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Wer die Zukunft der Galaxis gestalten will, muss ihre Gegenwart retten.
Meister Qui-Gon Jinn beschuldigt die Anführer der Jedi, gar nicht mehr wahrzunehmen, welche Konflikte in der Galaxis herrschen. Deshalb beschließt der Rat, dass seine zwölf Mitglieder den Planeten Kwenn besuchen. Indem sie die dortige Bevölkerung bei ihrem Kampf gegen Piraten unterstützen, soll der ganzen Galaxis demonstriert werden, dass die Jedi noch immer die Macht der Stabilität sind. Doch daraufhin gehen die Piraten nur noch brutaler vor. Und der Rat der Jedi muss sich an eine alte Weisheit erinnern: Wenn man eine goldene Zukunft plant, darf man die Sorgen der Gegenwart nicht vergessen ...
Dieser Roman spielt ein Jahr vor »Episode I – Die dunkle Bedrohung«. Lesen Sie in der Blanvalet-Filmbibliothek, wie sich das Schicksal der Galaxis weiterentwickelte:
1. Die dunkle Bedrohung
2. Angriff der Klonkrieger
3. Die Rache der Sith
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Seitenzahl: 600
Jedi-Meister Luke Skywalker erhält von seinem alten Freund General Lando Calrissian die Nachricht, dass die finsteren Sith nach dem Tod des Imperators wieder aktiv geworden sind: Sie haben Landos Tochter entführt. Ihre Spur verliert sich in den Weiten der Galaxis. Doch dann stoßen die beiden Freunde auf einen Sith-Assassinen, der eine junge Familie jagt. Er will um jeden Preis die kleine Tochter in die Finger kriegen, denn es handelt sich um Rey – die Enkelin des Imperators!
Meister Qui-Gon Jinn beschuldigt die Anführer der Jedi, gar nicht mehr wahrzunehmen, welche Konflikte in der Galaxis herrschen. Deshalb beschließt der Rat, dass seine zwölf Mitglieder den Planeten Kwenn besuchen. Indem sie die dortige Bevölkerung bei ihrem Kampf gegen Piraten unterstützen, soll der ganzen Galaxis demonstriert werden, dass die Jedi noch immer die Macht der Stabilität sind. Doch daraufhin gehen die Piraten nur noch brutaler vor. Und der Rat der Jedi muss sich an eine alte Weisheit erinnern: Wenn man eine goldene Zukunft plant, darf man die Sorgen der Gegenwart nicht vergessen …
Dieser Roman spielt ein Jahr vor »Episode I – Die dunkle Bedrohung«. Lesen Sie in der Blanvalet-Filmbibliothek, wie sich das Schicksal der Galaxis weiterentwickelte:
1. Die dunkle Bedrohung
2. Angriff der Klonkrieger
3. Die Rache der Sith
John Jackson Miller
Die Jedi-Meister
Deutsch von Andreas Kasprzak
Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel »The living force« bei Random House Worlds, New York.
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Copyright der Originalausgabe © 2023 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.
All rights reserved.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2024 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Alexander Groß
Covergestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft nach einer Originalvorlage © & TM 2024 LUCASFILMLTD
Coverillustration: Oliver Cuthbertson
Coverdesign: Scott Biel
HK · Herstellung: fe
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-32084-3V001
www.blanvalet.de
Für Ann,
die meine Laufbahn mit großem Interesse verfolgt
und viele weise Ratschläge beigesteuert hat.
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …
Sei dir der lebendigen Macht bewusst, junger Padawan.
– Qui-Gon Jinn
Seit Generationen vertraut die Galaxis auf den Rat und die Führung des JEDI-RATES, bestehend aus den weisesten Jedi-Rittern des Ordens. Indem sie den Willen der MACHT interpretieren, haben seine Mitglieder dabei geholfen, eine Ära nie gekannten Wohlstands und Friedens einzuläuten.
Doch nun steht diese Ära vor dem Ende. Zerfressen von Korruption, zieht die GALAKTISCHEREPUBLIK wichtige Ressourcen aus Teilen der Galaxis ab. Der Jedi-Rat ist hin- und hergerissen zwischen den Wünschen des Senats und seiner eigenen Mission, den Hilfsbedürftigen der Galaxis beizustehen.
Obwohl sich der Rat weiter den Bürgern verpflichtet fühlt, muss sich der Orden aus mehreren Regionen zurückziehen. Viele Jedi glauben, dass die Macht mehr von ihnen erwartet – und dunkle Mächte lauern darauf, aus dem Abzug des Ordens Kapital zu schlagen …
An Bord der Regal ZephyrHyperraum
»Guten Morgen!«
Jedi-Meister Qui-Gon Jinn stand an die Wand des interstellaren Transporters Regal Zephyr gelehnt. Beim Klang von Obi-Wans Stimme hob er den Kopf, aber die Worte waren nicht für ihn bestimmt. Sein Schüler hatte auf der anderen Seite des überfüllten Passagierraumes einen freien Platz gefunden, und er sprach mit der dunkelhaarigen Frau, die ihm gegenübersaß. Man musste kein Jedi sein, um ihre Nervosität zu spüren, denn sie presste ihre Reisetasche fest an sich.
Obi-Wan bemerkte es ebenfalls, und er versuchte prompt, die junge Frau zu beruhigen. »Verzeihen Sie bitte. Hatten Sie geschlafen? Hätte ich das gewusst …«
»Habe ich nicht«, erwiderte sie knapp.
»Ja, im Hyperraum ist das auch schwierig.« Er deutete auf den wirbelnden Tunnel, der jenseits der verschmierten Fenster an der Regal Zephyr vorbeiraste. »Wie soll man hier wissen, ob es gerade Tag oder Nacht ist? Ich kann spüren, dass Sie ebenso ungern fliegen wie …«
Sie verzog das Gesicht. »Hör zu, dieser Platz ist besetzt.«
Er blickte sich um. »Verzeihung. Ich hätte …«
»Mein Mann wird gleich zurück sein.«
Obi-Wan stand hastig auf. »Verzeihung.«
Er verbeugte sich und ging ein paar Meter den Mittelgang hinab, bis er die vordere Wand erreichte, wo Qui-Gon neben der Tür stand, die zum Bord-Bistro führte – und neben der großen Metallkiste, die sie an ihr Ziel bringen sollten. Der Jedi-Meister lächelte milde. »Ein kleines Missverständnis?«
»Als hätten wir nicht mal dieselbe Sprache gesprochen.«
Qui-Gon reckte den Hals, um sich in der Kabine umzusehen, die deutlich mehr Passagiere enthielt als Sitzgelegenheiten. »Rein mathematisch muss es hier ein paar Wesen geben, die dir freundlich gesonnen sind. Vielleicht findest du ja noch eines, bevor wir Coruscant erreichen, Obi-Wan.«
Er hatte seinen Padawan schon oft ermuntert, in den ruhigeren Momenten ihrer Reisen das Gespräch mit anderen Leuten zu suchen und sie verstehen zu lernen. Es war nicht so, als würde es dem jungen Mann schwerfallen, Freunde zu finden; nein, was das anging, hatte Obi-Wan ein angeborenes Talent. Aber die Strukturen, die Jünglinge zu Jedi-Rittern machten, isolierten sie auch von anderen Wesen. Und deshalb hatten sie bisweilen einen falschen Eindruck von ihrem Platz in der Galaxis. Aus diesem Grund wählte Qui-Gon gern öffentliche Transporter wie die Regal Zephyr – eines der wenigen Passagierschiffe, das noch auf der Ootmian Pabol seine Runden drehte. Einst war diese Hyperraumstraße eine der Hauptrouten zwischen dem Keil und dem Kern gewesen. Es gab nichts Besseres, um einen Demut zu lehren, als einen scheinbar endlosen Flug an Bord eines Schiffes, das wie ein Müllschacht roch.
Die automatischen Türen rechts neben Qui-Gon öffneten sich, und ein dürrer Mann trat aus dem Bord-Bistro, auf jedem Arm ein quengelndes, sich windendes Kleinkind. Er ignorierte die beiden Jedi und ging zu der Frau hinüber, mit der Obi-Wan gesprochen hatte. Nachdem er ihr einen der Knirpse gereicht hatte, zog er ein Rationspack hervor – die einzige Nahrung, die im Bistro des Schiffes ausgegeben wurde. Die wiedervereinte Familie wirkte erschöpft, aber vor allem hungrig. Sie machten sich über das kleine Päckchen her und leerten es innerhalb von Sekunden.
Qui-Gon schritt durch den Mittelgang auf die jungen Eltern zu, wobei er ein paar Wertmarken aus den Falten seiner Robe zog; dann räusperte er sich, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. »Verzeihen Sie. Ich glaube, Sie haben Ihre Essensgutscheine verloren.«
»Die gehören mir nicht«, sagte der Mann, wobei er Qui-Gon argwöhnisch musterte. »Ich habe unsere gerade benutzt.«
»Dann müssen die hier wohl an Ihrem Schuh geklebt haben. Was auf diesem Schiff nicht weiter verwunderlich wäre.« Qui-Gon blickte die hungrigen Kinder an, dann wieder die Eltern. »Bitte. Es gibt keinen Grund, sie nicht einzulösen.«
Die Mutter starrte ihn noch einen Moment lang misstrauisch an, dann nahm sie die Gutscheine. Anschließend stand sie auf, stützte das Kind auf ihre Hüfte und ging in Richtung des Bord-Bistros davon. Qui-Gon zog sich derweil zu seinem angestammten Platz zurück.
Obi-Wan schmunzelte. »Dann lassen wir das Frühstück wohl ausfallen.«
»Es hätte dir ohnehin nicht geschmeckt.«
»Da habt Ihr vermutlich recht.« Obi-Wan musterte die säuerlichen Gesichter in der Kabine. »Ich fürchte, mir fehlt die Nähe zum einfachen Volk, Meister.«
»Schon wieder diese Bezeichnung.« Qui-Gon schüttelte den Kopf. »Kein Wesen ist einfach, Obi-Wan. Du kannst von jedem etwas lernen. Behalte das im Hinterkopf, und schon bald wirst du ihnen ganz automatisch helfen wollen.«
»Ja, ich weiß, ich weiß.« Obi-Wan erspähte einen weiteren leeren Sitz, nicht weit von der Stelle entfernt, wo die beiden Jedi gerade standen. »Dann also auf ein Neues.«
»Diesmal mit ein wenig mehr Energie. Im Bistro gibt es keinen Kaff mehr.«
»Alles klar.«
Qui-Gon beobachtete, wie sein Schüler hinüberging und sich neben eine große vornübergebeugte Gestalt setzte. Der Mann war dem Jedi-Meister zuvor schon aufgefallen: ein besonders hünenhafter Vertreter der Houk-Spezies mit ledriger blauer Haut, ohne sichtbare Nase oder Ohren. Im Moment konnte man aber ohnehin kaum etwas von ihm sehen, denn er hatte sich in einen Umhang samt Kapuze gehüllt – was angesichts der Temperaturen in der Passagierkabine ziemlich ungewöhnlich wirkte.
Nachdem er sich mit einem Blick vergewissert hatte, dass der Houk nicht schlief, gab Obi-Wan ein freundliches Lächeln zum Besten. »Hallo, wie geht’s denn so?«, sprach er den anderen Passagier an.
Die kleinen gelben Augen des Wesens weiteten sich. Es knurrte, dann richtete es sich ruckhaft zu seiner vollen imposanten Größe auf und warf den Umhang ab. Dabei wurde der Blaster sichtbar, den es an seine Brust geschnallt hatte.
Obi-Wans Augen wurden ebenfalls größer. »Falls Sie nicht gestört werden wollen, hätten Sie es nur sagen müssen.«
»Ruhe!« Der muskelbepackte Houk wirbelte zum Rest der Kabine herum und donnerte: »Jetzt!«
Zwei weitere kapuzenvermummte Passagiere sprangen auf die Beine und streiften ihre Umhänge ab. Einer war ein Klatooinianer mit narbenübersätem Gesicht, der andere ein gehörnter Devaronianer. Während der Erstere nach seiner Waffe griff, hielt Letzterer bereits einen Blaster in der Hand. Goldene Augen und scharfe Fänge blitzten, als er brüllte: »Niemand rührt sich vom Fleck!«
Qui-Gon sah, dass Obi-Wan hochfahren wollte, sich jedoch im letzten Moment zurückhielt, um stattdessen seinen Meister anzublicken. Qui-Gons Hand befand sich in der Nähe seines Lichtschwerts, das noch immer unter seiner Robe verborgen war, aber auch er wartete ab. Er warf seinem Padawan lediglich einen Blick zu, der sagte: Kein Blutvergießen. Nicht bei so vielen Unschuldigen auf so engem Raum.
»Was hat das zu bedeuten?«, rief eine ältere Passagierin.
Der Devaronianer wedelte mit seinem Blaster. »Darf ich vorstellen: Ich bin Lobber. Ganz recht, der Lobber. Dieses Schiff steht jetzt unter der Kontrolle der Niedertracht!«
Die Niedertracht. Qui-Gon wusste, dass es sich dabei um eine von mehreren interstellaren Piratenbanden im Keil handelte, jenem riesigen Sektor, benannt nach seiner Form, der von den Kernwelten bis zum Äußeren Rand reichte und etliche Sternensysteme umfasste. Auf Coruscant hätte der Name Niedertracht nur Stirnrunzeln ausgelöst – und er war sicher nicht hilfreich, wenn man neue Mitglieder anlocken wollte –, aber die erschrockene Reaktion der Passagiere zeigte, dass sie sehr wohl wussten, mit wem sie es zu tun hatten.
Der Name schien auch jemand anderen zu überraschen: nämlich den Houk, der neben Obi-Wan stand. »Die Niedertracht?«, fragte er. »Ich dachte, wir würden diese Nummer für die Schädel durchziehen?«
»Die Schädel?«, grollte der Klatooinianer mit leiser Stimme. »Wir hatten doch darüber gesprochen, Ghor. Die Blutcredits zahlen mehr als die Niedertracht oder die Dornenschädel.«
»Mund halten, Wungo.« Lobber deutete mit seinem Blaster auf den Klatooinianer. »Das können wir noch besprechen, wenn wir hier fertig sind.«
Die Dornenschädel. Die Blutcredits. Qui-Gon kannte all diese Namen. Weitere Banden aus der regionalen Unterwelt, die immer mehr an die Oberfläche drängten. Unauffällig schob er die Kiste, die sie transportieren sollten, mit dem Fuß unter einen nahen Sitz. Der Jedi-Meister wusste, dass es eine Möglichkeit gab, die Lage zu deeskalieren; er musste sie nur finden.
»Das ist Wahnsinn«, rief der junge Vater, während er seinen heulenden Sohn an seine Brust presste. »Wir haben nichts, was sich zu stehlen lohnt.«
»Offensichtlich.« Lobber wedelte mit seinem Blaster in Richtung der Decke. »Aber wir stehlen ja auch das Schiff.« Er nickte dem Houk zu. »Ghor, du weißt, was du zu tun hast.«
Ghor packte eine leere Stofftasche, die neben seinem Platz gelegen hatte, und trat in die Mitte der Kabine. »Alle Waffen hier rein.« Er stand mit dem Rücken zu Obi-Wan – ein glücklicher Zufall, fuhr es Qui-Gon durch den Kopf –, aber es war noch zu früh, um etwas zu unternehmen. Wungo, der Klatooinianer, förderte ebenfalls eine Tasche zutage und trat auf die Passagiere zu – nur dass er all ihre Wertgegenstände forderte.
»Ihr habt doch gerade gesagt, ihr wollt nur das Schiff«, keifte eine rodianische Passagierin.
»Klappe!«, blaffte Wungo.
Ein älterer Passagier begann zu schluchzen. »Was … was werdet ihr mit uns machen?«
Lobber lachte. »Wir werden euch bei der nächsten Gelegenheit absetzen.«
»Und wo ist das?«, fragte der Vater. »Was erwartet uns dort?«
Die Stimme des Devaronianers schwoll zu einem wütenden Grollen an. »Hört auf zu jammern. Ihr könnt von Glück reden, dass wir euch nicht einfach alle über Bord werfen!«
Qui-Gon hatte genug gesehen und gehört. Die Entführer hatten keinen Plan und offenbar nicht mal einen Auftraggeber, für den sie arbeiteten. Amateure waren oft skrupellos, und das Risiko, dass jemand zu Schaden kam, war größer. Er musste etwas unternehmen, und das nicht nur schnell, sondern auch besonnen. Einmal mehr bedachte er seinen Padawan mit einem Blick, den nur Obi-Wan verstehen würde, dann trat er von seinem Platz an der Kabinenwand vor.
Lobber funkelte ihn an. »Wer bist du denn?«
»Nur jemand, der sicher ans Ziel kommen möchte.« Qui-Gon verschränkte die Arme. »Es gibt keinen Grund, warum irgendjemand hier zu Schaden kommen muss.«
»Du wirst gleich zu Schaden kommen, wenn du nicht den Mund hältst«, drohte Lobber.
Ghor richtete seine Waffe auf den Jedi. »Also schön, du Held. Wo ist dein Blaster?«
»Ich komme ohne zurecht.«
Der Hüne lachte laut. »Oh, jetzt krieg ich es aber mit der Angst zu tun.«
»Lehrt unseren Helden eine Lektion«, rief Lobber, »und geht dann zum Cockpit.«
»Aber du bist der Pilot«, entgegnete Ghor.
»Tut es einfach!«
Gerade als Lobbers Begleiter auf Qui-Gon zukamen, öffnete sich plötzlich die Tür hinter dem Jedi-Meister. Er spähte über die Schulter und sah die Mutter mit ihrem quengelnden Kind; sie hatte bereits drei Schritte in die Kabine gemacht, als sie die Blaster bemerkte.
»Leerah, zurück!«, rief ihr Mann. Sie versuchte zurückzuweichen, aber in ihrer Panik stolperte sie über ihre eigenen Füße, und die Kleine entglitt ihren Händen. Die Mutter kreischte, als ihre Tochter auf das Deck hinabfiel.
Sie stützte sich schnell an der Wand ab, streckte die andere Hand nach dem Kind aus … und beobachtete mit aufgerissenen Augen, wie es mit dem Kopf nach unten in der Luft verharrte, so dicht über dem Boden, dass sein Haar das Metall streifte.
»Sie müssen wirklich lernen, Ihr Kind besser festzuhalten«, sagte Qui-Gon, seine Hand erhoben.
Das kleine Mädchen gluckste vergnügt, bis seine Mutter es an sich riss.
Die anderen Wesen in der Kabine hatten den Zwischenfall erstaunt verfolgt – und niemand wirkte erstaunter als die drei Möchtegernschiffsentführer. Lobbers Mund klappte auf. »Er ist ein Jedi!«
»Genau genommen«, meldete sich Obi-Wan zu Wort, »ist er sogar ein Jedi-Meister.« Er erhob sich von seinem Platz. »Und nicht nur irgendein Jedi-Meister. Man hat ihm sogar angeboten, dem Jedi-Rat beizutreten. Schon mal davon gehört?«
Die Falten auf Lobbers Stirn verrieten, dass ihm der Begriff in der Tat etwas sagte. »Sie sind angeblich die Besten. Die Bosse.«
Ghor starrte Qui-Gon an. »Warum ist er dann hier?«
»Er hat das Angebot abgelehnt«, ließ Obi-Wan ihn wissen. »Er meinte, es würde ihn von seiner eigentlichen Aufgabe ablenken.«
»Und die wäre?«
»Auf öffentlichen Transportern für Sicherheit zu sorgen. Und er hat bislang noch keine einzige Schiffsentführung zugelassen.«
Ghor schnaubte. »Jedi interessieren sich nicht für Passagierschiffe.« Er blickte zu dem Devaronianer hinüber. »So ist es doch, oder?«
»Natürlich«, sagte Lobber. »Und falls sie Schiffe beschützen, dann ganz sicher nicht in diesem Sektor.«
»Und doch sind wir hier«, erwiderte Qui-Gon.
»Jedi kündigen ihre Reisen nicht öffentlich an«, erklärte Obi-Wan, wobei er einen Schritt nach vorn machte. »Aber ich bin sicher, ihr habt die Gerüchte über uns gehört.«
Lobber zog die Brauen zusammen. »Was für Gerüchte?«
»Über unsere Fähigkeiten. Einige davon sind wirklich beeindruckend. Zum Beispiel können wir einen Gegner nur mit ein paar Worten entwaffnen.«
Ghor schloss die Finger fester um seinen Blaster. »Stimmt das?«
Qui-Gon schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht vor, Ihren Geist zu beeinflussen oder andere … schwerwiegendere Tricks anzuwenden.«
Wungo starrte ihn an. »Was für Tricks?«
»Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen.« Qui-Gon verschränkte die Hände. »Wie hieß der Planet doch gleich, auf dem Sie uns alle absetzen wollten?«
Es war Lobber, der darauf antwortete. »Randon.«
»Wundervoll! Ich werde dem Piloten sagen, dass er dort landen soll. Dann werden Sie drei aussteigen. Ich bin sicher, Sie finden ein Schiff, das Sie nach Hause zurückbringt.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Als zahlende Passagiere, versteht sich.«
»Wir sollen aussteigen?«, wiederholte Lobber.
»Darauf läuft es hinaus, ja«, warf Obi-Wan hilfsbereit ein. »Und danach …«
»Ich habe gehört, was …« Der Devaronianer unterbrach sich und atmete tief ein. »Wir werden nicht aussteigen.«
»Das sollten Sie sich besser noch mal überlegen.«
»Und wenn nicht?«
»Die Alternative wäre … unangenehm.« Qui-Gon blickte Obi-Wan an. »Wie mein Kollege Ihnen bestätigen kann.«
Ghor folgte seinem Blick mit den Augen. »Du bist sein Kollege?«
Obi-Wan verbeugte sich.
»Noch ein Jedi-Ritter?«, stöhnte Lobber.
»Nicht ganz.« Obi-Wan tippte seinen Padawanzopf an. »Es ist kompliziert.«
Der Devaronianer fluchte und blickte sich dann um. »Großartig! Haben wir noch mehr Jedi an Bord?«
»Ich würde trotzdem gern wissen, warum die Alternative unangenehm wäre«, meldete sich Wungo zu Wort.
»Das wollen Sie nicht wirklich wissen«, versicherte ihm Obi-Wan mit unheilvoller Miene. »Meister, Ihr habt doch nicht vor zu tun, was ich glaube, dass Ihr vorhabt, oder?« Er schüttelte sich. »Die anderen Passagiere würden den Rest ihres Lebens Albträume haben.«
»Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ich es tun möchte«, betonte Qui-Gon mit einem Kopfschütteln. »Es wäre das letzte Mittel.«
Lobber wirkte nicht überzeugt. »Noch eine geheime Jedi-Fähigkeit? Warum habe ich noch nie davon gehört?«
»Eine ausgezeichnete Frage«, erwiderte Obi-Wan. »Wollt ihr den Grund wissen?«
»Ich kenne ihn bereits: Ihr habt das alles gerade erfunden!«
»Oder?«
Es dauerte einen Moment, ehe die drei Schiffsentführer darauf kamen. Wungo war der Erste, der es aussprach. »Oder … niemand hat es je überlebt.«
»Kein Einziger.« Qui-Gon blickte unsicher zu Obi-Wan hinüber. »Zumindest nicht lange.«
Obi-Wan sah aus, als wäre ihm übel. »Ja, und die, die erst nach ein paar Tagen gestorben sind, waren am schlimmsten dran.«
Wungo senkte seinen Blaster. »Das war’s. Ich steige aus.«
»Ja.« Ghor folgte seinem Beispiel. »Ich auch.«
Lobber war außer sich vor Wut. »Wovon redet ihr Idioten da? Ihr arbeitet für mich. Wir erschießen sie einfach!«
»Oder wir erschießen dich«, grollte Ghor. Er hob seine Waffe wieder, aber diesmal zielte er damit auf den Devaronianer. »Wer hat dir überhaupt das Kommando gegeben?«
Qui-Gon hob beschwichtigend die Hände. »Bitte, das ist nicht nötig. Es gibt eine ganz einfache Lösung.«
»Ja, geben Sie uns einfach die Waffen«, nahm Obi-Wan den Faden auf. Er machte einen Schritt auf Ghor zu und hielt die Hand auf. »Nur, bis Sie von Bord gehen.«
Qui-Gon nickte. »Sie haben mein Wort, dass wir sie Ihnen zurückgeben.«
Wungo konnte seinen Blaster gar nicht schnell genug ablegen, und Ghor drückte Obi-Wan seine Pistole förmlich in die Hand.
Lobber starrte sie fassungslos an, aber schließlich stöhnte er und ließ seine Waffe ebenfalls sinken. Obi-Wan nahm sie ihm vorsichtig ab.
»Außerdem wäre es für die anderen Passagiere vermutlich angenehmer, wenn Sie im Frachtraum warten«, schlug Qui-Gon vor.
»Im Frachtraum?«, fragte Wungo. Seine Miene hellte sich auf. »Wo all das Gepäck verstaut ist?«
»Nein, in einem der leeren Abteile. Ich kann nicht zulassen, dass Sie diese Leute bestehlen.« Qui-Gon ließ sich von dem Kriminellen die Tasche mit den erbeuteten Wertgegenständen geben.
Lobber brauste auf: »Du willst uns einsperren!«
»Es ist besser so, das versichere ich Ihnen«, erwiderte der Jedi-Meister ruhig. »Auf diese Weise müssen mein Kollege und ich Sie nicht bewachen. Und Sie müssen keine Angst haben, dass wir vielleicht überreagieren.«
Nach dieser letzten Bemerkung gab es keine Widerworte mehr. Obi-Wan öffnete die hintere Luke und machte eine einladende Handbewegung. »Hier entlang, bitte.«
Die drei blickten einander an und stapften dann grummelnd auf die Tür zu. »Ich hoffe nur, die Niedertracht erfährt nicht von dieser Sache«, murmelte Lobber.
»Ich würde mich der Bande an Ihrer Stelle ohnehin nicht anschließen«, sagte Obi-Wan. »Das ist ein fürchterlicher Name.«
Qui-Gon wandte sich den Passagieren zu. »Verzeihen Sie bitte den kleinen Zwischenfall. Und bitte – setzten Sie sich doch auf die freien Plätze.«
Die Regal ZephyrHyperraum
»Fliegen, fliegen!«
Das kleine Mädchen war kaum alt genug, um zu sprechen, aber dieses Wort kam klar und deutlich über seine Lippen – und zwar immer und immer wieder. Es mischte sich in das Stimmengewirr, das die Passagierkabine erfüllte, seitdem die Schiffsentführer verschwunden waren. Außerdem war der einzige Flugbegleiter der Regal Zephyr nach hinten gekommen, um nachzusehen, was denn eigentlich geschehen war, und er sah sich einer wahren Flut von Beschwerden gegenüber.
Qui-Gon hatte nicht vor, das Mädchen noch einmal schweben zu lassen. Obwohl inzwischen jeder wusste, dass er und Obi-Wan Jedi waren, stellte er seine geheimen Fähigkeiten nur ungern zu Schau. Es gebührte sich nicht für einen Jedi, öffentlich mit seinen Kräften zu protzen; so etwas erzeugte nur mehr Distanz zwischen den Mitgliedern des Ordens und den Bürgern der Galaxis, und das war für niemanden von Vorteil. Dennoch hoffte er, dass sich die Stimmung an Bord des Transporters wieder verbessern würde.
Diese Hoffnung erhielt prompt einen Dämpfer, als sein Schüler aus dem Frachtraum zurückkehrte. »Unsere Möchtegernentführer sind sicher verstaut«, verkündete Obi-Wan. »Von nun an sollte unsere Reise friedlich verlaufen.«
»Friedlich …« Leerah trat vor und zog ihre ungestüme Tochter von Qui-Gon weg. »Ihr garantiert also, dass es eine friedliche Reise wird?«
Obi-Wan hob abwehrend die Hand. »Sie müssen sich nicht bedanken. Das ist das Mindeste, was wir tun konnten.«
»Ich hatte nicht vor, Euch zu danken. Und es ist absolut das Mindeste, was Ihr tun könnt!«
Die Augen des Padawan weiteten sich. »Verzeihung?«
Leerah drehte sich um, auf einem Arm ihr Kind, den anderen in Richtung ihrer Mitreisenden ausgestreckt. »Die meisten hier kommen von Tharben. Kennt Ihr Tharben?«
»Gewiss«, antwortete Obi-Wan. »Ich besuchte vor einigen Jahren den Jedi-Außenposten dort. Ein schöner Planet.«
»Ja, früher«, sagte Leerahs Mann. »Dann gaben die Gilden wegen all der Kriminalität in diesem Teil des Keils die Ootmian-Route auf … und die Republik wollte die Sicherheitspatrouillen unseres Planeten nicht länger mit Zuschüssen unterstützen.« Er bedachte den Padawan mit einem stechenden Blick. »Weißt du wirklich nicht, was danach passiert ist?«
Qui-Gon ersparte seinem Schüler den unbehaglichen Moment. »Der Jedi-Orden hat den Außenposten auf Tharben letztes Jahr geschlossen.«
»Oh.« Obi-Wan blickte betreten zu Boden.
»Mein Schüler weiß nur sehr wenig über diese Entwicklungen.« Qui-Gon neigte den Kopf. »Wie hat sich die Schließung des Außenpostens auf Tharben ausgewirkt?«
Ein alter Mann, der ein paar Meter entfernt saß, räusperte sich. »Tharben lag am Rand des Hutten-Raumes, deswegen war es sowohl im Interesse der Republik als auch der Syndikate, dass der Planet sicher und stabil ist – ein Wegpunkt für beide Seiten, bevor sie in gefährliches Territorium weiterreisen. Aber jetzt gibt es kein Gegengewicht mehr.« Er deutete auf die beiden Jedi. »Weil Ihr gegangen seid.«
Obi-Wan hob den Kopf. »Moment! Wenn der Planet an der Ootmian-Route liegt, wird er doch immer noch beschützt. Die Republik patrouilliert entlang …«
Qui-Gon hob die Hand. Es war Zeit zuzuhören.
Der Flugbegleiter – der sichtlich erleichtert war, nicht länger das Ziel der allgemeinen Unzufriedenheit zu sein – meldete sich zu Wort. »Die Sternenkarten zeichnen ein falsches Bild. Die Grenze der Republik jenseits des Mittleren Randes … die ist seit Jahren nur noch eine Illusion. Die Hyperraumrouten in der Nähe des Hutten-Raumes werden von Piraten heimgesucht, und ein großer Abschnitt ist so gefährlich, dass kaum noch Schifffahrtslinien dort tätig sind.« Er blickte unbehaglich drein. »Wie Ihr sicher selbst gesehen habt.«
Leerah schnallte ihre Tochter auf einem Sitz fest, während sie sprach: »Ich bin auf Tharben geboren und aufgewachsen. Manchmal sind dort schlimme Dinge geschehen, aber ich habe nie etwas davon mitbekommen. Jetzt passiert das alles ganz offen. Als die Fabriken kein Schutzgeld mehr zahlen konnten, brannten die Banden sie nieder. So verloren Vale und ich unsere Arbeit.« Sie richtete sich auf und breitete die Arme aus. »Zumindest fliegen die Transporter noch.« Ihr Blick huschte zum Flugbegleiter hinüber. »Das bleibt doch hoffentlich auch so?«
Der Mann nahm hastig seinen Arbeitgeber in Schutz. »Die Regal-Schifffahrtslinie hatte bislang Glück. Das heute war eine Ausnahme. Und solange es so bleibt, werden wir auch weiterfliegen. Es gibt noch immer viel Verkehr in Richtung Ord Jannak und Kwenn.«
»Aber Ord …«, begann Obi-Wan, dann hielt er inne und sah Qui-Gon an, unsicher, ob er weitersprechen sollte.
Sein Meister nahm ihm die Entscheidung ab. »Der Jedi-Außenposten auf Ord Jannak wurde gestern erst geschlossen.« Er hielt die Metallkiste hoch. »Wir sollen die letzten Artefakte von dort nach Coruscant transportieren.«
Daraufhin brach erst einmal Tumult aus, und zahlreiche Passagiere riefen durcheinander. »Wundervoll!«, schnitt Leerahs Stimme durch den Lärm. »Die gesamte Ootmian-Route bricht zusammen. Wir sind gerade noch rechtzeitig rausgekommen.«
Als er sich endlich wieder über das Stimmengewirr verständlich machen konnte, hob Obi-Wan die Hände. »Diese Außenposten sind keine Wachstationen, nur Orte, wo Jedi-Ritter auf ihren Reisen rasten oder Nachforschungen anstellen können.« Er drehte die Handflächen nach oben. »Es waren nur selten Jedi dort.«
»Als ob wir das nicht wüssten«, brummte der alte Passagier. »Aber es war nicht immer so. Meine Großeltern haben erzählt, dass der Außenposten auf Tharben zu ihrer Zeit geschäftig wie ein Bienenstock war. Es herrschte ständiges Kommen und Gehen, und die Jedi halfen den Leuten.« Er schüttelte den Kopf. »Und auch wenn die Besuche im Lauf der Zeit seltener wurden, wussten wir doch, dass irgendwann wieder jemand kommen würde. Dieses Gebäude hatte eine wichtige Bedeutung.«
Mehr Passagiere meldeten sich zu Wort. Eine Ithorianerin, die selbst ein Kind hielt, deutete auf Leerah und Vale. »Ich habe gesehen, was Ihr für ihre Familie getan habt, Jedi. Ihr habt ihnen Essensgutscheine gegeben. Habt Ihr genug für uns alle dabei?«
»Und was ist morgen?«, rief jemand anderer. »Was sollen wir dann essen?«
Qui-Gon versuchte, die Unterhaltung in geordneten Bahnen zu halten. »Ich versichere Ihnen, sobald wir Coruscant erreichen, wird die zuständige Behörde den Flüchtlingen …«
»Wir sind keine Flüchtlinge!«, donnerte eine Stimme.
»Verzeihung, den Neuankömmlingen helfen, eine Unterkunft und Arbeit zu finden.«
Ein weiterer Passagier meldete sich zu Wort. »Ich habe eine Krankheit. Ich brauche regelmäßig Medizin.«
»Auch darum wird man sich kümmern.«
»Ich hatte mein Studium fast schon abgeschlossen«, sagte ein weiteres Wesen. »Wie kriege ich jetzt mein Diplom?«
»Auch dafür wird es eine Lösung geben.« Qui-Gon wusste, dass er ihnen nicht allen helfen konnte – und niemand konnte das von ihm erwarten. Trotzdem würde er sein Bestes tun. Er zog sein Kommlink hervor. »Ich versichere Ihnen, ich werde alle betreffenden Stellen kontaktieren.«
»Er wälzt die Verantwortung auf andere ab«, sagte Leerah. Sie fasste sich an den Kopf. »Ich habe so viel über Euch Jedi gehört. Ich habe nie einen gesehen, aber es hieß immer, das läge daran, dass sie ständig unterwegs sind, um Leuten zu helfen – und dann habt Ihr uns im Stich gelassen.« Sie blickte zu Obi-Wan hinüber und schnaubte. »Wir hätten nie auf Euch zählen dürfen.«
»Das ist nicht fair«, platzte es aus dem Padawan heraus, bevor er seinen Ton mäßigte. »Das ist nicht korrekt.«
Leerahs Kinder hatten angesichts der hitzigen Diskussion zu weinen begonnen.
Obi-Wan wirkte völlig überfordert, und Qui-Gon konnte es ihm nicht verübeln. Der Orden sollte in der gesamten Galaxis für Sicherheit sorgen, und deswegen konzentrierten sich die Jedi in jüngster Zeit immer mehr auf das, was gemeinhin die kosmische Macht genannt wurde: das große Ganze, das alle betraf, jetzt und in der Zukunft. Dies galt ganz besonders für den Hohen Rat – und für die aufstrebenden Schüler, die sich seine Mitglieder zum Vorbild nahmen; sie versuchten gleichfalls, sich der galaxisweiten astropolitischen Situation und den großen Fragen zu widmen.
Doch selbst Großmeister wie Yoda wiesen ihre Schüler regelmäßig an, auch dem Hier und Jetzt Beachtung zu schenken, denn viele von ihnen vergaßen leider, dass Sorgen, die auf galaktischer Ebene unbedeutend wirkten, für den Einzelnen trotzdem schwerwiegende Folgen haben konnten. Die Hoffnungen und Ängste der Lebenden stellten einen Aspekt der Macht dar, dem Qui-Gon seine gesamte Laufbahn innerhalb des Ordens gewidmet hatte.
Und wenn es um die lebendige Macht ging, dann gab es nichts Wichtigeres als den Moment, die Gegenwart. Qui-Gon stellte die Kiste hart auf dem Boden ab – das Geräusch war laut genug, um die Menge verstummen zu lassen.
Anschließend blickte er den Flugbegleiter an. »Wie weit ist es noch bis Coruscant?«
»Ein ganzes Stück. Wir haben noch mehrere Zwischenstopps auf dem Weg dorthin.«
»Gut.« Qui-Gon breitete die Arme aus und wandte sich wieder den Passagieren zu. »Es stimmt, dass unsere Missionen uns auf Trab halten. Aber wir sind jetzt hier, bei Ihnen. Und mein Schüler und ich werden uns alles anhören, was Sie zu sagen haben.« Er begegnete Leerahs Blick. »Und ich werde mehr tun, als nur Nachrichten zu schicken. Darauf haben Sie mein Wort.«
Sie starrte unbeeindruckt zurück. »Das Wort eines Jedi?«
»Das Wort von jemandem, der helfen möchte.«
Nach ein paar Sekunden nickte sie.
Erneut überlappten sich die Unterhaltungen in der Kabine, während die Fluggäste ausdiskutierten, wer zuerst und über welches er Thema sprechen sollte. Obi-Wan kam herüber, hob die Kiste auf und flüsterte Qui-Gon zu: »Ich glaube, es hat mir besser gefallen, als man noch mit Blastern auf uns gezielt hat.«
»Ich habe dir schon oft gesagt, dass du dir der lebendigen Macht bewusst sein musst. Hier hast du nun eine außergewöhnliche Gelegenheit, ihr zu lauschen.« Qui-Gon legte seinem Padawan die Hand auf die Schulter und flüsterte: »Lass sie nicht ungenutzt.«
Coruscant
»Mehrere handschriftliche Texte über Lichtschwertreparaturen. Ein Lehrbuch über die Poetik der Jedi. Ein Kodex-Manuskript – veraltet.«
Eeth Koth saß im Vorzimmer des Jedi-Archivs auf Coruscant und beobachtete, wie ein Mitarbeiter die Kiste leerte, die Qui-Gon Jinn von Ord Jannak mitgebracht hatte. Der Jedi-Meister wusste, dass in dem geschlossenen Außenposten nicht viel Wertvolles aufbewahrt worden war, und die Inventarliste schien das zu bestätigen.
Der Archivar setzte seine Aufzählung fort: »Ein Besucherpass für das Regierungsgebäude von Ord Jannak – abgelaufen. Zwei Datenkarten, als gelöscht markiert. Ein …« Der Mann hielt inne, während er ein Stück Flimsiplast zwischen seinen Fingern hin und her drehte. »Ein Gegenstand, der mir nicht bekannt ist.« Er blickte zu Eeth. »Meister?«
Koth ließ sich das rätselhafte Objekt geben. Raritäten waren seine Spezialität – aber diese hier überstieg selbst seine Kenntnisse. »Ich fürchte, hierbei müsst Ihr mir helfen.«
»Ich habe selbst eine Weile gebraucht, um das herauszufinden«, gestand Qui-Gon amüsiert. »Es ist die Rechnung für die Verköstigung eines Hutten, der einmal vor Jahrhunderten den Außenposten besucht hat.«
Die Augen des Zabrak-Meisters huschten über die Kolonne von Zahlen auf dem Dokument. »Beeindruckend. Jetzt verstehe ich, warum die Jedi des Außenpostens sie behalten haben. Als Erinnerung an einen historischen Anlass.«
»Oder als Warnung an zukünftige Generationen, niemals einen Hutten zum Essen einzuladen«, erwiderte Qui-Gon.
Eeth war erst vor Kurzem in den Jedi-Rat berufen worden und beaufsichtigte nun in seinem Namen die Schließung diverser Außenposten. Dass der Orden Stützpunkte schloss, war mehr oder weniger Routine; Handel und Aktivität in der Galaxis waren in ständigem Wandel begriffen, dementsprechend mussten Ressourcen regelmäßig umverteilt werden, damit die Jedi ihren Pflichten möglichst effektiv nachkommen konnten. Trotzdem war bei dieser Aufgabe große Sorgfalt gefragt, selbst wenn es nur um kleine selten genutzte Außenposten wie den auf Ord Jannak ging. Nicht selten musste das Gebäude offiziell der planetaren Regierung überantwortet werden, und es galt, das Inventar vor Ort zu überprüfen, damit historische und potenziell empfindliche Artefakte sicher nach Coruscant transportiert werden konnten – wo ein Mitglied des Jedi-Rates dann ein endgültiges Urteil darüber fällte, was in Jocasta Nus Archive aufgenommen werden sollte.
Eeth hatte schon immer ein gutes räumliches Verständnis gehabt, und er wusste genau, wo die diversen Sammlungen des Ordens untergebracht waren. Was als kurzfristige Verpflichtung begonnen hatte, war deshalb zu einer regelmäßigen Aufgabe geworden … die inzwischen aber zusehends an seinen Nerven zerrte. Es schien nämlich, als würden Yoda und Adi Gallia jedes Mal, wenn sie von einer Besprechung mit Kanzler Valorum zurückkehrten, die Schließung eines weiteren Außenpostens anordnen.
Andererseits, wenn er sich die triviale Sammlung von Gegenständen so ansah, die vor ihm ausgebreitet lag, war es vielleicht gar nicht so unklug. »Der Außenposten stand bisweilen jahrelang leer.«
»So sah er auch aus«, sagte Qui-Gon.
»Gut, dann hätten wir jetzt alles.« Nachdem Eeth dem Archivar bedeutet hatte, die Ausbeute von Ord Jannak fortzubringen, betrachtete er die Kiste, in der sie transportiert worden war; das Emblem, das auf der Seite prangte, zeigte einen goldenen Kelch in einem achteckigen Stern. »Das ist aber keiner unserer Behälter.«
Qui-Gon nickte. »Wir hatten keinen dabei, als wir nach Ord Jannak beordert wurden. Die Regal-Schifffahrtslinie stellte uns eine ihrer Kisten zur Verfügung, bevor wir an Bord gingen. Das ist ihr Logo.«
Eeth warf einen Blick ins Innere. »Hergestellt von SecuriBox. Mit elektronischen Sicherheitsmaßnahmen, um Scans zu verhindern. Nicht schlecht.«
»Die Schifffahrtslinie vermietet sie an Kuriere, Banken – jeden, der etwas sicher und unbemerkt transportieren möchte. Das Schloss ist stimmaktiviert, wie Ihr ja gesehen habt. Es war Obi-Wans Idee, das Mantra des Jedi-Kodex als Passwort zu benutzen.«
Eeth lächelte. »Ein Kodex als Code.«
»Er fand das auch sehr witzig, ja.«
»Ich werde mich darum kümmern, dass die Schifffahrtslinie ihre Kiste zurückbekommt.« Eeth klappte den Deckel zu. »Damit wäre die Angelegenheit dann wohl abgeschlossen. Ihr beide wart zuverlässig wie immer, Meister Qui-Gon. Ich weiß, dass diese Art von Auftrag wenig erfüllend ist, aber Ihr habt das nötige Auge fürs Detail. Wir können die Schließung eines Außenpostens nicht Zivilisten übertragen. Sie muss von einem hochrangigen Jedi beaufsichtigt werden.«
»Es schadet meinem Schüler nicht, zu sehen, wie solche Dinge vonstattengehen.«
»Aber wir müssen es ja nicht übertreiben. Ich weiß, Ihr sollt Euch zwar für weitere derartige Aufträge bereithalten, aber soweit es mich angeht, könnt Ihr Euch bis auf Weiteres wieder anderen Dingen widmen. Nochmals danke.«
»Das weiß ich zu schätzen, Meister.« Qui-Gon hielt inne. »Bevor wir wieder aufbrechen, würde ich den Rat jedoch gerne auf etwas aufmerksam machen.«
Eeth hob den Kopf. »Hat es mit dem Außenposten zu tun?«
»Ja – aber es geht um mehr.« Qui-Gon legte die Stirn in Falten. »Ich denke, der gesamte Rat sollte davon wissen. Wann kommt Ihr das nächste Mal zusammen?«
Eeth musste zugeben, dass er es nicht wusste. »Die nächste Sitzung ist eigentlich überfällig, doch ich war hier so beschäftigt, dass ich im Moment leider nicht sagen kann, wer wo ist. Viele Mitglieder sind gerade auf Missionen unterwegs. Das ist natürlich kein Hindernis, aber …«
»… aber es erfordert mehr Koordination.« Qui-Gon nickte. »Nun, lasst mich bitte wissen, wenn es so weit ist. Diese Transportkiste ist nämlich nicht das Einzige, was ich nach Coruscant mitgebracht habe.«
»Ich bin jetzt bei der Turbine«, hallte eine Stimme von oben herab.
»Hervorragend«, sagte Plo Koon, während er das schwere Metallgitter nach oben drückte. »Lasst Euch ruhig Zeit.«
Der Bauch des gewaltigen Transporters, unter dem Plo stand, hing zwei Meter über dem Boden, und hätte in diesem Moment jemand den Wartungshangar des Jedi-Tempels betreten, hätte es vermutlich ausgesehen, als würde der Kel’Dor das Schiff mit bloßen Händen über seinen Kopf stemmen. Natürlich wurde der Transporter in Wirklichkeit von vier Repulsorliftpolstern an Bug und Heck in der Luft gehalten, während Plo durch die untere Wartungsluke Werkzeuge ins Innere reichte.
Nicht gerade eine Aufgabe für ein Mitglied des Hohen Rates, aber die Wartung der Jedi-Flotte hatte sich schon mehrfach verzögert, und Plo wollte die Mechaniker und Techniker motivieren, indem er selbst mit gutem Beispiel voranging.
Die Stimme, die aus dem Bauch des Schiffes herabhallte, sagte: »Ich lasse jetzt die Kühlflüssigkeit ab. Haltet Euch bereit.«
Plo wusste, dass der Prozess ungefähr eine Minute dauern würde, also gestattete er sich, den Kopf zu drehen. Ein warnendes Gefühl lenkte seinen Blick zu einer der Repulsorlifteinheiten, die die Nase des Schiffes stützten … einen Herzschlag, bevor diese Einheit mit einem elektrischen Funkenschauer den Geist aufgab. Der gesamte Transporter neigte sich ruckhaft auf die Seite – auf die Arbeiter zu, die gerade am Bug mit weiteren Wartungsarbeiten beschäftigt waren.
Bevor das gewaltige Schiff auf den Boden donnern konnte, riss Plo die Hand vor. Er beschwor die Macht und stützte die Nase des Schiffes ab, aber das war natürlich nur eine kurzfristige Lösung. Lange würde er dieser Belastung nicht standhalten. Also richtete er die andere Hand auf die ausgefallene Repulsorlifteinheit und tastete mit den Sinnen nach dem Schalter, der die Notfallenergieversorgung aktivierte. Als er ihn gefunden hatte, konzentrierte er seinen Geist darauf, und die Macht erledigte den Rest. Der Schalter klackte, das Gerät erwachte summend wieder zum Leben …
… und der Transporter wurde in seine ursprüngliche Position zurückgehoben – allerdings zu schnell. Hydrospanner und Schraubschlüssel regneten aus der Wartungsluke über Plos Kopf herab. Zum dritten Mal innerhalb von Sekunden nutzte der Jedi-Meister die Macht, diesmal, um die Werkzeuge in der Luft zur Seite zu schieben, bevor sie ihm den Schädel zertrümmern konnten. Doch nicht einmal die Macht konnte ihm helfen, als ein letzter Gegenstand aus dem Bauch des zitternden Schiffes fiel. Der Eimer schwebte zwar ebenfalls zur Seite, aber die abgelassene Kühlflüssigkeit, die sich in seinem Innern befand, ergoss sich in einer klebrigen Woge über das Gesicht des Kel’Dor.
»Meister Plo!«
»Bleiben Sie zurück«, rief er den anderen Arbeitern zu, auch wenn seine Stimme dabei wie ein feuchtes Gurgeln klang. Hastig schüttelte er die Flüssigkeit aus seinem Atemgerät. Anschließend wischte er die Linsen vor seinen Augen ab, bis er wieder klar genug sehen konnte, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Der Transporter hing einmal mehr ruhig in der Luft.
Doch das war nicht das Einzige, was Plo auffiel. Da war außerdem ein haarloses Gesicht mit nach unten gerichteten Hörnern, das aus der Luke zu ihm herabspähte. Saesee Tiin musterte seinen Ordensbruder mit kühlem Blick. »Da ist der Eimer also hingerutscht.«
Plo wischte schleimige Kühlflüssigkeit von seiner Robe. »Lacht nicht.«
»Wann habe ich je gelacht?«
»Guter Punkt.«
Saesees bernsteinfarbene Augen funkelten. »Ihr solltet mir meine Werkzeuge hochreichen.«
»Ist Euch etwa nicht aufgefallen, dass das Schiff auf die Seite gekippt ist, Meister Tiin?«
»Ich war auf meine Arbeit konzentriert.« Saesee blickte auf die Werkzeuge hinab, die nun auf dem Boden verstreut lagen. »Wenn Ihr sie wieder aufheben würdet?«
Das war in etwa so viel Mitgefühl, wie man von Saesee erwarten konnte. Plo wusste, dass keiner von ihnen beiden als besonders umgänglich galt. Er war ein Experte für Logistik im großen Rahmen, wohingegen Raumschiffe Saesees Spezialgebiet waren – sowohl, sie zu fliegen, als auch, sie zu reparieren. Darum beschränkten sich seine Interaktionen meist auf Dienstleister und Droiden … und natürlich auf die Padawane, die Plo auswählte, um die wartungsaufwendigen Jedi-Transporter in Schuss zu halten. So eine Gruppe anzuführen, konnte schon mal frustrierend sein, insbesondere jetzt, da die Aufrüstung der Flotte Saesee vor so viele neue Herausforderungen stellte.
»Meister Plo«, sagte jemand hinter ihm, aber es war keiner der Arbeiter, sondern Obi-Wan Kenobi. Der Padawan hielt ihm ein Handtuch hin.
»Danke.« Plo wischte sich das Gesicht ab. »Dann seid ihr also aus dem Keil zurück.«
»Wäre ich nur eine Minute früher hier gewesen …« Obi-Wan kniete sich hin und begann, die Werkzeuge vom Boden aufzuklauben.
Saesee sprang aus dem Transporter, in seiner Hand den leeren Werkzeugkasten. Der stämmige Iktotchi landete leichtfüßig, ohne in der Lache verschütteter Kühlflüssigkeit auszurutschen. Seine Begrüßung war so knapp wie immer: »Kenobi.« Er neigte den Kopf. »Bist du hier, um uns bei der Arbeit zu helfen?«
»Ich fürchte, ich bin in anderer Mission hier, Meister Tiin.« Der Padawan legte die Werkzeuge in den Kasten. »Qui-Gon benötigt ein Shuttle. Es gibt eine Gruppe von Flüchtlingen am Raumhafen, die sich den Flug zum Migrationszentrum auf der anderen Seite von Coruscant nicht leisten können.«
Saesee starrte ihn an. »Ist das eine offizielle Anfrage?«
»Nein, aber es hat mit einem Zwischenfall während unserer letzten Mission zu tun. Nun, genau genommen auf dem Rückflug von unserer letzten Mission.«
»Dann ist es also nicht von der Republik abgesegnet?«, hakte Plo Koon nach.
»Bei einer Anfrage durch die offiziellen Kanäle käme die Geldfrage hinzu, und Meister Qui-Gon hatte gehofft, diesen Punkt zu umgehen.« Obi-Wan straffte die Schultern. »Wir … äh … wir kümmern uns praktisch in unserer Freizeit um die Angelegenheit.«
»Wie nobel von euch.« Plo hob die Hand. »Aber wie du sehen kannst, wird der Großteil der Flotte gerade aufgerüstet.«
Obi-Wan nickte. »Ich dachte mir, ich frage trotzdem mal.«
»Mechaniker können nicht zaubern«, warf Saesee ein. »Und Jedi ebenso wenig. Geduld.«
Angesichts der Hintergründe dieser Anfrage bezweifelte Plo, dass Qui-Gon sich in Geduld üben würde. Das tat er selten, wenn es darum ging, anderen in ihrer Not zu helfen. Plo wusste seine wohltätigen Absichten natürlich zu schätzen – nicht unbedingt aber, dass er dafür ein Schiff der Jedi benutzen wollte. Sicher gab es auch eine andere Lösung. »Die Macht findet einen Weg«, sagte er.
»Ähm, Meister Plo?«, ertönte eine höfliche Stimme hinter ihnen.
Plo drehte sich um und sah, dass einer der Droidentechniker, Heezo, herübergekommen war, um ihnen beim Aufräumen zu helfen. Der Selonianer neigte den Kopf. »Verzeiht bitte, aber ich konnte nicht umhin, Eure Unterhaltung zu hören.« Er blickte Obi-Wan an. »Es gibt da diese Chauffeurin … sie arbeitet für eine Musikgruppe, und sie ist mir einen Gefallen schuldig. Ich habe mal ihren Droiden repariert. Hätten Eure Freunde etwas dagegen, in einem Luxus-Schwebebus zu reisen?«
»Ob sie etwas dagegen hätten?« Obi-Wan grinste. »Sie werden ganz aus dem Häuschen sein. Sie haben schon seit langer Zeit keinen Luxus mehr genossen.«
»Ich kann alles vorbereiten.« Heezo wandte sich an Plo. »Mit Eurer Erlaubnis natürlich, Meister.«
»Gewiss doch.« Er nahm Heezo den Wischmopp aus der Hand. »Kümmern Sie sich gleich darum. Ich erledige das hier.«
Der Arbeiter verbeugte sich und eilte zum Ausgang.
Plo breitete die Arme aus. »Siehst du, Padawan? Die Macht findet immer einen Weg.«
Obi-Wan dankte ihm, aber dann hängte er noch eine zweite Bitte an. »Meister Qui-Gon hatte gehofft, vor dem Rat sprechen zu können. Werdet Ihr in nächster Zeit wieder zusammenkommen?«
Saesee schnaubte. »Sag du es mir.« Er deutete auf das geschäftige Treiben im Rest des Hangars, wo überall an Transportern und Gleitern gearbeitet wurde.
»Ich verstehe.« Obi-Wan verneigte sich. »Wie Ihr schon sagtet, wir werden uns in Geduld üben.«
Die beiden Jedi-Meister blickten dem Padawan nach, als er davonging. »Er ist ein guter Schüler«, befand Plo. »Ich hoffe nur, Qui-Gon zieht ihn nicht in zu große Schwierigkeiten hinein.«
Saesee drückte ihm den Werkzeugkasten in die Hand. »Wir sind nicht zum Grübeln hier. Zurück an die Arbeit.«
Versteck der RiftläuferKeldooine
Es kann keinen Gedankenaustausch geben, wenn einer der Teilnehmer nicht logisch denken kann.
Zilastra benutzte diese Redewendung schon seit Beginn ihrer Laufbahn, und sie hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten schon viel zu oft als zutreffend erwiesen. Aber dies war das erste Mal, dass ihr der Gedanke mitten in einem Feuergefecht kam.
Blasterschüsse surrten wie gleißende Blitze durch den Korridor des Frachters Morleen. Auch nur hinter der Ecke hervorzuspähen, würde den sicheren Tod bedeuten. Deshalb konnte Zilastra von ihrer Position in einem Nebengang lediglich die Tür auf der anderen Seite des Hauptkorridors sehen, wo ihre rechte Hand Burlug kauerte. Er war ein Feeorin, was bedeutete, dass seine Kopftentakel blau waren, wohingegen Zilastras eigene in typischem Nautolaner-Grün glänzten. Außerdem gab er ein deutlich größeres Ziel ab. Über den unermüdlichen Beschuss hinweg schrie er: »Bleib zurück, Zil!«
»Luggy, wie ist die Lage?«
»Tal und Krins hat’s erwischt. Unser Überraschungsgast hat sie niedergemäht, bevor sie auch nur mit ihm reden konnten.«
»Dann muss ich sie zumindest nicht umbringen«, kommentierte Zilastra trocken. So viel zum Thema »friedliche Lösung«. Sie wurde mit jeder Sekunde wütender. Eine Schießerei in meinem eigenen Stützpunkt! Das wird mir ewig nachhängen!
Erbeutete Schiffe zu überprüfen, gehörte zu den wohl einfachsten Aufgaben ihrer Crew. Wenn sie einen Frachter in ihren Hangar auf Keldooine brachten, wurde er gründlich durchsucht, ehe man alle wertvolle Fracht von Bord brachte. Anschließend wurde der Wiederverkaufswert des Schiffes anhand einer Checkliste bestimmt, die so lang und detailliert war, dass selbst die Bürokraten auf Coruscant neidisch geworden wären.
Doch vor alldem musste das Schiff erst einmal gesichert werden. Einen großen Frachter zu kapern, war eine hektische Angelegenheit, und die Entermannschaften hatten selten Zeit oder Lust, das gesamte Schiff zu überprüfen. Das geschah in der Regel erst nach der Landung, wenn sie die zahlenmäßige Überlegenheit auf ihrer Seite hatten. Das anschließende Prozedere war dasselbe wie seit den frühesten Tagen der Piraterie: Die meisten gefangenen Crewmitglieder wechselten ohne großen Protest die Seiten; sich Zilastra anzuschließen, war besser, als arbeitslos zu sein … oder einen gewaltsamen Tod zu sterben. Selbst die ach so loyalen Kapitäne der großen Schifffahrtslinien beugten das Knie, wenn nur genug Druck auf sie ausgeübt wurde.
Die Besitzer unabhängiger Frachter wie der Morleen waren leider eine andere Sache. Ihr Schiff war ihr Ein und Alles, und die meisten hielten sich fälschlicherweise für Helden. So jemand gab seinen Besitz und seine Fracht nicht einfach so auf. Manchmal versteckten sie sich tagelang in irgendwelchen Schächten und warteten auf eine Gelegenheit zur Flucht.
Oder eine Gelegenheit, selbst ein wenig Schaden anzurichten.
Während weiter Schüsse an ihr vorbeijaulten, zog Zilastra ihre Handschuhe straff und nahm dann die Blaster vom Gürtel. Thermaldetonatoren kamen leider nicht infrage; die würden nur den Wert des Schiffes verringern. Und wenn sie eine Gasbombe benutzten, würde sich die Sicherung der Fracht bloß noch weiter verzögern. Nein, sie mussten diese Sache auf die harte Tour erledigen, bevor …
Der Beschuss verstummte abrupt.
Burlug blickte zu ihr herüber. »Nicht. Das ist eine Falle.«
»Ach, wirklich?«
Sie hörte, wie die Tür des Cockpits ins Schloss fiel. Sekunden später ertönte das tiefe Summen der Antriebe, als der Frachter gestartet wurde. Der Idiot will noch immer sein verfluchtes Schiff retten!
Zum Glück gab es eine Option, die Zilastra während des Schusshagels ganz vergessen hatte: die Bordsprechanlage. Sie steckte einen ihrer Blaster ins Holster zurück, ging zu dem Kommunikationsgerät an der Wand und aktivierte es: »He, du da vorne im Cockpit. Hör gut zu.«
Statik, gefolgt von einer rauen Stimme: »Ich rede nicht mit euch. Verschwindet von meinem Schiff!«
»Das höre ich ständig. Ich bin Zilastra.«
Eine Pause, dann: »Du bist Zilastra? Von den Riftläufern?«
»Freut mich, dass du schon von mir gehört hast. Dann weißt du ja, was ich so mache.«
Schweigen. »Ich glaube nicht …«, begann Burlug.
Warte, formte Zilastra lautlos mit den Lippen. Normalerweise dauerte es zehn Sekunden.
Der Frachterpilot war bereits nach fünf so weit. »Lasst mich wenigstens die Morleen behalten.«
»Die was?«
»Dieses Schiff. Es gehört mir. Nehmt die Fracht und lasst mich in Ruhe.«
Auch das hatte Zilastra schon oft gehört. »Was hast du denn an Bord?«
»Tanks mit Industriesäure. Vier Millionen Liter, für Introphere auf Gorse bestimmt.«
Hm. Sie verzog die Mundwinkel.
Das Surren der Antriebe wurde lauter, also aktivierte Zilastra hastig wieder die Bordsprechanlage. »Heute ist dein Glückstag. Wir haben zufällig einen Käufer für dieses Zeug, direkt hier auf Keldooine.«
»Und?«
»Ich überlasse dir einen der Tanks. Du kannst ihn verkaufen und einen Platz auf dem nächsten Transporter reservieren, der den Planeten verlässt.«
»Was?« Der Pilot hatte offensichtlich etwas anderes erwartet. »Nein! Ich will mein Schiff behalten!«
»Das ist mein letztes Angebot. Die Morleen gehört mir, so oder so. Wenn du verhandeln willst, lass dich nächstes Mal von einem Gebrauchtschiffhändler kapern.« Sie lauschte einen Moment lang auf die Antriebe. »Falls du versuchst, meinen Stützpunkt zu verlassen, werden meine Leute dich abschießen, selbst wenn ich an Bord bin.«
»Was? Das würdest du befehlen?«
»Was denn? Ich dachte, du hättest von mir gehört. Du hast zehn Sekunden.« Zilastra deaktivierte das Gerät und zückte erneut ihre zweite Pistole.
Diesmal zögerte der Pilot die vollen zehn Sekunden, aber schließlich erstarb das Summen. Und der Besitzer des Schiffes starb ebenfalls, als er wenig später die Cockpittür entriegelte. Zilastra erledigte ihn persönlich mit einem ihrer Blaster.
Burlug trat zu ihr und starrte auf den Toten hinab; er lag nicht weit von den beiden Piraten entfernt, die er selbst zuvor erschossen hatte. »Ich kenne niemanden außer dir, der mit einem Lächeln tötet, Zilastra.«
»Er hat meine Zeit verschwendet.« Sie verstaute ihre Waffen. »Bring ihn weg.«
Burlug wog knapp doppelt so viel wie Zilastra, und er hatte keine Mühe, den leblosen Körper des Piloten auf seine Arme zu laden. »Wohin?«
Zilastra deutete mit den Daumen nach unten. »Ihm gehört einer der Säuretanks im Frachtraum, schon vergessen? Geschäft ist schließlich Geschäft.« Sie betrachtete ihre beiden gefallenen Gefolgsleute. »Die beiden hier kannst du auf dieselbe Weise entsorgen.«
»Alles klar.«
Sie sehnte sich selbst nach einem Bad – wenn auch vielleicht nicht in Säure. Nautolaner lebten traditionell in der Nähe des Wassers, und auch wenn das Schicksal sie ins All geführt hatte, genoss Zilastra es noch immer, von Kopf bis Fuß ins kühle Nass einzutauchen. Leider war ihre Arbeit hier noch nicht zu Ende. »Luggy, wo hatte er sich versteckt?«
»Unter dem Wärmeaustauscher. Dann hat er sich an allen vorbei zum Cockpit geschlichen.«
»Großartig!« So etwas sollte nicht passieren. Ihr Blick wanderte von einer Seite zur anderen. »Wo ist das Küken?« Sie wollte schon nach dem Kommlink greifen, entschied dann aber, stattdessen noch einmal die Bordsprechanlage zu benutzen. Eine Sekunde später hallte ihre Stimme dröhnend durch die Korridore. »Kylah Lohmata! Zeig dich!«
Vor Zilastra landete klirrend eine Wandplatte auf dem Boden, und aus dem Hohlraum dahinter schlüpfte ein zwölfjähriges Menschenmädchen mit dunklen Haaren hervor. Ihr Gesicht und ihre Kleidung waren über und über mit Öl verschmiert, und ihre großen braunen Augen leuchteten, als sie salutierte. »Hier, Euer Majestät!«
Zilastra winkte mit der behandschuhten Linken ab. »Ich bin nicht in der Stimmung für Komplimente. Wir haben zwei Leute verloren, weil der Pilot sich verstecken konnte. Es ist dein Job, alle Nischen und Winkel zu überprüfen.«
Kylah richtete sich auf. »Dafür habe ich etwas anderes gefunden. Ich bin sicher, es wird dich interessieren.«
»Und du dachtest, der schnellste Weg hierher wäre, hinter der Wand entlangzukriechen?«
»Ich hörte Schüsse.« Wie um ihre Worte zu unterstreichen, hob Kylah die Platte auf, die sie gerade aus der Wand getreten hatte. Wie der Großteil des Korridors war sie nach der Kanonade des Piloten mit Brandspuren überzogen. Sie lächelte. »Kommt mit!«
Das drahtige Mädchen krabbelte in den Wartungsschacht zurück, und als Zilastra in die Hocke ging, sah sie Kylah gerade noch wie eine Maus zwischen Kabelsträngen und Röhren davonkriechen. Sie bezweifelte, dass sie selbst in den Schacht passen würde. »Warum nehmen wir nicht einfach die Treppe?«
»Der Weg hier ist kürzer.«
Zilastras Zorn kochte hoch, als sie über sich eine leise Bemerkung hörte. »Kluges Kind.« Burlug hatte sich die Leiche des Piloten über seine breite Schulter geworfen und grinste auf seine Anführerin hinab. »Sie weiß, wie man einer Standpauke aus dem Weg geht. Ich würde auch hinter ihr herkriechen, wenn ich könnte.«
»Ab in den Frachtraum, bevor ich euch alle in die Säuretanks stecke.« Zilastra wartete, bis er sich an ihr vorbeigeschoben hatte, dann folgte sie ihm nach unten – auf dem langen Weg, durch die Korridore.
In ihrem Leben gab es keinen Platz für eigene Kinder. Es war schwer genug gewesen, die Ausgestoßenen der vier anderen Banden in diesem Teil des Keils zu den Riftläufern zu vereinen. Und dennoch war sie irgendwie zu Kylahs Ersatzmutter geworden. Die dürre Waise hatte sich als blinde Passagierin auf einem Handelsschiff versteckt, das in Zilastras Visier geraten war. Sie konnte nirgendwo sonst hin, und sie hatte ein Talent, sich in Ecken und Lücken zu zwängen, in die sonst niemand hineinpasste – und die den anderen meistens nicht mal auffielen. Also hatte Zilastra sie in ihre Crew aufgenommen.
Auch wenn das Mädchen ständig versuchte, sie zu beeindrucken, war sie doch erfrischend anders als der Rest der Piraten. Sie war ehrgeizig, ja, aber sie war weder intrigant noch verlogen. Außerdem wusste Zilastra, wie es war, auf sich allein gestellt zu sein – und sie respektierte den Einsatz des Kükens. So sehr, dass sie Kylah vor Kurzem sogar mit einem ganz besonderen Projekt betraut hatte.
Doch als sie den Frachtraum erreichte, war sie nicht mehr sicher, ob das wirklich eine gute Idee gewesen war. Genau wie der Captain gesagt hatte, war der gesamte Bereich mit frei stehenden Tanks gefüllt. Man hatte sie am Deck festgeschraubt, und um sie zu leeren, wäre eine spezielle Pumpanlage nötig. Genau deswegen hatte Zilastra sofort gewusst, dass sie bei diesem Überfall eine Niete gezogen hatten.
»Wo ist die Kleine?«, fragte Burlug. »Ich dachte, ihr Weg ist schneller.«
Zilastras Blut kochte. »Küken!«
»Hier oben!«, ertönte eine Stimme von oben.
Sie legte den Kopf in den Nacken und erblickte Kylah auf einem der Zylinder. Wie auch immer sie dort hochgelangt war, nun saß sie mit baumelnden Beinen neben einer Öffnung in dem gewaltigen Behälter. »Ich warte«, knurrte Zilastra.
»Das wird dir gefallen«, verkündete Kylah. »Ich bin nicht die einzige blinde Passagierin auf diesem Schiff!«
Coruscant
Der Tempel war weit vom großen Westlichen Meer von Coruscant entfernt, und trotzdem hatte Yaddle das Gefühl, sie würde gerade ertrinken. Nicht in Wasser, sondern in Details.
»Schon wieder das hier?«, fragte sie, als sie gerade Luft holte, um ein weiteres Mal in die bürokratischen Tiefen hinabzutauchen. »Punkt Fünfzig-Strich-Siebzehn. Bezüglich Yash Helgan auf Corellia.«
Yaddle las die Kennnummer von ihrem Datenblock ab, damit ihr Diktierdroide sie vermerken konnte. Sie saß im Bibliotheksanbau des Tempels, und ihre kleine grünhäutige Gestalt wirkte regelrecht verloren hinter dem halbrunden Schreibtisch. Links und rechts von ihr stapelten sich die Holobücher so hoch, dass sie kaum noch den Rest des Raumes sehen konnte.
Doch nun trat hinter einem der Stapel ein vertrautes freundliches Gesicht in ihr Blickfeld. »Meister Qui-Gon!«
»Meisterin Yaddle.« Qui-Gon verbeugte sich. »Ich hoffe, ich störe nicht. Ich kam gerade vorbei …«
Sie lächelte. »Ich bin dankbar für jede Gelegenheit, um an diesem Tag der Abrechnung eine kleine Pause zu machen.«
»Verzeihung?«
»Rechtsangelegenheiten.« Sie deutete mit kleinen grünen Fingern auf die Dokumente um sie herum. »Der Galaktische Gerichtshof vertritt im Großen und Ganzen die Ansicht, dass die Jedi nicht für Ereignisse zu Verantwortung gezogen werden können, die sich während ihrer offiziellen Missionen im Territorium der Republik ereignen.«
»Im Großen und Ganzen? Dann gibt es also Ausnahmen?«
»Richtig. Und andere strittige Punkte.« Sie hielt ihren Datenblock in die Höhe. »Hier, ein Beispiel: Ein Bürger der Republik hat Anklage wegen widerrechtlicher Festnahme erhoben, und ein Jedi war an dem Zwischenfall beteiligt. Er selbst hat keine Strafe zu befürchten, aber er muss aussagen. Und das ist nur ein Fall.«
»Klingt kompliziert.«
»Allerdings. Ein Grund, warum ich diese Aufgabe übernommen habe, ist, dass ich schon so lange lebe und so viel gesehen habe. Es gibt für alles Präzedenzfälle … oder zumindest meistens.« Sie klickte den obersten Eintrag auf dem Datenblock an. »Aber dann gibt es Fälle wie den des armen Padawans Yash Helgan, der während einer nächtlichen Fahrt in einem Lufttaxi sein Lichtschwert aktivierte, um besser sehen zu können. Leider bohrte sich die Klinge durch den Sitz und spießte den Droidenfahrer auf, woraufhin das Taxi mitten in einer Gedenktags-Parade eine Notlandung hinlegte.«
Der Diktierdroide machte einen Schritt nach hinten. Qui-Gon legte ihm beruhigend die Hand auf die metallene Schulter. »Ich bin sicher, die Einheit wurde repariert.«
»Nachdem sie all seine Teile gefunden hatten, ja«, sagte Yaddle. »Verständlicherweise gibt es da eine ganze Palette rechtlicher Fragen zu klären.«
Qui-Gons Kommlink piepste. Er warf Yaddle einen entschuldigenden Blick zu und aktivierte das Gerät. »Ja, Obi-Wan?«
»Ich habe eine Mitfahrgelegenheit für die Leute aus dem Keil organisiert.«
»Gut … aber sei bitte vorsichtig mit deinem Lichtschwert.«
»Was?«
»Nichts weiter. Ich arbeite noch immer an meinem Teil der Liste.« Qui-Gon beendete die Verbindung und entschuldigte sich bei Yaddle. »Ich fürchte, ich muss jetzt weiter.«
»Wie die Zukunft ist auch Qui-Gon immer in Bewegung«, scherzte sie, als er hinter den Stapeln von Holobüchern außer Sicht verschwand.
Ich erinnere mich noch, wie es ist, durch die Galaxis zu reisen, dachte sie und wandte sich dann mit einem Seufzen wieder ihrer Arbeit zu.
Warum ist alles so blau?
Es gab nicht viele Wesen, die so diszipliniert waren wie Adi Gallia; es hatte schon seinen Grund, warum die anderen Mitglieder des Jedi-Rates sich in diplomatischen Angelegenheiten so oft auf sie verließen. Vor allem, wenn es um Besprechungen mit dem Senat und anderen Vertretern der Republik ging.
Das lag nicht nur daran, dass sie Namen und Titel behalten konnte – dasselbe galt schließlich auch für Protokolldroiden. Nein, Adi merkte sich die Standpunkte ihrer Gesprächspartner, ihre politischen Ziele und selbst die kleinen Details ihrer persönlichen Vorlieben. Meistens brauchte sie dafür nicht mal einen Datenblock (sie hatte in der Regel aber trotzdem einen dabei, um die Wesen zu beschwichtigen, die ihre Fähigkeiten unheimlich fanden). Konzentration war für die Jedi-Meisterin alles.
Das hieß allerdings nicht, dass ihre Gedanken nicht manchmal abschweiften. Jetzt gerade, anderthalb Stunden nachdem sie und Meister Yoda sich zu einem ihrer regelmäßigen Treffen mit dem Obersten Kanzler Valorum und Senator Palpatine von Naboo eingefunden hatten, wanderte ihr Blick immer wieder zu den Wänden und Möbeln des Büros. Finis Valorum hatte seine Wiederwahl auf die übliche Weise gefeiert: indem er seinen Amtssitz unter hohen Kosten vollkommen neu eingerichtet hatte. Bei der Farbe hatte er sich für ein tiefes, fast schon hypnotisches Blau entschieden – vielleicht, um Besuchern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln.
Oder um sie einzulullen … Andererseits schaffte Valorum es meistens ganz allein, einen schläfrig zu machen.
»Und dann wäre da noch eine Sache«, sagte der Kanzler in ernstem Ton, während er sich über seinen riesigen Schreibtisch vorbeugte. »Die Tourismuseinnahmen auf Garqi sind um null Komma zwei Prozent zurückgegangen.«
»Null Komma zwei?«
»Prozent«, betonte Palpatine, der neben den beiden Jedi-Meistern auf der anderen Seite des Schreibtisches saß. »Das liegt deutlich über den Prognosen.«
Valorum konsultierte seinen Datenblock. »Der von Senator Palpatine geleitete Wirtschaftsausschuss hat eine Theorie erarbeitet. Der Rückgang könnte indirekt mit dem Arbeitskampf der Kaff-Bauern zu tun haben. Die Plantagen sind während der Nachsaison ein beliebtes Ausflugsziel.«
Adi erkannte sofort, worauf der Kanzler hinauswollte. »Sie schlagen vor, dass wir Jedi-Ritter entsenden, um bei den Verhandlungen zu helfen?«
»Sie zu schicken, damit sie dort Urlaub machen, würde ja nicht viel bringen«, scherzte Valorum.
Yoda und Adi wechselten einen Blick. Geduld.
»Auf Chamble gibt es eine ganz ähnliche Situation«, fügte Valorum hinzu. »Nur dass es dort die Polizei ist, die streikt. Die daraus resultierenden Unruhen beeinträchtigen die Börsenkurse von Bansche-Tech.«
Adi machte sich eine mentale Notiz. »Unterhändler nach Chamble.«
»Oh nein.« Palpatine blickte von seinem Datenblock auf. »Die Senatorin von Chamble meinte, ihre Regierung werde unter keinen Umständen verhandeln. Sie will nur, dass der Orden beim Schutz der Konzernanlagen aushilft.«
»Keine Polizisten wir sind«, sagte Yoda. »Und auch keine Konzernwachen.«
Nicht mal Adi konnte noch zählen, wie viele solcher Momente es in den letzten Monaten gegeben hatte, und inzwischen erhitzten sie nicht mal mehr ihr Gemüt.
»Ein Besuch würde schon ausreichen«, erklärte Valorum, während er auf seinen Handrücken hinabblickte. »Die Einheimischen sollen Jedi auf dem Gelände sehen, das ist alles. Vielleicht könnten sie ja an einer Führung teilnehmen.«
»Natürlich nur, wenn die Meister befinden, dass diese Aufgabe ihrer kostbaren Zeit würdig ist«, fügte Palpatine mit einem wohlgesonnenen Lächeln hinzu. »Die Entscheidung obliegt allein Euch. Vielleicht könntet Ihr dort ja auch eine Trainingsmission durchführen. Das Gute mit dem Nützlichen verbinden, Ihr versteht? So etwas würde definitiv Eindruck machen.«
Yoda blickte Adi an. »Meisterin Gallia …«
»Ich mache mir eine Notiz«, erwiderte sie, wobei sie betont auffällig auf ihren Datenblock eintippte. Palpatine schien für jedes Problem einen Vorschlag parat zu haben. Vermutlich lud Valorum seinen engen Verbündeten deswegen zu so vielen ihrer Besprechungen ein.
Sie atmete tief ein. »Der nächste Punkt?«
Hinter ihr glitten die Türen auf, und ein Droide stakste auf den Schreibtisch zu, in seiner Hand ein Paar burgunderroter Stiefel. Adis erster Gedanke war, dass sie nicht in das Büro passten; sie wirkten zu protzig, vor allem angesichts der Edelsteinverzierung an den Seiten. Das war nicht die Art Schuh, die der Kanzler normalerweise trug.
»Diese Stiefel wurden auf Hafernia hergestellt, einem der neuesten Mitgliedsplaneten der Republik«, sagte Valorum. Er bedeutete dem Droiden, den Jedi die Schuhe zu zeigen.
Adi betrachtete sie flüchtig. Hoffentlich gefallen sie wenigstens den Hafernianern, dachte sie. Weil sie nicht lügen, aber auch nicht unhöflich sein wollte, sagte sie schließlich: »Ich bin sicher, sie sind sehr stolz auf ihre Arbeit.«
»In der Tat.« Der Kanzler nickte. »Sie würden dem Tempel gerne eine Lieferung zukommen lassen.«
»Eine Lieferung?«, wiederholte Yoda.
»Von Stiefeln.«
Darauf war Adi nicht vorbereitet gewesen. »Wir werden sie gerne für karitative Zwecke weitergeben …« Ihr Blick kehrte zu den prahlerischen Abscheulichkeiten zurück. »Sofern sie nicht ein wenig zu teuer dafür sind.«
»Oh nein.« Valorum lachte. »Sie sind nicht für wohltätige Zwecke gedacht. Sie sind für Euch.«
»Uns?«
»Die Jedi. Ihr sollt sie tragen.«
Sie blinzelte. »Diese Stiefel?«
»Nur hin und wieder mal«, sagte er. »Um Hafernia zu zeigen, dass die Republik seine Handwerkskunst zu schätzen weiß.«
Die Stiefel taugten allenfalls für einen Ballsaal, nicht für gefährliche Einsätze in den Weiten der Galaxis. »Ich glaube nicht, dass sie für unsere Zwecke geeignet sind, Kanzler.« Sie reichte die Stiefel an Yoda weiter. »Findet Ihr nicht auch, Meister Yoda?«
Er lachte leise. »Viel Wissen gesammelt ich haben mag. Aber noch nie Schuhe getragen ich habe!«