Star Trek - Enterprise 2: Was Menschen Gutes tun - Andy Mangels - E-Book

Star Trek - Enterprise 2: Was Menschen Gutes tun E-Book

Andy Mangels

4,8

Beschreibung

Bei einem unerwarteten Angriff auf die Enterprise findet das Leben eines der ersten Sternenflottenpioniere ein tragisches Ende, und Captain Jonathan Archer, der legendäre Kommandant des ersten Warp-fünf-Schiffes der Erde, verliert einen engen Freund. Über zweihundertfünfzig Jahre später werden Akten freigegeben, die die Wahrheit über diesen schicksalhaften Tag endlich ans Licht bringen könnten. Zwei alte Freunde treffen sich, um den Tatsachen auf den Grund zu gehen und zu erfahren, was wirklich geschah. Was sie schließlich herausfinden, lässt die bisher bekannten historischen Aufzeichnungen in ganz neuem Licht erscheinen und offenbart schockierende Erkenntnisse über die Jahre vor dem Irdisch-Romulanischen Krieg.

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Was MenschenGutes tun

Andy Mangels      Michael A. Martin

Based on

Star Trekcreated by Gene Roddenberryand Star Trek: Enterprisecreated by Rick Berman & Brannon Braga

Ins Deutsche übertragen vonBernd Perplies

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – ENTERPRISE: WAS MENSCHEN GUTES TUN wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg. Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Bernd Perplies; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Andrea Bottlinger und Gisela Schell; redaktionelle Mitarbeit: Julian Wangler; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Martin Frei.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – ENTERPRISE: THE GOOD THAT MEN DO

German translation copyright © 2011 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2007 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™, ® & © 2011 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc.,pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN: 978-3-942649-42-1 (Dezember 2011) · E-Book ISBN: 978-3-942649-90-2

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE

Für Don Hood, der schon seit fast zwölf Jahren Teil meines Lebens istund der immer wieder beweist, »was Menschen Gutes tun«.

– A. M.

Für meine Frau Jenny Martin, die mir weit mehr Verständnis und Geduld entgegenbringt, als sie müsste. Für James Martin und William Martin, deren Lebenswege gerade erst begonnen haben. Und für Army First Lieutenant Ehren Watada, einen Mann voller Weisheit, Überzeugung und Mut, der auf vorbildliche Weise Sun Tzus Diktum verdeutlicht hat: »Derjenige gewinnt, der weiß, wann man zu kämpfen hat und wann nicht.«

– M. A. M.

HISTORISCHE ANMERKUNG

Die Hauptereignisse dieses Romans finden Anfang des Jahres 2155 statt, kurz nachdem die Besatzung der Enterprise die xenophobe Gruppierung Terra Prime davon abgehalten hat, das Hauptquartier der Sternenflotte zu zerstören (»Dämonen« und »Terra Prime«).

»Die Menschen schlafen nachts nur deshalb friedlich in ihren Betten,weil harte Männer bereitstehen, um für sie Gewalt auszuüben.«– George Orwell (1903 – 1950)

»Wer in Ruhe und Frieden leben will, darf nicht über alles sprechen,was er weiß oder sieht.«– Benjamin Franklin (1706 – 1790)

»Aller Krieg ist Täuschung.«– Sun Tzu (500 v. Chr.)

»Die Zukunft liegt offen vor uns. Und sie gehört jedem, der bereit ist,nach ihr zu greifen.«– Robert Anton Wilson (1932 – 2007)

»Was Menschen Übles tun, das überlebt sie,Das Gute wird mit ihnen oft begraben.«– William Shakespeare (1564 – 1616)

PROLOG

Im frühen 25. JahrhundertTerrebonne Parish, Louisiana

Obwohl ihn Lichtjahre von seiner Heimatwelt trennten, erinnerte Nog der kühle Regen, der durch die moosbedeckten Bäume fiel, an Ferenginar. Natürlich war der Geruch anders. Die Sümpfe von Louisiana rochen nach Fäulnis und Verwesung, und der lauwarme Regen – der noch nicht ganz so stark fiel wie ein Glebbening, aber schon annähernd – sorgte dafür, dass der Gestank in der feuchten Luft beinahe zum Schneiden war.

Nog machte einen weiten Schritt, um einer glitschig aussehenden Pfütze auszuweichen. Im nächsten Augenblick bereute er es, als ein scharfes Ziehen durch sein überdehntes linkes Bein ging. Er versicherte sich, dass der Rucksack, der über seiner Schulter hing, nicht abrutschen konnte. Dann ließ er sich aufs rechte Knie sinken und rieb mit den Fingern das schmerzende Bein.

Es überraschte ihn, dass es immer das neue Bein war, das ihm Ärger bereitete. Es war vor ein paar Jahren aus seinem eigenen Gewebe gezüchtet worden, um das künstliche zu ersetzen, auf das er seit einer im Dominion-Krieg erlittenen Verletzung angewiesen gewesen war. Natürlich hatte er auch in einigen anderen Gelenken Schmerzen – das ließ sich mit dem Älterwerden nicht vermeiden. Aber sein neues Bein hätte sich besser anfühlen sollen, nicht schlechter als seine normalen Glieder oder das abgelegte künstliche. Seine Ärzte hatten ihn in den letzten Jahren mehrfach untersucht, aber nie war es ihnen gelungen, irgendein grundsätzliches Problem mit dem Bein zu finden. Und so war es letzten Endes stets darauf hinausgelaufen, dass sie ihm erzählt hatten, er gehe vermutlich einfach anders damit um als mit der Prothese, an die er sich in langen Jahren gewöhnt habe, und belaste daher seine linke Seite in ungewohnter Art.

Nog erhob sich, spähte den Pfad vor sich hinunter und dachte an seinen Freund. Warum nur hat er sich dazu entschieden, dermaßen weitab von jeder Zivilisation sein Domizil einzurichten? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Klein-Jennifer viel Spaß daran hatte, im Hof zu spielen – wenn es bei ihm überhaupt einen Hof gibt. Schließlich schienen die meisten Menschen eine generelle Abneigung gegenüber Matsch und Nässe zu haben.

Nach ein paar weiteren Dutzend Metern beschrieb der Pfad eine Kurve, und dahinter sah Nog das zweistöckige Haus vor sich liegen. Durch mehrere der Rundbogenfenster fiel weiches Licht, und ein feiner Rauchfaden stieg aus einem Schornstein an der Südwand des Hauses träge in die schwüle Abendluft. Der Umstand, dass jemand Feuer gemacht hatte und die Lichter brannten, gab Nog Hoffnung. Er wollte seinen alten Freund überraschen und hatte ihm, auf das Risiko hin, vor verschlossenen Türen zu stehen, sein Kommen vorher nicht angekündigt.

Der düstere Pfad endete am Rand eines kleinen, gut gepflegten Rasenstücks. Nog schritt über einen gepflasterten Gartenweg, der sich durch das Grün hindurch der Eingangstür des Hauses entgegenschlängelte. Er hätte gerne gewusst, ob Jake beim Anlegen des Wegs seine Finger im Spiel gehabt hatte.

Schließlich stand Nog vor der Tür und hob die Hand, um anzuklopfen. Ihm fiel auf, dass Jake allem Anschein nach keinerlei andere Art von Signalgeber an oder neben der Tür angebracht hatte, und er fragte sich, wann sein alter Freund so ein Technikfeind geworden war. Keine Komm-Einheit, keine Sicherheitsvorkehrungen … Nog war das anders gewöhnt.

Er schlug viermal kräftig gegen die Tür und trat einen Schritt zurück. Etwas – oder jemand – rührte sich im Inneren, anschließend war undeutliches Murmeln zu vernehmen. Bei dem Geräusch machte sein Herz einen Satz. Obwohl er nicht verstehen konnte, was gesagt wurde, hatte er den Sprecher erkannt.

Die Tür öffnete sich um wenige Zentimeter, und Licht fiel aus dem Inneren nach draußen, sodass der große, dunkelhäutige Mann, der hinausspähte, nur als Silhouette zu erkennen war.

»Hallo, alter Mann«, sagte Nog. Genauso hatte Benjamin Sisko Dax immer genannt. Es schien dem Anlass irgendwie angemessen. Er sah, wie sich die Augen seines Freundes in freudiger Überraschung weiteten.

»Nog!« Jake Siskos Stimme überschlug sich leicht, als er den Namen seines Freundes schrie. Dann riss er die Tür weit auf und breitete die Arme aus.

Nog trat vor, breitete seine eigenen Arme aus und schlang sie um Jakes Unterleib. Erst nach einigen Sekunden der Umarmung fiel ihm ein, dass er ja klatschnass war. Er löste sich und blickte zu Jake auf. »Ich war mir nicht sicher, ob du mich würdest sehen wollen«, sagte Nog.

Sofort änderte sich der Ausdruck auf Jakes Gesicht – blickte er tatsächlich verwirrt drein? Dann schlug er dem Ferengi gutmütig mit der Hand auf die Schulter. »Richtig. Wie auch immer. Das ist vorbei, Nog.«

Er drehte sich um und deutete ins Innere. »Komm raus aus dem Regen und rein in meine warme, trockene Hütte. Dann kannst du mir erzählen, was dich mitten in der Hurrikansaison hinaus zu meinem Versteck getrieben hat.«

Nog leistete der Einladung Folge. Äußerlich lächelte er weiterhin, aber innerlich fragte er sich, ob die Neuigkeiten, die er Jake mitgebracht hatte, nicht einen noch stärkeren Sturm auslösen würden als den, der draußen wütete.

Mit so viel Schwung, wie seine gichtgeplagten Finger zustande brachten, zog Jake Sisko den Korken aus der Flasche. Er schenkte ihnen beiden von der dunklen Flüssigkeit ein und stellte dann die Flasche ab, während Nog nach einem der tiefen, bauchigen Weingläser griff.

»Dreiundzwanzigsechsundsiebzig? Das war ein … interessantes Jahr«, sagte Jake mit einem Blick auf das Datum der Flasche. Nog hatte sich für einen italienischen Wein entschieden, einen kräftigen Pinot Nero, der verführerisch fruchtig und nach Eichenfässern roch.

»Nicht so interessant wie dreiundzwanzigsiebenundsiebzig«, sagte Nog grinsend. »Aber ich weiß doch, wie sehr ihr Menschen die älteren Jahrgänge bei Getränken liebt.« Er hob sein Glas Jake entgegen.

Jake hob sein Glas ebenfalls und bedachte den Wein mit einem gedankenvollen Blick, während er ihn sanft kreisen ließ. »Du hast dich ohne Frage weiterentwickelt seit unseren alten Root-Beer-Tagen auf der Station.«

Nog kicherte. »Wir leben und wir lernen, Jake.« Er hielt inne, um sein eigenes Glas zu schwenken. »Auf eine alte Freundschaft.«

Klingend stieß Jake mit Nog an. »Nicht so alt«, sagte er lächelnd. Er nahm einen Schluck, wobei er den Ferengi über den Rand seines Glases hinweg musterte. Sein Freund sah noch immer so aus, als sei er dem Teenageralter kaum ein paar Wochen entwachsen. »Nun, zumindest in deinem Fall«, fügte er mit einem Grinsen hinzu. »Ich schwöre, ihr Ferengi scheint überhaupt nicht zu altern.«

Nog erwiderte das Grinsen mit glänzenden, spitz zulaufenden Zähnen. »Oh, ich habe in den letzten Jahren die eine oder andere Sache an mir machen lassen, Jake«, erklärte er und fuhr sich mit der rechten Hand über die Ohrmuschel. »Man soll schließlich die Ohren nicht hängen lassen. Ist ziemlich schwierig, eine weitere Frau herumzukriegen, wenn man wie eine geschmolzene Kerze aussieht.«

»Hattest du nicht genug Frauen?«, fragte Jake. »Ich kann schon gar nicht mehr sagen, mit wie vielen du verheiratet warst. Mit dreien? Mit vieren?« Er hielt inne, bevor ihm ein Vorwurf darüber hinausrutschen konnte, dass er zu mehreren dieser Hochzeiten nicht eingeladen worden war.

Nog dachte einen Moment nach und grinste dann verlegen. »Ich nehme an, das hängt davon ab, ob du Disressa für die beiden Male, die ich mit ihr verheiratet war, als zwei Frauen zählst.« Er deutete auf den Rest des geräumigen Hauses. »Wo wir gerade davon sprechen: Wo ist Korena?«

»Sie ist auf Bajor«, sagte Jake. »Das Wetter ist besser dort, und ich brauchte ein wenig Zeit für mich allein, um zu schreiben. Ich habe ein halbes Dutzend Romane angefangen, aber nichts packt mich und schüttelt sich selbst aus meinem Kopf.« Es war ein wenig gelungenes Wortspiel, und dazu eins, das Jake nie jemandem gegenüber in den Mund genommen hätte, der nicht wusste, was er meinte. Das Problem, mit dem sich Autoren seit den Tagen von Feder und Tinte herumzuschlagen hatten, war nämlich, dass Nicht-Autoren stets dachten, die Kreativität würde einfach so zur Tür hereinschneien wie eine zu Besuch kommende Muse und ein Manuskript auf ihrem Schreibtisch ablegen, als wäre es eine replizierte Tasse Raktajino.

»Ich habe deinen letzten Roman vor etwa sechs Monaten gelesen«, sagte Nog und lehnte sich gemütlich auf dem replizierten Stuhl im Stil des 19. Jahrhunderts zurück, auf dem er saß. Die hohe, mit dickem, rotem Samt gepolsterte Lehne ragte über dem Kopf des kleinwüchsigen Ferengi auf und ließ ihn wie ein Kind aussehen. »Er war ziemlich unterhaltsam. Ich hatte den Mörder nicht herausgefunden, bis du ihn enthüllt hast … oder vielmehr die beiden.«

»Nicht zuletzt deshalb macht es so viel Spaß, einen Krimi in der Zeit vor der Scannertechnologie zu schreiben«, erwiderte Jake. »Die Ermittler müssen sich schon etwas mehr anstrengen, um ihre Fälle zu lösen.« Er nahm einen weiteren Schluck Wein. »Rena war mit diesem speziellen Buch auch ausgesprochen glücklich.«

»Wurde sie ebenfalls von dem Ende überrascht?«, wollte Nog wissen.

»Nein. Sie war froh, weil die Rechte daran aufgekauft wurden. Sie wollen ein Holoprogramm daraus machen. Auf dem Mars.«

»Aha, Profit!« Nog hob sein Glas in einem spöttischen Toast. »Ich wusste immer, dass in dieser Frau ein kleiner Ferengi steckt.«

Jake schnitt eine Grimasse in Nogs Richtung. »Der Profit könnte ihr nicht gleichgültiger sein. Sie liebt es nur, meinen Namen im Abspann zu sehen und den Leuten von ihrem berühmten Einsiedlerehemann zu erzählen. Abgesehen davon sind Holoautoren dieser Tage so viel respektierter und bedeutender als Buchautoren. Wusstest du das nicht?«

Nog rollte mit den Augen. »Nicht schon wieder diese alte Leier. Findest du nicht, dass du selbst auch genug Ruhm hattest?«

»Mehr, als ich jemals wollte«, gab Jake nickend zu.

Neben ihnen kam es plötzlich zu einer raschen Bewegung, und Nog zuckte zusammen, als ein fetter Ball aus graubraunem Fell auf die Armlehne seines Stuhls sprang, nur um sich gleich darauf gewichtig auf seinem Schoß zusammenzurollen.

»Ah, das war das Stichwort für die Katze«, sagte Jake. »Odo hat entschieden, uns Gesellschaft zu leisten.«

Nogs Augen weiteten sich. »Odo? Du meinst doch nicht etwa …?«

Jake verschluckte sich beinahe an dem Wein, den er soeben zu sich genommen hatte. Er schluckte geräuschvoll und wischte sich mit der Hand über den Mund. »Nein, nicht Odo-Odo«, sagte er lachend. »Katzen-Odo. Glaubst du etwa, ich hätte den alten Sicherheitschef der Station all die Jahre hier als Haustier gehalten?«

Nog zuckte mit den Schultern und beobachtete die Katze argwöhnisch, die seinen Schoß mit den Vorderpfoten bearbeitete und dabei ihre Krallen in den erfreulicherweise festen Stoff seiner Uniformhose versenkte. »Ich weiß nicht. Uns sind schon seltsamere Dinge passiert.«

Jake hob eine Augenbraue. »Nicht so seltsam.« Er beugte sich über den Tisch, wobei er darauf achtete, mit den Ellbogen nicht die Gläser oder die Weinflasche umzustoßen, und hob die mollige Katze von Nogs Schoß. »Komm, ich erlöse dich vom Constable.«

Nog nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas und rutschte dann einen Moment lang unruhig auf seinem Platz hin und her. »Hör zu, es soll nicht so klingen, als bräuchte ich einen Grund, um dich zu besuchen, aber mir ist da etwas in die Hände gefallen, und ich dachte sofort an dich.«

»Worum geht es?« Jake neigte sich ein wenig nach vorne, was Odo dazu veranlasste, von seinem Schoß zu springen und davonzuhuschen, zweifellos in Richtung Futternapf.

Nog zog einen kleinen isolinearen Chip aus einer Tasche seiner Uniformjacke. Das Licht des Kaminfeuers fing sich in ihm und erweckte den Anschein, als schwirre ein Glühwürmchen im Inneren des schlanken smaragdgrünen Speichermoduls umher.

»Ich habe das Ganze entdeckt, als ich Nachforschungen zu Warp-technologien des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts anstellte«, sagte Nog. »Es befand sich in einigen der jüngst freigegebenen Akten.«

»Freigegebene Akten?«, wiederholte Jake neugierig. »Von wo? Durch wen freigegeben? Und aus welcher Zeit?« Er blickte den Chip an, als könne er ihm seine Geheimnisse allein dadurch entlocken, dass er seine durchscheinende Oberfläche studierte.

»Die Zeit ist der interessante Teil. Es geht um Ereignisse, die sich allen Berichten zufolge 2161 zugetragen haben. Doch tatsächlich fanden die Geschehnisse Jahre früher statt, nämlich 2155. Und ich kann leider nicht sagen, ob die Akten ausschließlich aus den Beständen der Sektion 31 stammen oder ob diese offenkundig absichtliche Vertuschung von Leuten befohlen wurde, die in diesen frühesten Tagen der Föderation an der Macht waren.«

»Finden sich diese Antworten nicht in den freigegebenen Akten?« Mit der Erwähnung von Sektion 31 hatte Nog Jakes Neugierde endgültig geweckt. Es war noch nicht allzu lange her, dass die geheimnisvolle Organisation – eine ominöse Spionagebehörde, die so alt wie die Sternenflotte war – enthüllt und, wie Jake hoffte, ein für alle Mal geschlossen worden war.

»Ich hoffe, sie finden sich dort«, sagte Nog. »Aber ich hatte kaum angefangen, meine Nase hineinzustecken, als ich mir dachte, dass ich doch einen Menschen kenne, der das alles nicht nur faszinierend finden würde, sondern vielleicht auch imstande wäre, daraus einen Bestsellerroman zu machen. Und nun sitze ich hier.«

Jake gluckste. »Wir werden sehen. Es klingt auf jeden Fall äußerst spannend. Aber glaubst du wirklich, dass es wichtig genug ist, um noch irgendjemanden zu interessieren – zweihundert Jahre nachdem all die Fakten und Fiktionen zu staubiger Geschichte geworden sind?«

Zunächst zeigte sich Überraschung auf Nogs Miene, dann nahm sein Gesicht einen verschwörerischen, beinahe düsteren Zug an. »Jake, nach dem, was ich gesehen habe, geht es bei dieser Geschichte um Menschen, Andorianer, Vulkanier, Denobulaner und Romulaner. Sie enthält Entführung, Mord, Sklaverei, Tod, Wiedergeburt und Vertuschungen. Und sie könnte alles ändern, was wir über die Gründung der Föderation wissen oder vielmehr aufgrund der offiziellen Berichte glauben, zu wissen.«

Jake spürte, wie sich ein Grinsen auf seinem Gesicht breitmachte. Es war lange her, seit Nog und er in den halbdunklen Korridoren von Deep Space 9 als Detektive umhergezogen waren und versucht hatten, das Geheimnis hinter irgendwelchen seltsamen Vorkommnissen zu lüften, die, so glaubten sie in jugendlicher Naivität, selbst die Fähigkeiten Constable Odos überstiegen hätten. Genau wie damals spürte er einen Adrenalinschub durch seinen Körper rauschen.

Er streckte die Hand nach dem Chip aus. »Machen wir uns an die Arbeit.«

EINS

Tag fünf des Monats Tasmeen Unroth III, romulanischer Raum

Doktor Ehrehin i’Ramnau tr’Avrak stand vor dem großen Panoramafenster des Forschungskomplexes und lauschte dem Hintergrundrauschen aus Zirpen, Piepsen und Summen im Kontrollzentrum, während sein Blick über die ferne Testeinrichtung schweifte, wo der Prototyp in Kürze zum Leben erwachen würde. In den letzten Tagen hatte jede Konsole des vollgestopften Kontrollzentrums beruhigende Orangetöne angezeigt. Kaum ein Hauch von Grün, mit dem die Romulaner Blut und Gefahr verbanden, war zu sehen gewesen. Das einzige Grün, das der ältere Wissenschaftler seit seiner Ankunft vor mehr als zehn der langsamen Planetenumdrehungen zu Gesicht bekommen hatte, war das des endlosen Waldes. Dieser erstreckte sich vom Fuße des sanften Hügels jenseits der Mauern der Einrichtung bis zum flachen, befremdlich nah erscheinenden Horizont von Unroth III.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Forschern hielt Doktor Ehrehin es nicht für nötig, den Blick ständig von dem Meer aus Grün abgewandt zu halten, das jenseits der Fenster des Kontrollraums lag. Er ließ aber auch nicht zu, dass ihn die beängstigenden Farbtöne aus der Fassung brachten. Stattdessen richtete er sein Augenmerk auf das Primärgestirn des Planeten, das das Blätterwerk des Waldes in beruhigend rötliches Licht tauchte, während der Stern unnatürlich träge dem Horizont entgegensank. Trotz des niedrigen Stands der Abendsonne, die aufgrund der Lichtbrechung riesig wirkte, würde es noch mehrere lange Dierha dauern, bis die Wildnis dort draußen vollkommen in Dunkelheit gehüllt war.

»Es ist Zeit, Doktor«, sagte Cunaehr, Ehrehins wichtigster Forschungsassistent. »Sind Sie bereit für den Test?«

Ohne seinen Blick vom Wald abzuwenden, antwortete Ehrehin Cunaehr mit einem kurzen, humorlosen Auflachen. Die bessere Frage wäre: Ist der Prototyp endlich bereit für den Test?, dachte er, doch er sprach die Worte nicht aus. Er wollte nicht die Aufmerksamkeit jener übelmeinenden kosmischen Mächte auf sich ziehen, die gelegentlich dafür sorgten, dass Feldversuche auf spektakuläre und gänzlich unerwartete Weise schiefgingen.

»Ich habe meine Befehle, Cunaehr«, erwiderte Ehrehin mit so leiser Stimme, dass sie über die Hintergrundgeräusche kaum zu hören war. »Die Admiralität blickt aus dem Orbit auf uns herab, und sie hat mir befohlen, jetzt bereit zu sein. Also sind wir es. Bitte halten Sie sich bereit, auf mein Zeichen hin mit dem Test zu beginnen.«

»Sofort, Doktor«, sagte Cunaehr. Ehrehin musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass sein Assistent zu seiner Konsole eilte.

Die Gedanken des Wissenschaftlers wanderten zu dem Bird-of-Prey, der in diesem Augenblick um die abgelegene Welt kreiste, und er fragte sich, ob die Admiralität erwartete oder daran zweifelte, dass der heutige Test ein Erfolg sein würde. Im nächsten Moment verbannte er den Anflug von Unsicherheit. Er hatte nicht vor, sich von dem offensichtlichen Unwillen des Militärs, seine Leute auf die Planetenoberfläche hinunterzuschicken, aus der Ruhe bringen zu lassen. Genau genommen hatte die Vorstellung, dass der Feldversuch an einem Prototyp die Admiralität in derart unangebrachte Angstzustände versetzte, eigentlich genau die gegenteilige Wirkung auf ihn. Sie hob seine Stimmung und stärkte sein Selbstvertrauen.

Ehrehin stützte sich an der neutroniumverstärkten Betonwand ab, in die das Fenster eingelassen war, und wandte sich seinen Mitarbeitern zu. Diese standen an mehreren halbkreisförmigen Reihen aus Konsolen und waren damit beschäftigt, sie zu bedienen oder zu überwachen. Ungeachtet seines gegenwärtigen Unmuts hinsichtlich der Arbeitsgeschwindigkeit, zu der das Militär sein Team gezwungen hatte, spürte Ehrehin, dass es ihm nicht gelingen würde, das triumphierende Lächeln zu unterdrücken, das sich bereits auf seinem faltigen, wettergegerbten Gesicht ausbreitete.

Cunaehr, der an seiner eigenen Konsole stand, ließ die Hand durch sein zerzaustes tiefschwarzes Haar gleiten – ein weiterer, erfolgloser Versuch, es zu bändigen. Ehrehin räusperte sich geräuschvoll und weckte damit die Aufmerksamkeit der dreizehn anderen Forscher des wissenschaftlichen Außenpostens. Der ganze Projektstab ging an seinen Stationen in Habtachtstellung. Die normalerweise geschäftigen Hände der Männer und Frauen lagen nun ruhig auf den Kontrollfeldern, der stakkatoartige Klang ihrer konzentrierten Gespräche verstummte. Alle Augen richteten sich in stiller Erwartung seiner Worte auf Doktor Ehrehin.

»Ich danke Ihnen, meine Freunde, für all die Arbeit und die Opfer, die Sie bislang erbracht haben, um unseren gemeinsamen Traum Wirklichkeit werden zu lassen«, sagte Ehrehin, die dünne Stimme leicht erhoben. »Die Zeit ist gekommen, Geschichte zu schreiben. Es gilt, die Fackel zu entzünden, die schon bald dafür sorgen wird, dass auch die fernsten Gestade der Himmel für uns erreichbar werden. Endlich wird er unser sein: Avaihh lli Vastam – der Warp-Sieben-Antrieb.« Und diesmal dürfen wir uns keinen Fehler erlauben, fügte er stumm hinzu. Einmal mehr fragte er sich, ob die Befürchtungen des Militärs des Romulanischen Sternenimperiums berechtigt waren. Manch einer ging davon aus, dass Coridan Prime – oder vielleicht sogar eine der anderen mit Terra verbündeten Welten – mit den mühevoll erarbeiteten Errungenschaften von Ehrehins Team bereits gleichgezogen war oder diese gar überflügelt hatte.

Cunaehr begann langsam zu applaudieren, und der Rest des Stabes fiel umgehend ein, bis der Beifall zu einem Sturm der Begeisterung wurde. Ehrehin schenkte seinen Leuten ein breites Lächeln, bevor er mit einer Geste seiner runzligen Hand um Ruhe bat.

»Fangen wir an«, sagte er, nachdem Stille im Raum eingekehrt war.

Auf eine Geste Cunaehrs hin richteten die Mitglieder des Teams ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Konsolen vor ihnen. Ehrehin blieb nicht mehr zu tun, als abzuwarten und zuzuschauen, wie Befehle ausgetauscht und weitergegeben wurden. Schließlich drang eine Computerstimme aus den Lautsprechern und begann teilnahmslos mit dem Countdown. Keiner wagte zu atmen. Ehrehin unterdrückte ein Zittern seiner linken Hand, während die Maschine deutlich die letzten fünf Ewa der Countdownsequenz herunterzählte.

»Rhi.

Mne.

Sei.

Kre.

Hwi.«

Einen Moment nachdem sie »Lliu.« erreicht hatte, war ein dumpfes Grollen zu vernehmen. Für Ehrehin hatte es etwas von Donner, nur hörte er es weniger, als dass er es tief in seinen Knochen spürte. Um ihn erwachte das kleine Kontrollzentrum wieder zum Leben.

»Energieausstoß gemäß berechneter Parameter ansteigend«, sagte Cunaehr. »Alle Werte stabil.«

Der Mann hinter ihm nickte. »Energieausstoß entspricht einer Geschwindigkeit von Warp drei«, fügte er hinzu.

»Bestätige«, meldete sich die Stimme einer Frau von einer benachbarten Konsole zu Wort. Andere gaben ebenfalls zustimmende Laute von sich. Die ersten endlosen Augenblicke verstrichen ereignislos, und alle im Raum schienen aufzuatmen. Die Monitore zeigten weiterhin orange und bernsteinfarben, während das unterschwellige Grollen anhielt und langsam stärker wurde. Ehrehin vernahm vereinzelte Jubelrufe.

Cunaehr lächelte in seine Richtung. »Warp drei direkt aus dem Stand.«

Doch Ehrehin hielt eine Siegesfeier für noch ein wenig verfrüht. »Verringern Sie Stück für Stück den Durchmesser des Eindämmungsfeldes, Cunaehr, und verstärken Sie es. Erhöhen Sie stufenweise die Energieleistung.«

»Warp vier«, sagte Cunaehr, nachdem er Ehrehins Befehl weitergegeben hatte. Seine Augen klebten am Monitor. »Fünf. Sechs.«

»Fahren Sie fort, bis wir maximale Energieleistung erreicht haben«, sagte Ehrehin und musste gegen seinen Willen grinsen. Es funktionierte. Warp sieben war tatsächlich zum Greifen nah.

»Es gibt Fluktuationen«, rief die Technikerin, die unmittelbar hinter Cunaehr saß. Der warnende Unterton in der Stimme der jungen Frau war nicht zu überhören.

»Ausgleichen«, sagte Ehrehin automatisch.

»Warp sechs Komma fünf«, teilte Cunaehr mit.

»Eindämmungsfeld destabilisiert sich«, meldete ein anderer Techniker.

»Verstärken!«, bellte Cunaehr, bevor Ehrehin etwas sagen konnte.

Von einem Augenblick zum nächsten erglühte der Raum in grünem Licht, als die Anzeigen der Monitore und Messgeräte alle gleichzeitig die Farbe wechselten. Entsetztes Aufkeuchen und erschrockene Rufe waren im Raum zu hören. Ehrehins Aufmerksamkeit wurde zurück zum Fenster gezogen, und er sah ein unnatürlich orangefarbenes Licht über den Horizont branden. Dieses Orange empfand er ganz und gar nicht als beruhigend. Ein fernes, dumpfes Gepolter wurde hörbar, das auch der zunehmende Lärm der Alarmsirenen nicht gänzlich übertönen konnte.

Eine donnernde Explosion zerriss den Himmel, und Chaos brach über sie herein. Der Boden erbebte unter einem harten Schlag. Ein Werkzeugtisch schwankte und kippte mit lautem Poltern um. Irgendjemand schrie schmerzerfüllt auf. Ein Deckenträger krachte direkt über einem Mann und einer Frau herunter. Smaragdgrünes Blut spritzte über den Boden und gegen die rückwärtige Wand, während mehrere andere Mitarbeiter sich auf den teilweise verschütteten Ausgang zukämpften. Das Deckenlicht flackerte und fiel aus. Eine panische Stimme erklang aus einem der Stationslautsprecher und rief irgendetwas davon, sich zu dem im Orbit schwebenden Bird-of-Preys hochzubeamen, bevor es zu spät sei.

Irgendwie gelang es Cunaehr, sich an Ehrehins Seite zu begeben. »Doktor!«, schrie er ihm direkt ins Ohr. »Wir müssen sofort evakuieren!«

Kein Wunder, dass das Militär niemanden von seinen Leuten hier unten stationieren wollte, dachte Ehrehin verbittert, während er zusah, wie ein Trio blutüberströmter Techniker in einem Aufglühen bernsteinfarbenen Lichts verschwand, als der Transporter des Bird-of-Prey es erfasste.

Ein ohrenbetäubendes Knallen ertönte über ihnen, eine Sekunde später stürzte ein weiterer Träger zu Boden. Er verfehlte Ehrehins rechten Arm nur um Haaresbreite – und bohrte sich dann knirschend in Cunaehrs Schädel. Außerhalb des Fensters sah Ehrehin die Feuer des Erebus den Wald verschlingen, während sie sich von der Testeinrichtung auf das Kontrollzentrum zubewegten. Der Raum erbebte, verzog sich und fing an auseinanderzubrechen. Die Luft stank nach Ozon und dem Kupfergeruch von Blut.

Ehrehin fiel auf, dass der Raum sich schon fast geleert hatte, und er hoffte, dass es all jene, die nicht bereits den Tod gefunden hatten, in Sicherheit schaffen würden. Dann setzte ein Prickeln auf seiner Haut ein, und ihm wurde klar, dass er entweder zu dem im Orbit schwebenden Bird-of-Prey gebeamt wurde oder im Begriff war, zu erfahren, wie es sich anfühlte, zusammen mit den Trümmern des Kontrollzentrums verdampft zu werden.

Angesichts der Art und Weise wie die Admiralität manchmal mit Versagern umging, fiel es ihm schwer zu entscheiden, welches Schicksal ihm in diesem Augenblick lieber gewesen wäre.

ZWEI

Freitag, 24. Januar 2155Presidio, San Francisco

Captain Jonathan Archer lächelte breit, als er über die Schulter und hinauf zu den gespannt wirkenden Gesichtern der vier Offiziere blickte, die zu den wertvollsten seiner Mannschaft zählten. Ensign Hoshi Sato, Ensign Travis Mayweather, Lieutenant Malcolm Reed und Doktor Phlox, der Schiffsarzt, standen auf den Stufen hinter und über Archer auf der breiten Wendeltreppe, die den großen Konferenzraum überblickte. Soeben nahmen Abgesandte der Erde, von Vulkan, Tellar, Andor und Coridan an einer Reihe langer, geschwungener Tische Platz, die gemeinsam einen weiten Dreiviertelkreis bildeten. Sie waren von ausgewählten VIPs der Sternenflotte, verschiedener irdischer Regierungsministerien und zahlreicher verbündeter oder neutraler Welten umgeben. Dazu kam eine nicht unbeträchtliche Menge an mit Aufnahmegeräten bewaffneten Medienvertretern.

Unter den Journalisten erspähte Archer eine schlanke, jugendlich wirkende Frau mit glattem braunem Haar, die er sofort als Gannet Brooks, Ensign Mayweathers frühere Freundin, erkannte. Ein rascher Blick über die Schulter verriet ihm, dass auch sein junger Steuermann sie in der Menge bemerkt hatte. Mayweather schien nicht sonderlich begeistert von der Aussicht, ihr erneut über den Weg zu laufen. Es hatte sich nämlich gerade erst herausgestellt, dass ihre journalistische Karriere nur eine Tarnung für ihre wirkliche Tätigkeit als Agentin des Geheimdiensts der Sternenflotte während der jüngst ausgestandenen Terra-Prime-Krise gewesen war. Archer war ein wenig enttäuscht, wenn auch keineswegs überrascht, dass der Geheimdienst der Sternenflotte es offenbar für nötig befunden hatte, einen seiner Agenten an den heutigen Geschehnissen teilhaben zu lassen. Glücklicherweise machten Hoshis neuste Modifikationen an den Universalübersetzern die vernetzten Kommunikationsgeräte der Diplomaten abhörsicherer denn je. Ms. Brooks würde rasch merken, dass es heute hier nicht viel für sie zu tun gab.

Archer wandte seine Aufmerksamkeit erneut dem Ring der Beobachter zu. Die Luft war erfüllt vom leisen Gemurmel ihrer erwartungsvollen Stimmen. Durch das große, kreisförmige Oberlicht, das in die hohe, gewölbte Decke des Raums eingelassen war, fiel der Sonnenschein des frühen Nachmittags ins Innere und tauchte auch die Bereiche des Raums in helles Licht, die nicht durch die Deckenstrahler erhellt wurden.

Ein eigenartiges Gefühl von Déjà-vu ergriff von Archer Besitz, als er auf das Treiben blickte, das sich zu seinen und den Füßen seiner Besatzungsmitglieder abspielte. Er drehte sich zu Phlox um. »Haben wir das alles nicht schon vor zwei Tagen durchgemacht?«, fragte er leise.

Phlox schenkte ihm ein weises Lächeln. »Ich muss Sie sicher nicht daran erinnern, Captain, dass die Angriffe von Terra Prime die Beziehungen zwischen vielen Gründungsmitgliedern der Koalition der Planeten etwas strapaziert haben«, antwortete er mit ebenfalls gesenkter Stimme.

Archer erwiderte das Lächeln des Doktors mit einem reumütigen Grinsen. »Sie haben recht, Phlox. Manche Dinge werden nicht so leicht vergessen.« Geschweige denn vergeben, fügte er stumm hinzu. Es war das erklärte Ziel von Terra Prime gewesen, jeden Außerirdischen von der Erde zu vertreiben. Die weitere Vision dieser Organisation hatte einen Vorstoß ins All vorgesehen, der nicht auf eine Kooperation unter den Völkern, sondern auf eine Doktrin menschlicher Gewalt baute. Sie verdiente es, vergessen zu werden. Sie gehörte in den Abfalleimer der Geschichte. Doch tief in seinem Herzen wusste Archer, dass man sich der fatalen Terrorgruppierung erinnern musste, um eine Wiederholung derartiger Kurzsichtigkeit und Gewaltbereitschaft zu verhindern.

Die Erde und ihre Alliierten mussten nach Vergebung streben, nicht nach Vergessen. Die Menschheit durfte sich nicht der kollektiven Amnesie hingeben.

Archer hatte die Agenda von Terra Prime aus nächster Nähe erlebt. Er hatte ein Mitglied seiner Mannschaft an die fanatische Einstellung »Die Erde den Menschen« verloren, und war auf dem Mars beinahe erstickt, als er den radikalen Gründer der Bewegung, John Frederick Paxton, dingfest gemacht hatte. Solch nacktem Hass und grenzenloser Xenophobie unmittelbar ins Gesicht zu blicken, war eine der erschütterndsten Erfahrungen in Archers Sternenflottenlaufbahn gewesen. Und er wusste sehr gut, dass sein Freund Phlox ebenfalls ein Opfer der Fremdenfeindlichkeit geworden war. Es war während des Landurlaubs auf der Erde passiert, den die Mannschaft direkt im Anschluss an das Ende der Xindi-Krise genommen hatte, die den ganzen Planeten beinahe ein Jahr lang in Atem gehalten hatte.

»Ich nehme an, dass die Abgesandten der Koalition das starke Bedürfnis verspüren, all das, worauf sie sich bereits geeinigt haben, noch einmal zu bestärken, bevor sie sich den kniffligeren Punkten der Koalitionscharta zuwenden«, fuhr Phlox fort. »In meinen Augen ist das ein erfreulicher Beleg für den guten Willen, mit dem alle beteiligten Parteien hier antreten. Natürlich möchte ich damit nicht die Überzeugungskraft der Rede schmälern, die Sie vor den Delegierten zum Besten gegeben haben, als wir das letzte Mal in diesem Raum standen.«

»Ich habe nie behauptet, dass öffentliche Ansprachen meine besondere Stärke seien«, sagte Archer. »Ihnen ist ohne Zweifel aufgefallen, dass der Zwischenfall mit Terra Prime die rigelianische Regierung dazu bewogen hat, sich aus der Koalition zurückzuziehen. Ihnen war es gleich, was ich gesagt habe, um sie davon abzuhalten. Und die Rigelianer waren nicht die Einzigen, Phlox.«

Phlox zuckte mit den Schultern. »Es hätten sich noch mehr zurückgezogen, wenn Sie nicht gesprochen hätten, Captain. Und diejenigen, die sich entschieden haben zu gehen, werden eines Tages zurückkehren. Hören Sie auf meine Worte.«

»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich hoffe nur, dass ich es nicht noch schlimmer gemacht habe, indem ich den Mund so weit aufgerissen habe.«

Phlox bedachte ihn mit einem belustigten Schnaufen, das eindeutig darauf abzielte, Archers Zweifel als absurd zu zerstreuen. »Im Gegenteil, Captain. Soweit ich das beurteilen kann, haben Ihre Worte die verbleibenden Delegierten vielmehr dazu angetrieben, umso härter dafür zu kämpfen, dass diese neue Koalition nicht in sich zusammenfällt, bevor sie auch nur das Licht der Welt erblickt hat. Tatsächlich sind Sie womöglich der Hauptgrund dafür, dass diese Leute heute hier versammelt sind, statt mit Warpgeschwindigkeit auf dem Weg nach Hause zu sein, um ihren jeweiligen Regierungen die Gründe für ihren Rückzug zu erklären.«

Archer wurde der Verlauf des Gesprächs zunehmend unangenehm, und seine Wangen fühlten sich entschieden zu warm an. Er machte eine Handbewegung, wie um Phlox’ überschwängliche Lobpreisungen beiseitezuwischen. »Ihr Job ist sicher, Phlox. Sie müssen mir wirklich nicht dermaßen Honig ums Maul schmieren.«

Doch der denobulanische Arzt zeigte sich davon unbeirrt. »Sie werden sich daran erinnern, dass es Botschafter Soval war, der den recht eindrucksvollen Applaus im Anschluss an Ihre Worte einleitete. Sie wissen ebenso gut wie ich, dass er kein Mann ist, den man leicht beeindrucken kann.«

Archer nickte, während sein Blick kurz zu dem silberhaarigen Admiral Sam Gardner hinüberhuschte, der in der ersten Reihe der Zuschauermenge stand. An seiner Seite befanden sich der ernst wirkende Admiral Gregory Black sowie General George Casey, der Kommandant der MACOs, ein Mann mit Bürstenhaarschnitt und kerzengeradem Rücken. Archer erinnerte sich daran, dass Soval vor vier Jahren Admiral Forrest durchaus unverblümt geraten hatte, Archer bei der Vergabe des Kommandos über die Enterprise zu übergehen. Stattdessen sollte er Gardner den Vorzug zu geben, der damals seine Captainsstreifen noch nicht gegen einen Admiralsschreibtisch eingetauscht hatte. Noch bis vor einem halben Jahr hatte Soval selten eine Gelegenheit verstreichen lassen, Archer daran zu erinnern, dass er sowohl seinem Amt als Captain als auch seiner Urteilskraft skeptisch gegenüberstand.

»Ich muss zugeben, dass Soval ein harter Brocken ist, selbst für einen Vulkanier«, gestand Archer.

Phlox’ Lächeln wuchs für einen kurzen Moment unnatürlich weit in die Breite, bevor es zu normalen menschlichen Proportionen zurückkehrte. »Genau, Captain.«

»Die Delegierten wollen also im Kielwasser des Terra-Prime-Angriffs all die Punkte, in denen sie übereinstimmen, hervorheben und ihnen zusätzlichen Nachdruck verleihen«, sagte Archer. »Das ergibt Sinn. Was für mich keinen Sinn ergibt, ist der Umstand, dass sie dafür Publikum brauchen. Sie müssen bereits Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geführt haben, um die Kernaussagen dessen, was sie heute hier verkünden wollen, festzuklopfen.«

»Zweifelsohne, Captain«, pflichtete Phlox ihm bei. »Aber die Öffentlichkeit hat durch die Taten von Terra Prime ein starkes, psychologisches Trauma erlitten. Und obwohl die tatsächlichen Opferzahlen der Terroristen zum Glück gering waren, hat der Vorfall einige der tiefen Wunden, die die Xindi vor annähernd zwei Jahren geschlagen haben, teilweise wieder geöffnet.«

»Sieben Millionen Tote lassen sich nicht so einfach vergessen«, knurrte Archer und seine Stimmung verdüsterte sich unter dem Ansturm der grausamen Erinnerungen. Archer schätzte, dass für das, was die Xindi getan hatten, erst dann Vergebung möglich war, wenn niemand mehr auf der Erde lebte, der sich unmittelbar der Schrecken des 22. März 2153 erinnerte. Das ist eine Wunde, die erst zukünftige Generationen heilen können, dachte er. Einen Moment lang sehnte er sich nach dieser utopischen Zukunft, die er selbst nicht mehr erleben würde. Noch ein Grund, warum die Koalition der Planeten ein Erfolg werden muss.

»Wie jeder Demagoge hat sich Paxton die grundlegendsten Ängste Ihres Volkes zunutze gemacht, indem er es an seine Verletzlichkeit erinnerte. Daher benötigt die Öffentlichkeit so dringend Zuspruch. Und womit erreicht man die Öffentlichkeit besser als mit einem ‚ordentlichen Werbezirkus‘, wie Commander Tucker es wohl ausdrücken würde?«

Als Phlox seinen ältesten Freund erwähnte, verspürte Archer einen Stich im Herzen. Er wünschte sich, Trip könnte bei diesem historischen Anlass an seiner Seite stehen. Leider hatte es der Terra-Prime-Zwischenfall notwendig gemacht, sowohl Trip als auch T’Pol aus Gründen persönlicher Trauer vom Dienst freizustellen. Er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als das, was die beiden im Augenblick durchmachten. Zu seinem Glück erklärte der irdische Premierminister Samuels in diesem Augenblick die Verhandlungen des Tages für eröffnet und verhinderte, dass Archer weiter über das Leid seiner abwesenden Kollegen und Freunde nachdachte.

Die Besuchermenge verstummte, als Samuels sich nach vorne zum Pressepodium begab, das in der Mitte des offenen Rings aus Konferenztischen stand. Archer fragte sich, wie viele Leute außer ihm selbst wohl wussten, dass Samuels einst zu Terra Prime gehört hatte. Was würde passieren, wenn dieser Umstand jemals allgemein bekannt wurde? Würde es die fragile neue Koalition auseinanderreißen? Oder würde es als etwas Positives gewertet werden, als ein Beweis, dass sich Personen auch zum Besseren ändern konnten?

Archer hoffte aus tiefstem Herzen, dass Letzteres der Fall war.

Samuels war ein Mann mittleren Alters und von unscheinbarer Statur, der rotblondes Haar hatte und ein leutseliges Auftreten. Er bedachte das Publikum mit einem breiten Lächeln, während sich die Videoeinheiten der Journalisten auf ihn richteten. Ein elektronisches Übersetzungsgerät steckte am Revers seines maßgeschneiderten marineblauen Jacketts. Es war flach, rechteckig und vielleicht handtellergroß und gehörte zu den Einheiten, die Hoshi erst kürzlich extra für die Koalitionsdelegierten und ihren Stab modifiziert hatte.

»Wir haben uns heute hier in dem Raum versammelt, in dem wir vor Monaten unsere ersten Gespräche begannen, um ein Zeichen zu setzen, dass die Regierungen der fünf Welten aufgrund der jüngsten Ereignisse entschlossener sind denn je, eine friedvolle, interstellare Gemeinschaft zu gründen. Gestatten Sie mir, Botschafter Anlenthoris ch’Vhendreni von Andor vorzustellen, Botschafter Lekev von Coridan, Botschafter Gora bim Gral von Tellar, die Botschafter Soval, L’Nel und Solkar von Vulkan und den Innenminister Haroun al-Rashid von der Erde.« Nach jedem Namen hielt Samuels kurz inne und gewährte den Diplomaten genug Zeit, um sich von ihren Plätzen zu erheben und den Zuschauern und Journalisten respektvoll zuzunicken oder sich zu verbeugen.

Minister al-Rashid war ein Paradebeispiel stiller Kompetenz. Er trug einen schwarzen Anzug, der seine dunklen, intelligent blickenden Augen betonte. Die Vulkanier in ihren gedeckten, edelsteinbesetzten Amtsroben strahlten Würde und Gelassenheit aus, während die Abgesandten von Andor und Tellar sowie deren Funktionäre in ihrer Galakleidung, die an die Militäruniformen ihrer jeweiligen Heimatwelt angelehnt war, einen eher martialischen Eindruck erweckten.

Der coridanische Botschafter Lekev trug deutlich schlichtere, bequeme Kleidung, aus der die bei seinem Volk traditionelle, diplomatische Maske hervorstach. Sein Gesicht war von Metall bedeckt, das an die stilisierte Form eines Schädels erinnerte, während sich um seinen Hinterkopf chitinartige, hummerfarbene Gewebebahnen zogen. Das alles verlieh ihm ein entfernt krustentierähnliches Erscheinungsbild. Unmaskiert unterschieden sich Coridaniten nur durch ihre hervortretenden Nasenrücken und ihre erhabenen Stirnrillen von Menschen. Mit ihren Masken vor dem Gesicht wirkten sie dagegen sogar noch fremdartiger als die mürrischen, blauhäutigen Andorianer oder die rauhaarigen, schweineähnlichen und oft aufsässigen Tellariten.

Archer unterdrückte ein ironisches Grinsen, als er bemerkte, dass die Botschafter Gral von Tellar und Anlenthoris ch’Vhendreni von Andor – besser bekannt als Thoris – offenkundig deutlich mehr Unbehagen in der Gesellschaft des maskierten Coridaniten verspürten als in ihrer gegenseitigen. Es wird ein langer Weg, rief er sich in Erinnerung. Vielleicht sind ganz kleine Schritte die einzige Möglichkeit, überhaupt aufzubrechen.

»Lassen Sie mich eingangs die Lösung eines bedeutenden Verhandlungspunkts verkünden«, fuhr Samuels mit hörbar zunehmendem Enthusiasmus fort, als er sich der Presse zuwandte. »Die Regierungen von Tellar und Coridan haben endlich zu einer Einigung über die kontrovers diskutierte Frage von Handelssanktionen gegenüber dem Orion-Syndikat gefunden …«

Als Samuels schließlich seine fast neunzigminütige Präsentation beendet hatte, musste Archer zugeben, dass Doktor Phlox mit seiner Einschätzung absolut recht gehabt hatte: Hier wurde vor allem ein großer Werbezirkus veranstaltet. Samuels hatte seine Zusicherung erneuert, innerhalb von sechs Wochen ein unterzeichnungsfähiges Dokument der Koalitionscharta vorzulegen. Und nachdem auch alle anderen Hauptdelegierten nacheinander ans Rednerpult getreten waren, musste der Glaube der Öffentlichkeit an die Koalition einfach aufs Neue entfacht worden sein – zumindest wenn die Reaktionen von Archers Besatzung auch nur im Entferntesten ein Indikator waren. Seine Leute hatten wie gebannt die Geschehnisse verfolgt. Darunter war selbst Malcolm, der nicht unbedingt dazu neigte, den Worten von Politikern viel Bedeutung zuzumessen, und der schnell unruhig wurde, wenn seine Aufmerksamkeit nicht auf irgendeine wichtige taktische Aufgabe an Bord oder auf Vergleichbares gerichtet war. Archer konnte sehen, dass all seine Leute von der historischen Bedeutung dieses Tages regelrecht überwältigt waren.

Die Koalition der Planeten war im Begriff, vor aller Augen vom Traum zur Wirklichkeit zu werden. In nur wenigen Wochen würde der Vertrag der jungen Allianz, der bereits im ganzen Sektor und darüber hinaus als Koalitionscharta bekannt war, zu interstellarem Gesetz werden. Er würde fünf eigenständige Welten untrennbar verbinden und dazu bringen, auf ein gemeinsames, friedvolles Ziel hinzustreben.

Archer musste an Admiral Forrest denken, seinen verstorbenen Vorgesetzten, den Mann, der ihm zu seinem Captainsrang verholfen und diesen von Anfang an, in guten wie in schlechten Zeiten, verteidigt hatte. Forrest war vor mehr als sechs Monaten bei einem Terroranschlag gestorben, den ein kriegslüsterner und fremdenfeindlicher vulkanischer Politiker namens V’Las befohlen hatte, ein Mann, der in seiner Geisteshaltung dem Anführer von Terra Prime, John Frederick Paxton, sehr ähnlich gewesen war. Forrest wäre begeistert gewesen, das hier zu erleben.

Archer neigte sich zu Hoshi hinüber, die zwischen Phlox, Reed und Mayweather stand. »Und, wie fühlt es sich an, Augenzeuge der Geschichte zu sein, Hoshi?«, fragte er.

Sie brauchte überraschend lange, um zu antworten. »Es ist ziemlich peinlich für mich als Linguistin, Sir, aber ich muss gestehen, dass ich einfach nicht die richtigen Worte finde.«

»Ich weiß genau, was Sie meinen«, erwiderte Archer grinsend. Er deutete auf die neue Übersetzereinheit, die an einem Band um seinen Hals hing. »Aber dank Ihnen haben all diese Delegierten die richtigen Worte gefunden.«

Archer beobachtete die versammelten Diplomaten, während sie sich von den Konferenztischen erhoben. Die Sternenflottenführung, die Abgeordneten der Erdregierung und andere ausgewählte Würdenträger beglückwünschten sie und schüttelten ihnen die Hände – oder behalfen sich im Falle der Vulkanier, die aufgrund ihrer Fähigkeit zur Berührungstelepathie verständlicherweise jedem Körperkontakt gegenüber abgeneigt waren, mit respektvollen Gesten. All das vollzog sich vor den aufmerksamen elektronischen Augen der Medien, die bereits in diesem Moment das hier und heute Gesprochene und Gesehene durch den ganzen Sektor und darüber hinaus in die Weiten des Alls trugen.

Ungeachtet seiner Hoffnungen für die Zukunft konnte sich Archer der Frage nicht erwehren, wie viele ferne Zivilisationen die Neuigkeiten dieses Tages zum Anlass nehmen würden, genauso paranoid zu werden, wie es die Xindi gewesen waren.

Okay, wer ist jetzt paranoid?, tadelte sich Archer im Stillen und zwang seine Zweifel beiseite.

Malcolm beugte sich zu ihm hinunter. »Kam es nur mir so vor oder hat sich Botschafter Lekev wirklich alle Mühe gegeben, jede Erbse im Kleingedruckten zu zählen?«

Archer waren während der Rede des Coridaniten ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen, aber er war sich nicht sicher, ob er Lekev nicht allein wegen des so unmenschlichen Aussehens, das von der Maske des Botschafters herrührte, besonders auf den Prüfstand gestellt hatte. Im Grunde war er bereit, den Coridaniten eine Chance zu geben. »Womöglich müssen wir alle erst lernen, hinter die Masken zu schauen«, sagte er.

»Vielleicht will der Umgang mit anderen Völkern an sich auch erst gelernt sein«, fügte Travis hinzu.

Archer fürchtete, dass Mayweather damit recht hatte. Doch bevor er zu einer entsprechend optimistischen Antwort ansetzen konnte, unterbrach ihn das Zirpen seines Kommunikators. Die Enterprise rief ihn. Er zog den kleinen Apparat aus der Tasche und ließ das Metallgitter mit einem geübten Ruck seines Handgelenks aufspringen. »Archer hier. Sprechen Sie, Enterprise.«

»O’Neill, Sir«, drang Lieutenant Donna »D. O.« O’Neills ernste Stimme mit leicht metallischem Klang aus dem winzigen Lautsprecher des Kommunikators. Sie hielt inne, offensichtlich um ein plötzliches Husten zu unterdrücken, und fuhr dann fort: »Die Enterprise ist binnen einer Stunde bereit, den Orbit zu verlassen und nach Vulkan aufzubrechen. Wir erwarten Ihre Befehle.«

Vulkan. Dort würde Archer endlich wieder mit Trip und T’Pol zusammentreffen. Und ungeachtet T’Pols emotionaler Kontrolle würde er noch immer den Schmerz auf ihrer beider Gesichter sehen. Einmal mehr wünschte sich Archer, dass die beiden hier bei ihm wären, um voller Hoffnung auf die Zukunft zu blicken, statt voller Verzweiflung auf die Vergangenheit.

»Verstanden, D. O.«, sagte Archer. »Raumfähre eins wird in ungefähr fünfundvierzig Minuten an der Enterprise andocken. Und dann geht’s mit Höchstgeschwindigkeit nach Vulkan. Archer Ende.« Er ließ den Kommunikator zuschnappen. Und wir wollen hoffen, dass, während wir fort sind, nichts diese Delegierten so verschreckt, wie es Terra Prime geschafft hat, fügte er im Geist hinzu.

DREI

Donnerstag, 30. Januar 2155Der Glühofen, Vulkan

Der raue, trockene Wind setzte seiner ungeschützten Haut zu, und obwohl es dämmerte – ein Umstand, für den er höchst dankbar war –, herrschte noch immer eine furchtbare Hitze vor Ort. Commander Charles »Trip« Tucker III. fragte sich, wie die Vulkanier bloß mit diesen Temperaturen fertigwurden, insbesondere angesichts ihrer schweren, aus mehreren Stoffbahnen bestehenden Kleidung. Trip hatte sich ebenfalls eine ihrer zeremoniellen Roben ausgeliehen. Es schien dem Anlass angemessen, auch wenn er darunter schweißgebadet war.

Der Vulkanier, der ihm dabei geholfen hatte, sich anzukleiden, hatte ihm auch ein passendes Stück Stoff gegeben, das es ihm erlaubte, unauffällig die neurotherapeutische Schlinge zu bedecken, die Phlox ihm angelegt hatte. Der Treffer, den Trip in der vorigen Woche während des Kampfes gegen Terra Prime auf dem Mars an der Schulter erlitten hatte, mochte nur einen oberflächlichen und zum Glück heilbaren Nervenschaden an seinem linken Arm verursacht haben, dennoch würde er die Schlinge noch mindestens eine Woche lang tragen müssen.

T’Pol befand sich irgendwo im Inneren des weitgehend wieder aufgebauten T’Karath-Heiligtums. Trip nahm an, dass sie alle Vorbereitungen traf, die getroffen werden mussten. Er hatte bislang nicht an vielen vulkanischen Beerdigungen teilgenommen, und während des nur wenige Tage dauernden Fluges mit einem schnellen coridanischen Diplomatenschiff war ihm weder die Zeit geblieben noch hatte er das Bedürfnis verspürt, seine Wissenslücken diesbezüglich zu schließen.

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