Star Wars™ Solo - Mur Lafferty - E-Book

Star Wars™ Solo E-Book

Mur Lafferty

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Beschreibung

Der Bestseller zum neuesten Kinoblockbuster der Star-Wars-Saga

Dies ist das zweite von mehreren Spin-offs, die zusätzlich zur neuen Star-Wars-Trilogie geplant sind. Im Mittelpunkt steht der junge Schmuggler Han Solo, dessen erste große Abenteuer gezeigt werden – vor Star Wars: Episode IV, der Film, mit dem alles anfing.

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Seitenzahl: 421

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Buch

Der junge Han träumt davon, eines Tages im Cockpit eines eigenen Raumschiffs seine Heimatwelt Corellia zu verlassen. Doch solange er in einem Leben voller Armut und Verbrechen gefangen ist, scheint das unmöglich zu sein. Schließlich wagt Han mit seiner Partnerin Qi’ra die Flucht. Er ist erfolgreich – sie nicht. Verzweifelt nach einer Möglichkeit suchend, sie zu befreien, schließt er sich der imperialen Marine an. Doch das ist ein denkbar ungeeigneter Ort für einen unangepassten, rebellischen Einzelgänger wie ihn.

Autorin

Mur Lafferty ist Autorin, Podcast-Produzentin, Gamerin und Geek. Sie machte sich mit Podcasts wie I Should Be Writing und The Angry Robot einen Namen und gewann den John W. Campbell Award for Best New Writer. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Durham, North Carolina.

Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvaletund www.twitter.com/BlanvaletVerlag

Mur Lafferty

SOLO

Der Roman zum Film

Deutsch von Andreas Kasprzak

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel »Solo – A Star Wars™ Story« bei DelRey, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC, New York.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2018 by Lucasfilm Ltd. & ®or ™ where indicated. All rights reserved.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2018 by Penhaligon in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Redaktion: Rainer Michael RahnUmschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft nach einer Originalvorlage © & TM 2018 LUCASFILM LTDCover Art Copyright: © 2018 Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated. All rights reservedHK · Herstellung: samSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-23280-1V003www.penhaligon.de

Für Fiona

Es war einmal vor langer Zeitin einer weit, weit entfernten Galaxis …

Es herrschen gesetzlose Zeiten. VERBRECHERSYNDIKATE konkurrieren um Ressourcen, Nahrung, Medizin und HYPERTREIBSTOFF. Auf dem Schiffsbauplaneten Corellia zwingt die gemeine LADYPROXIMA Ausreißer zu einem kriminellen Leben im Tausch gegen Unterkunft und Schutz.Auf diesen gefährlichen Straßen kämpft ein junger Mann ums Überleben, sehnt sich jedoch danach, zu den Sternen zu fliegen …

Prolog

Han versuchte, das Tempo anzuziehen, aber seine Beine wollten ihn nicht schneller tragen. Eigentlich hatte er pünktlich sein wollen, aber dann war ihm dieses Sabacc-Spiel dazwischengekommen, und wer sagte schon Nein zu einer netten Partie Sabacc? Jedenfalls niemand, mit dem man Sabacc spielen wollte.

Außerdem war er pünktlich, sofern man eine halbe Stunde Verspätung als pünktlich betrachtete, und wer zählte schon halbe Stunden, wenn es um ein Treffen mit einem zwielichtigen Hinterhofhändler in einem zwielichtigen Hinterhof in den schummrigen Stunden des frühen Morgens ging?

Leider wartete Kilmo, der zwielichtige Hinterhofhändler, bereits auf Han. Er zählte offenbar halbe Stunden.

Hans Arbeitsstiefel rutschten durch irgendeine Art von industriellem Schleim, und er kam schlitternd vor Kilmo zum Stehen. In der Hoffnung, dass er sich durch seinen Charme ein paar Punkte verdienen könnte, setzte er zur Begrüßung ein Grinsen auf. »He, Kilmo, gut siehst du aus«, sagte er, obwohl er den hochgewachsenen, schlaksigen Menschen in den Schatten kaum erkennen konnte. Hinter ihm bewegten sich zwei noch größere Schatten. »Und Kilmos Freude sind auch da. Hallo.«

Freunde. Lady Proxima hatte nicht erwähnt, dass Kilmo Freunde mitbringen würde.

»Du bist spät dran«, grollte Kilmo. Er klang sogar noch größer, als er war. Han hatte nicht geglaubt, dass jemand groß klingen konnte, aber Kilmo belehrte ihn eines Besseren. Er trat ins Licht, sein pockennarbiges Gesicht halb unter fettigem blondem Haar verborgen.

»Ein kleines bisschen«, räumte Han freundschaftlich ein. »Aber jetzt bin ich da, und ich habe, was du brauchst.« Er zwinkerte. Hoffentlich konnten sie sehen, dass er keine Bedrohung darstellte.

Eines der hoch aufgeschossenen Wesen hinter Kilmo schob sich nach vorne. Es sah aus wie ein Sabetue, dürr, skelettartig, seine Haut von dem seltenen reinen Weiß, das es als geschlechtslos auszeichnete. Han hatte noch nie einen Sabetue gesehen, aber ungeachtet seiner Hautfarbe hielt er es für das Beste, die Augen auf die Klauen an dessen Händen und Füßen gerichtet zu halten. Denen wollte man nicht zu nahe kommen. Niemals. Unter keinen Umständen.

»Genug reden«, sagte der Sabetue. »Jetzt zeigen.«

Han durchwühlte seine rechte Brusttasche, förderte fünf kleine Metallphiolen zutage und hielt sie Kilmo hin. »Der beste Hypertreibstoff, den man für Credits kaufen kann.« Kilmo streckte ungeduldig die Hand aus, aber Han zog den Arm zurück. »Sofern du die Credits dabeihast, versteht sich.«

Der Sabetue schien der Kopf der Gruppe zu sein, denn während Kilmos Augen vor Gier glänzten, verzog er sein hässliches Gesicht, was es mindestens noch zwei Stufen hässlicher machte. »Abgemacht waren sieben Phiolen veredeltes Coaxium.«

Hans Augen weiteten sich. »Sieben?« Er blickte auf seine Hände hinab und zählte theatralisch die Phiolen ab. »… drei, vier, fünf. Ich hätte schwören können, dass sie mir sieben mitgegeben hat.«

Der Sabetue trat mit zuckenden Klauen vor, und Han machte schnell einen Schritt nach hinten. »Warte, warte. Lass mich erst nachsehen, ob ich sie woanders hingesteckt habe.« Er hob eine Hand, um den Sabetue zurückzuhalten, und schloss die andere um das Coaxium.

Anschließend wühlte er erst in der einen Hosentasche herum, dann in der anderen, wobei er seinen Arm unbeholfen um seinen Körper herumbog, während er in der rechten weiter den Schatz umklammert hielt, den die Gangster wollten. Seine Finger streiften eine weitere Phiole, und er zog sie mit einem erleichterten Seufzen hervor. »Ich hab sie nur in die andere Tasche gesteckt!«, verkündete er triumphierend. »Alles in Ordnung.«

»Es sind trotzdem nur sechs«, sagte Kilmo, als er schließlich nachgezählt hatte. »Wo ist die letzte?«

»Nun, ich bin sicher, für weniger Phiolen wird Lady Proxima weniger Credits akzeptieren«, erklärte Han. »Der Preis war einundvierzigtausend für sieben Stück, richtig? Wie wäre es dann mit zwanzigtausend für sechs?«

Wie ein Mann kam die Bande näher, und Han wich zurück, während er hektisch nach einer anderen Lösung suchte. »Achtzehn? Sechzehn! Nennt euren Preis! Mit mir kann man reden … oh, oh.« Er war mit dem Rücken gegen etwas gestoßen. Es war keine Mauer, aber es war in etwa genauso hart – und sehr viel wütender.

Han hatte Kilmo und seine Freunde für groß gehalten, aber das war nichts verglichen mit dieser Gestalt: ein weiterer Mensch, größer als irgendein anderer, den er je gesehen hatte. Der Mann stand in den Schatten, aber Han konnte die Muskeln unter seiner Haut spüren. Es fühlte sich an wie Felsbrocken, die sich in Stellung brachten, bevor die Lawine losbrach. Hände legten sich auf Hans Schultern, und er taumelte unter dem Gewicht.

»Noch ein Freund?«, fragte er und hob mit einem schwachen Lächeln den Kopf. Im selben Moment schlug Kilmo zu.

Der erste Hieb traf Han genau aufs linke Auge und ließ ihn Sterne am bewölkten Himmel sehen, als sein Kopf nach hinten wirbelte. Danach folgte glücklicherweise eine Kombination aus Schlägen auf die Nase und in den Bauch. Glücklicherweise nicht etwa, weil es nicht wehtat – der Schmerz ließ seine Augen tränen, und er krümmte sich, während er versuchte, wieder Atem zu schöpfen –, sondern weil die Schläge ihn nach hinten gegen den Hünen trieben.

Auf diese Weise verschaffte Kilmo ihm ein wenig zusätzlichen Schwung, und Han rammte die Ellbogen nach hinten, als er gegen den Hünen prallte. Am liebsten hätte er auch den Kopf nach hinten gerissen, um dem Kerl die Nase zu brechen, aber er war einfach zu groß, und davon abgesehen war Hans Oberkörper nach dem Schlag in den Magen noch immer nach vorne gebeugt. Aber die Ellbogen saßen, und so konnte er zumindest die Freuden eines Hiebs in die Magengrube mit dem Kerl teilen.

Wie erhofft wich der Hüne zurück und ließ Han los, während er zusammenklappte. Die Coaxium-Phiolen glitten aus Hans Fingern und rollten über den Boden, als er sich zwang, vor Schmerzen gekrümmt loszurennen. Diese vornübergebeugte Haltung erwies sich zumindest als günstige Position, um dem Sabetue auszuweichen, der versuchte, ihn zu packen, während er davonhastete.

Han warf einen letzten, wehmütigen Blick auf das Coaxium, das Kilmo bereits mit gierigen Händen aufhob. »Mist«, murmelte er, nur dass es eher ein Krächzen war, da er noch immer außer Atem war. Eigentlich hatte er vorgehabt, nicht ohne das Geld von hier zu verschwinden; dass er mit leeren Händen zu Lady Proxima zurückkehrte, würde ein Problem sein. Doch wenn Han während seiner Jahre auf Corellia etwas gelernt hatte, dann, dass man bei einer Flucht zuerst ans eigene Überleben dachte. Um die anderen Schwierigkeiten, die sich aus dieser Flucht ergaben, konnte man sich später kümmern.

Die krampfartigen Schmerzen in Hans Mitte ließen nach, und nachdem er einen tiefen Atemzug genommen hatte, richtete er sich auf, streckte die Beine – und rannte.

1. Kapitel

Das vormorgendliche Licht streckte sich zögerlich nach den Hausdächern von Coronet City aus und färbte das Dunkelgrau der miteinander verbundenen Inseln ein wenig heller; sobald die Sonne aufging, würde die Stadt in ihrer ganzen, noch hellgraueren Pracht erblühen. Denn egal in welcher Schattierung, grau war Coronet immer.

In diesem dunklen Grau suchte Han nach einer Antwort auf die Frage, die sich ihm immer wieder zu stellen schien: Wie sollte er lebend aus dieser Sache rauskommen? Kilmo begnügte sich nämlich nicht damit, ihn laufen zu lassen; nachdem er und seine Bande die Metallphiolen aufgehoben hatten, hatte er sofort die Verfolgung aufgenommen.

Alles in allem unterschied sich diese wilde Flucht auf Leben und Tod nicht allzu sehr von all den anderen: Adrenalin durchströmte ihn, während er eine Gasse entlangsprintete und dabei Müll, Kisten und undichten Kanistern auswich, deren Inhalt er lieber nicht kennen wollte. Hinter ihm trommelten Füße – menschliche wie nichtmenschliche – über den Asphalt.

Vor ihm lag der Narro-Sienar-Boulevard, eine der Brücken, die die Inseln von Coronet miteinander verbanden. Han hatte vor, sie zu überqueren und dann in die Gasse auf der anderen Seite zu rennen, wo er seine Verfolger in dem Labyrinth von Energiegeneratoren und Entsalzungseinheiten abschütteln könnte. Es war ein guter Plan, einer, der ihm in der Vergangenheit schon zahllose Male das Leben gerettet hatte. Eigentlich wollte er nicht aus den Schatten auf die Straße hinaustreten, die gerade aus ihrem nächtlichen Schlummer erwachte – die ersten L-1g-Droiden wurden gerade aktiviert und machten sich an die Arbeit –, aber dann erregte etwas seine Aufmerksamkeit.

Kilmo war mit einem M-68-Landspeeder hergekommen: glänzend, brandneu und einfach so auf der Straße abgestellt. Vermutlich muss man keine Angst haben, seinen Speeder in einer gefährlichen Gegend stehen zu lassen, wenn man selbst derjenige ist, der die Gegend gefährlich macht, dachte Han. Trotzdem, einen für Straßenrennen frisierten Speeder – noch dazu ein Modell ohne Verdeck! – einfach so abzustellen, ganz ohne aktive Sicherheitssysteme … Kilmo hätte es besser wissen sollen.

Dieser Speeder war ein Schatz. Ein Schatz, der ihn in die Freiheit führen könnte, eine Fahrkarte fort von diesem Leben in Schmutz und Unterdrückung.

Han sprintete auf die Straße hinaus, wobei er den großen Droiden auswich, von denen einige protestierten, weil er sie bei ihrer Arbeit behinderte. Er hoffte, dass sie ihn vor seinen Verfolgern abschirmen würden, aber um diese Uhrzeit waren nur wenige Droiden und Wesen unterwegs. Als er den Speeder erreicht hatte, bückte er sich und rollte sich unter das Fahrzeug, wo er sich keuchend umblickte.

Füße stapften an seinem Versteck vorbei, die meisten von ihnen menschliche Werftarbeiterstiefel und Droidenfüße. Das war wenig überraschend; die besten Jobs gab es in den Werften, und selbst da verdiente man kaum genug zum Überleben. Die Corellianer waren berühmt für ihre Raumschiffentwicklung und -konstruktion. Die meisten Arbeitsplätze auf dieser Welt hatten darum auch mit dem Bau von Schiffen, dem Testen mechanischer und elektrischer Komponenten und deren Konzeption zu tun. Dabei schuftete man sich in der Regel zwar zu Tode, aber immerhin hatte man nicht mit Fischeingeweiden zu tun.

Die anderen Jobs auf Corellia, bei denen man weniger oder weniger regelmäßig Geld verdiente, waren: Fischer, Fischhändler, Matrose und Dieb. Letzteres war die Laufbahn, die die meisten Waisen, Ausgestoßenen und von zu Hause Fortgelaufenen in Coronet City einschlugen, und Han war einer von ihnen.

Respektable Jobs gab es so gut wie keine mehr, seit das Imperium den Planeten annektiert hatte und seine Bevölkerung für den Bau imperialer Schiffe einsetzte. In den Folgejahren waren die Anzahl der Banden und die Kriminalität stark gestiegen, weil die Leute zu immer verzweifelteren Maßnahmen griffen, um sich über Wasser zu halten. Und dann gab es da noch die Rattenbanden, die sich der Waisen und armen Kinder annahmen und ihnen im Tausch gegen gestohlene Waren Essen und Credits anboten. Sich den Weißwürmern anzuschließen war Han seinerzeit eine gute Idee erschienen – eine Familie, um die zu ersetzen, die er einst gehabt hatte. Oder zumindest um einen Unterschlupf zu haben, damit er nicht auf der Straße schlafen musste.

Zu dieser »Familie« zu gehören bedeutete aber leider auch Gefahr auf den Straßen, Prügel in ihrem schmutzigen Unterschlupf und die ständige Erinnerung daran, dass man nicht halb so viel wert war wie die Kleider, in die sie einen steckten, oder das Essen, das sie einem widerwillig abgaben. Und falls die Behörden einen in der Stadt erwischten, während man die Drecksarbeit für die Würmer erledigte, war man auf sich allein gestellt. Dann kam niemand, um einem zu helfen.

Han war als Kind in dieses Leben hineingeraten, und selbst jetzt war noch immer kein Ende in Sicht.

Imperiale Füße bewegten sich an dem Speeder vorbei; weiße Stiefel, die mit zackiger Entschlossenheit dahinmarschierten. Er hoffte, dass sie seine Verfolger abschrecken würden, aber so viel Glück hatte er leider nicht, denn kurz darauf kamen Kilmo und seine Bande in Sicht. Sie verlangsamten zwar ihre Schritte, wahrscheinlich wegen der Imperialen, aber sie kamen weiter näher. Menschenfüße, Sabetue-Klauen und drei Beine, welche zu einem weiteren Wesen gehörten, hinter dem ein Schwanz über den Boden schleifte. Han hatte dieses Wesen nicht mal gesehen, aber er vermutete, dass es sich irgendwo als Kilmos Verstärkung in Bereitschaft gehalten hatte. Sie stapften in seine Richtung, kamen näher und näher, und Han hielt den Atem an. Er wusste, sollten sie ihn erwischen, würde er nicht noch einmal fliehen können. Vermutlich würden sie ihn ohne Umschweife töten und dann behaupten, sie hätten einen Dieb gefunden.

Was sogar der Wahrheit entspräche, auch wenn technisch gesehen sie die Diebe in diesem Szenario waren.

Die Füße blieben stehen. Han konnte sogar sehen, dass der Sabetue dringend eine Pediküre brauchte, so nahe waren sie. Die Kreatur hatte eine gespaltene Klaue, von der Blut rann, als hätte das Wesen vor Kurzem heftig an etwas gezerrt. Es sah schmerzhaft aus, aber Han konnte sich nicht überwinden, Mitgefühl zu empfinden. Vielmehr fragte er sich, wie wohl die Person aussah, die Bekanntschaft mit diesen Klauen gemacht hatte.

Er schluckte nervös und blieb vollkommen reglos. Falls Kilmo beschloss, seinen Speeder genauer zu untersuchen, erwartete Han eine Reihe ganz neuer Probleme.

Doch dann gingen die Füße weiter und hielten auf die nächste Gasse zu.

Als alle fort waren, kroch Han unter dem Gleiter hervor und sah sich um: Die Imperialen waren weg, die Ganoven waren weg. Er blickte auf die Konsole des Speeders, anschließend grinste er und hüpfte hinein.

Ein metallischer Geschmack erfüllte seinen Mund, als er seine Stablampe zwischen die Zähne nahm, um im Licht des frühen Morgens besser zu sehen. Während er seine Werkzeuge zur Hand nahm, lächelte er leise vor sich hin. Das war ein Kinderspiel. Vor allem da er das hier tatsächlich schon tat, seit er ein Kind gewesen war.

»Komm schon«, murmelte Han. Er deaktivierte den Alarm, bevor er irgendjemanden aufschrecken konnte, dann überbrückte er die Sicherheitssysteme. Das Licht der Stablampe huschte über die Konsole, als er kurz den Kopf schüttelte. Was immer Kilmo für seinen Diebstahlschutz bezahlt hatte, es war zu viel. Nun würde er eine teure Lektion lernen.

Sobald die Sicherheitssysteme außer Kraft gesetzt waren, griff Han unter das Lenkrad. Seine Hände wussten, was sie zu tun hatten; sie bewegten sich, ohne dass er darüber nachdenken musste. Hier ziehen, das da zur Seite schieben, diese Isolierung abschälen. Mit chirurgischer Präzision verband er die Drähte und zwirbelte sie zusammen.

»Komm schon«, drängte er. Die Drähte knisterten, aber nichts geschah. Er hob den Kopf, sah sich um und erblickte ein paar Meter entfernt Kilmos Rücken.

»Komm schon«, sagte er ein drittes Mal und zwirbelte die Drähte ein weiteres Mal – so fest, dass sie sich in seine Fingerspitzen gruben. Funken sprühten, ein leichter Stromschlag schoss in Hans Arme hoch, und der Speeder erwachte endlich zum Leben. Er schnurrte so leise, dass nicht mal sein Besitzer merkte, dass der Gleiter gerade gestohlen wurde.

Han machte sich rasch mit den Kontrollen vertraut. Seine Finger huschten über die Schalter, dann rammte er einen Hebel nach vorne, und unter ihm sprang der Repulsorliftantrieb an. Der Speeder ruckte in die Höhe, wo er kurz hin und her schwankte, bevor er sich stabilisierte. Han griff in seine Jackentasche und förderte seinen Glücksbringer zutage: zwei goldene Würfel, durch eine kleine Kette miteinander verbunden. Es dauerte einen Moment, sie an der Windschutzscheibe zu platzieren, aber es war keine vergeudete Zeit.

Anschließend zündete er die hinteren Düsen, und fort war er. Der Speeder gehörte jetzt ihm.

Ein mustergültiger Diebstahl, sauber und schnell.

Das hieß, ja, mustergültig und schnell vielleicht, aber Han war alles andere als sauber. Sein Gesicht war voller Asche; durch den Schweiß und das verschmierte Blut um seinen Mund und seine Nase klebte sie an seiner Haut. Sein linkes Auge pulsierte noch von Kilmos Schlag. Aber nichts konnte sein Hochgefühl mindern, während der Speeder ihn von der Bande forttrug, die noch immer nach ihm suchte, um zu Ende zu bringen, was sie begonnen hatte.

Er flog in die Morgendämmerung, wobei er alles aus dem Triebwerk herausholte und die protestierenden Rufe hinter ihm geflissentlich ignorierte. Als er die Brücke erreichte, nahm er sich einen Moment, um den Wind in seinem Gesicht zu genießen, den Geruch von Meerwasser, das halsbrecherische Tempo des Gleiters – das war das Leben, das er wollte. Er hauste schon viel zu lang in Tunneln und erledigte die Drecksarbeit für eine Verbrecherfürstin.

Han dachte an den einzigen Ort auf dieser Welt, der die Bezeichnung »zu Hause« verdiente, auch wenn nichts Schönes daran war. Er war im Versteck der Weißwürmer aufgewachsen, einem Elendsquartier tief in den Eingeweiden von Coronet City.

Während das Grau Coronets der Farbe von Schiffshüllen und Schaltplatten entsprach – und dem typischen Schmutz, den man in jedem Industriegebiet findet –, war das Grau dieses Slums eine Mischung aus Unrat, Verzweiflung und dem metallischen Farbton der Gefahr. Und Han wollte nichts lieber, als von diesem Ort zu entfliehen.

Aber da war noch Qi’ra. Er stellte sich den Ausdruck auf ihrem Gesicht vor, wenn sie erst frei wären, und ein trockenes Lächeln ließ das getrocknete Blut auf seiner Oberlippe rissig werden. Er konnte nicht ohne sie fliehen, das war einfach unmöglich. Wäre sie an seiner Stelle gewesen, hätte sie ihn auch nicht im Stich gelassen.

Da war eine leise, zweifelnde Stimme in seinem Kopf, die ihm sagen wollte, dass er sich da nicht wirklich zu hundert Prozent sicher war, aber er hörte nicht hin. Qi’ra war wie alle Kinder, die die Weißwürmer großgezogen hatten: eine Überlebenskünstlerin. Das musste man auch sein. Trotzdem könnte er nicht länger in den Spiegel sehen, falls er sie hier zurückließ. Mit einem Seufzen korrigierte er seinen Kurs und flog in Richtung des Verstecks.

Dabei bremste er ein wenig ab, damit er weniger aussah wie ein Dieb, der gerade mit der besten Beute seines Lebens floh, und mehr wie ein achtbarer Arbeiter, der zu seiner Schicht in den Fabriken unterwegs war, um achtbare Sternzerstörer für das achtbare Imperium zu bauen.

Leider sah er selbst nicht im Geringsten wie ein achtbarer Arbeiter aus. Han fuhr sich mit dem Ärmel über die Nase, um einen Teil des Blutes wegzuwischen, aber er konnte nicht sagen, ob das Blut an seinem Ärmel kleben blieb oder ob er einfach nur noch mehr Schmutz auf sein Gesicht schmierte.

Dann eben zur Hölle mit der Achtbarkeit. War ohnehin langweilig. Er ließ das Triebwerk wieder aufheulen und beschleunigte, während er verschlafenen Händlern auswich, die Fässer mit Fisch und Stoffballen trugen. Dann ging es im Zickzack weiter durch den Verkehr, und die langsameren Fahrzeuge huschten an ihm vorbei, als würden sie stillstehen. Han konnte nicht anders; er stieß einen lauten Freudenschrei aus. Geschwindigkeit war Leben. Geschwindigkeit war alles.

Die Stadt wurde immer schäbiger, als er die Randbezirke erreichte. Einige Gebäude standen in Trümmern, Dächer waren eingestürzt, dazwischen Hütten aus Metallstangen und Stoffwänden. Han glaubte, mehrere Füße zu sehen, die aus einem Müllcontainer herauslugten, und er raste schnell weiter. Das war nicht sein Problem, und es war auch nicht, als hätte er die Füße erkannt.

Je näher er dem Versteck kam, desto ärmer und schmutziger wurde die Gegend. Das ist das letzte Mal, sagte er sich. Vielleicht hatte er ja Glück. Vielleicht hatte die Bande sich bereits zum Schlafen gelegt. Das taten Kreaturen der Nacht doch, wenn die Sonne aufging. Und die Weißwürmer hassten die Sonne mehr, als sie es hassten, um die Bezahlung für ihr Coaxium gebracht zu werden. Trotzdem – er brauchte einen Plan, um seinen Kopf aus dieser Schlinge zu ziehen.

Der Speeder kam zum Stehen, und Han sprang heraus. Kurz musterte er den Gleiter noch einmal: Er hatte die installierte Diebstahlsicherung lahmgelegt, im Moment konnte also jeder einsteigen und losfahren. Bei Gelegenheit würde er sein eigenes Sicherheitssystem zusammenschustern müssen, aber nicht jetzt. Sollte die Gang den Speeder sehen, würde sie ihn für sich beanspruchen. Nichts gehörte einem wirklich, wenn man für die Weißwürmer arbeitete.

Lady Proxima hatte Anspruch auf jegliche Beute.

Eine Gruppe von Straßenratten – kleine Kinder, ebenso schmutzig wie Han, aber zumindest nicht blutverschmiert – rannten an ihm vorbei, in den Händen ihre nächtliche Ausbeute.

»Schnell!«, rief ein Junge. »Oder Proxima wird uns bestrafen!« Jetzt kamen zwei Jugendliche in Sicht, nur ein paar Jahre jünger als Han. Sie schubsten die Kinder und drohten ihnen, begleitet vom Knurren ihres corellianischen Hundes.

Han hasste diese Kreaturen. Groß und massig, so weiß wie die Grindaliden, die die Würmer anführten, nur mit weniger Beinen und mehr Geifer. Es war schlimm genug, wenn sie einen mochten und einen vollsabberten. Aber wenn sie einen nicht mochten, war das erheblich schlimmer. Han wollte unbemerkt bleiben, darum wartete er und schlich dann hinter den Kindern in das Versteck. Sie huschten in einen Tunnel, vermutlich auf der Suche nach einem sicheren Ort mit ein wenig Licht, wo sie ihre Beute in Augenschein nehmen, vielleicht einen Bissen essen oder sich mit Freunden treffen konnten.

In den meisten Gängen des Verstecks herrschte völlige Finsternis. Menschen waren nicht die dominante Spezies in dieser Gegend, und die lichtscheuen Grindaliden hassten jegliche natürliche Helligkeit. Han hatte gelernt, sich im Dunkel zurechtzufinden, aber es war nicht, als wäre das eine Fähigkeit, auf die er stolz war; es war einfach eine Notwendigkeit. Er huschte an den jüngeren Ratten vorbei und hoffte, dass sie keine Notiz von ihm nehmen würden.

Ein Junge, vielleicht acht Jahre alt, zog etwas Glänzendes aus seiner Tasche und zeigte es dem älteren Mädchen, das neben ihm stand – ein Mädchen, das Han als Lex kannte.

»Schau. Ich wette, dafür bekomme ich eine Extraportion von Proxima!«, freute er sich.

Sofort riss Lex es ihm aus der Hand und inspizierte es. »Nein. Jetzt wird sie mir die Extraportion geben!«, sagte sie und lachte.

Der Junge packte sie, aber Lex hielt das Objekt außerhalb seiner Reichweite. »Das ist nicht fair, gib es zurück!«

Han ließ das grausame Spiel hinter sich, bei dem es darum ging, ob ein Junge heute essen würde oder nicht. Hier unten mussten Kinder lernen, sich durchzusetzen. Han hatte es auch gelernt.

Er kam an einem Brennofen vorbei – ein goldenes Glühen in den ansonsten pechschwarzen Tiefen der Tunnel – und zuckte zusammen, als zwei Hände nach seinem Hemd griffen und ihn hinter den Ofen zerrten. Hans Linke huschte zu seiner Tasche, um zu schützen, was er darin trug, die Rechte ballte er kampfbereit zur Faust. Doch er wurde nicht angegriffen. Stattdessen pressten sich Lippen auf die seinen und gaben ihm einen leidenschaftlichen Kuss.

Qi’ra. Die einzige Person, von der er je gepackt werden wollte.

Seine freie Hand strich über ihr schulterlanges braunes Haar und zog sie enger an sich heran. Vergessen war sein jüngstes Abenteuer, sein pochendes Gesicht, sein verzweifelter Wunsch, schnellstmöglich aus diesen Tunneln zu verschwinden. Deswegen war er zurückgekommen. Qi’ra und die Aussicht auf Freiheit waren die einzigen Dinge, die auf dieser Welt etwas wert waren.

Sie löste sich von ihm, um nach Luft zu schnappen, und ihre Stirn furchte sich vor Sorge. »Du warst viel zu lange weg. Ich wusste, dass was schiefgelaufen ist«, sagte sie.

Ihre blauen Augen schimmerten im Licht des Ofens, während sie sein Gesicht musterte, das Blut und die Schwellung sah, dann betastete sie mit zusammengezogenen Brauen die Haut um sein Auge.

Han grinste verschlagen und streckte die Brust vor. »Das? Das ist gar nichts. Du solltest die mal sehen.« Er zog sie wieder an sich, aber als er den skeptischen Ausdruck auf ihrem Gesicht sah, fügte er an: »Na schön, keiner von denen hat einen Kratzer abbekommen.«

Sie lächelte, beruhigt durch seinen unbeschwerten Tonfall.

»Hör zu, Kilmo wollte mich über den Tisch ziehen. Ich war mitten bei der Übergabe, wollte gerade das Coaxium aushändigen, da griffen seine Schläger mich an.« Er grinste erneut. »Aber ich hab’s ihnen gezeigt.«

»Ach ja? Wie?«, fragte Qi’ra, angesteckt von seiner Freude und Aufregung, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt.

Han lächelte. War das denn nicht offensichtlich? »Ich bin abgehauen und hab ihren Speeder geklaut.«

Qi’ra schmunzelte. Sie hielt das Ganze wohl für einen Scherz. »Was? Wollen wir irgendwohin?«

Er zog sie näher an sich. »Ja. Wohin immer wir möchten.« Anschließend zog er die Hand aus der Tasche und zeigte ihr den Metallzylinder – der siebte Zylinder, nach dem Kilmo verlangt hatte. In seinem Inneren befand sich eine Phiole aus Sicherheitsglas, gefüllt mit blauer, glühender Flüssigkeit.

Coaxium: die Rohform eines ebenso seltenen wie teuren Hypertreibstoffs. Große Mengen davon konnten ein Schiff durch die gesamte Galaxis tragen. Und diese kleine Menge sollte ausreichen, um zwei Straßenratten aus diesem Loch zu befreien.

Qi’ra sog den Atem ein. »Du hast eine der Phiolen behalten!«

Eine weitere Gruppe von Straßenkindern rannte vorbei, und eine Stimme hallte an sein Ohr. »Han ist zurück.« Er stöhnte. Die Neuigkeit würde sich ausbreiten wie ein Lauffeuer, und dann würden die Würmer nach ihm suchen lassen. Er musste handeln. Qi’ra zog ihn tiefer in die Nische und hielt seine Hand vor den Ofen, um ihre Beute genauer in Augenschein zu nehmen.

»Vorsichtig!«, warnte er.

»Die … die hat einen Wert von …«, begann sie.

Han antwortete in dem ungezwungenen Tonfall alter Freunde. »Fünf-, sechshundert Credits. Das ist mehr, als wir deiner Meinung nach brauchen …«

Hoffnung ließ ihr Gesicht aufleuchten. »… um uns aus der Kontrollzone herauszukaufen!«

Er nickte. »Endlich fort von Proxima …«

»Und fort von Corellia! Han, das könnte funktionieren!« Ihr Gesicht war der Inbegriff von Freude, und in diesem Moment hatte Han das Gefühl, es gäbe nichts, was sie nicht erreichen konnten.

»Das wird funktionieren. Qi’ra, du hast immer gesagt, eines Tages verschwinden wir hier. Es ist so weit.«

Sie blickte ihm in die Augen. »Worauf warten wir noch?«

Er küsste sie noch einmal, dann eilten sie los.

2. Kapitel

Qi’ra hatte sich vier Pläne zurechtgelegt, je nachdem ob Han bei diesem Geschäft Erfolg haben würde oder nicht. Jetzt entschied sie innerhalb eines Sekundenbruchteils, einen neuen, fünften Plan umzusetzen.

Han schaffte es, liebenswert und charmant auszusehen, obwohl sein Gesicht schmutzig und blutig und so angeschwollen war wie Lady Proxima an einem sonnigen Tag. Er öffnete gerade den Mund, um irgendeinen cleveren Spruch zum Besten zu geben, aber dafür war jetzt keine Zeit. Die Ratten hatten bereits verkündet, dass Han zurück war, es würde also nicht lange dauern, bis Lady Proximas Schläger kamen, um nach ihm zu suchen.

Qi’ra griff nach seiner Hand und rannte los. Sie wusste, dass er ihr folgen würde; sie vertrauten einander inzwischen blind, keiner zweifelte am anderen. Ihr Herz schwoll an, während sie dahinrannte, erfüllt von der Hoffnung, dass sie diesmal vielleicht tatsächlich in die Freiheit entkommen konnten.

Sie machte einen Bogen um einen Tunnel, in dem weitere Straßenratten saßen; die Kinder würden sie ohne Zögern verraten, solange dabei eine Viertelportion mehr Essen für sie heraussprang. Stattdessen bog sie in einen stillgelegten Tunnel, den sie bereits auf der Suche nach schnellen Fluchtwegen erforscht hatte.

Es war kein Tunnel, in dem jemand freiwillig Zeit verbringen würde. Qi’ra hatte sich gefragt, ob das wohl so gewollt war oder ob die Grindaliden sich einfach nicht darum scherten. Hier gab es keinen warm glühenden Brennofen, nur den ganz speziellen, durchdringenden Gestank von Abfall und Schimmel, Blut und abgestandenem Wasser. Der feuchte Boden schmatzte unangenehm unter ihren Füßen, und sie wollte gar nicht daran denken, durch was sie da hindurchrannten.

Sie drehte den Kopf, um Han zu erklären, warum sie diesen besonders verwahrlosten Weg nahmen, aber da wechselte der Ausdruck auf seinem Gesicht plötzlich von hoffnungsvoller Aufregung zu Verzweiflung. Qi’ra blieb ruckartig stehen, woraufhin Han von hinten gegen sie prallte und sein Gesicht gegen ihren Hinterkopf donnerte. Mit einem Fluch stolperte er und rieb sich das ohnehin schon geschwollene Auge.

Der Umriss, der sie so abrupt zum Stillstand gebracht hatte, stieß ein gutturales Lachen aus.

Qi’ra stöhnte. Moloch. Der hünenhafte Schläger war die rechte Hand von Lady Proxima. Im Gegensatz zu den meisten Würmern trug er Schutzkleidung, um den Elementen zu trotzen – sein blasser, runzliger Körper war unter braunen Roben verborgen, deren Stoff stellenweise durch die stinkenden Chemikalien in den Tunneln weiß verfärbt war, außerdem trug er einen Verdampfer: eine Maske, die sein Gesicht vor der Sonne abschirmte und es stetig befeuchtete. Jetzt gerade war die Maske hochgeschoben, und seine weiße Fratze mit dem faltigen Maul blinzelte sie an.

Neben ihm stand Rebolt, ein Junge, der gemeinsam mit Han und Qi’ra hier aufgewachsen war. Sein Ziel war immer gewesen, Anführer der Straßenratten zu werden, aber die beiden hatten diesen Traum Mal um Mal durchkreuzt. Stattdessen war Qi’ra zum Mädchen Nummer eins aufgestiegen, zu Lady Proximas Liebling. Doch das war ein Vorteil, den sie heute nicht ausnutzen konnte; die Lady war zu schlau, um auf billige Tricks hereinzufallen.

Unglücklicherweise war Rebolt jedoch zu Molochs Liebling geworden, und das vermutlich aus denselben Gründen, aus dem Lady Proxima ihn ablehnte. Er war nicht schlau, es fehlte ihm an Initiative, und er folgte blind jedem Befehl. Rebolt würde sich nie gegen Moloch wenden, ganz einfach weil er nicht wusste, wie. Gegenwärtig half er seinem Meister, die Ratten zu schikanieren, die »zurechtgestutzt werden mussten«, wie Moloch es ausdrückte. Und nichts gefiel ihm mehr, als Han und Qi’ra zurechtzustutzen.

»Han. Genau die Ratte, nach der wir gesucht haben«, sagte Moloch, wobei sein Mund sich zur Furcht einflößenden Imitation eines Lächelns verzog.

Han trat gelassen vor Qi’ra und setzte das schiefe Grinsen auf, das so typisch für ihn war. »Moloch. Wie geht’s, wie steht’s? Ich war gerade auf dem Weg zu Lady Proxima.« Er machte einen Schritt nach hinten, sodass er gegen Qi’ra prallte. Als seine Hand die ihre streifte, drückte er ihr geschickt die Phiole in die Finger. Qi’ra verlagerte das Gewicht, um seiner Bewegung zu folgen, und ließ den Zylinder unauffällig in ihre Tasche fallen.

»Hast du unsere Credits?« Moloch hatte noch nie viel für Höflichkeiten übriggehabt.

Han schnitt eine reuevolle Grimasse und deutete auf sein geschwollenes Gesicht. Qi’ra wusste, es war Zeitverschwendung, bei den Würmern Mitleid erregen zu wollen; das würde niemals funktionieren. Aber Han versuchte es trotzdem. »Weißt du, ich hatte eine wirklich harte Nacht. Du wirst es nicht glauben … Ich meine, du wirst es glauben, aber …«

Moloch hatte genug gehört. Er drehte sich zu Rebolt um. »Durchsuch ihn.«

Rebolt hatte blasse, pockennarbige Haut und ein Gesicht, das immer finster wirkte. Selbst wenn er lächelte, sah es bedrohlich aus. Nun fuhr er Han an stillzuhalten.

Qi’ra trat zurück, während Rebolt Hans Kleidung abklopfte, an dem Stoff zog und Nähte zusammendrückte, um herauszufinden, ob irgendwo Geheimtaschen verborgen waren. Han ließ diese Inspektion seiner Jacke und Hose willig über sich ergehen und leistete auch keinen Widerstand, als Rebolt ihn herumschubste. Das Einzige, was die andere Straßenratte fand, waren Hans Werkzeuge, welche er auf den Boden warf.

Qi’ra schob die Phiole tiefer in ihre Tasche und versuchte, in angemessenem Maße besorgt dreinzublicken, ohne dabei schuldig zu wirken. Das Gute war, dass die meisten Grindaliden nie wirklich gelernt hatten, die menschliche Körpersprache zu interpretieren. Vor Rebolt musste sie sich allerdings in Acht nehmen, und so schob sie sich langsam in die Schatten zurück, darauf hoffend, dass niemand auf sie achten würde.

Rebolt runzelte verwirrt die Stirn. Er hatte weder Phiolen noch Credits entdeckt, obwohl er so sicher gewesen war, dass er sie bei Han finden würde. Nun blickte er in Erwartung neuer Instruktionen zu Moloch hinüber. »Lady Proxima wird wissen, was mit ihm zu tun ist«, erklärte der Grindalid mit einer Geste in Hans Richtung. Rebolt packte Han an den Armen, und Qi’ra spannte die Muskeln, bereit, durch den Tunnel zu fliehen. Da richteten sich bereits Molochs Augen auf sie – der Mistkerl konnte schließlich im Dunkeln sehen –, und er musterte sie. Doch nur einen Moment, dann wandte er sich ab, und sie lächelte in der Finsternis. Sie war ungeschoren davongekommen, sie hatte etwas in ihrer Tasche, das Hunderte Credits wert war, und Moloch und Lady Proxima würden noch eine Weile mit Han beschäftigt sein!

Sie konnte fliehen. Sie konnte die Phiole nehmen, diesen Planeten verlassen und nie wieder zurückblicken. Aber Han war zurückgekommen, obwohl er einen Speeder und das Coaxium gehabt hatte. Er könnte inzwischen bereits auf halbem Weg zu den Sternen sein. Sie fluchte leise. Dieser dämliche, loyale Trottel. Er war ihretwegen zurückgekommen, und sie hatten ihn erwischt. Jetzt würde Lady Proxima ihn verkaufen oder ihn fressen oder etwas noch Schlimmeres mit ihm anstellen.

Das Coaxium war ihr Weg in die Freiheit. Sie strich mit den Fingern über das kühle Metall in ihrer Tasche, dann seufzte sie und drehte sich um. Sie stand in Hans Schuld. Und sie hasste es, Schulden zu haben.

Na ja, immerhin ist Qi’ra entkommen, dachte Han. Sie war mit ihrem Schatz davongeeilt, was zwar nicht Teil seines Plans gewesen war. Aber es war ihm trotzdem lieber, wenn sie das Coaxium hatte und nicht Lady Proxima. Natürlich tat es weh, dass sie gegangen war, doch er versuchte, den Schmerz zu ignorieren, und konzentrierte sich stattdessen auf den Schläger, der ihn neben sich herzerrte.

Rebolt hatte seinen Arm fester gepackt, als eigentlich nötig war. »Ich werde das genießen«, zischte er in Hans Gesicht.

Han verzog das Gesicht. »Weißt du, was niemand genießt? Deinen Atem, Rebolt.«

Die andere Straßenratte spuckte ihm ins Gesicht, als wollte er sichergehen, dass Han einen Teil dieses Geruchs mit sich nahm, wohin er auch ging.

Das Versteck war aus ausgemusterten Wohnwürfeln errichtet worden, welche sie aus abgebrochenen corellianischen Bauprojekten geborgen hatten. Verbunden wurden sie durch massive, rostige Entsalzungsrohre, trotzdem konnten weder die Grindaliden noch die Menschen, derer sie sich annahmen, als sauber bezeichnet werden. Das gesamte Gewölbe roch nach Abwasser, ein erdrückender Gestank, an den man sich nie wirklich gewöhnte. Und er wurde immer intensiver, je näher man dem Zentrum kam, wo Lady Proxima hauste.

Ihre Höhle war eine übel riechende Grube im Herzen des aufgegebenen Lagerhauses. Alte Maschinen und Werkzeuge lagen noch immer auf dem Boden umher, aber man hatte sie zur Seite geräumt, um Platz für die mit Wasser gefüllte Grube in der Mitte des Raumes zu machen. Um einen angenehmen Nistplatz für ihre Königin daraus zu machen, hatten Proximas Untertanen vor langer Zeit alle Fenster geschwärzt. Han erinnerte sich noch gut daran, wie er geholfen hatte, das Becken zu reinigen, in dem sie mit ihren Jungen lebte. Die Zisterne reichte bis tief unter die Stadt und verästelte sich in mehrere Kammern. Hans Versuche, den Schmutz von der Wasseroberfläche abzuschöpfen, waren sofort wieder zunichtegemacht worden, als Lady Proxima aus den trüben Tiefen ihres Beckens aufgetaucht war.

Auch jetzt war das Wasser schmutzig, schlammig, mit einem dünnen, öligen Film, welcher im Licht der schwachen Glühbirnen schillerte. Die Elektrizität, die sie für die Beleuchtung brauchten – und auch um das Versteck für Menschen bewohnbar zu machen –, zwackten sie von einem nahen Stromnetz ab. Man konnte trotzdem nicht tief in das dunkle Becken sehen, aber der Geruch des verschmutzten Wassers begrüßte einen dafür schon draußen auf dem Gang. Die schlimmste Beleidigung, die eine Straßenratte einer anderen an den Kopf werfen konnte, war der Ausdruck, sie solle doch gehen und das Wasser der Lady trinken.

Natürlich benutzte niemand diese Beleidigung, wenn man in Proximas Hörweite war.

Rebolt schubste Han in eine Pfütze Abwasser vor dem Becken. Einige weitere Ratten hatten sich versammelt, die das Spektakel beobachten wollten, und Han musterte sie, um zu sehen, ob vielleicht ein freundliches Gesicht unter ihnen war. Er konnte keines entdecken. Rebolt lockerte seinen Griff und wandte sich ihrer Anführerin zu, die nun wie eine sagenumwobene Meeresschlange aus dem Wasser emporstieg.

Sie war hässlich, aber sie war auch ihre Königin. Lady Proxima hatte das Aussehen eines dicken, faltigen Wurms mit fahlweißer, glänzender Haut, dazu ein schnabelartiges Gesicht und zwölf Arme, einige dürr, einige kräftiger, und alle endeten sie in Klauen. Gehüllt war sie in Metall und Ketten, als hätte sich ein Wurm in Metallspänen gewälzt und sich dann selbst zum Adeligen erklärt.

Als sie ihren Schnabel aufklappte, wurde der Gestank in dem Raum noch ein wenig schlimmer. Han verzog den Mund – selbst nach all den Jahren des Übens konnte er seine instinktive Reaktion nicht verbergen. Eine junge Straßenratte schnitt ebenfalls eine Grimasse, wofür sie postwendend eine Ohrfeige von einem der älteren Kinder kassierte.

Die Diener, die vor ihrer Königin standen, neigten die Köpfe, und einige der Ratten folgten ihrem Beispiel. Han nickte lediglich und wartete.

Lady Proxima schenkte der Ehrerbietung keine Beachtung; sie starrte Han an, musterte ihn von Kopf bis Fuß und sagte dann schließlich: »Man hat dich übel zugerichtet, Junge. Was ist passiert?«

Hans Augen weiteten sich, und er versuchte, empört dreinzublicken. »Was passiert ist? Die haben dich aufs Kreuz gelegt und versucht, mich umzubringen.«

Lady Proxima gab ein verschnupftes, zischendes Geräusch von sich, das Gelächter andeuten sollte. Offensichtlich glaubte sie ihm kein Wort. »Ach ja? Und das Geld?«

Han bemühte sich, seinen Tonfall ruhig zu halten. »Haben sie behalten.«

Lady Proxima nickte. »Und mein Coaxium?«, fragte sie mit harter Stimme – ein Vorbote des kommenden Sturmes. Es war eine rhetorische Frage; sie wusste, ihre Schläger hätten ihr bereits das Coaxium gebracht, hätten sie welches bei ihm gefunden.

Han zuckte mit den Schultern. »Das haben sie auch behalten. Aber …«, fügte er hinzu, als er ihren wachsenden Zorn sah. Er suchte nach den passenden Worten, die er an dieses »Aber« anhängen könnte, und das Beste, was ihm einfiel, war: »Dafür haben wir immerhin eine wertvolle Lektion gelernt: Wir können diesen Kerlen nicht trauen.« Er lächelte, zuversichtlich, dass er die Schuld für alles auf Kilmo und seine Bande abgewälzt hatte.

Lady Proximas Stimme wurde lauter, und Zorn stieg in ihr hoch, ebenso wie sie vor ein paar Sekunden aus ihrem Becken hochgestiegen war. »Ich soll also glauben, dass du mit leeren Händen zurückgekommen bist?«

»Na ja, ich bin lebendig zurückgekommen. Ich denke, das ist doch was«, entgegnete Han, die Arme ausgebreitet, um zu zeigen, dass er die wichtigere Trophäe war – Proximas gute, kleine Straßenratte.

Zu guter Letzt wandte Lady Proxima die Augen von ihm ab, um Moloch einen fragenden Blick zuzuwerfen.

Der verhasste Grindalid trat vor und räusperte sich. »Er hatte nichts bei sich«, erklärte er, wobei er erneut die Hand ausstreckte und Hans Taschen abklopfte, um zu demonstrieren, dass sie leer waren.

Lady Proximas angespannte Contenance begann, weitere Risse zu zeigen. Sie richtete sich weiter auf. »Ich habe dir eine einfache Aufgabe anvertraut, und alles, was ich höre, sind Ausreden.«

Schmerzen explodierten in Hans Mitte, als Rebolt ihm einen Stab in den Bauch rammte. Er krümmte sich und kämpfte eine plötzliche Woge der Übelkeit nieder, während sein Zwerchfell gegen diesen zweiten brutalen Schlag innerhalb einer Stunde protestierte. Er hatte nicht gesehen, dass Lady Proxima das Kommando gegeben hätte – vermutlich hatte Rebolt ihn also aus eigenem Antrieb geschlagen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er einen eigenen Gedanken, dachte Han. Schön für ihn.

Er kippte auf die Knie und landete auf allen vieren in der schleimigen Pfütze. Dabei klemmte er sich einen Finger zwischen zwei Steinen ein, was ihn zumindest einen Moment von den Schmerzen ablenkte. Er riss seine Hand frei und konzentrierte sich darauf, wieder zu Atem zu kommen.

Lady Proxima hatte sich derweil an die versammelte Menge gewandt. »Passt gut auf, Kinder. Lernt von Hans Fehler. Ich gebe euch alles, was ich habe, all meine Liebe, meinen Schutz, genau wie ich es Han gegeben habe. Und alles, was ich im Gegenzug verlange, sind Gehorsam und Loyalität. Aber es muss Konsequenzen für Ungehorsam geben. Ansonsten werdet ihr es niemals lernen.«

Han entdeckte Qi’ra am hinteren Rand der Menge, von wo aus sie ihn mit steinerner Miene beobachtete. Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht recht deuten, aber sie war geblieben. Das reichte ihm.

Rebolt schlug erneut zu. Diesmal traf er ihn an der Schulter, und beinahe wäre Han mit dem Gesicht voran in das Becken gekippt. Er schaffte es, den Kopf zu heben und zu Lady Proxima hochzublicken, die seiner Abreibung mit offensichtlicher Befriedigung beiwohnte.

Han hatte genug Prügel für einen Tag eingesteckt. Er spuckte Blut in die schleimige Pfütze. »Weißt du was?«, sagte er. »Ich schätze, ich bin unbelehrbar.«

Lady Proximas hässliches Gesicht zog sich zusammen wie eine blasse Faust. »Was hast du gesagt?«

Han stemmte sich auf die Knie hoch. Endlich konnte er wieder durchatmen. »Ich sagte …«

Rebolt wählte diesen Moment, um erneut diese neu entdeckte Initiative zu ergreifen und ein drittes Mal zuzuschlagen. Diesmal zielte er auf Hans Kopf. Doch Han fing den Stab mit seinen nassen Händen ab und riss ihn aus Rebolts Fingern. Anschließend drehte er ihn herum und stand auf – jetzt hatte er eine Waffe. Der Schrecken auf dem Gesicht des anderen Jungen, kurz bevor Han ihn mit dem Stab traf, war unbezahlbar und würde ihm noch lange Zeit im Gedächtnis bleiben.

»Das nächste Mal, wenn mich jemand schlägt, schlag ich zurück«, sagte er. Er würde nicht länger versuchen, den Unterwürfigen zu spielen und zu beschwichtigen. Damit war jetzt Schluss.

Lady Proxima brüllte vor Zorn, und bevor Han Rebolt noch ein paar weitere hochverdiente Hiebe verpassen konnte, blickte er plötzlich direkt in die Mündung von Molochs Blaster.

»Und was, Junge, wirst du wohl tun, wenn ich dich erschieße?«, schnappte der Grindalid. Ausnahmsweise fiel Han keine schlagfertige Entgegnung ein. Er sah, wie sich Molochs Finger krümmte, und er wappnete sich, von heißem Blasterfeuer durchbohrt zu werden, aber da legte sich eine schlanke Hand auf den Lauf und drückte die Waffe sanft von Hans Gesicht fort. Qi’ra war an seine Seite getreten.

»Moloch, warte. Nicht!«, sagte sie, aber obwohl sie mit Moloch sprach, waren ihre Augen auf Lady Proxima gerichtet.

Ringsum sogen die Straßenratten den Atem ein; sie konnten nicht fassen, dass jemand ihrer Königin öffentlich die Stirn bot. Nicht mal Moloch schien zu wissen, wie er reagieren sollte. Alle starrten Lady Proxima an, um ihren Befehl abzuwarten.

Proxima selbst blickte auf ihr neues Ärgernis hinab und lächelte, und da war etwas Gütiges in ihrem Gesicht. Han wusste, dass Qi’ra ihr Liebling war. »Qi’ra«, sagte Proxima. »Du armes, fehlgeleitetes Ding. Erinnere dich an das Silo. Wir haben dich aus diesem Albtraum befreit, dir ein Zuhause gegeben. Unterschlupf vor dem Sturm. Wirf das nicht alles für Han weg. Er ist es nicht wert.«

Han wollte protestieren, dass er eine ganze Menge wert war, aber vermutlich war es besser, sich nicht einzumischen. Das war eine Sache zwischen Qi’ra und Proxima.

Qi’ra legte die Hand auf Hans Schulter und stellte sich damit unwiderruflich auf seine Seite. »Aber er ist lebend mehr wert als tot. Was immer er bei dem Deal verloren hat, du kriegst es von uns zurück. Das Doppelte! Wir machen es wieder gut.«

Moloch lachte. Qi’ras Finger lagen noch immer auf dem Lauf seines Blasters. »Coaxium ist teuer. Straßenratten sind billig.«

Die meisten der Straßenratten ringsum nickten. Sie hatten genug durchlitten, um zu wissen, wie wenig sie in den Augen ihrer Meister wert waren. Ein paar wenige wirkten betrübt oder gar wütend über die Worte – das waren diejenigen, die es eines Tages vielleicht hier herausschaffen würden.

Lady Proxima nickte im Einklang mit Moloch. »Fürs Feilschen ist es jetzt zu spät. Ich habe keine andere Wahl, als ihn zu töten.« Nachdenklich musterte sie Qi’ra. »Dich kann ich vielleicht verkaufen. Ein paar Credits wirst du schon noch einbringen.«

Qi’ra öffnete den Mund, um etwas zu sagen, was sie vermutlich nicht zurücknehmen konnte, und Han nutzte die Gelegenheit, um die Hand über seinen Kopf zu heben.

»Also gut, alle zurück!«, rief er, wobei er das Objekt in seiner Hand vorzeigte.

Die anderen Anwesenden schreckten zurück; sie alle wussten nur zu gut, wie viele tödliche Waffen man an seinem Körper verstecken konnte. Dass man Han bereits durchsucht hatte, schienen sie dabei ganz zu vergessen.

Doch Lady Proxima erinnerte sich unglücklicherweise daran. Sie zuckte nicht mal mit der Wimper. »Was soll das denn werden, wenn’s fertig ist?«

»Das ist ein Thermaldetonator«, verkündete Han mit kräftiger, selbstbewusster Stimme. Er bewegte seinen Daumen und machte ein leises, klickendes Geräusch. »Den ich gerade scharfgemacht habe.«

Lady Proxima verschränkte unbeeindruckt ihre dünnen Arme. »Das ist ein Stein.«

Han schloss die Finger fester um den Gegenstand. »Nein, ist es nicht.«

Proxima war mit der Geduld am Ende und richtete sich in ihrem Becken auf. »Ist es doch. Und du hast ein Klickgeräusch mit deinem Mund gemacht. Mehr hast du nicht zu bieten, Junge?«

»Bitte sag mir, dass das nicht dein Plan ist«, flüsterte Qi’ra mit gedämpfter Stimme.

Hans Bluff war aufgeflogen, und er tat das Einzige, was ihm einfallen wollte. »Nein«, sagte er. »Aber das …« Mit diesen Worten schleuderte er den Stein durch eines der geschwärzten Fenster.

Das Glas zerbarst mit einem befriedigenden Klirren, und die Straßenratten schrien vor Schmerz und Schrecken auf, als schwarze Splitter auf sie herabregneten. Doch diese Schreie waren nichts verglichen mit den Lauten, die Lady Proxima von sich gab.

Seit Han die Tunnel betreten hatte, war die Sonne aufgegangen, um der grauen Stadt ihre ganze Pracht zu zeigen, und ihr Licht war selbst bis in die Slums vorgedrungen. Jetzt, wo die geschwärzte Barriere zerschlagen war, flutete es in den Raum, der seit Jahren im Dunkel gelegen hatte, und tauchte Lady Proxima in einen glühenden Schein.

Ihre weiße Grindaliden-Haut und auch die Haut ihrer Untertanen, die keine Schutzanzüge trugen, warfen sofort Blasen, die zischend platzten und nässten. Ihr Kreischen war lauter als alles, was Han je gehört hatte, und sie wand sich, um dem Licht zu entfliehen, das ihren Körper verbrannte. Schließlich tauchte sie in die rostigen Tiefen ihres Beckens hinab, um dort Zuflucht vor der Sonne zu finden. Zurück blieb ein Film aus weißem Blut im dunklen Wasser.

Der Gestank von gegrilltem Grindaliden – etwas, was Han niemals hatte riechen wollen – stach in seine Nase und ließ ihn husten. Er wartete aber nicht, um zu sehen, wer sonst noch verletzt worden war. Stattdessen packte er Qi’ras Hand, und sie rannten los.

3. Kapitel

Zunächst glaubte Qi’ra, dass sie Glück hatten und niemand ihnen folgte. Die Ratten hatten zu große Angst, und die unversehrten Grindaliden würden sich zunächst um ihre Herrin und ihre verletzten Kameraden kümmern. Die meisten der lichtscheuen Wesen waren von den Sonnenstrahlen getroffen worden.

Doch Rebolt war ein Mensch, und Moloch hatte sofort die Maske seines Schutzanzugs aktiviert, um sein Gesicht zu verbergen. Und die beiden würden wild entschlossen sein, Han und Qi’ra zu töten. Wer sich gegen die Weißwürmer stellte, durfte keine Gnade erwarten. Niemand, der die Lady verletzte, würde das überleben.

»Du bist geblieben«, sagte Han, wobei er mit einem Grinsen zu ihr hinüberblickte.

Sie stießen eine junge Straßenratte aus der Bahn, die gerade durch die Tunnel schlurfte und ihre nächtliche Ausbeute zählte, nichts ahnend, welches Chaos gerade in Lady Proximas Heiligstem herrschte. Das Kind protestierte wütend, als sich sein Diebesgut über den Boden ergoss.

»Ja«, sagte Qi’ra. »Auch wenn ich inzwischen nicht mehr so sicher bin, ob das eine gute Idee war. Hast du einen Plan?«

»Natürlich.«

»Ich hoffe, er involviert mehr, als nur zu deinem gestohlenen Speeder zu rennen und davonzubrausen.«

»Du kennst mich so gut«, erwiderte er mit einem Zwinkern.

Sie hatten keine Zeit, sich durch aufgegebene Seitentunnel nach draußen zu schleichen; sie stürmten direkt auf den Ausgang zu und stießen die dort aufgestellte Wache, Syke, mit der Schulter zur Seite. Syke und Rebolt waren die Hüter der großen corellianischen Hunde, Kreaturen, die einfach alles angriffen, und das mit solcher Vehemenz, dass sie sich dabei regelmäßig die Zähne abbrachen – was aber kein Problem war, da ihre Zähne nachwuchsen. Als wären die Bestien nicht schon Furcht einflößend genug …

Sykes Hund hatte neben ihm auf dem Boden geschlafen. Nun wachte er mit einem Knurren auf, aber Qi’ra schlug ihm die Tür ins Gesicht und stieß dann ein Fass um, um die Tür von außen zu blockieren. Womit immer dieses Fass gefüllt gewesen war, es ergoss sich nun über den Boden, und Qi’ra hoffte, dass der Gestank ausreichte, um die Hunde von ihrer Fährte abzubringen.

Han deutete auf den Speeder. Es war offensichtlich, dass er gestohlen war; in diesem Teil der Stadt bekam man nie etwas so Schönes zu Gesicht. Der Lack war von einem tiefen Violett, beinahe Blau, und absolut makellos. Qi’ra wollte fragen, wie Han es geschafft hatte, Kilmo den Gleiter unter der Nase wegzustehlen, aber da hörte sie das Bellen der Hunde hinter sich, und sie hüpfte kurz entschlossen in das Fahrzeug. Die Fragen konnten bis später warten, beschloss sie.

Einen Moment nahm sie sich dann aber doch, um bewundernd mit der Hand über die Konsole zu streichen. »Ein M-68. Nicht schlecht.«

»Schick, oder?«

»Er ist großartig. Aber dir ist klar, dass wir ihn vermutlich verkaufen müssen, oder?«

Han, der gerade das Triebwerk startete, zuckte zusammen, als hätte sie ihm mitten ins Herz gestochen, aber er widersprach nicht. Zwei Plätze auf dem nächsten Transportschiff zu organisieren, das den Planeten verließ, würde nicht billig werden. Auch noch einen Speeder mitzunehmen kam nicht infrage, jedenfalls nicht, falls sie an ihrem Zielort noch Geld für Essen haben wollten.