Space Ninecreated by Rick Berman & Michael PillerStar Trek: Voyagercreated by Rick Berman & Michael Piller & Jeri Taylor
Ins Deutsche übertragen vonKatrin Aust
Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – CODA 2: DIE ASCHE VON MORGEN
wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler, Übersetzung: Katrin Aust;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Wibke Sawatzki;
Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster; Cover Artwork: Alan Dingman;
Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.
Titel der Originalausgabe: STAR TREK – CODA: BOOK 2: THE ASHES OF TOMORROWGerman translation copyright © 2022 by Cross Cult.
Original English language edition copyright © 2021 by CBS Studios Inc. All rights reserved.
™ & © 2022 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.
This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.
Print ISBN 978-3-96658-958-1 (November 2022) · E-Book ISBN 978-3-96658-959-8 (November 2022)
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ZUVOR …
TEIL I FLUCHT
1 U.S.S. Robinson NCC-71842
2 U.S.S. Aventine NCC-82602
3 Perikian-Kloster, Lonar-Provinz, Bajor
4 Kloster von Kahless dem Unvergesslichen, Boreth
5 Sternenflottenhauptquartier, San Francisco, Erde
6 Château Picard, La Barre, Erde
7 U.S.S. Titan NCC-80102
TEIL II OFFENBARUNG
8 Haus der Sisko-Azenis, Hedrikspool-Provinz, Bajor
9 U.S.S. Aventine NCC-82602
10 Perikian-Kloster, Lonar-Provinz, Bajor
11 U.S.S. Aventine NCC-82602
TEIL III FINSTERNIS
12 Deep Space 9, bajoranisches System
13 Raumhafen von Ashalla, Lonar-Provinz, Bajor
14 U.S.S. Saticoy NCC-75404
15 Deep Space 9, bajoranisches System
16 Deep Space 9, bajoranisches System
DANKSAGUNGEN
ÜBER DEN AUTOR
Dieser Roman ist dem Gedenkenan unsere Freunde und KollegenDavid Galanter und Margaret Wander Bonanno gewidmet.Außerdem danken wir allen Lesern,die uns in den letzten zwanzig Jahrenauf dieser Reise begleitet haben.
Die Zukunft hat viele Namen:
Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare,
für die Furchtsamen das Unbekannte,
für die Mutigen die Chance.
– Victor HugoDie Elenden
2376
•Captain Benjamin Sisko kehrt von seinem Aufenthalt bei den bajoranischen Propheten zurück, der ein Jahr zuvor nach dem Ende des Dominion-Krieges begonnen hat. (STAR TREK: DEEP SPACE NINE – »Das, was du zurücklässt«)
•Bajor schließt sich der Vereinigten Föderation der Planeten an. (STAR TREK: DEEP SPACE NINE-Roman »Einheit«)
2377
•Nachdem sie sieben Jahre zuvor im Delta-Quadranten gestrandet sind, beenden Captain Kathryn Janeway und die Besatzung des Raumschiffs Voyager ihre 70.000 Lichtjahre weite Reise zurück zur Erde. (STAR TREK: VOYAGER – »Endspiel«)
2378
•Wesley Crusher begleitet den Reisenden, von dem er gelernt hat, seine erwachenden Fähigkeiten zu erweitern und zu fokussieren, zu dessen Heimatplanet, Tau Alpha C. Dort wird er als Reisender »wiedergeboren«. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Zeit des Wandels – Geburt«)
2379
•Föderationspräsident Min Zife wird für schuldig befunden, der unabhängigen Welt Tezwa illegal Waffen verkauft zu haben, die zu Millionen von Toten geführt haben, und mithilfe von Jean-Luc Picard heimlich von einer Gruppe Sternenflottenadmirals seines Amts enthoben. Ohne Picards Wissen wird Zife von Sektion 31 ermordet. (STAR TREK-Romane »Zeit des Wandels – Töten« und »Zeit des Wandels – Heilen«)
•Shinzon, ein Klon von Picard, der ursprünglich geschaffen worden war, um den Captain als romulanischer Spion in der Sternenflotte zu ersetzen, reißt nach einem Putsch die Kontrolle über das Romulanische Sternenimperium an sich. Er startet einen gewagten Plan, um die Erde anzugreifen und die Föderation auszuschalten, doch Picard und die Enterprise besiegen ihn. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Föderation und den Romulanern werden erneuert. (STAR TREK: NEMESIS)
•Captain William Riker übernimmt das Kommando über die U.S.S. Titan. Seine Frau, Commander Deanna Troi, begleitet ihn als Schiffscounselor und Spezialistin für Erstkontakte. (STAR TREK: TITAN-Romanreihe)
2380
•Picard heiratet Beverly Crusher. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Mehr als die Summe«)
•Während eines Angriffs der Borg gibt Admiral Kathryn Janeway ihr Leben, um die Föderation zu beschützen. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Heldentod«)
2381
•Die Borg beginnen eine massive Invasion der Föderation, verwüsten zahllose Planeten und löschen Milliarden Leben aus, bevor der Sternenflotte ein finaler Sieg gelingt, der die permanente Bedrohung durch das Kollektiv für immer beendet. (STAR TREK: DESTINY-Romantrilogie)
•Während der Invasion übernimmt Ezri Dax, die an Bord der U.S.S. Aventine als zweiter Offizier dient, das Kommando, als ihr Captain und Erster Offizier getötet werden.
•Riker und Troi bekommen eine Tochter, Natasha Miana Riker-Troi, benannt nach Enterprise-Besatzungsmitglied und Freundin Tasha Yar und der verstorbenen Schwester von Aili Lavena, einem Besatzungsmitglied der Titan. (STAR TREK: TITAN-Romanreihe)
•Durch die Hilfe unerwarteter Verbündeter wird der Tod von Admiral Janeway rückgängig gemacht. Sie übernimmt das Kommando über Projekt Full Circle, bei dem die U.S.S. Voyager und eine gesamte Flotte abgestellt werden, um den Delta-Quadranten weiter zu erforschen. (STAR TREK: VOYAGER-Roman »Ewige Gezeiten«)
•Picard und Crusher bekommen einen Sohn, René Jacques Robert François Picard. Der Junge ist benannt nach Picards Neffen René, dessen Vater, Picards älterem Bruder Robert, und Crushers erstem Ehemann Jack Crusher. (STAR TREK: DESTINY-Roman »Verlorene Seelen«, STAR TREK: TYPHON PAKT-Roman »Bestien«)
•Nach der Borg-Invasion übernimmt Sisko das Kommando über die U.S.S. Robinson. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman »Bestien«)
2382
•Admiral Janeway stimmt zusammen mit der Besatzung der U.S.S. Voyager zu, dem Volk der Edrehmaia auf ihrer langen Reise aus unserer Galaxis heraus zu helfen. Sie brechen aus dem Delta-Quadranten in unbekannte Gefilde auf. (STAR TREK: VOYAGER-Roman »Das Streben nach mehr«)
•Andor löst sich nach Problemen, die inzwischen kritische Reproduktionskrise der Andorianer betreffend, von der Föderation. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman »Zwietracht«)
2383
•Breen- und Tzenkethi-Truppen greifen die Föderationsstation Deep Space 9 an und zerstören sie. Über tausend Tote werden verzeichnet. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman »Schatten«)
2384
•Jahre nachdem er sich selbst geopfert hat, um Picard zu retten, wird Data »wiedergeboren«, indem seine Erinnerungen aus seinem Bruder, dem Androiden B-4, entnommen und in den Körper eines neuen Androiden, geschaffen von Noonian Soong, transferiert werden. Auch seine Androidentochter Lal wird repariert und reaktiviert. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Romantrilogie KALTE BERECHNUNG)
2385
•Die Föderationsstation Deep Space 9 (II) wird für einsatzbereit erklärt und wie ihr Vorgänger in der Nähe des bajoranischen Wurmlochs positioniert. Bei der Einweihung wird Föderationspräsidentin Nanietta Bacco ermordet. Föderationsratsmitglied Ishan Anjar von Bajor wird als Interimspräsident eingesetzt. (STAR TREK: THE FALL-Roman »Erkenntnisse aus Ruinen«)
•Julian Bashir widersetzt sich der Sternenflotte und Interimspräsident Ishan, um den Andorianern ein Heilmittel für ihre Reproduktionskrise zu bringen. Es gelingt ihm mit der Hilfe von Captain Dax. Beide werden verhaftet. (STAR TREK: THE FALL-Roman »Auf verlorenem Posten«)
•Interimspräsident Ishan wird als Verbrecher entlarvt. Andor schließt sich wieder der Föderation an. Eine Andorianerin gewinnt die Wahl zum Föderationspräsidenten und begnadigt Bashir und Dax. (STAR TREK: THE FALL-Roman »Königreiche des Friedens«)
2386
•Bei der Erkundung des Odysseischen Passes begegnen Picard und die Enterprise einer gewaltigen Waffe, die von einem fremden Volk nach dem Prototypen eines »Planetenkillers« rekonstruiert und aus dem fünfundzwanzigsten Jahrhundert zurück durch die Zeit geschickt wurde. Bei der Untersuchung der Computersysteme der Waffe stößt Lieutenant Commander Taurik auf Informationen über die Zukunft, die er nicht enthüllen darf. Taurik wird von der Behörde für Temporale Ermittlungen befragt und gemäß der Obersten Temporalen Direktive zur Verschwiegenheit verpflichtet. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Der Pfeil des Schicksals«)
•Picard und die Enterprise entdecken einen Planeten, der willkürlich durch verschiedene Dimensionen und Zeiten springt. Sie begegnen einer anderen Version der U.S.S. Enterprise NCC-1701-D aus einer Realität, in der Picard seine Gefangennahme und Assimilation durch die Borg nicht überlebt hat. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Absturz«)
•Journalistin Ozla Graniv enthüllt mithilfe von Bashir und Data die gesamte Geschichte von Sektion 31 und die lange Liste an illegalen Aktivitäten, die mehr als zwei Jahrhunderte zurückreicht. Alle bekannten Sektion-31-Agenten werden verfolgt und verhaftet. Picard wird mit der Ermordung des Föderationspräsidenten Min Zife durch die Organisation im Jahr 2379 in Verbindung gebracht. (STAR TREK: SEKTION 31-Roman »Kontrolle«)
2387
•Entlastet von den Anschuldigungen im Zusammenhang mit Sektion 31 bereitet sich Captain Picard darauf vor, mit der Enterprise zum Odysseischen Pass zurückzukehren, um dessen Erforschung fortzusetzen. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Kollateralschaden«)
•Wesley Crusher überbringt Picard eine Warnung: Die Devidianer, ein alter Feind, greifen ganze Zeitlinien an und zerstören diese. Zusammen mit Captain Dax und der Aventine brechen Wesley und die Enterprise-Besatzung auf, um die Wahrheit hinter diesem schrecklichen neuen Großangriff herauszufinden. Die Realität selbst steht auf dem Spiel, und beide Schiffe haben schwere Verluste zu verzeichnen, darunter Taurik und Ezri Dax. (STAR TREK: CODA, Buch 1 »Zeit in Scherben«)
UND NUN …
Benjamin Sisko stürzte in die Leere innerhalb des Tunnels der Sterne, spürte, wie die Geschwindigkeit des interstellaren Raums an ihm vorbeiraste, und genoss das berauschende Gefühl an den Grenzen seiner Wahrnehmung.
»Noch zehn Sekunden!«, warnte ihn eine Stimme zu seiner Rechten, doch Sisko wandte den Blick nicht von den vorbeiziehenden Sternen ab.
Andere Stimmen vor und hinter ihm bestätigten den Ruf, aber er beachtete sie nicht, gefangen in diesem Moment. Er lehnte sich in seinem Sessel vor und spannte die Schulter an, als könnte er so das Schiff antreiben, noch ein kleines bisschen schneller zu fliegen.
Das schimmernde Glühen schien sich jenseits des großen Bildschirms vor ihm auszudehnen und über die Brücke zu erstrecken, bis seine Ausläufer Sisko einhüllten. Er konnte die Vorahnung nicht abschütteln, dass etwas Schreckliches auf der anderen Seite dieser im Warpraum lang gezogenen Sterne auf ihn wartete. Und dann, in einem plötzlichen Abbremsen, wurde seine Vision Wirklichkeit.
Ein Aufheulen freigesetzter Energie erfüllte das Raumschiff Robinson, als es aus hoher Warpgeschwindigkeit zurück in den normalen Raum übertrat. Sie waren am Rand eines nicht kartografierten Systems im Dorvan-Sektor herausgekommen.
»Roter Alarm! Schilde und Waffen!« Siskos Erster Offizier, Commander Anxo Rogeiro, bellte die Befehle, kaum dass das Schiff richtig angekommen war.
In den sechs Jahren, die Rogeiro jetzt als Siskos Stellvertreter auf dem Schiff der Galaxy-Klasse diente, hatte der jüngere Mann die unheimliche Fähigkeit entwickelt, die Gedanken seines Captains vorauszuahnen. Diese Vertrautheit hatte einen Punkt erreicht, an dem sie allein durch einen Blick oder ein Nicken ihre Absichten kommunizieren konnten. Sisko musste ihm nicht sagen, was zu tun war. Ihnen beiden war voll und ganz bewusst, was auf dem Spiel stand.
Die Robinson war umgeben von einer Wolke aus Trümmern und Feuer. Teile des Wracks und metallische Staubwolken prallten von den Deflektorschilden ab, wodurch sie kurz sichtbar wurden, während das Schiff näher heranflog. Siskos Augen verengten sich, und er presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, als er Leichen dort draußen im Vakuum zwischen den Überresten entdeckte. Was immer hier geschehen war, diese armen Seelen waren gestorben, bevor sie auch nur hatten versuchen können, sich zu retten.
»Commander Plante«, Sisko warf seinem zweiten Offizier einen Blick zu, »was hören Sie?«
Plante drückte einen Ohrhörer gegen ihr rechtes Ohr und lauschte direkt dem Hilferuf, der die Robinson von ihrer gegenwärtigen Mission ein Parsec hinter der Grenze der Cardassianischen Union weggeholt hatte. »Dieselbe Nachricht wiederholt sich immer wieder auf der Subraumfrequenz, Sir«, erwiderte sie mit einem Stirnrunzeln. »Womöglich ist niemand mehr da, der auf unsere Rufe antworten könnte.«
»Wir können nur hoffen, dass das nicht der Fall ist«, knurrte Sisko. »Irgendwas von den Cardassianern?«
»Wir wissen, sie haben ein Schiff losgeschickt. Einen leichten Kreuzer, glaube ich«, informierte ihn Lieutenant Corallavellis sh’Vrane. Die andorianische shen drehte sich an ihrer Konsole an der Wissenschaftsstation um. »Aber ich sehe nichts.«
»Ich schon.« Uteln, der taktische Offizier der Robinson, blickte von seiner Station hinter dem Kommandosessel auf seinen Captain herab. Die sonst so warmherzige, offene Miene des Deltaners war ungewöhnlich verschlossen. Er deutete auf die Trümmer auf dem Schirm. »Sir, ich glaube, das ist alles, was davon übrig ist.«
»Mãe de Deus …«, fluchte Rogeiro leise in seiner Muttersprache Portugiesisch. »Aber sie können nur Minuten vor uns hier eingetroffen sein …«
Was hat sie in so kurzer Zeit so vollkommen zerstört? Die Frage hing im Raum, aber Sisko hatte nicht vor, Zeit darauf zu verschwenden. Er trug sh’Vrane auf, nach Anzeichen von Überlebenden sowie nach Antworten zu scannen.
Die Antennen der Wissenschaftsoffizierin krümmten sich, ein sicheres Zeichen, dass die Andorianerin frustriert war von dem, was sie auf ihrem Monitor sah. »Die Messwerte sind … ungewöhnlich. Das Wrack weist einen extrem fortgeschrittenen molekularen Verfall auf.«
»Da ist was.« Rogeiro deutete auf eine rauchende Silhouette in der Ferne, jenseits des Wracks. »Die Station.«
Als die Robinson aus dem Staub und den Trümmern brach, sah Sisko das Objekt klar vor sich, und der Anblick wühlte alte Gefühle in ihm auf. Die Station, die auf einer weiten Umlaufbahn um den Roten Riesen des Systems trieb, wies die typische cardassianische Architektur auf und erinnerte aus der Ferne an die geschwungene Form einer Raumstation der Nor-Klasse, die ihm so vertraut war wie das Haus, in dem er aufgewachsen war.
Eine seltsame Welle der Emotionen überkam Sisko. Er konnte die Station nicht ansehen, ohne an die alte Deep Space 9 erinnert zu werden, die Station, die einst Terok Nor gewesen war und die er jahrelang sein Zuhause genannt hatte.
Die in Not geratene Station, die den Hilferuf gesendet hatte, war kleiner als DS9, aber sie hatte dieselben unverkennbaren nach oben geschwungenen Andockpylonen, die eine Art eiserne Krone bildeten.
Ohne es zu merken, war er aufgestanden. »Vergrößern«, befahl er, und das Bild auf dem Hauptschirm wurde herangezoomt.
Bei höherer Auflösung war die Ähnlichkeit weniger frappierend. Die Station war beschädigt; besonders das kugelförmige Opsmodul in ihrem Zentrum hatte katastrophale Schäden erlitten. Ganze Decks waren aufgerissen und dem Vakuum ausgesetzt. In Wolken ausströmenden Plasmas züngelte blaues Feuer, und Energieblitze zuckten wild und grell über die Hülle.
»Keine Lebenszeichen«, meldete sh’Vrane. »Aber …« Die Andorianerin verzog das blassblaue Gesicht und verstummte.
Sisko drehte sich zu ihr um. »Cora«, bemerkte er in scharfem Ton, »spucken Sie’s aus.«
Sie nickte. »Captain, die verfügbaren Daten von der cardassianischen Raumbehörde beschreiben die Station als Wissenschaftseinrichtung der Klasse vier. Gegenwärtige Aufgabe: Erforschung von Warpfeldtechnologie. Aber das passt nicht zu der Energiesignatur, die ich hier sehe.«
Commander Plante drehte den Monitor neben sich, um sh’Vranes Sensormessungen zu überprüfen. Ihre Augen weiteten sich. »Ich stimme zu. Die Station verströmt gewaltige Mengen chronometrischer Strahlung. In diesem Ausmaß haben wir das bisher nur bei künstlich geschaffenen temporalen Effekten gesehen.«
»Temporal?«, wiederholte Rogeiro und konnte seine Verwirrung nicht verbergen. »Wie in Zeitreisen? Wollen Sie sagen, das haben die Cardassianer hier draußen getrieben?«
Sisko musterte seinen Ersten Offizier. Für viele der Kollegen des Captains waren Reisen in die Zukunft oder Vergangenheit eine Theorie, die außerhalb des Möglichen lag, wilde Spinnerei wie das Seemannsgarn früherer Jahrhunderte. Aber Sisko hatte es mehr als einmal erlebt.
»Mich würde nicht wundern, wenn Kastellan Garak genau das hier vor aller Augen sozusagen unbemerkt tut«, bemerkte er. »Temporale Forschung ist durch eine Übereinkunft aller galaktischen Mächte streng reglementiert.«
Er wollte mehr dazu sagen, aber ein Geist auf dem Bildschirm erregte seine Aufmerksamkeit und unterbrach Siskos Gedankengang. Zwischen den Andockarmen der Forschungsstation war kurz ein durchsichtiges, substanzloses Phantom zu sehen, bevor es wieder verschwand.
Siskos Verstand suchte nach einer Beschreibung für das, was er zu sehen meinte. Etwas Großes, Schnelles, das sich fast organisch bewegt. Wie eine … Schlange?
»Haben Sie das auch gesehen?«, fragte Rogeiro.
»Wir alle haben es gesehen«, erwiderte Plante. »Wir sind nicht allein.«
»Scanne nach getarnten Schiffen.« Lieutenant sh’Vranes lange, himmelblaue Finger tanzten über ihre Konsole. »Nichts. Aber ich entdecke schwache Signale aus dem Trümmerfeld. Notsignale. Captain, ich glaube, da drin befinden sich Fluchtkapseln.«
Sisko antwortete ihr nicht. Sein Blick war fest auf die Forschungsstation gerichtet. Er starrte in die Leere um sie herum, als wollte er das Phantomding herausfordern, sich noch mal zu zeigen.
Und zu seinem Schrecken tat es das.
Die Erscheinung schälte sich erneut aus der Dunkelheit und wand sich um einen der unbeschädigten Andockpylonen. Dieses Mal nahm sie Substanz an, sodass er nicht länger hindurchsehen konnte, und glühte vor aktinischer Strahlung, die die beschädigte Station in ein kränkliches Licht tauchte. An einer Seite der Schlangenform öffnete sich unter einem glatten, V-förmigen Schädel ein gezacktes Maul, groß genug, um ein ganzes Runabout zu verschlingen. Die Kreatur bewegte sich, als sei die Leere ihr natürlicher Lebensraum. Mühelos glitt sie durch das Vakuum.
Mit einem Zucken, das sich durch den gesamten Körper fortsetzte, schlug die Schlange gegen die cardassianische Station und grub sich mit brutaler Entschlossenheit in die Rahmenkonstruktion. Bruchstücke der Titaniumhülle explodierten um sie herum, als sich die Kreatur in den kugelförmigen Kern bohrte wie ein Wurm in einen Apfel. Auf der anderen Seite trat sie in einem Regen energetischer Teilchen wieder aus. Hinter ihr begann die Station zu verfallen, als würde die Schlange eine toxische, degenerative Aura umgeben.
»Ich erkenne einen weiteren Ausstoß chronometrischer Strahlung«, meldete Plante. »Was immer dieses Ding ist, es ernährt sich vom Chronitonfluss.« Sie schluckte schwer. »Captain, es verzerrt das temporale Feld von allem in seinem Umfeld.«
»Es ist ein Zeitfresser.« Siskos Worte zerrissen die Stille, die auf der Brücke entstanden war. Diese Definition ergab auf schreckliche Art Sinn und erklärte den unerwarteten Verfall des cardassianischen Rettungsschiffs und der Station. Wie ein Tiefseemonster aus einer alten Legende verschlang die Schlange die hoffnungslos verlorene Station und zermalmte die Überreste in ihren Windungen zu Staub.
Sisko wandte sich mit finsterer Miene ab und rief kurz angebunden:. »Transporter. Können wir diese Fluchtkapseln erfassen und die Überlebenden an Bord beamen?«
»Negativ.« Plante schüttelte den Kopf. »Die Strahlung stört unsere Sensoren, und wir riskieren, uns ihr auszusetzen, wenn wir die Schilde senken, um sie an Bord zu holen.«
»Traktorstrahl?«, schlug Rogeiro vor. »Wir benutzen ihn, um die Kapseln aus den Trümmern und der Strahlungszone heraus in den offenen Raum zu ziehen.«
Sisko nickte. »Tun Sie’s.«
Während sich sein Erster Offizier an die Arbeit machte, ging Sisko auf den Hauptschirm zu, bis er zwischen der Flugkontrolle und der Ops stand. Auf dem Schirm löste sich die Schlange von den Überresten der cardassianischen Station, hielt aber inne, um weitere Trümmerbrocken zu verschlingen.
Ist sie intelligent?, fragte er sich. Eine Art kosmozoischer Lebensform, angezogen von dem, was immer Garaks Leute hier getrieben haben? Sisko versuchte, den Gedanken daran zu verdrängen, wie viele in dem Angriff der Kreatur ihr Leben verloren hatten, und überlegte stattdessen, ob es irgendeine Möglichkeit gab, mit der Schlange zu kommunizieren und weiteres Blutvergießen zu verhindern.
Der gesichtslose, ausdruckslose Kopf der Kreatur zuckte herum, als würde er in der Leere schnüffeln, und Sisko spannte sich an, als er sich in die Richtung der Robinson drehte und innehielt.
»Es sieht uns«, flüsterte Sivadeki, die Tyrellianerin am Steuer, während ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich. »Denken Sie, es ist noch hungrig?«
Die Schlange zog sich zusammen und schoss los, wobei sie der Zerstörung, die sie angerichtet hatte, auswich, und sich auf einen Abfangkurs zu dem langsam fliegenden Schiff begab. Falten aus Materie breiteten sich an den Seiten der Kreatur aus zu einer Art ausgefranstem Umhang, der in langen, glänzenden Zilien endete.
»Volle Energie auf die Deflektoren«, befahl Sisko und seine Stimme dröhnte über die Brücke. »Steuer, bringen Sie uns auf Abstand!«
Sivadeki gehorchte, wendete die Robinson und brachte sie mit einem kurzen Schub der Impulstriebwerke aus der Ekliptikebene – doch noch während das Schiff in Bewegung war, sah Sisko, wie die Kreatur wieder an Substanz verlor. Sie verschwand, und er hielt den Atem an.
»Hat es sich … getarnt?«, stellte Rogeiro die Frage, die allen auf der Zunge lag. »Oder ist es weg?«
»Die Sensoren entdecken keine Spur«, sagte sh’Vrane. »Selbst die komplexeste Tarnung würde irgendeinen Hinweis hinterlassen.«
In der nächsten Sekunde füllte eine schimmernde Wand aus glühendem metallischem »Fleisch« den Bildschirm von einer Seite zur anderen aus, als die Kreatur direkt vor ihnen wieder auftauchte, nah genug, um mit den Schilden der Robinson in Berührung zu kommen.
Sivadeki stieß einen instinktiven Schreckensschrei aus und zuckte auf ihrem Sessel zurück, als die Kreatur ihren Kopf in den Deflektorschild rammte. Sie war nah genug, dass Sisko die Details des Knochenkamms auf ihrem Schädel ausmachen konnte. Er war mit Löchern, vermutlich Sinnesorganen, und seltsamen fühlerartigen Auswüchsen übersät. Zuckende, an Klauen erinnernde Hörner sprossen in regelmäßigen Abständen aus dem Körper, und der gewaltige Schlund der Schlange war von Reihen über Reihen scharfer Zähne erfüllt, die wütend nach der Schildblase schnappten, während die Kreatur versuchte, sich durchzubeißen.
Sisko deutete auf den Schirm. »Phaser abfeuern, wenn Sie bereit sind!«
An der taktischen Station reagierte Uteln mit einer breit gefächerten Salve aus dem oberen Waffenring. Offensichtlich versuchte er, die Kreatur zu verwunden und so zu verjagen. Doch Sisko musste entmutigt zusehen, wie die orangeroten Strahlen durch den Körper des Wesens hindurchgingen. Teile der Riesenschlange wurden substanzlos, während andere massiv blieben, wodurch die Energiewaffen wirkungslos wurden.
Sivadeki bemühte sich, die Robinson von der Kreatur wegzubringen, bevor sie sich daran festklammern konnte, doch die glühende Riesenschlange rammte mit einem Lichtblitz ihren gepanzerten Kopf durch den vorderen Schild. Die Flanken des Wesens schlugen gegen die obere Hülle der Untertassensektion, rissen Furchen hinein und schleuderten Metallsplitter in die Dunkelheit.
Der Schwanz der Schlange zuckte nach der Steuerbordwarpgondel der Robinson und suchte nach einer Stelle, um sich festzuklammern, während der riesige Kopf sich aufrichtete und die Kuppel der Brücke streifte.
Feuerstöße erschütterten das Deck, und Sisko spürte, wie das Schiff den Treffer einsteckte – aber dies war anders als die anderen Schlachten, die er als Captain geschlagen hatte. Der Treffer erreichte ihn nicht einfach nur als das Echo des Einschlags, das sich durch das Metall und Polymer fortsetzte. Er spürte ihn in seinen Nerven und Knochen, im Blut in seinen Adern. Die vergiftete temporale Aura, die um den Leib der Kreatur herum loderte, streifte die Robinson, und Sisko schrie auf. Er spürte den Schmerz so deutlich, als sei die Hülle des Schiffs eine Erweiterung seines eigenen Körpers.
Ein schrecklicher, schwindelerregender Druck baute sich in seinem Schädel auf, ein weißes Licht blendete ihn und raubte ihm die Sinne. Er kannte dieses Gefühl nur allzu gut.
Über unvorstellbare Entfernungen hinweg, von jenseits der linearen Zeit selbst, riefen sie nach ihm.
Nicht jetzt!, wollte er brüllen. Nicht jetzt!
Einen endlosen Moment lang wurde Benjamin Sisko ein Kanal, losgelöst von der Zeit selbst, existierend in einer stillstehenden Ewigkeit. Er war ein Prisma, eine Linse, durch die ein schwindelerregender Strom von Bildern fiel. Während er noch versuchte, wieder die normale, gewöhnliche Existenz seines physischen Körpers zu erreichen, übernahm der Teil von ihm, der von den Wesen abstammte, die als die Propheten bekannt waren, die Kontrolle.
Er konnte die Visionen, die durch seinen Verstand rasten, kaum erfassen.
Milliarden und Abermilliarden Sonnen erloschen. Eine Galaxie toter Planeten, entvölkert von jeglichem Leben, der Entropie anheimgefallen. Eine Landschaft aus Asche, getragen von klagenden Winden. Eine vertraute grüne Welt, die innerhalb von Sekunden um Äonen alterte.
»Keine Zeit«, sagte die Stimme einer Frau in unmöglich weiter Ferne.
Er sah Bajor, das zusammenbrach und verfiel, reduziert zu totem Staub. Darüber verging der leuchtende Wirbel des Wurmlochs, implodierte in einem Schwall smaragdgrünen Feuers.
Und in all diesem Grauen wandten sich die monströsen Schlangen ab und verschwanden in der Dunkelheit.
»Keine Zeit«, sagte die weit entfernte Stimme.
»Nein!«
Siskos Schrei durchbrach die fremde Kontrolle, die Besitz von ihm ergriffen hatte, und kehrte in den Augenblick zurück. Er spürte, wie das Deck der Robinson unter seinen Füßen erzitterte. Dem Captain war die Vision wie eine Ewigkeit vorgekommen, aber in der linearen Zeit war nicht einmal eine Sekunde vergangen.
Kurz verlor er das Gleichgewicht und stolperte gegen eine andere Konsole, gerade als Sivadeki, die Augen schreckgeweitet, nach ihrem Captain greifen wollte.
Sie sah die Klaue nicht, die per Phasenverschiebung durch die Kuppel der Brücke drang, sich durch das Deck grub und eine Ecke des Hauptschirms abschnitt. Sivadeki sah nicht, wie das Deck und die Wände hinter ihr wie verrottendes Papier zerfielen. Sie wusste nicht, dass sie sterben würde, bis die Klaue an ihr vorbeizog und ihre atemporale Aura sie einhüllte.
Die Tyrellianerin war knapp außerhalb von Siskos Reichweite, dennoch streckte er seine Hand ins Feuer und verbrannte sich die Haut, als er verzweifelt versuchte, sie zu sich zu ziehen. Sivadeki sah ihm in die Augen, und dann war sie fort, jeder Teil von ihr, Fleisch und Blut, Uniform und Kommunikator, reduziert zu einem Haufen grauen Staubs, während sie innerhalb einer Millisekunde um Millionen Jahre alterte.
Ein wenig der Asche landete auf Siskos Hand, und ihm schnürte sich die Kehle zu. Der Schock über den Tod der jungen Frau raubte ihm die Stimme.
»Die Phaser sind absolut nutzlos gegen dieses Ding!«, drang Commander Rogeiros wütendes Knurren zu ihm durch, und Sisko zwang sich, das Grauen, dessen Zeuge er soeben geworden war, zu verdrängen. »Computer, Schadensbericht.«
»Hüllenbrüche auf den Decks eins bis acht«, vermeldete die bedächtige Stimme des Computers der Robinson. »Mehrere Verletzte. Plasmaleck im Hauptmaschinenraum. Strukturelles Integritätsfeld versagt.«
Der Captain erhob sich und rannte über die Brücke. Das Licht der Warnleuchten tauchte das gesamte Deck in ein feuriges Rot. Hinter ihm hatte sich automatisch ein Kraftfeld errichtet, um den Teil der Brücke zu versiegeln, den die Schlange zerstört hatte. Alles innerhalb des schimmernden Felds war verrostet und altersschwach. Jegliches Leben war ihm entzogen worden, genau wie der glücklosen Sivadeki.
»Wir müssen dieses Ding loswerden, bevor wir alle enden wie …« Commander Plante blieben die Worte im Hals stecken. »Wie die Cardassianer.«
»Zeit«, knurrte Sisko. In seinem Kopf formte sich ein Gedanke. »Es ernährt sich von Zeit.« Er zog sich an der Kante der oberen Kontrollstation am hinteren Ende der Brücke hoch und schwang sich darüber. Dann ging er auf Uteln zu. »Übergeben Sie mir Ihre Station, sofort!«
»Sir?« Zweifel huschten über das Gesicht des Deltaners, aber der taktische Offizier gehorchte dem Befehl und trat zurück, um Sisko an seine Station zu lassen.
»Helfen Sie mir«, sagte der Captain, während das Schiff unter einem weiteren Zusammenprall mit der Bestie erzitterte. Er deutete auf eine freie Station, von der aus man den Maschinenraum steuern konnte. »Programmieren Sie die Leitkontrollen der vorderen Torpedowerfer auf Detonation bei Annäherung!«
Uteln erbleichte. »Auf welche Entfernung?«
»Nächste Nähe.« Sisko stürzte sich auf die taktische Konsole und hämmerte auf das Display ein, um Befehle an die automatisierten Lademechanismen in der Torpedobucht zu senden. Schnelle Roboterarme tauschten die Materie-Antimaterie-Sprengköpfe gegen eine exotischere Ladung aus.
»Captain …« Sisko sah nicht auf, als Rogeiro zu ihm kam. Er kannte diesen Tonfall, die Besorgnis, die darin mitschwang. »Ben …?«
Anxo Rogeiro war kein Mann, der sich Hirngespinsten hingab – tatsächlich war er einer der skeptischsten Menschen, denen Sisko je begegnet war, und hatte größte Mühe, auf etwas zu vertrauen, das er nicht sehen oder anfassen konnte. Trotz seines vorherigen Ausbruchs kannte der Erste Offizier praktisch keinerlei Glauben an das Mystische oder Übernatürliche, es war also auch für den Captain nicht leicht gewesen, ihm die spirituellen Gewissheiten anzuvertrauen, die Teil seiner persönlichen Realität waren.
»Ich weiß, was ich tue«, versicherte Sisko ihm. Wenn er ihm die ganze Geschichte erzählen würde, wenn er Rogeiro sagen würde, dass er gerade eine Vision gehabt hatte, die ihm eine plötzliche, unerwartete Eingebung beschert hatte, was würde dieser wohl sagen? »Es bleibt keine Zeit zum Diskutieren«, fügte er hinzu. »Sie werden mir vertrauen müssen.«
»Das tue ich«, sagte Rogeiro leise. »Das tun wir alle, Sir, aber …«
»Keine Zeit!«, wiederholte Sisko scharf und vollendete sein Werk.
»Antitachyon-Generatormodule geladen«, meldete der Computer. »Torpedos geladen und bereit zum Abschuss.«
»Leitsystem eingestellt«, sagte Uteln. »Sir, aus nächster Nähe werden die Detonationen …«
»Ich weiß.« Mit einem knappen Nicken schnitt ihm der Captain das Wort ab. »Auf mein Zeichen leiten Sie alle Energie in die Deflektoren um.« Sisko sah auf und begegnete den Blicken seiner Brückenbesatzung. »Machen Sie sich bereit.« Er streckte den Arm aus und berührte die Feuertaste. »Jetzt!«
Kugeln aus weißblauem Licht schossen aus der Torpedoabschussphalanx der Robinson und legten die kurze Entfernung zur schimmernden Flanke der Kreatur zurück – doch sie schlugen nicht in den Körper der Schlange ein. Stattdessen explodierten sie in einer Reihe von blendend hellen Detonationen innerhalb der substanzlosen Masse der sich windenden Riesenschlange.
Der Standardsprengkopf eines Photonentorpedos wäre pure Vernichtung gewesen, eine winzige Sonne, die geboren wurde und verging, während Materie und Antimaterie einander in einem verheerenden Schlag auslöschten. Aber die Sprengköpfe, die Sisko abgeschossen hatte, überschütteten die Leere und die Subraumbereiche in ihrer direkten Umgebung mit einer Welle mächtiger Antitachyonen, der exotischen Umkehrung der Teilchen, die in temporalen Anomalien entstanden.
Wenn das Schlangenwesen sich von der Energie der Zeit selbst ernährte, mussten die Antitachyonen Gift für es sein. Aber die einzige Möglichkeit, das Monster damit zu überschütten, barg gleichzeitig das Risiko, die Robinson zu zerstören.
In der Stille des Vakuums hüllte die grausame Strahlung den räuberischen Zeitfresser ein und löste ihn auf, aber die Detonationen waren für das Raumschiff genauso tödlich wie für das Wesen.
Siskos Mannschaft war darauf vorbereitet und stemmte sich der Druckwelle entgegen. Ein lang gezogenes, metallenes Kreischen erschütterte die Rahmenkonstruktion der Robinson, und das Schiff wurde von der Wucht der Torpedoexplosion zur Seite geschleudert. Der Captain merkte, wie er vom Boden abhob, und er stieß mit Uteln zusammen, als die beiden gegen die Konsolen an der hinteren Wand der Brücke geworfen wurden. Rauch und Flammen erfüllten die Luft, und Schwärze umhüllte den Captain, als sein Kopf gegen ein Beleuchtungspaneel stieß.
Der Übergang schien unmittelbar zu erfolgen: Im einen Moment fiel er noch, im nächsten blickte er Plante in die Augen, die ihn mit einem Trikorder scannte.
»Gwendolyn.« Er blinzelte träge, als ihn eine Welle der Übelkeit überkam. »Hat es … funktioniert?«
»Stillhalten«, sagte Plante nur, doch schließlich nickte sie müde. »Aye, Sir, hat es. Aber wir haben selbst einiges eingesteckt.«
»Wie lange war ich bewusstlos?«
»Ein paar Minuten.« Sie verzog das Gesicht, als sie die Messwerte des Trikorders studierte. »Sie müssen auf die Krankenstation, Doktor Kosciuszko muss Sie durchchecken.«
»Das kann warten.« Sisko stand auf und unterdrückte ein schmerzerfülltes Stöhnen. Sein Körper fühlte sich leicht an – ein sicheres Zeichen, dass die Schwerkraftgeneratoren des Schiffs nicht bei voller Leistung arbeiteten –, als er zu Rogeiro und sh’Vrane hinüberging, die an der Wissenschaftsstation standen.
Die Brücke war düster, alles lief nur auf minimaler Notfallversorgung, und der Hauptschirm tauchte alles in ein unheimliches Licht.
»Bericht«, sagte Sisko, und seine Stimme klang rau von der Anstrengung.
»Clevere Idee mit dem Antitachyon-Angriff, Sir«, sagte die Andorianerin. »Wir haben die Kreatur überrumpelt. Sie hat sich aufgelöst und keine messbaren Spuren hinterlassen. Ich denke, dass ihre Masse in den Subraum absorbiert worden sein könnte.«
»Hoffen wir, dass das unsere letzte Begegnung mit diesem Ding war.« Rogeiro rieb sich die Stirn. »Wir haben das Schiff stabilisiert, und Reparaturteams sind unterwegs. Der strukturelle Schaden ist enorm, es kommen immer noch Verlustmeldungen rein …« Er seufzte. »Wir haben ein paar gute Leute verloren.«
Siskos Blick wanderte unwillkürlich zu Lieutenant Commander Sivadekis Station. Er wandte sich ab. »Was ist mit den Fluchtkapseln?«
Rogeiro und sh’Vrane wechselten einen Blick. »Wir haben sie so schnell wir konnten in den Frachtraum gebeamt«, begann die Wissenschaftsoffizierin, doch ihre betrübte Miene nahm den Rest der Geschichte bereits vorweg. »Im Inneren jeder einzelnen … Da war nichts außer Staub.«
Der Commander starrte auf den Hauptschirm, das verzerrte und von statischem Rauschen durchzogene Bild auf das von der Zeit geschundene Wrack in der Nähe. »Was zum Teufel war das für ein Ding? So was habe ich noch nie gesehen. Und wo ist es hergekommen? Um ein Haar hätte es uns alle getötet!«
Keine Zeit. Die Stimme hallte durch die Tiefen von Siskos Verstand. Er kannte sie, erinnerte sich an den sanften Tonfall aus seiner Kindheit. Es war die Stimme, die ihn als Junge in den Schlaf gesungen hatte, während sein Vater unten in der Küche mit den Töpfen und Pfannen geklappert hatte. Die Stimme, die er immer noch in seinen Träumen hörte, wenn er ganz genau lauschte.
»Captain?«
Sisko blinzelte, und der kurze Tagtraum löste sich auf, als er bemerkte, dass sh’Vrane mit ihm gesprochen hatte.
»Ihre Befehle, Sir?«
»Die Robinson braucht einen Raumhafen«, erwiderte er nach einem Moment. »Können wir auf Warp gehen?«
»Ganz vorsichtig«, sagte Rogeiro. »Der nächste Sternenflottenaußenposten ist Sternbasis 310. Wir können in vier Tagen dort sein, wenn Sie den Befehl geben.«
Sisko nickte. »Der Befehl ist gegeben.« Er schob sich an dem anderen Mann vorbei hinunter in den Kommandobereich. »Commander Plante soll die Cardassianer so schnell wie möglich kontaktieren und ihnen unsere Logbücher und Sensoraufzeichnungen geben. Sie müssen wissen, was wir hier gefunden haben.«
»Vielleicht können sie uns sagen, was das für eine Kreatur war«, überlegte sh’Vrane.
Sisko konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass der Zeitfresser – wodurch und woher auch immer er hierhergelockt worden war – nur der Vorbote von etwas viel Schlimmerem war. Etwas Gewaltiges und Schreckliches, das weit über das Verständnis der Menschen hinausging.
Er stand am Rand des Kraftfelds, das das Vakuum des Alls fernhielt, streckte die Hand aus und berührte die Seite von Sivadekis Sessel. Die feine Staubschicht, mit der er überzogen war, blieb an seinen Fingern kleben, und seine ohnehin schon niedergeschlagene Stimmung wurde noch düsterer.
Keine Zeit, sagte die Stimme seiner Mutter, und jetzt war er sicher.
Was Sisko in diesem erstarrten Moment gesehen hatte, war keine subjektive Vision oder ein metaphorischer Traum gewesen, der ihm von den Propheten geschickt worden war.
Es war eine Warnung.
Jean-Luc Picard legte eine Hand an das Panoramafenster der Aussichtslounge und starrte nach draußen. Hinter der transparenten Barriere rauschten die verzerrten Lichter des Weltalls an ihm vorbei; der Schein von Sonnen und Nebeln wurde zu einem Pfad aus Licht gedehnt, dem die U.S.S. Aventine folgte. An Backbord flog Picards eigenes Schiff, die U.S.S. Enterprise-E, neben ihnen her. Auf einem parallelen Kurs zur Aventine schnitt sie elegant durch den Warpraum auf dem Weg nach Sektor 001 und zur Erde.
Sein Schiff aus diesem Blickwinkel zu sehen, löste in ihm ein zutiefst beunruhigendes Gefühl der Orientierungslosigkeit aus, ein Gefühl, das durch die Geschehnisse der letzten Tage nur noch verstärkt wurde.
Tage. War es wirklich nicht länger gewesen? Picard fühlte sich, als hätten ihn die Ereignisse dieser Mission um Jahrzehnte altern lassen.
Er dachte darüber nach, wie das alles begonnen hatte. Am Strand von Sternbasis 11, wo Beverly, ihr kleiner Sohn René und er über den Sand gelaufen waren, und ihre Zukunft sich vor ihnen ausgebreitet hatte. Das schien ein ganzes Leben her zu sein, und seine Empfindungen in diesem Moment erschienen ihm im Nachhinein albern und naiv.
Ein perfekter Augenblick der Hoffnung, der plötzlich zerrissen worden war, als ihnen im wahrsten Sinne des Wortes ein sterbender Mann aus heiterem Himmel direkt vor die Füße gefallen war.
Aber nicht einfach irgendein Mann. Es war Beverly Crushers Sohn Wesley gewesen – oder zumindest eine zukünftige Inkarnation von ihm am Ende seines Lebenszyklus.
Mit Wesleys Ankunft – und dann seinem Ableben – war alles, worauf Jean-Luc Picard gehofft hatte, jegliche strahlende und bessere Zukunft, in Gefahr geraten.
Aber dieses traumatische Erlebnis war nur der Vorbote für etwas viel Schlimmeres gewesen. Eine vergessene Bedrohung aus der Vergangenheit, die räuberischen, atemporalen Wesen, die er als die Devidianer kannte, war zurückgekehrt und stellte nun eine Gefahr dar, die größer war als alles, was Picard sich je hätte ausmalen können.
Selbst jetzt, während er versuchte, diesen Gedanken zu greifen, wehrte sich sein Verstand gegen dieses unermessliche Grauen, das die Devidianer anrichteten. Es stieß ihn auf einer Ebene ab, die er kaum in Worte fassen konnte, und er war kein Mann, dem oft die Worte fehlten.
Wieder und wieder versuchte Picard, das gewaltige Ausmaß der Gefahr in Worte zu fassen, als würde es einfacher, sich ihr zu stellen, indem man ihr einen Namen gab. Aber er schien sie einfach nicht erfassen zu können. Bald würde er das, was er gesehen hatte, seinen Vorgesetzten im Sternenflottenkommando präsentieren müssen. Er fragte sich, wie er es am besten vermitteln sollte, damit keine Doppeldeutigkeiten und Missverständnisse entstanden.
Die Devidianer töten die Zukunft.
Wie sonst sollte er die drohende Gefahr beschreiben? Eine parasitäre, opportunistische Spezies hatte sich so entwickelt, dass sie sich von der neuralen Energie anderer Lebensformen ernährte. Bei seiner ersten Begegnung mit ihnen hatten Picard und seine Mannschaft von der Enterprise NCC-1701-D die Devidianer nicht nur in der Gegenwart bekämpft, sondern auch weit in der Vergangenheit des frühen Industriezeitalters der Erde.
Wir dachten, wir hätten sie für immer unschädlich gemacht. Picard machte sich Vorwürfe, schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. Wie sehr wir uns doch geirrt haben.
Nachdem ihnen ihre Nahrung auf der Erde verwehrt worden war, hatten sich die heimtückischen Räuber einfach zurückgezogen. Doch statt sich einschüchtern zu lassen, waren ihre Ambitionen weit über eine Handvoll Planeten und Zivilisationen hinausgewachsen. Picard verstand nun, dass die Devidianer auf so unfassbar viel mehr Jagd machten als nur Planeten, Sonnensysteme oder auch Galaxien. Ganze Realitäten waren ihr Ziel; die zahllosen alternativen Zeitlinien, die sich in jedem Augenblick, bei jeder Entscheidung abspalteten.
Die Devidianer, die außerhalb des normalen Verlaufs der Zeit lebten, hatten einen Weg gefunden, sich von der Energie von Billionen und Aberbillionen sterbender Geister zu nähren, indem sie die Verästelungen dieser anderen Realitäten zum Kollabieren brachten. Sie schnitten sie ab, um eine bodenlose Gier zu befriedigen, die immer weiter außer Kontrolle geraten würde, wenn sie nicht aufgehalten wurde.
Es schien unmöglich. Ein so gigantischer Gewaltakt, dass er fast unbegreiflich schien. Aber Picard hatte es mit eigenen Augen gesehen – sie alle hatten das, nachdem sie den Quanten-Slipstream-Antrieb der Aventine so modifiziert hatten, dass er sie in eine ferne, tote Zukunft gebracht hatte, über die die Räuber herrschten. Und das Wissen, das sie dieser trostlosen Zukunft entrissen hatten, hatte einen hohen Tribut gefordert.
Er schloss die Augen, um die düstere Stimmung zu vertreiben, die von ihm Besitz zu ergreifen drohte. Jean-Luc Picard kannte Schrecken, und er kannte Verzweiflung. Er hatte sich beiden mehr als einmal gestellt, auf dem Schlachtfeld gegen gnadenlose Gegner wie das Dominion, in seinem Herzen und seiner Seele gegen die Borg oder im Konflikt mit existenziellen Bedrohungen, die weit über konventionelle Herausforderungen hinausgingen. Aber die Wahrheit, der er nun aus dem Weg ging, war schlimmer als das alles.
In seinem ganzen Leben hatte er sich nie so alt, machtlos und verlassen gefühlt wie heute, und er kannte den Grund dafür ganz genau.
Es liegt daran, dass ich so viel zu verlieren habe, erinnerte er sich selbst und musterte sein Spiegelbild im Fenster. Mein Schiff, meine Mannschaft, meine Frau und meinen Sohn. Alles, was ich erreicht habe. Jedes Opfer, das wir gebracht haben. All das Gute, das wir getan haben … Die Geschichte, die wir gemeinsam geschrieben haben, selbst ist in Gefahr.
»Captain Picard?« Die Anrede riss ihn aus seinen düsteren Gedanken, und er wandte sich von den Aussichtsfenstern ab. Auf der anderen Seite der leeren Beobachtungslounge stand Samaritan Bowers mit verschränkten Händen in der Tür. Der frühere Erste Offizier der Aventine und jetzt ihr amtierender Captain brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Dachte ich doch, dass ich Sie hier finden würde.«
»Ist es so weit?« Picards Stimme klang heiser und nachdenklich.
»Bald, Sir. Wir haben noch ein paar Minuten, bevor …« Er unterbrach sich und schien den Satz nicht beenden zu wollen. Seine jugendliche Ausstrahlung ließ ihn viel zu jung wirken für den Posten, den er innehatte, doch selbst das konnte seinen abwesenden Blick nicht verbergen. Wie Picard hatte auch Bowers diese schreckliche, trostlose Zukunft gesehen, und auch ihn hatte diese Erfahrung für immer verändert. Erneut ergriff er das Wort: »Ich wollte nur sagen, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie für unsere Zeremonie auf die Aventine zurückkehren. Ihre Führung … Ihre Anwesenheit ist allen sehr wichtig.«
Picard nickte langsam und blickte wieder zur Enterprise. »Wir müssen uns von denen, die wir verloren haben, verabschieden.«
»Aye, Sir.« Bowers blinzelte und wandte sich ab.
»Der Tausend-Yard-Blick.« Picard betrachtete sein Spiegelbild und sprach die Worte aus, ohne nachzudenken. Der Ausdruck war ungebeten aus den Tiefen seiner Erinnerung aufgetaucht.
»Sir?«
»Kennen Sie den Begriff nicht?« Er atmete durch. »Er geht auf ein Gemälde zurück, das vor Jahrhunderten von einem Künstler während des Zweiten Weltkriegs der Erde geschaffen wurde. Es zeigt einen amerikanischen Marine während des Pazifikkriegs, und sein Gesicht …« Picard deutete auf sich selbst, dann auf Bowers. »Der Ausdruck in seinen Augen. Es ist ein sehr ausdrucksstarkes Bild. Es vermittelt eindrucksvoll das Grauen, das er gesehen hat.«
»Ah.« Bowers verstand sofort. »Ich kenne diesen Blick. Ich habe ihn heute im Spiegel gesehen.«
»Genau wie ich.«
Der Commander verzog nachdenklich das Gesicht. »Wie erklären wir das jemandem, der nicht dabei war, Sir? Was wir in der Zukunft gesehen haben … Wie könnten wir es ihnen begreiflich machen?«
»Das ist unsere Bürde«, räumte Picard ein. »Ich teile Ihre Gefühle. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass die Verzweiflung uns überwältigt. Wir haben die Chance, diese Zerstörung aufzuhalten, hier, in der Gegenwart, bevor sie vollständig Fuß fassen kann.«
»Glauben Sie wirklich, dass wir die Devidianer aufhalten können?«
»Wir müssen es versuchen«, erwiderte Picard. »Wir haben eine dringende Warnung erhalten, und es ist unsere Pflicht, ihr Gehör zu verschaffen.«
»Das Schicksal weiß, wir haben einen hohen Preis gezahlt, um diese Warnung zurückzubringen.« Für einen Moment schien Bowers das Gewicht der Welt auf den Schultern zu tragen.
»Wir können uns die Umstände, unter denen wir uns beweisen müssen, nur selten aussuchen«, bemerkte Picard. »Aber wir tun immer unsere Pflicht.«
»Aye«, sagte Bowers. »Das tun wir.« Er stieß ein unsicheres Seufzen aus. »Ich hoffe, ich kann dem Standard, den sie gesetzt hat, gerecht werden.«
Vor seinem geistigen Auge sah Picard Ezri Dax, das furchtlose Lächeln auf ihrem Gesicht und das herausfordernde Funkeln in ihren Augen. Er war von der vereinigten Trill fasziniert gewesen, hatte ihre ansteckende Energie genossen – den Teil von ihr, der zweifellos der Wirtspersönlichkeit Ezri Tigan zuzuschreiben war – und die ironische, gut gelaunte Art, die vom Dax-Symbionten ausging, der in ihrem Körper lebte.
Es betrübte ihn sehr, dass der Captain der Aventine auf ihrer Mission durch die Zeit ihr Leben gelassen hatte. Der Tod von Dax – der Tod jedes Trill-Symbionten – war eine große Tragödie. So viel ging verloren. So viele gelebte Leben, so viele Erfahrungen und Wissen, einfach ausgelöscht, als wäre eine riesige Bibliothek niedergebrannt.
Doch gleichermaßen betrauerte er auch das Potenzial, das durch Ezris viel zu frühen Tod verloren gegangen war. Ihre Mannschaft und ihre Kollegen hatten sie sehr geschätzt und sie würde schrecklich vermisst werden. Picard kannte sie von ihren Begegnungen während der Borg-Invasion, und sein Erster Offizier, Commander Worf, hatte Ezri als enge Freundin betrachtet und den vorherigen Wirt des Symbionten, Jadzia, geliebt. Der stoische Klingone hätte sein Herz und seine Treue nicht an jemanden verschenkt, der es nicht wert war.
Er hatte seiner Nummer Eins angeboten, für die Trauerfeierlichkeiten auf die Aventine zu kommen, aber Worf hatte leise abgelehnt, und Picard hatte ihn nicht weiter bedrängt. Der Krieger würde auf seine eigene Art trauern, wenn er bereit war.
»Wir sollten anfangen«, sagte Picard und straffte sich.
Bowers deutete auf die Tür. »Hier entlang, Sir.«
Die leeren Korridore, durch die sie zum Hauptshuttlehangar gingen, ließen die Aventine wie ein Geisterschiff wirken. Picard versuchte nicht, das bedrückende Schweigen zu brechen. Stattdessen konzentrierte er seine Gedanken auf die Worte, die er sagen würde, sobald er an der Reihe war.
Dann erreichten sie die Hangartür, hinter der fast die gesamte Besatzung des Schiffs der Vesta-Klasse in präzisen Exerzierreihen stand und Haltung annahm, als sie eintraten. Die einzigen Vertreter der Offiziere der Enterprise waren Picard selbst und sein Chefingenieur Commander Geordi La Forge. Begleitet wurden sie von Wesley Crusher, der seinem einstigen Captain ernst zunickte, als dieser an ihm vorbeiging.
Picard fand es schwer, Wesley ins Gesicht zu sehen, und wandte sich schnell wieder ab. Eine gealterte Version seines Stiefsohns war vor seinen Augen gestorben, eine Inkarnation, die von Jahrhunderten gezeichnet und ganze Lebensspannen älter gewesen war als Picard selbst. Jedes Mal, wenn er Wesley ansah, sah er diesen Tod vor sich und erinnerte sich an den Schmerz, den er Beverly bereitet hatte.
Aber dieser Wesley, diese Version von ihm, war ein Mann aus einer anderen Zeit. Am Leben, gesund und auf dem Weg, der gealterte Reisende zu werden, den Picard hatte sterben sehen. Er strahlte eine umsichtige Selbstsicherheit aus, die sich so sehr von dem klugen Jungen unterschied, der er während seiner Zeit auf der Enterprise-D gewesen war. Wesley hatte Picard die Gefahr vor Augen geführt, der sich ihre Realität, wenn nicht die gesamte Existenz, gegenübersah.
Bowers führte ihn zu einem Bereich vor den Haupttoren des Shuttlehangars, aus dem alle Hilfsschiffe entfernt worden waren, sodass sie vor der wartenden Besatzung standen. Auf einem niedrigen Podium war ein Rednerpult aufgestellt worden, das das Logo der Vereinigten Föderation der Planeten und das Symbol der Aventine trug. Davor lag auf dem Deck ein einfacher Bestattungskranz.
Bowers trat als Erster ans Rednerpult und rief die Mannschaft zur Ordnung. Picard konnte spüren, dass der Mann um seine Fassung rang. Er kämpfte darum, seine Stimme ruhig zu halten und die Aura der Stärke auszustrahlen, die nun von ihm verlangt wurde. Er fühlte mit Bowers. In Momenten wie diesem konnte die Einsamkeit des Kommandos wahrlich eine schwere Bürde sein.
Zunächst verlas Bowers eine Liste der Junior-Offiziere und Mannschaftsmitglieder, die bei der Mission in die trostlose Zukunft ihr Leben verloren hatten, und sprach über jeden von ihnen ein paar Worte. Er beschrieb einen tellaritischen Ensign, der gern Ski fuhr, einen Warrant Officer, der Opern sang, einen Ingenieur, dessen Brut auf seinem Heimatasteroiden noch darauf wartete zu schlüpfen. Es war nicht nur ein Widerkauen von Informationen aus ihren Personalakten. Bowers kannte jeden einzelnen von ihnen und spürte ihren Verlust.
Ein unterdrücktes Schluchzen lenkte Picards Aufmerksamkeit auf eine Frau in der ersten Reihe. Sie trug ein dunkles, unauffälliges Oberteil, das einer Uniform höchstens entfernt ähnlich sah. In einer seltenen Zurschaustellung von Gefühlen wischte sich Agent Teresa Garcia eine Träne aus dem Augenwinkel. Als einer der Agenten der Behörde für Temporale Ermittlungen, die sie auf dieser schicksalhaften Reise begleitet hatten, hatte es Garcia mit ihnen zurück in die Gegenwart geschafft, während ihr Partner, Agent Meyo Ranjea, zusammen mit den anderen verstorben war. Garcia straffte sich, als Ranjeas Name genannt wurde, und senkte den Kopf, als der Tod ihres Kollegen gewürdigt wurde.
»T’Ryssa Chen, Lieutenant, Raumschiff Enterprise.« Als Bowers den Namen vorlas, richtete Picard den Blick wieder auf das Podium.
Während Bowers sprach, sah er Chen vor seinem geistigen Auge. Die junge Halbvulkanierin war ein geschätztes Mitglied seiner Besatzung gewesen, und Picard war insgeheim stolz auf ihre Entwicklung in den Jahren unter seinem Kommando, doch auch sie war gestorben, bevor sie in die Gegenwart hatten zurückkehren können. Ihr Tod riss alte Wunden auf und erinnerte ihn an andere Seelen aus der Vergangenheit, die lange vor ihrer Zeit von ihnen gegangen waren.
Picard dachte an Jack Crusher und Tasha Yar und daran, wie er dort gestanden hatte, wo Bowers jetzt stand, und versucht hatte, einen Sinn zu finden im Tod von Freunden und Schiffskameraden, die ihnen durch grausame Ereignisse entrissen worden waren.
»Ezri Dax.« Bowers, der den letzten Namen auf seiner Liste erreicht hatte, musste all seine Kraft aufbringen, damit seine Stimme nicht brach. »Captain, Raumschiff Aventine.« Er schluckte schwer und senkte den Kopf. »Wir gedenken ihrer. Wir tragen sie in unseren Herzen. Wir werden in ihrem Namen weitermachen.«
»In ihrem Namen.« Die Antwort schien unbewusst von den versammelten Trauernden zu kommen und Picard stellte fest, dass er es Dax’ versammelter Mannschaft um ihn herum nachtat.
Als er aufsah, starrte Bowers ihn mit fragendem Blick an. Picard nickte kaum merklich, und der andere Mann erwiderte das Nicken. »Captain Picard, im Namen der Schiffsbesatzung bitte ich Sie, die Gedenkfeier abzuschließen.«
»Captain Bowers, es wäre mir eine Ehre.« Der jüngere Mann trat vom Podium und Picard nahm seinen Platz ein und legte seine Hände auf das Pult.
Nach der Feier an Bord der Enterprise am Abend zuvor war dies nun seine dritte Gedenkrede und zweite Trauerfeier in weniger als einer Woche. Er begann seine Rede, und die Worte kamen von Herzen. »Wir haben uns hier versammelt, um uns von unseren Kameraden zu verabschieden.« Er blickte in die Gesichter der Besatzung der Aventine und nickte ernst. »Und ihren Übergang zu ehren von dieser Welt in das, was danach kommen mag. Dennoch bleibt uns ihre Erinnerung erhalten. Sie ist ein Geschenk, und sie gekannt zu haben, hat unser Leben bereichert.« Sein Blick wanderte von Bowers über La Forge und Garcia und schließlich zu Wesley, und er schweifte kurz vom Thema ab. »Ich muss gestehen, bevor ich herkam, habe ich ein paar Stunden in der Aussichtslounge verbracht, um die richtigen Worte für diesen Anlass zu finden. Ein prägnantes Zitat vielleicht oder ein elegantes Gedicht. Aber ich muss gestehen, jetzt, wo der Moment gekommen ist, erscheint mir alles, was mir eingefallen ist, sinnentleert und unzureichend. Also halte ich mich an die Wahrheit, und die ist Folgende: Unsere Freunde haben ihr Leben gegeben, damit wir es nach Hause schaffen, damit wir unsere Mission beenden konnten. Das war ihre Pflicht, und es bleibt unsere.«
Er erkannte seine eigenen Ängste und Zweifel in den Gesichtern vor sich widergespiegelt – den Tausend-Yard-Blick, von dem er Bowers erzählt hatte, in Hunderten von Gesichtern. Sie sahen ihn an, den älteren Mann, den erfahrenen Kommandanten, und baten stumm um die Zusicherung, dass es einen Weg durch die Prüfung gab, die vor ihnen lag.
Ein Teil von ihm fühlte sich wie ein Betrüger. War es falsch, diesen Leuten Hoffnung zu machen, wenn er sie kaum in sich selbst finden konnte? Im Angesicht der grausamen Bedrohung durch die Devidianer würde jede aufmunternde Lüge einen bitteren Nachgeschmack haben.
Aber er wusste, dass es noch schlimmer wäre, der Angst nachzugeben, und Picard weigerte sich, sich dem Fatalismus hinzugeben. Solange es Leben gab, solange es noch eine Möglichkeit gab, das Ruder der Geschichte herumzureißen, konnte er sich nicht vor dieser Bürde drücken.
»Diese Reise war eine Bewährungsprobe«, fuhr er fort. »Wir haben der Vernichtung ins Gesicht geblickt, und es hat uns unsere engsten Vertrauten gekostet. Doch wir können uns nicht abwenden. Wie Cassandra aus der uralten Mythologie der Erde wurde uns eine Vision der Zukunft auferlegt, die wir in der Gegenwart vermitteln müssen. Das tun wir, weil wir einen Eid geschworen haben … nicht nur der Sternenflotte, sondern auch unseren Freunden gegenüber. In ihrem Namen«, wiederholte er Bowers Worte, und erneut stimmten die versammelten Trauernden in dem riesigen Hangar ein.
Picard wandte den Blick zu einem Junior Lieutenant seitlich an einer Kontrollkonsole und nickte ihm zu. Der stämmige, bärtige Mazarit wischte sich die Tränen aus seinem geflochtenen Bart und bediente seine Station.
Im Shuttlehangar erschien eine Energiemembran, und dahinter senkte sich das Haupttor ins Deck. Das wirbelnde, magische Licht des Warpraums fiel von draußen herein und erfüllte den Hangar.
Ein glitzernder Lichtfaden – ein Traktorstrahl aus einem verborgenen Emitter in der Decke – hob den einfachen Kranz an und trug ihn lautlos zu dem Kraftfeld. Mit sanftem Druck glitt der Kranz durch die Barriere und ins All dahinter.
Picard sah zu, wie er kleiner wurde und sich in den Verwirbelungen des Warpantriebs der Aventine auflöste.
Er verblasste und war dann ganz weg.
Niemand sprach, und die Stille schien ewig anzuhalten. Dann, ohne Vorwarnung, wurden aus den schimmernden, verzerrten Sternen, die durch das offene Hangartor sichtbar waren, wieder funkelnde Punkte, die wie Diamanten strahlten, und die vertrauten Ringe des Saturn wurden an Steuerbord sichtbar. Sie waren im Sol-System angekommen.
Während sich die Versammlung auflöste und Picard vom Podium trat, kam Wesley auf ihn zu. »Verzeihen Sie mir, wenn ich das sage, Captain, aber ich frage mich, ob Cassandra ein guter Vergleich war. Wurde sie nicht von den Göttern verflucht, sodass niemand ihren Warnungen Glauben schenkte?«
»Richtig«, gestand Picard. Er hatte den Vergleich spontan gezogen, ohne über den Rest der uralten Geschichte nachzudenken. »Aber wenn ich mir einer Sache sicher bin, dann, dass unsere Mission die Geschichte verändern wird, die man für uns vorgesehen hat.«
Beverly Crusher starrte auf den Text auf dem Padd vor sich, doch die Worte verschwammen zur Unleserlichkeit und verloren jegliche Bedeutung. Eigentlich sollte sie die Gesundheitsberichte der Mannschaft für dieses Quartal abzeichnen, eine einfache, wenn auch zeitraubende Aufgabe, die sie sonst problemlos bewältigte, doch sie war abgelenkt.
Ihr Kollege Doktor Tropp, der diese unfehlbare Fähigkeit der Denobulaner besaß, Schmerz wahrzunehmen, selbst wenn man versuchte, ihn zu verbergen, hatte sie geschickt dazu gebracht, diese Aufgabe zu übernehmen. Er hatte vorgeschlagen, dass sie die Arbeit in ihrem Quartier erledigte statt auf der Krankenstation, doch sie beide kannten den wahren Grund dafür. Crusher hatte dankbar angenommen und es Tropp überlassen, sich um die medizinische Versorgung der Enterprise zu kümmern, bevor sie zurück zu ihrem Familienquartier auf den oberen Decks des Schiffs geeilt war.
Tatsächlich hatte Tropp ihr nichts anderes angeboten als eine Auszeit, damit sie bei ihrem Sohn René sein konnte, wenn er aufwachte. Sie blickte von ihrem Padd auf zu seinem Zimmer, dessen Tür halb offen stand. Sie konnte eine schlafende Gestalt unter der Decke auf Renés Bett ausmachen, und wenn sie die Luft anhielt, konnte sie das leise Atmen ihres Jungen hören.
Ihr Junge.
Ein kalter Schauer durchfuhr sie, der Gedanke schien sie fast zu verspotten. Er ist kein Junge mehr, ermahnte sie sich, und mit einem Mal brannten ihr Tränen in den Augenwinkeln.
Sie erhob sich plötzlich, als könnte sie der Angst entfliehen, die in dem halb dunklen Raum hing. Crusher riss den Blick von Renés Zimmer los und starrte aus den Fenstern auf die blau-weiße Kugel der Erde, die die Aussicht von der Enterprise dominierte.
Unter einer Decke aus Schleierwolken konnte sie Teile des afrikanischen Kontinents ausmachen und darüber die sich langsam bewegenden Silhouetten der Wetterkontrollplattformen. Sie verfolgte die Flugbahn eines Frachters, der aus der Atmosphäre austrat und davonflog. Andere Schiffe trieben gemächlich im Licht der Erde und strahlten wie ausgearbeitete Skulpturen – Sternenflottenschiffe von geringerer Tonnage, wie die Nova-Klasse oder die California-Klasse, und fremde Schiffe wie die klauenförmigen Handelsschiffe der Ferengi oder die gekreuzten Ringe der vulkanischen Kreuzer. Alle warteten darauf, an der riesigen Spindel des Raumdocks der Erde anzudocken. Die Enterprise war unterwegs zur oberen Ebene der gigantischen Station, wo die wichtigsten Schiffe der Flotte andockten. Crusher suchte und fand die Aventine. Diese war auf einem anderen Kurs in einen höheren Orbit, wo die McKinley-Station darauf wartete, sich um ihre Reparaturen zu kümmern.
Jean-Luc war auf diesem Schiff, und für einen Augenblick wünschte sich Beverly nichts mehr, als dass er jetzt hier wäre, bei ihr. Alleine war sie verloren. Plötzlich zögerte sie, in die Richtung von Renés Zimmer zu blicken. An jedem anderen Tag wäre ihr Sohn begeistert gewesen, dem komplexen Ballett all dieser Schiffe zuzusehen, aber sie befürchtete, so etwas würde sie nie wieder erleben.
Ihr Kommunikator meldete sich leise, und sie seufzte und verdrängte den Gedanken. »Crusher hier«, sagte sie, nachdem sie das Gerät angetippt hatte.
»Beverly.« Allein durch die Art, wie er ihren Namen aussprach, vermittelte Jean-Luc ein Dutzend Eindrücke. Sie hörte seine Müdigkeit, seine Sorge, seine Entschlossenheit und seine Liebe. »Wie geht es ihm?«
»Er schläft immer noch.« Automatisch schlüpfte sie in ihre Rolle als leitender medizinischer Offizier. »Körperlich geht es René gut.«
»Und darüber hinaus?«
»Ich weiß es wirklich nicht. Wir müssen sehen, wie er sich Tag für Tag entwickelt. Vielleicht sogar Stunde für Stunde.«
»Ja. Natürlich.« Ihr Ehemann schwieg für einen Moment. »Ich sollte bei dir sein.«
Sie rang das Bedürfnis nieder, ihm zuzustimmen. So sehr sie auch liebende Eltern waren, sie hatten beide andere Verpflichtungen und Verantwortungen, und etwas anderes anzudeuten wäre unfair gewesen. »Ich schaffe das schon … Aber bleib nicht zu lange weg. René ist verängstigt und verwirrt, und er wird uns beide um sich brauchen, um ihm Stabilität zu geben.«
»Ich weiß.« Er seufzte. »Aber das könnte eine Weile dauern. Ich werde gleich die Aventine verlassen und beame mich direkt zum Sternenflottenkommando. Will wartet da unten schon auf mich. Admiral Akaar beruft in diesem Augenblick eine Notfallversammlung der Stabschefs und des Föderationsrats ein, um unsere … Entdeckungen zu besprechen.«
Picards früherer Erster Offizier William Riker war nach der Ermordung von Präsidentin Bacco vor einiger Zeit in die Admiralität befördert worden, und Crusher wusste, dass er den Großteil seiner Zeit als Sektorkommandant an der Grenze der Föderation verbrachte. Dass Riker so kurzfristig alles stehen und liegen gelassen hatte und zur Erde zurückgekehrt war, um ihrem Ehemann beizustehen, sprach Bände über die Loyalität dieses Mannes gegenüber seinem ehemaligen Captain.
Crusher hatte keinen Zweifel, dass es ihrem Mann gelingen würde, den Machthabern die Tragweite von Wesleys Warnung begreiflich zu machen, und das sagte sie ihm auch.
»Dein Vertrauen macht mir Mut«, antwortete er. »Ich hoffe nur, dass meine Worte ausreichen werden.«
»Das müssen sie.« Sie tastete nach ihrem Kommunikator, um den Kanal zu schließen, doch er sprach weiter, und dieses Mal las er ihre Gedanken über die Entfernung hinweg, so wie sie es bei ihm vor wenigen Augenblicken getan hatte.
»Beverly … was immer mit ihm geschieht, René hat sich nicht verändert. Er ist immer noch unser Sohn.«
»Ich weiß.« Die Stimme versagte ihr, als ihre Gefühle aus ihr hervorbrachen. »Aber ich habe Angst, Jean-Luc. Ich habe Angst, dass ich nur sehen werde, was uns genommen wurde, wenn ich ihn betrachte.«
»Das wirst du nicht«, beharrte er. »Du siehst immer nur das Gute. Das ist einer der Gründe, warum ich dich liebe.«
»Ich liebe dich auch.« Sie berührte den Kommunikator, und nach ihrem Abschied kehrte die Stille zurück. Lange Minuten stand Crusher einfach nur da und wusste nicht, was sie tun sollte.
Dann hörte sie, wie sich René im Schlaf rührte und leise stöhnte. Ihr Instinkt übernahm, und sie betrat mit schnellen Schritten sein Zimmer. Doch an der Türschwelle blieb sie erneut stehen.
Das Bett war für ein Kind gedacht, doch die Person, die jetzt darin lag, war eher ein junger Mann, ungelenk und schlaksig und viel zu groß, um hineinzupassen. Der Anblick hätte lustig wirken können, wenn man nicht wusste, was René Picard widerfahren war. In den Augen seiner Mutter war es eine ausgemachte Tragödie.
Der Moment, als ihr Sohn auf die Krankenstation gebracht worden war, hatte sich in Beverly Crushers Erinnerung gebrannt. Sie hatte ein gutes Gedächtnis für Gesichter und kannte fast die gesamte Besatzung der Enterprise vom Sehen, doch der junge Mann auf der Trage vor ihr war ihr im ersten Moment wie ein Fremder erschienen … wäre da nicht etwas in seinen Augen gewesen, dem Schwung seiner Lippen und der Art, wie er sie ansah, das sie an ihren Ehemann und ihren Erstgeborenen erinnerte. Und da wusste sie es.
René. Was war mit ihrem perfekten kleinen Jungen geschehen?
Während des Angriffs auf die Enterprise bei Devidia II hatten die monströsen Kreaturen, die den Devidianern dienten,