Star Wars™ - Letzte Chance - Daniel José Older - E-Book

Star Wars™ - Letzte Chance E-Book

Daniel José Older

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Beschreibung

Han Solo und Lando Calrissian – zwei hinreißend hinterhältige Helden.

Vor zehn Jahren wollten zunächst Lando Calrissian und später Han Solo die Erfindung des kriminellen Genies Fyzen Gor an sich bringen: einen mysteriösen Sender von unbekannter Macht. Inzwischen ist viel passiert. Han Solo hat den Rebellen zum Sieg über den Imperator verholfen, eine Prinzessin geheiratet und eine Familie gegründet. Doch da taucht mitten in der Nacht Lando bei ihm auf, verfolgt von Fyzen Gors Killern. Der Verbrecherboss ist kurz davor, den Sender zu aktivieren und so die Galaxie neu zu formen. Nur zwei Männer können ihn aufhalten!

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Seitenzahl: 468

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Buch

Vor zehn Jahren wollten zunächst Lando Calrissian und später Han Solo die Erfindung des kriminellen Genies Fyzen Gor an sich bringen: einen mysteriösen Sender von unbekannter Macht. Inzwischen ist viel passiert. Han Solo hat den Rebellen zum Sieg über den Imperator verholfen, eine Prinzessin geheiratet und eine Familie gegründet. Doch da taucht mitten in der Nacht Lando bei ihm auf, verfolgt von Fyzen Gors Killern. Der Verbrecherboss ist kurz davor, den Sender zu aktivieren und so die Galaxie neu zu formen. Nur zwei Männer können ihn aufhalten!

Daniel José Olderr

LETZTE CHANCE

Deutsch von Andreas Kasprzak

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel »Star Wars™ Last Shot. A Han and Lando Novel« bei Del Rey, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC, New York. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe Copyright © 2018 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated. All rights reserved. Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2019 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Redaktion: Rainer Michael Rahn Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft, nach einer Originalvorlage © 2018 Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated. All rights reserved. Umschlagsdesign und -illustration: Scott Biel HK · Herstellung: sam Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN: 978-3-641-23870-4V001 www.blanvalet.de

En cariñoso recuerdo de Carmen Gonzalez.Ich werde sie und ihre geheime Science-Fiction-Bibliothek in dem Turm am Meer in Havanna nie vergessen.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …

PROLOG

BESPIN, HEUTE

Der dunkler werdende Himmel dehnt sich endlos über der Wolkenstadt aus. Kumulusberge erheben sich im purpurblauen Dunst in der Tiefe, und hie und da, wo sie sich teilen, sieht man die blinkenden Lichter von Ugnorgrad.

Protokolldroide DRX-7 lachte leise vor sich hin. Es war ein guter Tag gewesen. Impressario Calrissian hatte eine diplomatische Abordnung junger Twi’leks empfangen, und die kleinen Lekkuträger waren voller Enthusiasmus und Lerneifer gewesen – und voller Fragen. Vor allem Fragen. Und natürlich hatte das neue Oberhaupt von Calrissian Enterprises sie alle mit seinem berühmten Charme beantwortet. Folglich hatte es einiges zu übersetzen gegeben, und für eine Einheit wie DRX, die mehr als vier Millionen Sprachen beherrschte, war das Übersetzen und Dolmetschen der schönste Teil des Protokolldroiden-Daseins.

Warum schwebt die Wolkenstadt in den Wolken?, hatte ein kleines Mädchen mit langen Wimpern gefragt, das seine Lekku auf dem Kopf spiralförmig nach oben gebunden hatte.

Eine so naive Frage quittierte der Impressario normalerweise mit einem Augenrollen und einer sarkastischen Bemerkung, wenn auch begleitet von einem gewinnenden Lächeln, sodass das Strahlen seiner makellos weißen Zähne jede Beleidigung sofort wieder entschärfte. Und tatsächlich hatte DRX sich gefragt, ob es auch bei dieser Frage geschehen und das Mädchen vielleicht gekränkt sein würde. In dem Fall hätte er diplomatisch eingreifen und dafür sorgen müssen, dass sich die Twi’lek wieder besser fühlte – und das war für ihn der freudloseste Teil eines Protokolldroiden-Daseins.

»Beena«, hatte eine der Betreuerinnen mit einem Anflug von Strenge in der Stimme gesagt, »wir haben doch auf dem Flug über die Geschichte der Wolkenstadt gesprochen. Ich bin sicher, Herr Calrissian muss sich um wichtigere Angelegenheiten kümmern.«

»Aber nicht doch«, hatte Calrissian DRX mit einem fröhlichen Lachen unterbrochen, noch ehe der Droide die Bemerkung zu Ende übersetzt hatte. »Rein technisch gesehen bin ich nicht mal mehr der Baron-Administrator. Aber ich lebe immer noch in der schicken Suite.« Sein freundschaftliches Grinsen war noch breiter geworden. »Und was könnte wichtiger sein, als der nächsten Generation unserer Twi’lek-Freunde ein wenig Wissen mit auf den Weg zu geben?«

Daraufhin hatte die Betreuerin, Kaasha Bateen, dem Impressario einen Blick zugeworfen, der extreme Skepsis und eine Spur erotischen Interesses zum Ausdruck gebracht hatte, falls DRX sich nicht täuschte. Doch Calrissian schien es nicht aufgefallen zu sein, denn er hatte zu einem langen und beindruckend detaillierten Vortrag angesetzt, in dem er die mühevolle Geschichte der Ugnaughts – der ursprünglichen Architekten der Wolkenstadt – rekapitulierte, bis hin zu ihrer Zusammenarbeit mit dem corellianischen Weltraumforscher Ecclessis Figg.

Die Augen der kleinen Twi’lek hatten hell geleuchtet, als Calrissian anschließend von seinen eigenen Eskapaden erzählte. Und auch Kaasha Bateen, die bis dahin mit verschränkten Armen dagestanden hatte, den Mund skeptisch verzogen, hatte sich in seiner Geschichte verloren. Nur einmal hatte sie DRX unterbrochen, um ihn zu korrigieren – wie bei den meisten Übersetzungsfragen war es reine Interpretationssache gewesen, aber der Droide hatte entschieden, nachzugeben und keine Diskussion über linguistische Nuancen zu beginnen.

Nun waren die kleinen Besucher in ihren Schlafquartieren untergebracht, und die bespinische Nacht senkte sich über die Stadt. DRX war allein, begleitet nur vom leisten Summen der Wolkenstadt und hin und wieder einem blinkenden Licht oder einem leisen Surren drüben bei den Gasplattformen. Jeden Moment würden grellorangefarbene Doppelkanzel-Wolkenwagen der Flügelgarde von Bespin auf ihrem nächsten Patrouillenflug vorbeibrausen, um zu gewährleisten, dass die Stadt sicher und geschützt war.

Das hieß, jetzt, wo DRX darüber nachdachte … eigentlich hätten sie schon vorbeibrausen müssen. Er stand seit exakt vierzehn Minuten und zwanzig Sekunden hier am Geländer seiner Lieblingsplattform, was bedeutete, es war jetzt neun Uhr dreizehn.

Seine Fotorezeptoren spähten in die dunkler werdende Nacht hinaus, aber da war keine Bewegung, kein Leuchten von Positionslichtern.

Seltsam.

Vielleicht, überlegte der Droide, weiß ja Master Calrissian, was hier vor sich geht. Er kontaktierte den Impressario über das Komm, erhielt aber nur eine knappe Antwort von seinem Verbindungsoffizier Lobot: Calrissian ist beschäftigt. Gib die Nachricht an mich weiter, De-Errix.

Wie unhöflich, dachte DRX. Statusüberprüfung des letzten Patrouillenfluges, übermittelte er anschließend.

Und dann: nichts mehr. Mehrere Minuten vergingen ohne jegliche Reaktion.

Sehr seltsam.

Er wandte sich vom nächtlichen Himmel, den Wolken und den fernen Sternen ab und wollte gerade losmarschieren, als er am Rand der Plattform eine hochgewachsene Gestalt in einem dunkelgrünen Umhang mit hochgezogener Kapuze erblickte.

»Seien Sie gegrüßt«, sagte RDX. »Ich bin Protokolldroide De-Errix Sieben, zu Ihren Diensten.« Er war nicht wirklich in der Stimmung, diesem Fremden zu Diensten zu sein, schließlich war die Gestalt ohne jeden Laut und ohne jede Vorwarnung erschienen, und sie sah nicht aus, als wäre sie an einer höflichen Konversation interessiert. Aber Regeln waren nun mal Regeln.

»Kann ich Ihnen heute Abend irgendwie behilflich sein?«, fragte DRX, nachdem mehrere Sekunden verstrichen waren, ohne dass der Fremde auf seine Begrüßung reagierte.

»Oh, ja«, sagte eine tiefe, harsche Stimme.

Der Fremde bewegte seine Hände, und im selben Moment hatte DRX das Gefühl, als würden sich all seine Schaltkreise, seine Servomotoren und seine Synapsen gleichzeitig kurzschließen. Ein roter Dunst legte sich über die Welt, und dann war alles plötzlich ganz einfach: Er musste töten.

Der Nachthimmel, die endlose Galaxis darüber, die Millionen von Lichtpunkten und Geräuschen der Wolkenstadt – alles verschmolz zu einem einzigen, pulsierenden Drang. Irgendwo in dem Komplex vor ihm befand sich Impressario Lando Calrissian; vermutlich hatte er sich zum Schlafen in seine Gemächer zurückgezogen. Ausgezeichnet, dachte DRX. Eine leise Stimme in den Tiefen seiner Programmierung stieß einen verzweifelten Schrei aus, ein einzelnes, flehendes Wort: Nein. Doch diese Stimme war zu leise, zu weit entfernt, als dass sie den Droiden von seiner Mission abbringen könnte: Töten.

Während er durch die hell beleuchteten Korridore des Hauptkomplexes stakste, war ihm nur vage bewusst, dass die dunkle Gestalt in dem Umhang dicht hinter ihm herschlich. DRX bog in einen Nebengang ab, der Mitarbeitern und Administratoren vorbehalten war, und dann weiter, vorbei an Dienern, Soldaten und Casino-Droiden, bis er den dunklen Seiteneingang erreichte, der zum Palast des Baron-Administrators führte.

»Protokolldroide De-Errix mit einem Gast«, erklärte er den Wachen. »Ich muss den Impressario sprechen.«

Die Männer salutierten, und als sie zur Seite traten, glitt die breite Tür hinter ihnen auf. DRX stakste hindurch und arbeitete sich rasch durch die Küche und den luxuriösen Salon vor, wo Calrissian seine Gäste empfing.

Töte.

Ein einfacher, schriller Befehl, der unablässig durch sein Droidengehirn hallte.

Töte.

Ja, er würde töten. Aber erst musste er Calrissian erreichen, und das könnte schwierig werden, denn nun trat plötzlich Lobot hinter einem Vorhang hervor. Sein Gesicht unter dem kahlen Schädel war mürrisch, und die Lämpchen seines Cyborg-Implantats blinkten in den Schatten.

DRX erkannte Enttäuschung und Verärgerung im Blick des Verbindungsoffiziers, und tief aus seinem Inneren stieg eine einsame Erinnerung an die Oberfläche: Wie niedergeschlagen DRX normalerweise war, wenn sich dieser Blick auf ihn richtete. Gefolgt wurde der Gedanke von einem weiteren fernen, drängenden Schrei – Nein! –, aber er war noch immer zu leise und zu hohl, vor allem jetzt, wo DRX so knapp davorstand, seine Mission zu erfüllen und diesen Drang in seinem Inneren zu befriedigen.

Jetzt sah Lobot auch die Gestalt, die DRX wie ein Schatten gefolgt war, und sein Gesichtsausdruck wechselte von ungehalten zu erschrocken und dann weiter zu empört. Er machte einen Schritt nach vorne, und DRX riss den Arm hoch. Sein Schlag traf den Verbindungsoffizier im Gesicht und schickte ihn zu Boden.

Töte.

Aber nicht Lobot. Er war nicht das Ziel. Der Droide stürmte vor, auf die Tür zu, auf Calrissian zu, auf die einzige Lösung zu, die die brennende Mordgier in seinen Schaltkreisen befriedigen konnte. Doch dann blieb er wieder stehen. Lobot hatte ihn am Knöchel gepackt und wollte nicht loslassen. Lästiger Cyborg.

DRX war im Begriff, ihm einen weiteren Schlag zu verpassen (Nein, schrie die winzige Stimme in ihm, nein!), da erhellte ein Blasterstrahl den Raum, und Lobot sank bewusstlos auf den Boden zurück. Der Umhang des Fremden wallte, als wäre er in eine brodelnde, dunkle Wolke gehüllt, und er reichte DRX einen alten, imperialen Blaster.

Töte.

Die Pistole war auf Betäuben eingestellt, aber das sollte kein Problem sein; das war schließlich nur der Anfang. In diesem Augenblick flog die Tür auf, und der Impressario selbst eilte auf den Korridor heraus, bekleidet nur mit einem Handtuch, dafür mit einem Blaster in jeder Hand. DRX zögerte nicht: Er drückte ab, einmal, zweimal. Der erste Schuss traf Calrissian an der Schulter, der zweite schleuderte ihn nach hinten gegen die Wand. Doch während er zu Boden rutschte, zuckte plötzlich ein roter Lichtblitz an DRX vorbei.

Die Twi’lek. Kaasha Bateen, auch sie nur mit einem Handtuch bekleidet, auch sie bewaffnet – mehr noch: mit gefletschten Zähnen um sich schießend. Ihr dritter Blasterstrahl traf schließlich sein Ziel, und der Droide flog nach hinten, wo er in einem Knäuel mechanischer Gliedmaßen auf dem Boden landete.

Töte, wütete die Stimme, aber sie war jetzt leiser, und die andere Stimme, die von ganz tief drinnen, klang mit einem Mal viel näher und stärker: Nein!

Als DRX den Kopf hob, sah er gerade noch, wie die Twi’lek von einem Schuss des schattenumhüllten Fremden getroffen wurde und zusammenbrach. Anschließend trat die Gestalt in dem Umhang zu den beiden bewusstlosen Gestalten hinüber, ein leises, unheimliches Lachen auf den Lippen.

Die Töte-Stimme war nur noch ein Wispern, und alles andere in DRX schrie Nein!, während der Fremde seinen Blaster hob. Eine Sekunde später hallte ein weiterer Schuss durch die Nacht.

TEIL I

CHANDRILA, HEUTE

»… für Prinzessin Leia Organa. Bitte antworten. Dringende Nachricht für Prinzessin Leia Organa. Bitte antworten. Dringende …«

»Hrmpfl …« Han Solo erwachte mit einem winzigen Fuß in seinem Gesicht und einer aufdringlichen Droidenstimme in seinem Ohr. »Was?« Der winzige Fuß gehörte dem winzigen Ben Solo, der gnädigerweise tief und fest schlief – zum ersten Mal seit Tagen, wie es sich anfühlte. Hans Augen weiteten sich. Würde der Junge aufwachen?

»Ich werde das Holo von Kanzlerin Mon Mothma sofort übertragen«, dröhnte Leias Protokolldroide, T-2LC.

»Was? Nein!« Han setzte sich auf, wobei er sich Mühe gab, Ben möglichst wenig zu bewegen. Sein Oberkörper war nackt, und er war ziemlich sicher, dass sein Haar in acht verschiedene Richtungen von seinem Kopf abstand, außerdem waren seine Augen verquollen und schlafverkrustet. Selbst unter normalen Umständen sprach er nur ungern mit Mon Mothma, und erst recht nicht, wenn er halbnackt und verschlafen war.

»Ihre Antwort lautete Was, Master Solo«, sagte T-2LC. Er stand viel zu nah vor der Couch; Droiden hatten kein Verständnis für Privatsphäre, und Protokolldroiden erst recht nicht. »Ich werde …«

»Leia?«, sagte eine Stimme, während eine geisterhaft blaue Holoprojektion den Raum erhellte.

Ben drehte sich herum und verpasste Han einen Tritt ins Gesicht.

»Oh«, machte Mon Mothma. Sie betrachtete aus zusammengekniffenen Augen das Bild, das ihr übermittelt wurde – wo immer sie auch sein mochte. »Verzeihung, General Solo.«

»Ich bin kein General mehr«, grollte Han, noch immer bemüht, möglichst leise zu sprechen.

Mon Mothma nickte. »Ich weiß.« Auf Han wirkte sie mit ihren fließenden Roben und ihrem stets in die Ferne gerichteten Blick auch so schon wie eine spektrale Präsenz; sie als durchscheinende blaue Hologestalt vor sich zu sehen, verstärkte diesen Eindruck nur. »Ich bin es nur gewöhnt, unsere Veteranen mit ihrem Rang anzusprechen, unabhängig von ihrem Status.«

»Natürlich«, erwiderte Han.

»Ist Leia bei Ihnen?«

»Ich könnte sie holen«, schlug T-2LC vor und drehte sich ein wenig – gerade so weit, dass das helle Hologramm von Mon Mothma auf Bens schlafendem Gesicht landete.

»ElCe!«, schnappte Han.

Bens Augen klappten auf, starrten zu der schimmernden blauen Gestalt hoch … und er begann zu weinen. Han schüttelte den Kopf; er konnte dem Kind keinen Vorwurf machen. Wäre er plötzlich aufgewacht und hätte über sich eine glühende Mon Mothma gesehen, hätte er vermutlich genauso reagiert. »Schh, komm her, Großer.« Er schob die Arme unter die winzigen Arme seines Sohnes und hob ihn hoch, sodass Ben in Hans Brust schniefte und Letzterer das Klopfen seines winzigen Herzens spüren konnte.

»Warum hast du das dann nicht gleich getan?«, flüsterknurrte Han den Droiden an.

»Verzeihung. Meine Programmierung sieht vor, im Fall einer dringenden Nachricht, sofort das nächstbefindliche Mitglied des Haushalts zu informieren. In diesem Fall waren das …«

»Ja, ja, schon gut, ElCe. Geh und hol Leia.«

»Wie Sie wünschen, Sir.«

»Einen Moment noch, ElCe«, sagte Mon Mothma. Der ernste Ton ihrer Stimme ließ Han die Augenbraue hochziehen. »General Solo, ich weiß, Sie haben nicht darum gebeten, aber falls ich Ihnen trotzdem einen Ratschlag geben dürfte? Seien Sie nicht so barsch zu Ihren Droiden. Sie sind schließlich nur auf die Sicherheit und das Wohlbefinden aller in ihrer Nähe …«

»Nein«, brummte Han.

»Verzeihung?«

»Sie fragten, ob Sie mir einen Ratschlag geben dürften, und das ist meine Antwort.«

»Ich verstehe.«

»Sie kommen nicht einfach in mein Haus und machen mir Vorschriften, wie ich …«

»Ich bin nicht in Ihrem Haus, und ich wollte nur …«

»Sie wissen, was ich meine«, grollte Han. Ben, dessen Weinen zu einem leisen Jammern abgeklungen war, plärrte von Neuem los. »Großartig! Vielen Dank, Euer Hochwohlgeboren. Sie waren mir heute Morgen wirklich eine große Hilfe.«

Mon Mothmas Augen wurden noch schmaler, dann atmete sie gepresst aus und drehte sich mit einem Kopfschütteln zu T-2LC herum. »Einen schönen Tag wünsche ich«, sagte sie, während der Droide losrollte und das geisterhafte blaue Licht des Hologramms über die Wände huschte.

»Nicht zu fassen«, grummelte Han. Den noch immer weinenden Ben an seine Brust geschmiegt, stand er auf und … »Au.« Ein stechender Schmerz zuckte durch seinen Rücken. Alte Wunden. Oder einfach nur das Alter. Oder beides. Fantastisch. Laut dem Holoschirm auf der anderen Seite des Raumes war es 0430. Er hatte heute eine Reihe langweiliger Sitzungen vor sich, der Auftakt zu einer Woche voller Besprechungen und Vorbereitungen für das erste Treffen der Pilotenkommission der Neuen Republik, deren Vorsitz er zähneknirschend akzeptiert hatte – Han wunderte sich jetzt noch, wie Leia es geschafft hatte, ihn dazu zu überreden. Er hasste es zu planen. Er hasste es, Vorbereitungen zu treffen. Und mehr als alles andere hasste er Besprechungen. Na schön, das Imperium hasste er mehr – aber das Imperium war seit mehr als zwei Jahren Geschichte; die Überreste seiner Flotte waren kurz vor Bens Geburt am Himmel über Jakku untergegangen. Somit waren Besprechungen an die Spitze von Hans Hassliste aufgerückt.

Und leider gab es nichts, was diese aufkeimende Republik mehr liebte als Besprechungen.

Bens Weinen ebbte erneut zu einem Wimmern ab, dann wurde daraus ein leises Schnarchen. Han legte ihn behutsam auf die Couch und ging zur Anrichte auf der anderen Seite des Raums hinüber. »Kriff«, zischte er, als er auf einen scharfkantigen Cyrilform-Baustein seines Sohnes trat – und dann gleich noch mal auf einen. »Kriff!« Sein Blick huschte zurück zur Couch, aber Ben schlief weiter.

»Kaff«, murmelte er BX zu, und die Fotorezeptoren des Küchendroiden erwachten zu leuchtendem Leben. Mon Mothmas besserwisserische Stimme hallte durch seinen Kopf: Sie sind schließlich nur auf die Sicherheit und das Wohlbefinden aller in ihrer Nähe bedacht. »Bitte«, fügte er grimmig hinzu.

»Sofort, Master Solo! Es ist mir ein Vergnügen, zu Diensten sein zu können.«

BX-778 war ein brandneuer Klasse-3-Septoiddroide und angeblich ein Gourmetkoch, der fünfzehntausend kulinarische Stilrichtungen beherrschte (was sich aber erst noch zeigen musste). Außerdem war er viel zu enthusiastisch für seinen Job. Im Gegensatz zu den alten WED-Septoideinheiten, die die Imperialen in ihren Kasernen eingesetzt hatten, besaß BX-778 neben seinen sieben Armen auch einen rundlichen Kopf. Und da er ein Haushaltsdroide war, hatten Landos Genies bei Calrissian Enterprises – oder vielleicht sogar Lando selbst – ihm obendrein eine Persönlichkeit verpasst. Oder etwas in der Art.

»Man nehme die besten endorianischen Kaffbohnen«, zirpte der Droide fröhlich, während einer seiner Arme eine Klappe öffnete, damit ein zweiter hineingreifen und eine Handvoll dunkelbrauner Bohnen zutage fördern konnte. »Ah! Auf den Klippen des Campala-Gebirges auf der südöstlichen Halbinsel des Waldmondes gereift und von fair bezahlten, human behandelten Ewok-Kaffpflückern geerntet!«

»Ja, ja, aber nicht so laut, Schrotthaufen«, flüsterte Han. »Das Kind soll mal mehr als nur eine Minute Schlaf genießen können.«

»Ah!«, rief BX-778.

Han rieb sich die Augen und stöhnte.

»Oh, Verzeihung, Master Solo. Ich senke die Lautstärke um zwölf Prozent.«

»Fantastisch.«

BX-778 goss den Kaff in einen Zylinder am Ende eines dritten Arms. »Geröstet wurden die Kaffbohnen anschließend von den besten kulinarischen Meisterdroiden der Galaxis in den Gourmetstuben von Hosnian Prime.« Er hielt inne und richtete seine großen, gelb leuchtenden Augen auf Han.

»Was?«

»Außer dir, BeIx«, erwiderte der Droide kopfschüttelnd. »Sie sollten sagen Die besten kulinarischen Meisterdroiden außer dir, BeIx.«

»Hast du einen Stummschaltknopf?«, fragte Solo, aber das Surren der Kaffmühle übertönte seine Worte. »Nicht so laut, sagte ich!«

»Man kann keinen Kaff machen, ohne die Bohnen zu mahlen.« Han war ziemlich sicher, dass eine säuerliche Note in der Stimme des Droiden mitschwang, aber er beschloss, sie zu ignorieren. »Oder anders ausgedrückt«, fuhr die Einheit fort, »ein kulinarischer Meisterdroide kann keinen Kaff machen, ohne Bohnen zu mahlen, Master Solo.«

Draußen kroch das erste Licht des Tages über den dunkelvioletten Himmel, vor dem sich die hohen Türme und Kuppeln von Hanna City erhoben. Aus der Richtung des Schlafzimmers hörte Han die gedämpften, drängenden Stimmen von Leia und Mon Mothma, während die beiden die jüngste Krise im Senat besprachen. Er seufzte. Die endlose Aneinanderreihung von Besprechungen und Papierkram, die ihn heute erwartete, spukte wie ein wütender Geist durch seinen Kopf. Wie machte Leia das nur? All der Stumpfsinn und die pedantischen Diskussionen der politischen Arena schienen ihr nichts anhaben zu können – im Gegenteil. Sicher, spätnachts schüttete sie Han ihr Herz aus und beklagte sich über die Intrigen im Senat und das intergalaktische Tauziehen um Handelsabkommen, aber selbst wenn sie frustriert war, strahlte sie noch vor Faszination und Leidenschaft. Dies war eine Welt, die sie verstand, zu der sie gehörte – ihre Welt.

Han hingegen schaffte es kaum, sich mit einem Paragraphen dieses sinnlosen, bürokratischen Fachjargons zu beschäftigen, ohne wieder ein Schmuggler werden zu wollen. Er versuchte, sich zu konzentrieren, vor allem, wenn Leia anwesend war, aber früher oder später schweiften seine Gedanken ab, und er träumte von der Weite des Alls, dem Beben eines Schiffs, wenn es in den Hyperraum sprang, dem Gefühl, sorgenfrei von einem Mond zum nächsten zu fliegen. Während der atemlosen Jahre der Rebellion hatte alles so einfach gewirkt. Nicht dass es wirklich einfach gewesen war – jede falsche Bewegung hatte zu Tod oder Folter führen können, und im Lauf der Zeit hatte der Würgegriff des scheinbar endlosen Krieges ihnen allen einen hohen Preis abverlangt. Aber zumindest hatte es während des Lebens im Untergrund ein klares Ziel gegeben, einen klaren Feind, und damit einhergehend das Gefühl draufgängerischer Freiheit.

Jetzt hingegen … Han blickte zu seinem schlafenden Sohn auf der Couch hinüber. Der Junge schien bei seiner Geburt die gesamte Galaxis erhellt zu haben: ein simpler, unmöglicher Schimmer der Hoffnung inmitten von Tod und Zerstörung. Aber nach all den Jahren des Krieges hatte Han sich noch nicht an den neuen Frieden gewöhnt, und darum bedeutete ein neues, schutzloses Leben für ihn auch ein neues Gefühl der Verwundbarkeit. Leia hatte Mal um Mal bewiesen, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte – mehr noch, sie hatte ihm hin und wieder sogar selbst das Leben gerettet –, weswegen Han es geschafft hatte, sich ihretwegen nicht mehr gar so große Sorgen zu machen. Aber jetzt war da ein kleines, krabbelndes Wesen, ein Teil von ihm, und er hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte.

Eine Dampfwolke stieg über der Anrichte auf. »Eine heiße, köstliche Tasse auf Endor gepflückten, auf Hosnian gerösteten und auf Chandrila gebrühten Kaffs, Master Solo«, verkündete BX-778, nun wieder in normaler Lautstärke. »Verstehen Sie? Weil ich ihn hier aufgebrüht habe!« Der Droide stellte die Keramiktasse auf die Anrichte und riss alle sieben Arme in die Höhe, während er eine künstliche Version fröhlichen Gelächters ausstieß. »Auf Chandrila!«

Auf der anderen Seite des Zimmers brach Ben erneut in Schluchzen aus.

»BeIx!«, donnerte Han. »Ich hab’s dir doch gesagt …« Er seufzte, rieb sich das Gesicht und ging zur Couch zurück. Das brachte ohnehin nichts. »Ich werde einfach deine Persönlichkeit und deinen Speicher löschen lassen.«

»Du meine Güte«, entfuhr es BX-778. »Sie scheinen heute sehr schlecht gelaunt zu sein, Master Solo.«

»Han.« Leia betrat den Raum, wobei sie ihr langes braunes Haar mit den Händen zu Zöpfen flocht.

»Hm?«

»Ich brauche das Zimmer, Liebling. Der Projektor im Schlafzimmer ist nicht groß genug, und ich muss mir ein paar Holokarten ansehen.«

»Nicht groß genug? Was sind das für …«

Leia warf ihm einen Blick zu, der keine Widerworte duldete, und Han hob die Hände. »Wie Ihr wünscht, Euer Durchlaucht.«

»Han«, warnte sie.

Einmal mehr erhellte blaues Licht den Raum. »Falls wir die Koordinaten triangulieren, sollten wir in der Lage sein … oh!« Mon Mothmas flackerndes Abbild erschien, ein paar Sekunden bevor T-2LC durch die Tür rollte. »Entschuldigen Sie bitte, General Solo.«

»Han«, sagte Leia. »Zieh dir bitte ein Hemd an, ja?«

»Kaff für Senatorin Organa?«, zwitscherte BX-778.

»Sicher«, nickte Leia, dann trat sie mit ausgebreiteten Armen zu dem noch immer weinenden Säugling auf der Couch, und ihre Stimme wurde sanft und leise. »Und was hat mein kleiner Mann, hm?« Sie hob ihn auf ihre Arme und ächzte leise, als sie sich wiederaufrichtete. »Er wird immer schwerer. So, kleiner Mann, ganz ruhig.« Sie wiegte ihn hin und her, sodass ihre Zöpfe über seinem Gesicht schaukelten, und warf Han dabei einen scharfen Blick zu. »Hast du ihn gefüttert?«

Solo zog die Augenbraue hoch. »Ihn gefüttert? Ich … wir haben hier friedlich geschlafen, bis die ehrenwerte Kanzlerin hier beschlossen hat …«

»Man nehme die besten endorianischen Kaffbohnen«, intonierte BX-778.

»Oh, nicht schon wieder«, stöhnte Han.

Leia drückte ihm Ben in die Arme, als eine Karte der Galaxis aufblinkte und wilde Schatten und Lichter an die Wände zeichnete. »Geh bitte mit ihm ins Schlafzimmer. Wir reden später. Etwas Wichtiges ist geschehen, Mon und ich müssen uns darum kümmern.«

Rote und gelbe Lichter blinkten drängend an mehreren Stellen auf der Holokarte, außerdem sah Han aufeinander zutreibende Dreiecke, die Schiffe der Neuen Republik symbolisierten. »Mobilisiert ihr die Flotte?«

»Han«, sagte Leia. »Bitte.«

»Schon gut, schon gut!« Er bettete Ben an seine Schulter und ging zur Schlafzimmertür.

»Und zieh dir ein Hemd an!«, rief Leia noch, untermalt von BXs Gebrabbel über Ewok-Kaffpflücker.

Frieden.

Han atmete tief durch. Bei all dem Durcheinander hatte er doch glatt seinen Kaff im Wohnzimmer vergessen. Sei’s drum. Er setzte sich auf das Bett und verlagerte Bens Position auf seinen Armen. Auf keinen Fall würde er noch mal da rausgehen – nicht mal für Kaff. Davon abgesehen war das Bett herrlich weich. Leia war gestern bis spät in die Nacht aufgeblieben, um irgendeine statistische Analyse über die Getreideproduktion auf Yavin durchzuführen, und Han hatte sich freiwillig gemeldet, Ben so lange zu beschäftigen – vor allem, weil er auf keinen Fall in eine Konversation über Getreideanbau verwickelt werden wollte. Also hatte er eine HoloSendung aufgerufen, eine animierte Serie, die Moray und Faz oder so ähnlich hieß, und ehe er sich versah, war es halb fünf, und das Holoabbild der Kanzlerin monmothmate durch sein Wohnzimmer.

Vermutlich könnte er noch ein kleines Nickerchen einschieben, bevor er sich für den Tag fertig machen musste. Mit diesem Gedanken ließ er sich nach hinten auf das Bett sinken, und der kleine Ben blinzelte mit seinen dunklen Augen zu ihm hoch. Es war Han ein Rätsel, wie ein Zweijähriger so alte Augen haben konnte; es war, als hätte Ben schon tausend Jahre die Galaxis beobachtet, ehe er beschlossen hatte, in ihr Leben zu treten.

Nun klappten diese Augen langsam zu, und dann sank Ben Solos Kopf auf die Schulter seines Vaters hinab.

Han schüttelte schmunzelnd den Kopf. Was waren das für Gedanken über Schicksale und Bestimmungen? Falls er nicht aufpasste, würde er bald wie Luke klingen.

Die Vorstellung war gleichermaßen amüsant und beunruhigend, und begleitet von diesen widersprüchlichen Gefühlen driftete Han erneut in den Schlaf davon. Das Schlafzimmer, die Stimmen auf der anderen Seite der Tür, das morgendliche Gezwitscher der Vögel vor dem Fenster und das Halblicht des neuen Tages blieben hinter ihm zurück wie ein ferner Dunstschleier …

… zumindest, bis ein drängendes, unhöfliches Klopfen ihn in die Welt der Wachen zurückholte.

»Was?« Er ließ Ben sanft von seiner Brust auf das Bett rutschen und stand mit pochendem Herzen auf.

Klopf, klopf, klopf!

Der Balkon. Das Geräusch kam von der Balkontür. Han achtete darauf, dass man ihn von den großen Fenstern aus nicht sehen konnte, während er Ben nahm und ihn behutsam auf der dem Balkon abgewandten Seite des Bettes auf den Teppichboden legte. Anschließend kroch er zum Beistelltisch auf seiner Seite zurück, nahm seinen Blaster aus der Schublade und entsicherte ihn.

Das Klopfen wurde ein Hämmern.

Han schlich in die Ecke neben der Tür, wo er eine Hand auf die Klinke und einen Finger auf den Abzug legte, bevor er noch einmal zu Ben hinüberblickte: Der Kleine schlief noch immer. Solos erster Instinkt war es, das nächstbeste Fenster einzuschlagen und mit seinem Blaster das Feuer zu eröffnen; aber das war in seinem neuen Leben keine Lösung mehr. Wahrscheinlich drohte überhaupt keine Gefahr – und falls doch, dann würde ein so waghalsiges Verhalten ihn und Ben vermutlich nur das Leben kosten.

Langsam reckte er den Hals vor, bis er den kleinen Monitor mit den Bildern der Überwachungskamera auf dem Balkon sehen konnte.

All die angespannten Muskeln in seinem Körper lockerten sich schlagartig, und Han öffnete mit einem breiten Lächeln auf seinem Gesicht die Tür. Wer da im violetten Halblicht auf dem Balkon stand, war Lando Calrissian, wie immer makellos gekleidet in ein Hemd samt dazu passender Hose, einen kurzen Umhang und glänzende Stiefel – und wie immer mit perfekt gestutztem Bart.

»Na, da laust mich doch …«, begann Han, ohne den Satz jedoch zu beenden.

Eine Sache war nämlich nicht wie immer: Anstatt des breiten, schelmischen Grinsens, das normalerweise Landos Gesicht beherrschte, hatte sich ein wütender Ausdruck auf seinen Zügen ausgebreitet.

»Was ist los, alter Freund? Und wieso bist du …?«

Auch diesen Satz beendete Han nicht. Lando holte aus und ließ, allem Anschein nach mit aller Kraft, die Faust vorschnellen. Einen Augenblick später trafen seine Knöchel Hans Gesicht, und Solo stürzte mit einem erschrockenen Keuchen nach hinten. Er hatte noch Zeit für einen letzten Gedanken, ehe seine Welt in Dunkelheit versank: Das hätte ich wohl kommen sehen sollen.

CHANDRILA, HEUTE

»Und bevor ich mich versah«, sagte Lando, während er nach der Flasche griff, »wurde ich von meinem eigenen Protokolldroiden betäubt.« Er schenkte sich drei Fingerbreit corellianischen Whiskey ein und schüttelte den Kopf.

»Warte.« Leia nahm die Flasche vom Tisch und stellte sie wieder in den Barschrank. »Warum hattest du nur ein Handtuch an?«

Han, der auf der anderen Seite des Tisches schmollte und ein Glas voll Eiswürfel an seine Wange drückte, hob den Kopf. »Ja, warum hattest du nur ein Handtuch an?«

Lando stand auf. »Du hast dir noch nicht das Recht verdient, Fragen zu stellen, Han. Zu dir komme ich gleich.« Er wandte sich zu Leia um und lächelte schmal. »Euer Hoheit, ich …«

Sie schüttelte den Kopf. »Setz dich, Lando.«

Er kam der Aufforderung mit einem Achselzucken nach. »Wie dem auch sei, Kaasha konnte ein paar Schüsse abgeben, bevor …«

»Kaasha?«, unterbrach Han ihn.

Calrissian bedachte ihn mit einem wütenden Blick, und Han widmete sich wieder seinem Kiefer.

»Kaasha?«, fragte Leia.

»Kaasha Bateen. Eine alte Freundin von der Pasa-Novo-Offensive. Sie kann mit einem Blaster umgehen.«

»Mhm, da bin ich sicher«, murmelte Han.

Lando erwiderte nichts darauf, aber er meinte es ernst. Das war einer seiner letzten Gedanken gewesen, ehe er das Bewusstsein verloren hatte. Sie kann wirklich schießen. Vermutlich hätte es ihn nicht überraschen dürfen, aber er hatte sie nie wirklich in Aktion erlebt. Bei ihrem letzten Treffen hatte sie von einer Einsatzzentrale aus taktische Angriffe auf Baltro koordiniert. Die beiden hatten gut zusammengearbeitet, aber Kaasha hatte von Beginn an keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Landos schmeichelnde Worte und die gebrochenen Versprechen seines jungenhaften Grinsens durchschaute. Das hatte ihm gefallen – mehr sogar, als er zuzugeben bereit war. Schließlich hatte die Offensive geendet, die Überlebenden waren auf ihre Heimatwelten zurückgekehrt, und damit hätte die Sache erledigt sein sollen. War sie aber nicht. Das Bild der lächelnden Kaasha blieb in Landos Kopf haften, als hätte sie ihm ein Implantat ins Hirn gepflanzt, während sie sich das letzte Mal in den Armen hielten.

Er hatte niemals versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen, denn so lief die Sache einfach nicht. Das hätte gegen den Kodex verstoßen. Der Sinn eines gebrochenen Versprechens ist, dass es gebrochen bleibt, komme, was da wolle.

Leia stand auf, holte den Whiskey wieder aus dem Schrank und schenkte sich selbst ein Glas ein. »Hatte sie auch nur ein Handtuch an?«

Lando grinste, die Hände erhoben, als würde man ihm einen Blaster an die Brust halten. »Es ist nicht so, wie du denkst.«

»Da bin ich sicher«, kommentierte Leia. Han griff nach ihrem Whiskey, aber sie schob das Glas aus seiner Reichweite. »Du hast heute eine Sitzung der Pilotengewerkschaft.«

»Und du hast ein Treffen mit dem Sicherheitsrat.«

Sie verdrehte die Augen und stieß mit Lando an. »Ein Grund mehr, mir einen kleinen Schluck zu genehmigen.«

»Nun denn«, fuhr Lando fort, »als ich wieder zu mir komme, sehe ich über mir diesen Droiden in dem Umhang. Nicht meine Protokolleinheit, sondern die Maschine, die hinter De-Errix stand. Sah aus wie ein Klasse Vier mit buckeligem Rücken, aber ich habe noch nie so ein Droidengesicht wie dieses gesehen. Er hatte rot glühende Augen und ein Gewirr von Kabeln, die sich um seinen Schädel schlängelten. Viel mehr war unter der Kapuze nicht zu erkennen.« Er schauderte. Tatsache war, er hatte den Schreck seines Lebens bekommen, als er erwachte und dieses verrückte Droidenmonster mit seinen starrenden roten Augen über sich sah. Er hatte sogar erschrocken gekeucht, ehe er sich gefasst und eine trotzige, würdevollere Miene aufgesetzt hatte. »Und der Droide sagt: Der Phylanx.«

Hans Augenbraue wanderte nach oben. »Häh?«

»Genau das sagte ich auch«, fuhr Lando fort. »Phywas? Und der Droide erklärt: Der Phylanx-Reduxtransmitter. Ich versuche, ihm klarzumachen, dass mir das nicht wirklich weiterhilft, woraufhin er mir eine Ohrfeige verpasst und mir den Blaster zwischen die Augen drückt.

Sie sind der registrierte Besitzer eines leichten corellianischen Frachters mit der Bezeichnung Millennium-Falke, oder etwa nicht?, fragt das Ding.«

»Oh, oh«, murmelte Han.

»Das kannst du laut sagen. Oh, oh. Ich erklärte dem Droiden also, ja, das war ich mal, aber schon lange nicht mehr, und von einem Phylanx-Transmitter habe ich auch noch nie gehört. Ich bin mir zu diesem Zeitpunkt ziemlich sicher, dass ich diese Einheit ausschalten muss, falls ich meine Haut retten will, aber sie hat sämtliche Waffen eingesammelt. Also denke ich mir: Ich muss ihn hinhalten; früher oder später wird Lobot zu sich kommen und die Flügelgarde von Bespin rufen. Aber wer weiß schon, wie lange das dauert? Und davon ganz abgesehen war dieser Droide nicht der Typ, der sich für dumm verkaufen lässt.

Der Phylanx-Reduxtransmitter wurde vor zehn Jahren vom Besitzer des Millennium-Falken gestohlen, fährt er fort, und ich muss sagen, für einen Droiden klang er wirklich, wirklich wütend. Mein Meister möchte ihn gerne zurück.«

»Sein Meister?«, fragte Leia.

Lando donnerte sein Glas auf den Tisch. »Dasselbe frage ich ihn auch, und da antwortet er: Fyzen Gor.«

Leia schüttelte den Kopf. »Sagt mir nichts. Han?«

Han polierte mit dem Daumen seine Stiefelspitze, das Glas mit den Eiswürfeln noch immer an seiner Wange. »Hm?«, machte er, ohne aufzublicken. »Nie von so jemandem gehört.«

»Das ist ja interessant«, sagte Lando, den Finger erhoben, als würde er zum finalen Teil einer vernichtenden Anklage kommen. »Ich habe nämlich genauso geantwortet! Warum sollte ich irgendetwas von einem Phylanx-Wasauchimmer und irgendeinem dahergelaufenen Gangster wissen, noch dazu, wenn das Ganze schon zehn Jahre her ist? Aber dann ist mir etwas Faszinierendes eingefallen.« Er blickte Leia an.

Han summte leise eine Melodie, während er weiter an seinem Stiefel herumschrubbte.

»Du hattest den Falken vor zehn Jahren gar nicht mehr«, nickte sie, eine Augenbraue hochgezogen. »Sondern Han.«

Jetzt drehten sie beide die Köpfe in Solos Richtung. Er blickte von seinem Stiefel auf. »Hm? Oh! Oh, der Fyzen Gor? Der pau’anische Gangster, der früher zum Wandelnden Stern gehörte?« Ein breites Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

»Ich sollte dir wirklich …« Lando stieß seinen Stuhl mit einem lauten Quietschen nach hinten und beugte sich über den Tisch.

»Ganz ruhig.« Leia sprang auf und hielt ihn mit dem Arm zurück. Han zuckte ebenfalls hoch, die Hände unschuldig erhoben.

»He! Es ist nicht so, wie … Es ist …«

»Ja, dir fällt nicht mal eine Lüge ein, um dich aus der Sache rauszuwinden«, schnappte Lando. »Dieser Fyzen ist bereit, ein Massaker in der Wolkenstadt anzurichten, falls ich ihm sein Spielzeug nicht beschaffe, und wer immer er ist, er hat augenscheinlich die nötigen Mittel, um seine Drohung wahrzumachen. Sein Droide ist an meinen Sicherheitsleuten vorbeigelangt, hat eigenhändig zwei Einheiten der Flügelgarde ausgeschaltet und meinen Protokolldroiden umprogrammiert. Obwohl Droiden jetzt mein Geschäft sind. Verstehst du? Falls jemand den Droiden eines Droiden-Impressarios manipulieren kann, dann … nun, dann sieht das nicht gut aus. Ich kann alles verlieren. Meinen Ruf, meine Firma … die Wolkenstadt. Und du bist die letzte Person, die diesen Phylanx gesehen hat, Han, also« – Lando beugte sich noch weiter über den Tisch vor – »rede endlich.«

Ein paar Augenblicke starrten die beiden einander schweigend an.

»Wie wäre es mit etwas endorianischem Kaff, um die Gemüter zu beruhigen?«, schlug BX-778 vor, wobei er mit allen sieben Armen wedelte.

»Nicht jetzt!«, riefen Han und Leia gleichzeitig.

»War nur ein Vorschlag«, murmelte BX und fuhr seine Arme wieder ein. »Kein Grund, wütend zu werden.«

»Ich hab mal eine Ladung geschmuggelt«, sagte Han leise. Er setzte sich auf und blickte zu Lando hoch, der seinerseits die Arme vor der Brust verschränkte. Leia blickte von einem zum anderen und setzte sich langsam.

Es dauerte mehrere Sekunden, aber dann nahm schließlich auch Lando wieder Platz. »Weiter.«

»Das muss jetzt zehn Jahre her sein. Ich flog damals mit Sana Starros.«

»Ah, deine andere Frau«, warf Leia ein.

Han seufzte. »Muss das jetzt sein?«

»Ich muss schon sagen«, kommentierte Lando, »von all den Frauen in der Galaxis, mit denen du eine Scheinehe hättest führen können, um an ein Stück Land zu kommen, hast du dir definitiv die hübscheste ausgesucht.«

»Lando!«, schnappte Solo. »Du hilfst nicht gerade.«

Leia schüttelte den Kopf mit einem müden Grinsen. »Nein, Han, das muss jetzt nicht sein. Ich lasse euch jetzt allein, damit ihr diese Sache allein enträtseln könnt. Denn so gern ich auch bleiben und das Spektakel genießen würde, ich muss mich jetzt auf eine Notfallsitzung des Sicherheitsrates vorbereiten.«

»Etwas Wichtiges?«, fragte Lando.

Leia zuckte mit den Schultern, während sie aufstand. »Vielleicht ja, vielleicht nein. Bei diesen frischgebackenen Bürokraten kann man nie sicher sein.«

»Sie mobilisieren die Flotte«, sagte Han.

»Wovon du nichts wissen solltest«, schnappte Leia. »Und erst recht solltest du es nicht jemandem auf die Nase binden, der nicht zum Sicherheitsrat gehört!«

»He!« Lando tippte sich an den Kopf. »Ich bin ein Kriegsheld, schon vergessen?«

»Das gibt dir aber nicht die nötige Sicherheitsfreigabe. Ganz abgesehen davon, dass wir nicht mehr im Krieg sind. Und unsere Flotte ist nicht wirklich militärischer Natur. Rein technisch haben wir abgerüstet. Im Moment versuchen alle herauszufinden, wie diese neue Demokratie aussehen soll. Es ist, als wäre man wieder ein Jugendlicher: Jede neue Krise fühlt sich an wie die erste überhaupt.«

»Klingt lustig«, schnaubte Lando.

»Zum Totlachen.« Sie kippte ihren Whiskey hinunter und küsste Han auf die Wange. Als er zusammenzuckte, klopfte sie ihm auf die Schulter. »Nun komm aber. So fest hat er dich auch nicht getroffen.«

Anschließend nickte sie Calrissian zu. »Es ist immer schön, dich zu sehen, Lando. Ich bin sicher, mein Mann wird tun, was das Richtige ist – für dich und für seine Familie.«

Lando nahm ihre Hand und küsste sie. »Und falls ich etwas bemerken darf, Euer Hoheit …«

»Darfst du nicht«, unterbrach Leia ihn mit einem Lächeln. »Aber ich weiß, du wirst es trotzdem versuchen.«

»Du siehst absolut …« Die Schlafzimmertür schloss sich hinter ihr, ehe er den Satz beenden konnte.

»Du änderst dich einfach nie.« Han fuhr sich durchs Haar und schob seinen Stuhl näher an den Tisch heran.

Lando lachte humorlos. »Der Jawa schilt den Ewok klein! Und nur zu deiner Information: Ein wenig habe ich mich schon verändert.« Er schenkte Han Whiskey ein und schob das Glas zu ihm hinüber: ein Friedensangebot.

Han zog die Augenbraue hoch. »Es ist immer leicht, großzügig zu sein, wenn der Whiskey jemand anderem gehört.«

Lando verzog den Mund. »Nicht übermütig werden, Fliegerass. Du stehst noch immer auf meiner schwarzen Liste.«

»Na schön.« Han nahm das Glas und stieß mit Calrissian an. »Sana und ich schmuggelten damals eine Ladung für Fyzen, und da war auch ein seltsames Gerät im Spiel, aber ich schwöre, ich weiß nicht mehr, was genau es war. Und die Sache lief völlig aus dem Ruder. Wir wurden nicht mal bezahlt! Nun, nicht wirklich.«

»Tja, wir haben eine Menge Arbeit vor uns«, brummte Lando. »Zuerst mal müssen wir herausfinden, wo dieser Fyzen jetzt steckt, was aus seinem Transmitter geworden ist, wer …«

»Immer langsam mit den jungen Fathieren.« Han schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Wieso sagst du immer wieder wir, Lando?«

»Han.« Lando spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht und in die Fäuste strömte, aber diesmal war es nicht Wut auf seinen Freund, sondern etwas viel Schlimmeres. Er war der am besten beschützte Bewohner der Wolkenstadt; mehr noch, er war ein Experte darin, sich aus brenzligen Situationen herauszuwinden und zwielichtigen Gestalten aus dem Weg zu gehen. Und dennoch hatte dieser rotäugige Droide einen Weg in Landos innerstes Heiligtum gefunden. Er hatte ihn kalt erwischt, ihn vollkommen übertölpelt. »Zweiundsiebzig Stunden«, hatte die Maschine gekrächzt. Aus der Nähe hatte sie nach einem stechenden, chemischen Desinfektionsmittel gerochen, mit einem bitteren Hauch versetzt, wie von einem verrottenden Körper – als hätte jemand eine Leiche in seinem Inneren versteckt. Lando wusste nicht, was für einen Angriff Fyzen in drei Tagen starten wollte, aber er bezweifelte nicht, dass es gnadenlos und verheerend sein würde.

Er schauderte, dann legte sich rasch wieder die Fassade der Selbstbeherrschung über seine Züge. »Wir sitzen jetzt vielleicht hier und machen Scherze, Han, und zugegeben, ich weiß noch nicht wirklich, worum es hier eigentlich geht, aber ganz ehrlich, du musst mir helfen. Und nicht nur, weil die ganze Sache vermutlich allein deinetwegen passiert und du es mir schuldig bist …«

»He, komm schon …«

»Lass mich ausreden. … sondern auch, weil dieser Mistkerl Gor Droiden so manipulieren kann, dass sie sich gegen ihre Besitzer wenden. Stell dir nur vor, was das für die Wolkenstadt bedeuten könnte – für die Galaxis. Falls ich dieses Phylanx-Ding nicht innerhalb von drei Tagen auftreibe, wird er mich holen, Han, und vermutlich wird er dabei einen nicht unbeträchtlichen Teil meiner Stadt auslöschen. Wie ich das sehe, müssen wir sein Gerät finden, es als Köder benutzen und Gor dann unschädlich machen. Aber das geht nur, wenn du mir hilfst, Han.«

»Lando, ich …« Solo schüttelte den Kopf und machte eine Handbewegung, die den gesamten Raum miteinschloss: Bens über den Boden verteilte Spielzeuge; das Holo fröhlicher Echsenaffen, die in einem Baum saßen und sangen; BX-778, der erneut Kaff zubereitete, obwohl ihn niemand darum gebeten hatte.

Lando verschränkte die Finger hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. »Ich hätte die Das-ist-alles-deine-Schuld-Karte gar nicht ausspielen müssen, oder? Du kannst es kaum erwarten, hier rauszukommen.«

Han runzelte die Stirn. »Ich will nur …«

Die Tür sprang auf, und Ben Solo kam splitterfasernackt hereingewatschelt. »Onko Wanwo!«

»Da ist ja mein kleiner Kumpel!« Calrissian hob den Jungen auf seine Arme und drehte ihn um, sodass er – glucksend und vor Vergnügen quietschend – mit dem Kopf nach unten hing.

»Du meine Güte«, stöhnte LC, als er hinter Ben herstakste. »Verzeihen Sie bitte, ich habe ihn gerade gebadet, aber er war nicht zu halten, als er hörte, dass General Calrissian hier ist.« Der Droide beugte sich vor und klaubte Ben aus Landos Armen.

»Schon in Ordnung«, erwiderte Lando mit einem leisen Lachen. »Es ist wie immer ein Vergnügen, den jungen Master Ben zu sehen.«

Han sah zu, wie sein Sohn sich in den metallenen Armen des Droiden wand, die Händchen nach Lando ausgestreckt. Als LC ihn aus dem Raum trug, begann er wieder laut zu schreien.

HAN

TAKODANA, ZEHN JAHRE ZUVOR

»Wie heißt sie?«

Han Solo blickte mit zusammengekniffenen Augen von dem Staubwirbel auf, den er nun schon … wie lange beobachtete? Schwer zu sagen. Er war müde, wütend, vielleicht betrunken – nicht mal da war er sich noch sicher. Aber falls angefressen zu sein ein Gemütszustand war, dann war er seit mindestens zwei Wochen darin gefangen. Vermutlich sah man es ihm inzwischen auch deutlich an: Sein Haar war zerzaust, und nicht auf die attraktive, sorgenfreie Art – einfach nur ungepflegt. Auf seinem weißen Hemd prangten Flecken von … war das Ithorianer-Blut? Vermutlich. Er hatte es seit seiner Begegnung mit der torrianischen Wache auf Hosnian Prime mehrfach gewaschen, aber dieser violette Fleck hatte sich tief in den Stoff hineingefressen.

Im Vergleich dazu war die Frau, die vor ihm stand, der Inbegriff von ordentlich. Nicht dass sie schicke Kleidung getragen hätte, aber ihre Lederjacke war sauber, ihre Pilotenhose gebügelt und faltenfrei, und die beiden Blaster, die an ihren Hüften hingen, passten perfekt ins Farbschema ihres Outfits. Das geflochtene Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der über ihre Schulter hing, und ihre Arme waren vor der Brust verschränkt. In ihrem dunklen Gesicht vermischten sich ein Drittel Missbilligung und zwei Drittel Belustigung. Hinter ihr stand eine bunte Mischung aus Raumschiffen, Schleppern und Frachtern auf dem staubverwehten Feld versammelt, das zum inoffiziellen Landeplatz von Maz’ Schloss geworden war.

»Sana Starros«, sagte Han.

Sana rollte mit den Augen. »Nein, das ist mein Name. Wie heißt sie?«

»Oh. Millennium-Falke.« Er nickte zu dem Cockpit hoch, das über seinem Kopf vorragte. »Und er steht nicht zum Verkauf.«

»Nicht das Schiff, du Mynock!«

»Oh! Chewbacca. Und sie ist ein Er.« Der Wookiee lag auf einer Pritsche neben der Einstiegsrampe des Falken und schnarchte ungeniert.

Sana seufzte und setzte sich neben Han auf die kleine Bank, obwohl er ganz bewusst nicht zur Seite rutschte, um ihr Platz zu machen. »Ich kann nicht sagen, ob du wirklich so schwer von Begriff bist oder einfach nicht darüber reden willst, was dich bedrückt.«

Han gestattete sich ein Lächeln und rieb sein Kinn. Sana hatte recht. Er fühlte sich völlig zerschlagen, auf eine Weise, die er nicht mal beschreiben konnte. Alles in ihm schien in klitzekleine Splitter zerbrochen zu sein, und ja, er wollte definitiv nicht darüber sprechen. Trotzdem rückte er nun ein Stück zur Seite, um ihr mehr Platz zuzugestehen. Sana reichte ihm eine kleine Tüte. »Was ist das?«

»Hemcharwurzeln. Eines von Maz’ Katerheilmitteln. Schluck’s einfach runter, und es sollte dir wieder besser gehen.« Sie nahm eine zweite Tüte aus der Tasche und riss sie auf. »Komm schon, wir nehmen es gemeinsam.«

Han starrte sie an. »Du hast einen Kater? Du siehst …«

»Bezaubernd aus? Danke für das Kompliment!«

»Das ist nicht … ich meine …«

»Halt einfach den Mund und nimm das Hemchar, Solo.«

Sie legte den Kopf in den Nacken, leerte die Tüte in ihren Mund, und als er sie nur anstarrte, riss sie auch seine Tüte auf und schüttete ihm den Inhalt zwischen die halb geöffneten Lippen. Einen Moment später nahm der gesamte Landeplatz einen hellvioletten Schimmer an. »Ähm …«

»Oh, ich vergaß, die Nebenwirkungen zu erwähnen«, sagte Sana mit einem leisen Lachen.

»Falls dazu gehört, dass … Whoa!« Jetzt waren da plötzlich auch hellere Farbflecken, die aus der violetten Welt hervorbarsten.

»Technochrome Halluzinationen«, klärte Sana ihn auf. »Manchmal bildet man sich auch Gerüche ein – nur damit du vorgewarnt bist.«

»Ja, danke«, brummte Han und schloss die Augen. »Gab es einen Grund, warum du hergekommen bist, oder wolltest du mein Leben einfach nur noch unerträglicher machen?«

»Du sahst aus, als könntest du einen Muntermacher gebrauchen«, erwiderte sie. »Oh, türkis!«

»Und?«

»Und … ich habe einen Auftrag.«

Han zuckte mit den Schultern, die Lider noch immer fest zusammengepresst. »Und?«

»Einen gut bezahlten Auftrag.«

Auch das quittierte er mit einem Achselzucken.

Sana stieß ein tiefes, brummendes Geräusch aus. »Einen Auftrag, bei dem ich deine Hilfe gebrauchen könnte … und ein schnelles Schiff.«

»Aha.« Erst jetzt öffnete Han die Augen wieder. »Oh, Mann. Gelb! Alles ist gelb.«

»Es geht vorbei.«

»Was ist das für ein Auftrag?«

»Ich muss nur dieses kleine Ding für jemanden von einem Ort zum anderen transportieren, das ist alles.«

»Du meinst wohl eher schmuggeln, oder?«

Sie blickte ihn gekränkt an. »Es gibt keinen Grund, unhöflich zu sein.«

»Das wird nicht billig.«

»Eeyn choo pitakra«, krächzte da eine raue Stimme. Han und Sana hoben die Köpfe und blickten in fünf verkniffene Gesichter, welche wütend auf sie herabstarrten. Die Kreaturen hatten sich in einem Halbkreis auf dem staubverwehten Landeplatz vor ihnen aufgebaut. Verkrustete, haarlose Stellen sprenkelten ihren verfilzten schwarzen Pelz, einem fehlte ein Auge, einem anderen ein Arm, aber sie alle trugen Schockstäbe, deren Spitzen unheilvolle Funken spien.

»Gehören auch riesige Abwasserratten zu diesen Halluzinationen?«, erkundigte sich Han.

Sana zog die Brauen zusammen. »Nein, die sind leider real. Und sie sind vermutlich ungehalten, weil ich mir ihren Landspeeder geborgt habe.«

»Hassk bacha Kree!«

»Wir wissen, dass ihr Hassks seid, ihr flohzerfressenen Pelzknäuel.«

Die Hassks knurrten und machten ein paar Schritte nach vorne, die summenden Schockstäbe in ihren zuckenden Händen erhoben.

Han hob den Blick noch ein Stück weiter, über die fünf wütenden Kreaturen und die abgestellten Frachter und Transporter hinweg zum Himmel – diesem wunderschönen, leuchtenden Himmel. Er erstreckte sich unendlich weit, und jeder winzige Lichtfleck in seiner schillernden Weite barg ganze Universen, Millionen und Abermillionen Welten, die alle in einem hellen Orange glühten …

»Han?«, flüsterte Sana leise. »Alles in Ordnung?«

»Was ist das für Zeug?«

»Könnte sein, dass Maz gesagt hat, man soll nur eine Löffelspitze davon nehmen, und nicht die ganze Tüte«, räumte Sana ein.

»Großartig.«

»Speea foolok M’shar!«, schnappte der Anführer der Hassk.

»Ich bin sicher, Sana wird euch euren Gleiter zurückgeben, wenn ihr freundlich darum bittet«, sagte Han. »Es gibt keinen Grund, persönlich zu werden.«

Sana runzelte die Stirn. »Was die Sache mit dem Speeder angeht …«

Die Hassks schrillten alle gleichzeitig: »Frazkrit!«

»Ich hatte vielleicht einen kleinen Unfall damit.«

»Oh, Mann«, stöhnte Han.

»Ja, lange Geschichte. Aber wie dem auch sei, ich glaube, wir müssen …«

Da drang ein hohes Surren an Hans Ohr: Einer der Schockstäbe wurde überladen. Er hatte das Gefühl, als würde er sich in Zeitlupe bewegen, während er aufstand und sich aus der Bahn des funkensprühenden Schlags drehte. Die Hassks lachten, und ihre Waffen stimmten in den Chor zischender Elektrizität ein.

»Chewie!«, schrie Han.

Er konnte hören, wie sich der Wookiee hinter ihm regte und etwas äußerst Unhöfliches grollte.

»Ich weiß, dass du geschlafen hast. Aber falls du uns hier kurz helfen könntest …«

Noch eine knurrende Verwünschung. Das Lachen der Hassks erstarb.

»Meintest du nicht erst letztens, du würdest gerne mal wieder ein paar Hassk-Schnauzen plattdrücken?«

Mit einem Brummen und einem metallischen Klirren – offenbar war Chewbacca beim Aufstehen über den Werkzeugkasten gestolpert, dessen Inhalt nun über den Boden verteilt war – richtete sich der Wookiee zu seiner ganzen, fellbedeckten Größe auf. Er blinzelte im grellen Licht des Landefeldes.

»Frazkrit«, murmelte einer der Hassks.

»Parandoo mrakpan«, schlug ein anderer vor. »Shreevat.«

Sana schüttelte den Kopf. »Oh, jetzt wollt ihr verhandeln? Wisst ihr was, warum verhandelt ihr nicht mit meinem Wookiee?«

»Deinem Wookiee?«, echote Han, während Chewbacca fragend den Kopf schräg legte.

Sie zog die Schulter hoch. »Ist nur so eine Redensart.«

»Nein, ist es ni…«, begann Han, doch dann sprangen die Hassks vor und schlugen mit ihren surrenden, funkenspeienden Stäben zu. Han sprang zur Seite, noch immer in Zeitlupe, wie es sich anfühlte, dann rammte er dem nächststehenden Angreifer seine Faust in die hässliche Fratze. Als er die Hand wieder zurückzog, waren seine Knöchel klebrig, und er wollte sich gar nicht vorstellen, wovon. Wichtiger war, dass der Hassk zurücktaumelte und seinen Schockstab fallen ließ. Zwei weitere Kreaturen schnellten auf ihn zu, Chewie fegte sie beide hinfort, als er sich mit einem Brüllen ins Getümmel stürzte.

»Danke«, sagte Han. »Aber hellgrün steht dir absolut nicht. Nächstes Mal, wenn du dein Fell färbst, gib mir vorher Bescheid, dann suchen wir eine passendere Farbe aus.«

Chewie blickte besorgt auf ihn herab.

»Ducken!«, schrie Sana, und sowohl Solo, als auch der Wookiee kauerten sich zusammen, als Blasterschüsse über ihren Köpfen hinwegzuckten.

Ein Hassk, der sich von hinten an sie herangeschlichen hatte, flog rücklings in den Staub.

»Gern geschehen«, sagte Sana, während sie eine schmale Rauchfahne von der Mündung ihres Blasters fortpustete. Die übrigen Hassks rannten kreischend und brüllend in den Schatten der anderen Schiffe davon. »Wie geht es dir, Chewie?«

Chewbacca heulte und schüttelte den Kopf.

»Ich hab etwas, was da helfen könnte.« Sana klopfte mit einem Grinsen die Taschen ihrer Jacke ab.

»Vergiss es!«, grollte Han. »Nicht noch mehr von dem Teufelszeug.«

»Sei nicht immer so empfindlich. Ich würde es diesmal vorsichtiger dosieren.«

Chewie machte eine wegwerfende Handbewegung, als wären sie beide nur Teil eines bösen Traums, und schlurfte zurück zu der Pritsche, auf der er geschlafen hatte.

Ein paar Sekunden bewunderten Han und Sana schweigend die plötzliche Stille und die verblassenden Farbschlieren rings um sie herum. Ein seltsames Gefühl des Friedens senkte sich über Solo.

»Gut geschossen«, bemerkte er.

Sana lächelte. »Zum Glück habt ihr euch geduckt. Ich weiß nicht, wie genau ich im Moment zielen kann.«

Ein Reinigungsdroide rollte an ihnen vorbei, und seine uralten Getriebe knirschten bei jeder Umdrehung seiner kleinen Räder.

Ein Stück entfernt wurden Gelächter und Musik hörbar, als in Maz Kanatas Schloss eine weitere Nacht feuchtfröhlicher Feierlaune anbrach.

»Es ist nicht wichtig«, murmelte Han.

»Was ist nicht wichtig?«

»Wie sie heißt.«

Sana nickte und verzichtete auf weitere Fragen.

Der Knoten in Hans Brust, an dem er während der letzten Stunden wieder und wieder gezogen und gezerrt hatte, löste sich plötzlich ganz wie von selbst. Und alles, was nötig gewesen war, war ein Eingeständnis und ein wenig Entspannung.

Er blickte mit hochgezogener Braue zu Sana hinüber. Zeit, wieder in den Sattel zu steigen. »Also, was ist das für ein Auftrag, von dem du gesprochen hast?«

CHANDRILA, HEUTE

»Wie lief es?«, wollte Kaasha wissen, als Lando die Brücke der Glücksdame betrat. Er blieb kurz stehen, um die sanfte Wölbung ihres Rückens zwischen ihren herabhängenden Lekku zu bewundern. Die Twi’lek saß mit gefurchter Stirn am Dejarik-Tisch, und es sah aus, als würde sie Lobots rasch schwindender Holoarmee gleich eine vernichtende Niederlage beibringen.

Lobot hob nicht mal den Kopf; er war ganz auf die flackernden Monster auf dem Spielbrett konzentriert.

»Han wird mitkommen«, erklärte Lando, während er seinen Umhang abnahm und ihn neben die Tür hängte. So sollte es nicht laufen, fuhr es ihm durch den Kopf. Eigentlich sollte er Kaasha Komplimente über ihre Schönheit machen, ihr sagen, wie entwaffnend attraktiv sie war. Und es sollte immer ein klein wenig von einer Lüge in diesen Worten mitschwingen; nicht, was die Attraktivität anging – der Teil entsprach immer der Wahrheit –, sondern eher mit Hinblick darauf, dass ein Lando Calrissian sich nie entwaffnen ließ. Aber das hier … nein, das war einfach nicht richtig. »Wie kommt Florx mit der Einheit voran?«

Endlich blickte Lobot zu ihm auf – wenn auch nur, um mit dem Kopf zu schütteln, ehe er sich wieder dem Spieltisch zuwandte, seine Stirn in tiefe Falten gelegt.

»Läuft nicht gut, hm? Oh, dein Karkath ist …«

Kaasha drückte einen Knopf, und ein Schwarm winziger, kreischender Kreaturen flog über das Spielbrett, um sich auf eine von Lobots gepanzerten Bestien zu stürzen. Der Karkath schrie unter dem Ansturm auf und brach zusammen. Lobots Augen weiteten sich.

»Du weißt, dass er noch nie eine Partie verloren hat, oder?«, fragte Lando.

Kaasha grinste den Cyborg über den Tisch hinweg an. »Ups.«

»Noch ist es nicht vorbei«, sagte Lando mit einem Lächeln, während er in den Korridor hinaustrat. »Ich werde mal nach Florx sehen. Habt Spaß, ihr zwei.« Die Tür schloss sich hinter ihm. Voraus warfen Funken und helle Lichtblitze tanzende Schatten an die Wand, und das knisternde Summen eines Schweißgeräts war zu hören, begleitet von den Grunzlauten des Droidenexperten.

Calrissian umrundete die Ecke und blieb wie erstarrt stehen. Florx Biggles war von Kopf bis Fuß in Ruß und Brandspuren gehüllt. Glücklicherweise trug der kleine Ugnaught einen schweren Schutzanzug mit metallenem Gesichtsschutz, der ihn aussehen ließ wie einen humanoiden Astromechdroiden nach einem hässlichen Unfall. DRX, oder was von ihm übrig war, lag in mehreren zuckenden Teilen auf Florx’ Werkbank und auf dem Boden ausgebreitet, abgesehen von ein paar Fingern, die aus irgendeinem Grund an Drähten von der Decke hingen.

Lando rieb sich die Augen. »Florx, mein Freund, was … wie schlimm ist es?«

Der Ugnaught nahm den Helm ab, sodass darunter sein schweineartiges Gesicht zum Vorschein kam, eingerahmt von weißen Koteletten. »Bredaxeemum«, schnaubte er. »Plorp fanoobra.«

»Nun, ich habe nicht erwartet, dass du ihn sofort reparieren könntest, aber musstest du ihn wirklich … Ich meine, kannst du ihn wieder zusammensetzen?«

Der Ugnaught warf die dick behandschuhten Hände in die Höhe und stieß einen Schwall von Obszönitäten in seiner Muttersprache aus.

»Schon gut.« Lando nickte. »Du hast recht. Ich möchte nicht, dass er noch mal versucht, mich zu töten, aber …«

»Preedanta forplasm brex.« Florx’ Stimme klang, als würde er einem Kleinkind etwas absolut Selbstverständliches erklären. Lando kannte diesen Tonfall, und er machte ihn wahnsinnig, aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, um sich mit seinem Droidenexperten zu streiten. Diese Diskussionen nahmen nie ein gutes Ende.

»In Ordnung, in Ordnung.« Er schüttelte den Kopf und lachte leise. »Hast du den Hauptkortex-Prozessor neu kalibriert?«

Florx schüttelte den Kopf und blies die Backen auf. »Frinx zeen paltrata.«

»Wie sollen wir auf seinen Ersatzspeicher zugreifen, wenn …«

»Prratta!«, beharrte der Ugnaught, wobei er die Fäuste in die Hüften stemmte. »Prindropt.«

»Sicher bist du der Fachmann, aber ganz ehrlich, viel gebracht hat uns das bislang nicht, Freund.«

»Crabat.«

»Warum versuchst du nicht zumindest, ihn zu reaktivieren, damit wir sehen können …«

Florx wirbelte herum, warf seine Gesichtsmaske zu Boden und tat polternd seine Gedanken über Landos Führungsstil kund, während er einen Befehl in seine Tastatur eintippte.

DRX’ silbern schimmernder Kopf erwachte surrend zum Leben. Zwei hellrote Lichter blinkten in seinen Augen auf, nur um sich sofort auf Calrissian zu richten. »Töten«, stieß er hervor, ein zischendes, metallisches Wispern. »Töten!«

CHANDRILA, HEUTE

»Ich bitte um Ruhe«, sagte Frandu der Rodianer über das Stimmengewirr der Menge hinweg.

Worüber sie redeten? Han war sich nicht sicher, und ganz ehrlich, es interessierte ihn auch nicht.