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Wenn ein Klingone liebt ...
Die Agrikultur-Spezialistin Jean Czerny arbeitet auf Shermans Planet an der Entwicklung neuer Getreidesorten. Bei einem Erdbeben wird sie verschüttet, doch nicht die
Enterprise rettet sie, sondern der klingonische Kommandant Kang. Jean leidet an einer Amnesie und hat ihren ursprünglichen Auftrag vergessen. Im klingonischen Imperium wütet ein Virus, das die Getreideernte zu vernichten droht. Die Hardliner wollen die unruhige Bevölkerung zu einem Krieg gegen die Föderation aufstacheln. Jean setzt, zunächst von Kang gezwungen, ihre Arbeit in klingonischen Laboratorien fort. Sie und Kang kommen sich näher, er nimmt sie zur Frau. Sie teilt seine politischen Ansichten und will versuchen, Menschen und Klingonen einander näherzubringen. Doch dann wird sie ein zweites Mal entführt.
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Seitenzahl: 491
Die Agrikultur-Spezialistin Jean Czerny arbeitet auf Shermans Planet an der Entwicklung neuer Getreidesorten. Bei einem Erdbeben wird das Labor zerstört, Jean verschüttet. Aber nicht die erwartete Enterprise-Crew befreit sie aus den Trümmern, sondern der klingonische Kommandant Kang. Und Jean leidet an einer Amnesie, scheint ihren ursprünglichen Geheimauftrag vergessen zu haben.
Auf den Feldern der klingonischen Welten wütet ein verheerendes Virus und vernichtet die Getreideernte. Die Bevölkerung leidet an Unterernährung, Aufstände drohen, und die »Falken« im Imperium versuchen, die kritische Situation für ihre Ziele zu nutzen: Ein Krieg mit der Föderation soll von den inneren Problemen ablenken.
MAJLIESS LARSON
DAS FAUSTPFAND DER KLINGONEN
Star Trek™
Classic
Für
Al, Cheryl, Chris, Julie
und insbesondere Rhonda,
Jean Czerny presste die Wange an den Labortisch und beobachtete das improvisierte Filter. Seit dem Morgen hatten sich kaum zwei Zentimeter Wasser im Glas angesammelt. Der Hunger stellte eigentlich keine Belastung mehr dar, aber Jean war sehr durstig. Sie musste sich mit Grundwasser begnügen, das durch Trümmer und Schutt rann, schließlich vom Balken über dem Tisch herabtropfte. Langsam. Viel zu langsam. Die junge Frau griff nach dem Glas und trank. Nicht genug. Sie seufzte leise, griff nach dem Laborbuch und las die letzten Einträge.
Gestern wütete ein Erdbeben. Bin allein im Laboratorium, w… es begann. Habe versucht, die Tür zu öffnen. Muss von irgend … Gegenstand getroffen worden sein. Verlor das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam – Finsternis. Rief den ganzen Tag über um Hilfe. Keine Antwort. Geborstene Betonplatten versperren den Weg nach draußen.
Heute schlimme Kopfschmerzen. Keine Lebensmittel und nur wenig Wasser. Bin allein, völlig allein. Brauche mehr Wasser. Kann nicht klar denken. Ruhe mich jetzt ein wenig aus.
10/5/06?? Fühle mich heute etwas besser. Fand einen Konzentratriegel in der Schublade des Laborschranks. Und ich habe ein Filter für das Grundwasser zusammengebastelt. Die von mir entwickelten Quadrotritikal-Samen blieben glücklicherweise erhalten und befinden sich nun im Schutzkasten. Ich höre nichts, nur Stille. Die Enterprise müsste nächste Woche eintreffen. Kann ich bis dahin durchhalten?
Es folgten weitere Einträge. Am sechsten Tag hatte Jean ausführliche Informationen über ihre neue Quadrotritikal-Sorte zu Papier gebracht. Am achten Tag schrieb sie nichts. Und am neunten, gestern:
Bin sehr schwach und durstig.
Jean griff nach dem Stift und malte sorgfältig ein Zeichen nach dem anderen.
10/11/06 Ebenso.
Sie kicherte, schluchzte plötzlich und fügte hinzu:
Bitte, Gott, lass die Enterprise pünktlich sein. Ich bin so müde, so schrecklich müde … Benötige Ruhe … Muss schlafen. Ein großes Glas, bis zum Rand mit klarem Wasser gefüllt … Es wird alles gut, bestimmt …
Irgend etwas krachte, und Jeans Gedanken glitten durch einen mentalen Nebel, fanden allmählich in die Wirklichkeit zurück. Dichter Staub wallte vor ihr, und in dem formlosen Wogen zeichneten sich zwei uniformierte Gestalten ab. Die junge Frau konnte keine Einzelheiten erkennen.
»Dem Himmel sei Dank«, murmelte sie. »Ihr seid endlich gekommen …« Dann fiel sie in Ohnmacht.
Einige Dinge ändern sich nie, und dazu gehört auch der antiseptische Geruch in einer Krankenstation. Jean brauchte gar nicht die Augen zu öffnen, um festzustellen, wo sie sich befand. Sie rutschte ein wenig zur Seite – die Liege war sehr hart. Nach einer Weile hob sie die Lider, doch die Umgebung blieb hinter einem dunstigen Schleier verborgen. »Dr. McCoy? Hört mich jemand? Ich kann nichts sehen! Was ist los mit mir?«
Ein dunkles Gesicht schwebte heran, und feste Hände drückten die junge Frau aufs Bett zurück. »Sie kommt zu sich, Doktor.«
Eine fremde Stimme, und sie klang … falsch. Mit meinem Gehör stimmt irgend etwas nicht. Eine andere, ebenso unvertraute Stimme: »Bleiben Sie still liegen. Sie leiden an einer metabolischen Krise. Aber es dauert nicht mehr lange, bis Sie wieder sehen können.« Nach einer kurzen Pause: »Geben Sie mir die zweite Dosis und eine Stim-Kapsel.«
Jean zuckte zusammen, als jemand nach ihrem Arm griff, und unmittelbar darauf spürte sie einen Stich. Es fühlte sich nicht nach dem üblichen Injektor an. Und was bedeutete ›Stim-Kapsel‹? Nun, jedenfalls funktionierte das Mittel. Benommenheit und Schwäche wichen von ihr, und der Dunst vor ihren Augen verflüchtigte sich. Die junge Frau betrachtete das dunkle Gewebe über der Liege, und es verstrichen einige Sekunden, bevor sie zu dem Schluss gelangte, dass man sie nicht in die Krankenstation der Enterprise gebracht hatte. Sie drehte den Kopf, musterte die in Grün gekleidete Gestalt neben ihr. »Wo bin ich? Wer sind Sie?«
Drei in schwarze und goldene Uniformen gehüllte Männer traten näher. »Sie kommen genau zum richtigen Zeitpunkt, Commander. Die Frau hat das Bewusstsein wiedererlangt und möchte wissen, wo sie ist.« Und zu Jean: »Sie können Ihre Fragen an Commander Kang richten.«
Einer der drei Neuankömmlinge blieb am Fußende der Liege stehen und lächelte flüchtig. Er wirkte recht groß und muskulös, selbst für einen Klingonen. Schwarzes Haar glänzte, umrahmte ein markantes, ausdrucksstarkes Gesicht. In den Augen glühte eine natürliche Arroganz. »Ah, Miss Czerny, offenbar geht es Ihnen besser. Dr. Eknaar hat gute Arbeit geleistet. Als ich Sie gestern hierherbrachte, waren Sie in ziemlich schlechter Verfassung. Nun, Sie haben die Ehre, sich an Bord eines Schlachtkreuzers des klingonischen Imperiums zu befinden.« Er deutete eine Verbeugung an. »Ich bin Commander Kang von der Imperialen Flotte. Wir empfingen das Notsignal von Shermans Planet und nahmen zunächst eine Lagesondierung vor, weil wir mit angeblichen Notrufen von Föderationsstützpunkten schlechte Erfahrungen gesammelt haben. Als sich die Authentizität der Signale herausstellte, beschlossen wir sofort, Sie zu retten.«
Klingonen! Jeans Gedanken rasten, und Dutzende von Fragen lagen ihr auf der Zunge. Ein klingonischer Angriff? Sabotage? Welche Absichten verfolgte Kang? Gab es andere Überlebende? Vermutlich beschleunigte sich ihr Puls, denn der Commander und Eknaar sahen auf einen Monitor neben dem Bett. Ich muss vorsichtig sein, dachte Jean und wählte ihre Worte mit großer Sorgfalt. »Kang? Ich dachte, Commander Koloth sei für diesen Sektor zuständig.«
»Wir sind mit einer speziellen Mission beauftragt.« Kang kniff die Augen zusammen. »Seit wann wissen gewöhnliche Agrikultur-Experten über die Einsätze klingonischer Offiziere Bescheid? Oder nahmen Sie auf Shermans Planet auch andere Pflichten wahr?«
Jean versteifte sich innerlich. »Angesichts der besonderen Umstände wird das Stationspersonal ausführlich über alle Truppenbewegungen an der Peripherie des Imperiums informiert. Meine Kollegen werden es Ihnen bestätigen.«
»Das ist leider nicht möglich. Allem Anschein nach sind Sie die einzige Überlebende.«
Der Monitor wies deutlich auf Jeans steigenden Blutdruck hin. Sie zweifelte an der Aufrichtigkeit des Commanders. »Da ich den Notruf nicht gesendet habe, muss noch jemand anders überlebt haben«, erwiderte sie scharf.
»Ja, wir fanden einen Mann im Kommunikationsraum, aber er starb kurz nach unserer Ankunft. Ihm blieb gerade noch Zeit genug, das baldige Eintreffen der Enterprise zu erwähnen.«
Jean misstraute Kang, aber unbegründbare Vorwürfe nützten nichts. Selbst wenn die Klingonen für die Katastrophe verantwortlich waren: Ihre gegenwärtige Situation riet zu Takt und Freundlichkeit; bissige Ironie mochte zu fatalen Konsequenzen führen.
Die junge Frau beherrschte sich und verbarg ihren Argwohn. »Das stimmt«, sagte sie kühl. »Die Enterprise führt eine Routinepatrouille durch und fliegt auch Shermans Planet an. Wenn ich wirklich die einzige Überlebende bin, so danke ich Ihnen hiermit für die Hilfe. Ich möchte Ihnen jedoch nicht länger zur Last fallen. Bitte bringen Sie mich zur Station zurück. Ich werde dort auf die Enterprise warten.«
»Unmöglich.« Ein dünnes Lächeln umspielte Kangs Lippen. »Bitte versetzen Sie sich in unsere Lage. Wenn mein Schiff in der Nähe von Shermans Planet geortet wird … Wahrscheinlich gäbe man uns die Schuld für die Zerstörung der Basis. Wir haben das Sonnensystem bereits verlassen. Was Sie betrifft, Miss Czerny: Sie bekommen noch Gelegenheit, sich für meine Gastfreundschaft erkenntlich zu zeigen.«
In der jungen Frau verkrampfte sich etwas. Ihre Ahnungen trogen sie nicht: Der Köder des klingonischen Altruismus enthielt einen spitzen Haken. Jean saß in der Falle und entschied, kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen. »Behaupten Sie nur nicht, dass Sie sich von Mitleid einem Menschen gegenüber leiten ließen! Warum haben Sie mich gerettet, Kang? Was verlangen Sie von mir?«
»Ob Sie es glauben oder nicht: Wir brachten Sie ohne irgendwelche Hintergedanken an Bord. Aber jetzt können Sie tatsächlich eine Gegenleistung erbringen: Öffnen Sie den Kasten, der die neuen Quadrotritikal-Samen enthält; und erklären Sie uns die Bedeutung jener Aufzeichnungen.« Der Commander nickte einem seiner beiden Begleiter zu, der daraufhin eine dicke Kladde hervorholte. Jean erkannte das Laborbuch.
Der Kokon ihrer Selbstbeherrschung splitterte. »Meine neue Sorte! Sie hatten kein Recht, sie mitzunehmen!« Jean richtete sich ruckartig auf und stieß fast an die Gerüststange über der Liege. Bernsteinfarbene Lichter blinkten auf dem Monitor; zornig löste Jean die Sensoren von Armen und Schläfen. »Entführung und Diebstahl! Darauf läuft es hinaus!«
»Ganz im Gegenteil. Ich habe Sie aus den Trümmern des Labors befreit und Ihr Leben gerettet. Deshalb kann ich Anspruch auf Sie und Ihren Besitz erheben. Es liegt mir fern, mit einer Diskussion darüber kostbare Zeit zu verschwenden. Sind Sie bereit, den Kasten zu öffnen und die Aufzeichnungen zu erläutern?«
»Schmoren Sie im neunten Ring der Hölle!«
Kang zuckte mit den Achseln. »Ich bedauere es sehr, dass Sie nicht einsichtiger sind. Aber wir haben verschiedene Möglichkeiten, Sie zur Kooperation zu bewegen. Dr. Eknaar, verabreichen Sie ihr das Wahrheitsserum.«
Der klingonische Arzt versuchte vergeblich, Jean auf die Liege zu drücken, und er bedachte den Commander mit einem besorgten Blick. »Wir haben ihr bereits eine Dosis gegeben, als Aernath die Einträge im Laborbuch übersetzte. Das Lourkain bewirkt bei Miss Czerny eine starke allergische Reaktion. Deshalb dauerte es so lange, bis sie wieder zu sich kam.«
Kang schnaufte verärgert. »Dann benutzen Sie den Schmerzstimulator. Ich brauche die Informationen.« Er wandte sich um und wollte das Zimmer verlassen.
»Es wird nicht klappen«, sagte Jean hastig.
Kang zögerte und sah sie an. »Sind Sie auch gegen den Stimulator allergisch? Nun, das spielt keine Rolle. Sie werden trotzdem alle Fragen beantworten.«
Zum Glück waren die Verbindungen zum Monitor unterbrochen. Die Anzeigen des medizinischen Überwachungsgeräts konnten Jean also nicht verraten. »Sie irren sich, Commander Kang. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass man uns ständig über die Ereignisse im Imperium auf dem laufenden hielt. Doch das ist noch nicht alles. Das Stationspersonal wurde sorgfältig ausgewählt und vorbereitet. Meine Allergie gegen Lourkain kennen Sie bereits. Wenn Sie mich mit dem Schmerzstimulator foltern, so bringen Sie mich innerhalb weniger Sekunden um. Gegen meinen Willen erfahren Sie nichts von mir.«
Kang kam mit zwei langen, energischen Schritten heran, stieß den leise murmelnden Arzt beiseite, packte Jean an den Schultern und zerrte sie hoch. »Ist das einer von Kirks heimtückischen Plänen?«, grollte er. Die junge Frau hielt seinem durchdringenden Blick stand. »Nein, Sie lügen. Kirk hat immer den einen oder anderen Trumpf im Ärmel, aber er ist nicht einmal dann fähig, seine Leute zu opfern, wenn es die Umstände erfordern. Sie bluffen.«
»Sie kennen Captain Kirk recht gut«, erwiderte Jean ruhig. »Und er weiß auch, was er von Ihnen erwarten kann. Seine Absicht bestand keineswegs darin, irgend jemanden zu opfern. Er wollte uns nur unnötiges Leid ersparen. Weil er damit rechnete, dass Sie nicht vor dem Einsatz des Schmerzstimulators zurückschrecken.«
Die junge Frau hielt den Atem an, als sich Kangs Hände noch fester um ihre Schultern schlossen. Einige Sekunden lang starrte er sie finster an. »Ich glaube noch immer, dass Sie mir etwas vormachen. Lieutenant, der Stimulator.«
»Commander …«, wandte Eknaar ein. »Wenn Miss Czerny die Wahrheit sagt, wenn sie stirbt, sobald wir mit dem Verhör beginnen … Dann gehen die neuen Samen für uns verloren. Aernath meinte, der Schutzkasten zerstöre seinen Inhalt, wenn wir versuchen, ihn gewaltsam zu öffnen. Wir brauchen die Frau lebend.«
Kang ließ Jeans linke Schulter los und wirbelte herum. Der Arzt wich rasch einen Schritt zurück. »Bleiben Sie bei Ihren Quacksalbereien, Eknaar. Weisen Sie mich nicht auf das Offensichtliche hin. Wie ist Miss Czernys gegenwärtiger physischer Status?«
Eknaar schürzte kurz die Lippen. »Nach den allgemeinen Behandlungen und der Stim-Kapsel … Ihr Zustand entspricht dem einer normalen menschlichen Frau. Mit fünfzig Kilogramm erscheint sie mir ein wenig unterernährt, doch die biologischen Funktionen sind wieder stabil.«
Kang richtete seine Aufmerksamkeit auf Jean. »Nun, Czerny? Möchten Sie es sich noch einmal überlegen? Kirk mag Sie auf Lourkain und den Schmerzsimulator vorbereitet haben, aber ich kenne noch einige andere Methoden, um Ihren Widerstand zu brechen. Eine schlichte Geste der Dankbarkeit würde uns allen viel Mühe ersparen.«
Jean bemerkte ein seltsames Blitzen in seinen Augen und beschloss, an den guten Willen des Commanders zu appellieren. »Ich darf Ihnen das Korn nicht geben, aber Captain Kirk hat die Autorität, es Ihnen zu überlassen. Wenn es so wichtig für Sie ist … Kehren Sie zu Shermans Planet zurück und bitten Sie um den Samen. Stellen Sie in Aussicht, mich dafür freizulassen. Kirk wäre bestimmt bereit, Ihren Wunsch zu erfüllen.«
Kang lachte. »Ich soll ihn um etwas bitten, das sich bereits in meinem rechtmäßigen Besitz befindet? Sie haben eine sonderbare Vorstellung von der Ehre eines klingonischen Kommandanten.«
Es knackte im Interkom-Lautsprecher. »Brücke an Commander. Es ist sechsundzwanzig Uhr fünfzig. Brückenbericht und Kursänderung stehen an.«
Kang löste die Hand so plötzlich von Jeans rechter Schulter, dass sie auf die harte Matratze zurückfiel. »Bestätigung. Ich nehme den Bericht im Beratungszimmer entgegen.« Er drehte sich um. »Die Frau kommt mit.«
Der Commander verließ das Zimmer, und seine beiden Begleiter griffen nach Jeans Armen, zerrten sie von der Liege und durch die Tür. Czerny leistete keinen Widerstand, gab sich Mühe, auf den Beinen zu bleiben – um nicht einfach durch den Korridor geschleift zu werden. Sie benötigte Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen, um die Lage einzuschätzen. Mit einem Bluff hatte sie verhindert, dass man sie mit dem Schmerzstimulator verhörte, aber wahrscheinlich war es ihr nicht gelungen, alle Zweifel Kangs auszuräumen. Andere Methoden. Was meinte er damit? Er durfte auf keinen Fall das neue Korn bekommen! Warum kreuzte das klingonische Raumschiff in jenem Sektor? Warum Kang und nicht Koloth? Der Samen kam nicht als Grund in Frage – es handelte sich um eine Neuentwicklung, von der nur das Personal der Station wusste. Die Station … Gab es wirklich keine anderen Überlebenden? Hatte auch die Enterprise den Notruf empfangen? So viele Fragen. Und sie alle blieben ohne Antwort. Jean kämpfte gegen die in ihr prickelnde Panik an. Überleben und erfolgreich sein – das Motto der Klingonen. Dieser Grundsatz galt nun auch für die junge Frau. Eine Herausforderung nach der anderen: Es kam zunächst darauf an, Kang möglichst lange hinzuhalten. Um der Enterprise eine Chance zu geben.
Die Klingonen stießen sie grob in einen Raum mit holzvertäfelten Wänden. Kang saß hinter seinem schlichten Schreibtisch, vor dem einige andere Stühle standen. Er beugte sich zum Tisch-Interkom vor. »Halten Sie den Kurs, bis Sie neue Anweisungen erhalten. Gibt es sonst noch etwas zu melden?«
»Nein, Sir. Ende des Brückenberichts, Commander.«
»In Ordnung. Ich möchte nicht gestört werden. Kang Ende.« Er unterbrach die Verbindung, wandte sich an das Trio vor ihm und winkte. »Also los.«
Jean wurde an die Wand gepresst, und einer der beiden Klingonen trat ihr auf den Fuß. Aus einem Reflex heraus krümmte sie sich, und ein wuchtiger Hieb schleuderte sie zurück, rammte ihren Kopf an harten Stahl. Wut brodelte in ihr. »Verdammte Feiglinge! Sie bezeichnen sich als imperiale Offiziere, aber ich würde nicht einmal meine Wäsche von Ihnen waschen lassen!«{1}
Kang lachte kurz. »Haben Sie gehört, Tirax?«
Der Klingone vor Jean errötete. »Mit Ihrer Erlaubnis, Commander …«
Kang schmunzelte. »Aber sie darf nicht sterben, Lieutenant.« Er zog eine Schublade auf und entnahm ihr einen Dolch. »Fangen Sie, Czerny.« Die Klinge bohrte sich neben Jean in die Wand. Tirax hob ein eigenes Messer, und der zweite Wächter grinste, trat beiseite.
Die junge Frau griff nach dem Dolch und wog ihn versuchsweise in der Hand. Sie war keine geübte Duellantin, aber in der Aldebaran-Kolonie hatte sie als Amateurin die Stilett-Meisterschaft gewonnen. Damals traf sie ein nur fünf Zentimeter großes Ziel aus einer Entfernung von zehn Metern. Damals, vor vielen Jahren …
Sie musterte Tirax und versuchte, ihren Gegner einzuschätzen. Wenn es ihr gelang, von dem Wächter zurückzuweichen, bevor der Lieutenant angriff … Tirax sprang auf sie zu, und Jean warf das Messer. Der Dolch des Klingonen sauste an ihr vorbei, und einen Sekundenbruchteil später taumelte Tirax an die Wand, starrte erstaunt auf die Klinge herab, die rechts oben in seiner Brust steckte. Mit einem Ruck zog er sie heraus, schnappte nach Luft und krümmte sich schmerzerfüllt zusammen. Jean nahm die Waffe des Lieutenants und wartete.
Kang lächelte anerkennend. »Es handelte sich nicht gerade um ein typisches klingonisches Duell, aber Sie haben sich gut geschlagen – für eine menschliche Frau.« Er wandte sich an den zweiten Wächter. »Bringen Sie Tirax zur Krankenstation und kehren Sie dann hierher zurück.«
»Ja, Sir.« Der andere Offizier grinste nun nicht mehr, stützte den verwundeten Lieutenant und führte ihn aus dem Zimmer.
Kang stand auf, zog seinen Blaster aus dem Halfter und verstaute ihn in der Schublade. Er behielt Czerny im Auge, als er um den Schreibtisch herumging und seinen Dolch aufhob. »Jetzt beginnt die zweite Runde …«
Jean wich einen Schritt fort. »Ich bitte Sie, Kang. Ich möchte nicht gegen Sie kämpfen. Um Himmels willen, hören Sie mich an. Machen Sie Schluss mit diesem Wahnsinn, bevor es zu spät ist. Lassen Sie mich frei – dann bin ich bereit, diesen Zwischenfall zu vergessen. Achten Sie den Friedensvertrag!«
Kang wischte das Messer an seiner Hose ab. »Es liegt mir fern, mich über die Bestimmungen des Vertrages hinwegzusetzen.« Er sah Jean an. »Wächter!«
»Bitte, Kang …« Czerny atmete tief durch. »Ich … ich möchte Sie nicht verletzen.«
»Mich verletzen? Wie wär's, wenn Sie mich töten? Nun, wie gefällt Ihnen diese Vorstellung?«
Jean schüttelte den Kopf. »Wenn ich gegen Sie kämpfe, verliere ich so oder so. Und das wissen Sie.«
»Dann gehen Sie auf meine Forderungen ein.«
»Ich kann nicht.«
»Na schön. Also verteidigen Sie sich.«
Kang und Czerny belauerten sich gegenseitig, und Jeans Hand schloss sich fester um das Heft des Dolches. Als sie der Tür den Rücken zukehrte – jenem Zugang, durch den sie das Zimmer betreten hatten – holte sie aus und warf den Dolch, beobachtete, wie sich die Klinge in die linke Schulter des Commanders bohrte.
Sofort wirbelte sie um die eigene Achse lief zum Schott und hoffte inständig, dass es nicht verriegelt war. Es glitt tatsächlich auf, aber einen Augenblick später wurde sie von Kang herumgerissen, ging zusammen mit ihm zu Boden. Der Commander rollte sich herum, hielt die junge Frau fest.
Jean blickte zu ihm hoch und sah, dass er nur eine harmlose Fleischwunde erlitten hatte. Kang schüttelte andeutungsweise den Kopf. »Man darf sich nie von einem überlegenen Gegner abwenden«, sagte er im Plauderton. »So etwas ist in jedem Fall ein taktischer Fehler.«
»Meinen Sie damit auch sich selbst?«, erwiderte Jean spöttisch. »Sie fliehen vor Kirk, nicht wahr?«
Kangs Lächeln wuchs in die Breite. »Wenn Kirk diesmal beschließt, mich zu verfolgen, Miss Czerny … Nun, dann wird er sich der Erkenntnis stellen müssen, dass ich ihm keineswegs unterlegen bin.«
Jean erstarrte förmlich, als der Dolch herabkam und auf den Bauch zielte. Kang schnitt ihre Bluse auf, vom Nabel bis zur Kehle. Die Messerspitze schabte über die Haut, ohne sie zu ritzen, verharrte am Hals. Czerny spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte, musterte ein klingonisches Gesicht, von dem sie nur zehn Zentimeter trennten. Kang drehte das Messer, presste die Klinge unter das Kinn der jungen Frau und zwang ihren Kopf hoch. »Sie dienen mir als Schachfigur bei einer ganz besonderen Partie. Ihre Rettung ist eine glückliche Fügung des Schicksals.«
»Dieb!«, brachte Jean mühsam hervor. »Entführer!«
»Sie sind tapfer. Sie geben nicht so leicht auf. O ja, Sie verstehen zu kämpfen, und das gefällt mir. Keine Sorge, Czerny, Sie werden überleben – und mir dadurch einen Erfolg ermöglichen.« Er lachte, bevor er seine Lippen auf die der Frau unter ihm presste. Jean fühlte sein Messer an ihrem Leib – und zuckte zusammen, als ein fast schrilles Pfeifen ertönte.
Kang murmelte einen Fluch, stand auf und zerrte Czerny in die Höhe. Er zog sie mit sich, als er zum Schreibtisch ging und den Kommunikator einschaltete. »Bei Durgath, ich habe doch gesagt, dass ich nicht gestört werden will. Was ist los?«
»Ein Raumschiff der Föderation nähert sich uns, Sir. Unsere Grußfrequenzen sind geschlossen, wie von Ihnen befohlen. Das Schiff feuerte die Phaserkanonen ab – ein Warnschuss vor unseren Bug. Sollen wir uns auf ein Gefecht einlassen, Commander?«
»Haben Sie die Föderationseinheit identifiziert?«
»Ja. Es ist die Enterprise, Commander.«
»Ausgezeichnet.« Kang wirkte sehr zufrieden. »Status Gelb – volle Kampfbereitschaft. Öffnen Sie die Grußfrequenzen. Ich bin auf dem Weg zur Brücke.«
Die Tür öffnete sich, und der zweite Lieutenant trat ein. »Ihre Order, Commander?«
»Czerny bleibt hier, bis Sie andere Anweisungen von mir bekommen.« Kang drehte sich zu Jean um. »Offenbar will Captain Kirk erneut die Klinge mit mir kreuzen. Sie können per Interkom mithören. Das Gespräch dürfte recht interessant werden.« Er ging.
Der Klingone starrte lüstern auf die offene Bluse der Frau und trat an die Konsole heran. Jean ließ sich auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch sinken. Die Enterprise war eingetroffen! Gab es eine Möglichkeit, sich mit ihr in Verbindung zu setzen? Nun, wenigstens kann ich mithören, dachte Jean und spitzte die Ohren. Kang erreichte den Kontrollraum und befahl, einen Kontakt mit dem Föderationsschiff herzustellen.
»So begegnet man sich wieder, Captain Kirk! Vermutlich haben Sie einen Grund dafür, ins stellare Territorium des Imperiums vorzudringen und auf einen klingonischen Kreuzer zu schießen.« Kangs Stimme klang ruhig und kühl.
»Commander Kang. Sie wissen genau, weshalb wir Sie verfolgen. Diesmal sind die Hinweise eindeutig und unmissverständlich: Verletzung des organianischen Friedensvertrages.« James Kirk – energisch, entschlossen.
»Verletzung des Vertrages? Eindeutige Hinweise? Ich verstehe nicht, Captain. Wovon sprechen Sie?«
»Wir wissen, dass Sie von Shermans Planet kommen. Dort gibt es nun einen von Ihnen eingerichteten Stützpunkt. Streiten Sie das etwa ab?« Jean glaubte, in Kirks Stimme einen Hauch von Ärger zu hören.
»Einen Stützpunkt? Sie irren sich, Captain Kirk. Wir haben eine wissenschaftliche Mission entsandt. Nach den Bestimmungen des Vertrages gehört Shermans Planet demjenigen, der ihn am besten entwickeln kann. Die Bemühungen der Föderation sind bisher nicht sehr erfolgreich gewesen. Ihre Station fiel einer Naturkatastrophe zum Opfer, und deshalb beanspruchen wir das Recht, bei den Organianern einen gleichberechtigten Status zu beantragen. Eine entsprechende Botschaft ist bereits übermittelt worden. Wenn Sie Wert darauf legen, politisch-militärische Zwischenfälle zu vermeiden, sollten Sie das klingonische Raumgebiet unverzüglich verlassen. Dann bin ich bereit, Ihr aggressives Verhalten zu vergessen.«
»Einen Augenblick, Kang. Das ist noch nicht alles. Ich werfe Ihnen die Zerstörung einer Niederlassung der Föderation auf Shermans Planet vor. Sie haben die Basis überfallen und das ganze Personal umgebracht, und dafür werden Sie Rechenschaft ablegen müssen.«
»Wollen Sie mich etwa für ein Erdbeben verantwortlich machen, Kirk?«, fragte Kang amüsiert.
»Nein, die Aufzeichnungen in der Station zeigen, dass es sich um ein natürliches Ereignis handelte. Aber es gab Überlebende, und an Ihrer Präsenz nach dem Beben kann kein Zweifel bestehen. Sie brachten den Kommunikationsoffizier Jones um, plünderten das Laboratorium, entführten oder ermordeten die Agrikultur-Spezialistin Czerny. Ein solches Verhalten ist praktisch mit einer Kriegserklärung gleichzusetzen. Ich verlange die Auslieferung der Schuldigen.«
»Das sind sehr ernste Vorwürfe, Captain. Worauf gründen sie sich? Wo sind die Beweise?«
»Als Ihre Leute in Czernys Labor vordrangen, ließen sie nicht die nötige Vorsicht walten: Wir fanden einige Stofffetzen, die von einer klingonischen Uniform stammen. Und was Jones betrifft … Dr. McCoy stellte fest, dass man ihm vor seinem Tod Lourkain und ein Sedativ verabreichte – solche Substanzen gehören nicht zu den bei uns gebräuchlichen medizinischen Präparaten. Leugnen Sie Ihre Verantwortung dafür?«
Irgend etwas vibrierte in Kangs Stimme, als er antwortete: »Ihre Leute sind sehr tüchtig, Captain. Mein Kompliment für Dr. McCoy und seine Gründlichkeit. Nun, ich kann trotzdem nachweisen, dass wir keineswegs als Feinde kamen. Sie ziehen die falschen Schlüsse aus den Indizien. Bitte erlauben Sie mir, Ihnen den wahren Sachverhalt zu verdeutlichen.« Jean vernahm ein Klicken, bevor Kang hinzufügte: »Dr. Eknaar zur Brücke.« Es klickte noch einmal. »Lieutenant, bringen Sie Ihr Mündel hierher.«
»Ja, Commander.« Der Klingone ergriff Jean am Ellenbogen und führte sie in den Gang. Während sie durch schmale Korridore schritten, versuchte die junge Frau, ihre Gedanken zu ordnen. Kangs Absicht bestand offenbar darin, ihre Anwesenheit an Bord seines Schiffes zu bestätigen. Ergab sich für sie die Chance, selbst mit Kirk zu sprechen? Was sollte sie ihm sagen? Welche Informationen brauchte er? Konnte der Captain Kang dazu zwingen, sie freizulassen? Welche Falle bereitete Kang für die Enterprise vor? Himmel, es gab so viele Dinge, die ihr ein Rätsel blieben!
Kurz darauf betraten Jean, der Lieutenant und Dr. Eknaar den kleinen Kontrollraum. Czerny ignorierte die bunten Anzeigen der Waffenkonsole auf der linken Seite, sah über Kang hinweg, der vor dem Bildschirm saß. Ein vertrauter Anblick bot sich ihr dar: die Brücke der Enterprise, ein Captain Kirk, der sich im Sessel des Befehlsstands zurücklehnte. Hinter ihm bediente Uhura die Kommunikationskonsole. Fähnrich Chekov, der Navigator, und Steuermann Sulu nahmen ihre üblichen Posten ein. Irgend etwas schnürte Jean die Kehle zu, und wehmütiger Kummer erfasste sie. Vor ihrer Versetzung zur Forschungsstation auf Shermans Planet hatte sie nur kurze Zeit im wissenschaftlichen Laboratorium der Enterprise gearbeitet, aber jene Gesichter waren für sie wie eine Heimat. Sie bemerkte, wie Kirk die Lippen zusammenpresste, als er sie erkannte, und plötzlich wurde sie sich ihres äußeren Erscheinungsbildes bewusst.
Kirk wandte sich wieder an Kang. »Ich sehe meine Vorwürfe bestätigt und bestehe darauf, dass Miss Czerny …«
Der Commander unterbrach ihn mit einer knappen Geste. »Dr. Eknaar, beschreiben Sie dem Captain, in welchem Zustand wir die Spezialistin Czerny gefunden haben.«
»Gewiss, Commander. Sie war kaum bei Bewusstsein, litt an akuter Auszehrung und starken metabolischen Störungen. Hinzu kamen eine ernste Dehydration und eine starke Gehirnerschütterung …«
»Wie lange hätte Miss Czerny ohne eine Behandlung überlebt?«
»Nun, wahrscheinlich weniger als dreißig Stunden, Sir.«
Kang richtete seinen Blick auf den Bildschirm. »Wir empfingen einen Notruf Shermans Planet, und unsere Sondierung ergab, dass sich kein Föderationsschiff in der Nähe befand. Nur zwei Personen überlebten das Beben. Als wir den Kommunikationsoffizier fanden, lag er bereits im Sterben, und wir verabreichten ihm das Sedativ, um seine Schmerzen zu lindern. Die Spezialistin Czerny brachten wir sofort in unsere Krankenstation. Um Ihre Worte zu benutzen, Captain: Wir handelten allein aus humanitären Gründen.«
»Was hat es damit auf sich, Miss Czerny?« Kirk deutete auf ihre Bluse.
Die Frage verwirrte Jean. »Ich …«, begann sie.
Kang unterbrach sie. »Nun, Captain … Einer meiner Männer weckte den Zorn der Spezialistin, und daraufhin forderte sie ihn zu einem Duell heraus.« Er drehte den Kopf und hob die Hand, verbarg ein flüchtiges Lächeln. »Sie hat gewonnen. Und das Ergebnis besteht darin, dass einer meiner besten Lieutenants mehrere Tage in der Krankenstation verbringen muss. Das weckte natürlich meinen Ärger, und deshalb …« Er zuckte mit den Schultern.
»Miss Czerny?«, fragte Kirk.
Diesmal war Jean vorbereitet. »Es wurden mehrere Dinge aus meinem Labor entwendet, Captain Kirk, unter ihnen auch der Schutzkasten mit der neuen und besonders widerstandsfähigen Quadrotritikal-Sorte. Die Klingonen wollten mehr darüber erfahren und entdeckten meine Allergie gegen Lourkain. Unter den gegebenen Umständen nahm ich mir die Freiheit, die Todeskonditionierung in Bezug auf den Schmerzstimulator zu erwähnen.«
Kirk zuckte mit keiner Wimper. »O, natürlich, Lieutenant Czerny. Der Status X ermächtigt Sie dazu.« Jean blinzelte überrascht, als der Captain diese Rangbezeichnung nannte. Und was bedeutete Status X? Lieutenant/Status/Ermächtigung … Habe ich etwas vergessen? »Commander Kang«, fuhr der Captain fort, »Sie halten nicht nur ein Mitglied meiner Crew fest, sondern besitzen auch Materialien, die der Föderation gehören. Ich fordere Sie in aller Form zur Rückgabe auf und verlange, dass die Verantwortlichen unter Arrest gestellt werden, bis die Organianer ein Urteil fällen.«
Diesmal lächelte Kang ganz offen. »Das soll wohl ein Witz sein, Captain. Czerny ist an mich gebunden.«
Kirk runzelte die Stirn. »Gebunden?«
»Durch die klingonische Tradition. Sie befinden sich im stellaren Territorium des Imperiums, Captain. Ich habe der Spezialistin das Leben gerettet, und dadurch ist sie mir verpflichtet, an mich gebunden – bis ich sie freigebe. So will es unser Brauch. Derzeit hat Lieutenant Czerny nicht unbeträchtliche Bedeutung für mich, und daher lehne ich es ab, ihr schon jetzt eine Rückkehr zu gestatten.«
Kirks Züge verhärteten sich. »Miss Czerny stammt von Aldebaran, einem Planeten, der sich dem Völkerbund angeschlossen hat. Als Repräsentant der Föderation fordere ich ihre unverzügliche Freilassung.«
»Soll das heißen, dass Sie in diesem Fall den klingonischen Sitten Ihre Anerkennung verweigern, Captain?«, fragte Kang scharf.
»In der Tat«, erwiderte Kirk.
»Dann nehme ich mir das Recht, Ihre Jurisdiktion abzulehnen, Captain Kirk. Ich schlage vor, Sie wenden sich an die Organianer. Wir übermitteln ihnen eine Aufzeichnung dieses Gesprächs. Nun, wenn Sie nicht den Befehl bekommen haben, einen Krieg zu beginnen, rate ich Ihnen, unser Raumgebiet zu verlassen und zur Föderation zurückzukehren. Ich möchte darauf hinweisen, dass Sie von zwei weiteren Kreuzern flankiert werden. Wir halten nichts von Eindringlingen, Captain Kirk.«
Jean starrte auf den Bildschirm und beobachtete, wie sich der vulkanische Erste Offizier Spock an der wissenschaftlichen Station aufrichtete. »Bestätigung, Captain. Die Sensoren zeigen drei klingonische Schlachtkreuzer.«
Kirk kaute verärgert auf der Unterlippe. »Als Ihr Schiff zerstört wurde, Kang, nahmen wir die überlebenden Besatzungsmitglieder an Bord – und behandelten sie gut. Ich hoffe, Czerny ergeht es nicht anders. Ich mache Sie persönlich für ihre Sicherheit verantwortlich.«
Die Miene des Commanders verfinsterte sich kurz. »Ich werde daran denken, Captain.« Spöttisch fügte er hinzu: »Bis zum nächsten Mal, Kirk.« Abrupt unterbrach er die Verbindung und stand auf. Wut funkelte in seinen Augen. »Wer ist der verdammte Idiot, der einen Teil seiner Uniform im Laboratorium gelassen hat?«
»Hier, Sir«, brummte ein klingonischer Wächter. Er meinte nicht etwa sich selbst, sondern einen jüngeren, kräftig gebauten Mann, gab ihm einen Stoß.
»Nun?«, grollte Kang.
»Es gibt keine Entschuldigung, Commander«, entgegnete der Klingone leise.
»Eknaar, halten Sie sich in Bereitschaft.« Kang nickte dem Wächter zu. »Stärke fünfundzwanzig Prozent. Standard-Dauer. Anschließend sechzig Stunden Arrest.«
Jean sah entsetzt, wie der Wächter den Schmerzstimulator hervorholte und an den Kopf des jungen Klingonen presste. Zum ersten Mal beobachtete sie, welche Wirkung das Gerät entfaltete. Übelkeit stieg in ihr empor, als der Mann brüllte und zu Boden sank. Er zuckte am ganzen Leib, und nach einigen Sekunden verhallten seine Schreie. Der Wächter steckte den Stimulator wieder ein, und Eknaar untersuchte den Bewusstlosen. Jean schnappte nach Luft und taumelte, hielt sich nur mit Mühe auf den Beinen. Nach einer Weile erhob sich Eknaar wieder. »Stabiler Kreislauf. Bringen Sie ihn in sein Quartier.«
Jean spürte Kangs neugierigen Blick auf sich ruhen, und mühsam straffte sie ihre Gestalt. Der Commander wandte sich an den Arzt. »Und der Kommunikationsoffizier? Ich habe doch gesagt, es sollten keine Spuren zurückbleiben.«
Eknaar krümmte die Schultern, und in seinem Gesicht zeigte sich ein Schatten von Sorge. »Im menschlichen Stoffwechselsystem wird das Lourkain schneller abgebaut, aber vielleicht überlebte der Mann nicht so lange, wie ich zunächst vermutete. Ich wies Sie auf das Risiko hin …«
»Ja, ich weiß. Aber ich will keine Warnungen von Ihnen, sondern Resultate.« Kang ging zur Tür. »Lieutenant, eskortieren Sie die Frau. Eknaar, wenn Sie mit ihr fertig sind, kehren Sie in Ihre Kabine zurück. Während der nächsten dreißig Stunden werden Sie Ihre Unterkunft nicht verlassen.«
Die Bestrafung des jungen Klingonen mit dem Schmerzstimulator hatte Jean zutiefst erschüttert, und wie in Trance setzte sie einen Fuß vor den anderen. Vor dem Zugang der Krankenstation blieb Kang stehen. »Eine allgemeine Analyse, Eknaar. Anschließend wird Czerny in einer Zelle untergebracht.« Er drehte sich um und marschierte davon.
Benommen streckte sich Jean auf der Diagnoseliege aus und ließ sich untersuchen. Es war ihr gelungen, den Commander bis zum Eintreffen der Enterprise hinzuhalten, aber ihre Lage hatte sich nicht verbessert. Ganz im Gegenteil: Die Aussicht auf Rettung rückte in weite Ferne. Vor ihrem inneren Auge sah sie nach wie vor den jungen Klingonen, der schreiend zu Boden sank. Nur mit Mühe gelang es ihr, ein Schaudern zu unterdrücken.
Schließlich klopfte ihr Eknaar auf den Oberschenkel. »Alles in Ordnung, Mädchen. Sie können wieder aufstehen. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Hoffen Sie nicht auf die Hilfe des Captains. Selbst wenn Föderation oder Organianer etwas unternehmen – vielleicht ist es dann schon zu spät für Sie. Geben Sie Kang die Informationen, die er von Ihnen wünscht – er ist bestimmt bereit, eine faire Übereinkunft mit Ihnen zu treffen. Aber wenn Sie ihm weiterhin die Stirn bieten …«
Jean starrte den untersetzten, grauhaarigen Arzt stumm an. Ihr fiel keine passende Antwort ein.
Der Wächter führte sie erneut durch die Korridore, und schließlich fand sie sich in einer kleinen Kabine wieder. Die Einrichtung bestand aus Koje, Tisch und einem dreibeinigen Stuhl. Auf dem Tisch stand der Schutzkasten. Kang erwartete Jean in Begleitung eines anderen Klingonen, den sie noch nicht kannte. Der Commander musterte sie eingehend, und erneut glaubte die junge Frau, in seinem Gesicht ein seltsames Gefühl zu erkennen. Er deutete auf den schlanken Klingonen an seiner Seite.
»Das ist Aernath, ein Fachmann für Agrikultur. Er befasst sich mit Ihren Unterlagen, und ich habe ihm gestattet, Sie jederzeit zu besuchen. Es liegt in Ihrem eigenen Interesse, mit ihm zusammenzuarbeiten. Öffnen Sie jetzt den Kasten.«
Jean rührte sich nicht von der Stelle, hielt den Blick auf Kangs Schulter gerichtet. Er hatte die vom Messer verursachte Wunde nicht behandeln lassen, als wäre die Verletzung für ihn zu unbedeutend. Aber Czerny bemerkte, wie vorsichtig er den betreffenden Arm bewegte, und die Vorstellung, dass er Schmerzen empfand, bereitete ihr eine gewisse Genugtuung. Sie wagte es nicht, ihn anzusehen oder zu sprechen, fürchtete viel zu sehr, dadurch die Kontrolle über sich zu verlieren. Stumm schüttelte sie den Kopf.
Kang trat vor, packte Jean am Nackenhaar und neigte ihren Kopf mit einem groben Ruck nach hinten. »Sie irren sich, wenn Sie glauben, auf Kirk oder die Organianer warten zu können«, zischte er. »Ihnen bleibt nicht annähernd soviel Zeit.« Die eisige Stimme des Commanders jagte Jean einen kalten Schauer über den Rücken.
Sie schloss die Augen und konzentrierte ihre ganze Willenskraft auf ein Wort. »Nein.«
Kang ließ die junge Frau los, und Jean taumelte. »Na schön. Wir sorgen dafür, dass Sie zu dem Zustand zurückkehren, in dem wir Sie fanden. Mit einem kleinen Unterschied: Dr. Eknaar wird Ihnen Glukose-Injektionen geben – um zu verhindern, dass die Ketone Ihr Hungergefühl dämpfen. Sie können essen, wenn wir das Korn von Ihnen erhalten.« Er deutete auf den Schutzkasten. »Wir haben das Ding ans Interkom-System angeschlossen. Sie brauchen es nur zu berühren, um ein Signal zu senden. Dann kommt sofort jemand zu Ihnen.«
Die drei Klingonen gingen. Jean blickte durch die transparente obere Hälfte der Zellentür, sah den Wächter, der draußen im Gang Aufstellung bezog. Er konnte den ganzen Raum beobachten – abgesehen von der winzigen Hygienenische in der einen Wand. Sie enthielt eine schlichte Toilette und ein Becken. Jean drehte den Hahn auf, aber es sprudelte kein Wasser hervor. Niedergeschlagen kehrte sie ins Hauptzimmer zurück, machte einen weiten Bogen um den Tisch und streckte sich bäuchlings auf der Koje aus. Sie konnte die Anspannung nicht länger ertragen, begann zu schluchzen und bebte am ganzen Leib.
Irgendwann schlief sie ein.
Captain Kirk saß noch immer im Kommandosessel auf der Brücke der Enterprise. Seine Aufmerksamkeit galt dem Wandschirm. »Nehmen Sie Kurs auf Shermans Planet, Mr. Sulu. Und richten Sie die visuelle Erfassung auf unsere klingonischen ›Freunde‹.« Zwei Kreuzer blieben rasch zurück, und der dritte folgte ihnen, als die Enterprise abdrehte und das stellare Territorium des Imperiums hinter sich ließ. Kirk stellte fest, dass kein Angriff drohte. Er nickte zufrieden. »Beenden Sie die Alarmstufe Rot, Mr. Sulu. Wir bleiben auf Alarmstufe Gelb, solange uns die Eskorte begleitet. Mr. Scott, Sie haben das Kommando.« Er stand auf, strich seinen Uniformpulli glatt und sah Dr. McCoy an, der neben dem Turbolift wartete.
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