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Die Aufgabe der Beurteilung existierender Tragwerke stellt sich bei Umbauten oder Umnutzungen, und zunehmend auch bei der Einschätzung der Standsicherheit von öffentlich zugänglichen Bauwerken. Bei realistischer Beurteilung können Tragreserven durch Reparaturmaßnahmen aktiviert und somit die Eingriffe
auf ein Mindestmaß begrenzt werden, was besonders unter denkmalpflegerischen Randbedingungen erwünscht ist.
In Band 2 werden die handwerklichen Holztragwerke Mitteleuropas untersucht. Das Buch führt kurz in den Holzwerkstoff ein. Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Bestandsuntersuchung wird dargelegt, auch im Hinblick auf Identifikation und Datierung historischer Schäden und Reparaturen. Handnahe Untersuchungen und zerstörungsfreie Prüfungen werden erläutert, ebenso wie die Grundlagen der Standsicherheitsbeurteilung von Tragwerken mit langer Standzeit. Den Hauptteil des Werkes nimmt die detaillierte Diskussion der Konstruktionssysteme und Anschlüsse historischer Decken- und Dachtragwerke ein; das Tragverhalten wird an überaus zahlreichen Berechnungsbeispielen erläutert.
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Seitenzahl: 472
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Titel
Impressum
Vorwort
1: Historische Tragwerke aus Holz
2: Holz als Werkstoff historischer Tragwerke
2.1 Vom Baum zum Holztragwerk
2.2 Materialeigenschaften der wichtigsten Konstruktionshölzer
3: Untersuchung historischer Holztragwerke
3.1 Grundsätzliches Vorgehen bei der Tragwerksbeurteilung historischer Holztragwerke
3.2 Aufmaß
3.3 Datierung der Bau- und Reparaturphasen
3.4 Handnahe Untersuchung und zerstörungsfreie Prüfung, Zustandskartierung
3.5 Berechnungsannahmen für die Berechnungsbeispiele
4: Deckentragwerke und flachgeneigte Pfettendächer
4.1 Konstruktion historischer Deckentragwerke
4.2 Konstruktion historischer flachgeneigter Pfettendachwerke
4.3 Rechnerische Modellierung der Anschlüsse des „italienischen“ Pfettendachbinders
4.4 Typische Konstruktionen und deren Tragverhalten
4.5 Analyse „italienischer“ Pfettendachbinder: Tragverhalten und typische Schäden
4.6 Zusammenfassung
5: Sparrendächer
5.1 Binderlose Sparrendächer
5.2 Sparrendachwerke mit stehenden Stühlen
5.3 Tragverhalten von Blatt- und Zapfenverbindungen mit Holznagel
5.4 Typische Konstruktionen und deren Tragverhalten
6: Dachwerke des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit
6.1 Dachwerke mit liegendem Stuhl
6.2 Hängewerke und ihre Kombination mit dem liegenden Stuhl
6.3 Dachwerke ohne durchgehende Zerrbalkenlage
6.4 Tragverhalten typischer Konstruktionen
6.5 Weitere Konstruktionen
7: Ausklang: Holzbau im 19. Jahrhundert
7.1 Weiterleben der Tradition im Holzbau des 19. Jahrhunderts
7.2 Vom Holzgewölbe zum Bohlendach
7.3 Typische Elemente von Pfettendachwerken des 19. Jahrhunderts
7.4 Schlusswort
8: Literatur
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
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Table of Contents
Begining Reading
3: Untersuchung historischer Holztragwerke
Tabelle 3.1 Übersicht über die verwendeten Materialkennwerte von Holz.
Tabelle 3.2 Zulässige Druckspannungen in [MN/m
2
] im Winkel zur Faser (nach DIN 1052 von 1988).
5: Sparrendächer
Tabelle 5.1 Anzusetzende mittlere Traglasten und Steifigkeiten historischer Holzverbindungen bei Druckbelastung.
6: Dachwerke des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit
Tabelle 6.1 Berechnungsannahmen für das Beispiel „liegender Stuhl“
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contents
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Stefan M. Holzer
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Stefan M. Holzer Universität der Bundeswehr München Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften Institut für Mathematik und Bauinformatik 85577 Neubiberg
Alle Fotos und Grafiken stammen vom Autor selbst oder wurden von ihm angefertigt, sofern nicht anders angegeben.
Titelbild: Dachwerk der Wallfahrtskirche St. Leonhard, Siegertsbrunn b. München Fotograf: Stefan M. Holzer
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2015 Wilhelm Ernst & Sohn, Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Rotherstraße 21, 10245 Berlin, Germany
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Print ISBN: 978-3-433-03058-5 ePDF ISBN: 978-3-433-60382-6 ePub ISBN: 978-3-433-60369-7 eMobi ISBN: 978-3-433-60383-3 oBook ISBN: 978-3-433-60370-3
Die historischen Holztragwerke Mitteleuropas nehmen in mehr als einer Hinsicht eine einmalige Stellung ein. Einerseits sind sie hervorragende Zeugnisse für fast tausend Jahre Bau- und Konstruktionsgeschichte und dokumentierten eindrucksvoll das Können und die technischen Fortschritte vergangener Generationen. Andererseits ist es durch bloßes genaues Hinsehen und unter Einsatz einiger weniger einfacher Hilfsmittel möglich, die Bau-, Last-, Schadens- und Reparaturgeschichte allein anhand des Tragwerks selbst detailliert aufzuschlüsseln. Auch für die statische Beurteilung ergeben sich daraus einzigartige Möglichkeiten, die keine andere Gruppe historischer Konstruktionen so bietet: Die bisherige lange Standzeit der Tragwerke (meist über zwei Jahrhunderte) gewährleistet, dass das Tragwerk mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alle relevanten Lastfälle schon einmal erlebt hat. Jedes signifikante Ereignis in der Geschichte des Tragwerks hat an diesem unauslöschliche Spuren hinterlassen, die man nur abzulesen und zu interpretieren braucht. An die Stelle probabilistischer Standsicherheitsabschätzungen, wie sie beim Entwurf neuer Tragwerke erforderlich sind, können daher oft deterministische Betrachtungen treten. Die mitteleuropäische Zimmerkunst hat sich außerdem von den Anfängen bis etwa 1830 eines zugleich im Vokabular beschränkten und andererseits ungemein flexiblen und leistungsfähigen Konstruktionsrepertoires bedient, das es möglich macht, einige wenige typische Tragwerksarten zu identifizieren und deren Tragverhalten an exemplarischen Fallstudien zu analysieren. Das vorliegende Buch führt vor, wie die typischen Konstruktionen des mitteleuropäischen handwerklichen Holzbaus bis zu den Anfängen des Ingenieurholzbaus zu lesen und zu interpretieren sind. Ziel ist es, einen Beitrag zum möglichst unverfälschten Erhalt dieser faszinierenden Konstruktionen zu leisten. Trotz der langen Arbeit am Manuskript und dem Kampf mit einem fast unerschöpflichen Reichtum an Material kann das Buch natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Es ist aber hoffentlich gelungen, die wichtigsten Aspekte klar herauszuarbeiten.
Die Leser haben auf den zweiten Band viel länger warten müssen, als geplant war. Ihnen und ganz besonders auch dem Verlag Ernst & Sohn, vor allem Frau Claudia Ozimek, sei für die Geduld und das Durchhaltevermögen gedankt. Die Zusammenarbeit mit dem Verlag war stets angenehm.
Das vorliegende Werk hat nicht entstehen können ohne die Zusammenarbeit mit mehreren (ehemaligen) Mitarbeitern, die sich am Institut des Verfassers in Promotions- und Forschungsarbeiten mit historischen Holzbauten auseinandergesetzt haben. Ihnen allen sei herzlich gedankt, namentlich Herrn Dr. Bernd Köck, der barocke Holztragwerke untersucht und dem Verfasser einen wesentlichen Anstoß zum Schreiben dieses Werkes gegeben hat, Frau Anja Säbel M. Sc., die gemeinsam mit dem Autor die erhaltenen Holztragwerke des 19. Jahrhunderts in Süddeutschland erforscht hat, und Herrn Dr. Clemens Voigts, der dem Verfasser bei Rundgängen durch historische Dachwerke vielfach die Augen für unauffällige, aber wichtige Details geöffnet hat. Auch aus dem Kollegenkreis der Denkmalpfleger, Bauforscher und Tragwerksplaner hat der Verfasser vielfache Hinweise und Anregungen erhalten, für die er dankt.
Besonderer Dank gilt schließlich auch meiner Frau und meinen beiden Töchtern, die unter der intensiven Arbeit am vorliegenden Werk mehr als einmal zu leiden hatten und unendliche Geduld und Nachsicht haben aufbringen müssen. Ihnen ist auch dieser zweite Band gewidmet.
München, im Februar 2015
Stefan M. Holzer
Über Jahrtausende hinweg war Holz das wichtigste Baumaterial überhaupt. Die für Bauzwecke nutzbare Stammlänge großer Bäume reicht bis etwas über 20 m. Aus den größten Stämmen dieser Art konnten Balkenquerschnitte bis zu einer Höhe von maximal ca. 50 bis 60 cm gewonnen werden. Ein solcher Stamm weist eine Masse von maximal etwa 3 t auf, war also auch mit relativ einfachen Hebezeugen und Fuhrwerken zu bewegen. Aufgrund des günstigen Verhältnisses von Zugfestigkeit und Eigengewicht eignete sich das Holz zur Konstruktion biegebelasteter Träger größerer Spannweite, während die maximal erzielbare Spannweite steinerner Balken infolge der vergleichsweise geringen Zugfestigkeit von Naturstein (ca. 10% der Druckfestigkeit), des hohen spezifischen Gewichtes und der allgemeinen Schwierigkeit, große fehlerlose Blöcke zu gewinnen, auf wenige Meter begrenzt war. Somit war Holz das ideale Material zur Herstellung biege- und normalkraftbelasteter Träger.
Holz fand Verwendung bei der Herstellung von Tragwerken wie Decken und Dächern, aber auch für aussteifende und raumabschließende Konstruktionen, z. B. beim Bau von Häusern in Block- oder Fachwerkbauweise. Holz wurde aber auch verwendet für die Konstruktion von Fundamenten (Pfähle, liegende Roste, Pfahlroste), für vergängliche Hilfskonstruktionen wie Lehr- und Arbeitsgerüste und für den Maschinenbau (Mühlen; Baumaschinen wie Hebezeuge und Rammen). Die Mehrzahl aller Brücken in Mitteleuropa bestand ebenfalls aus Holz (Bild 1.1). Mit dem Bauwesen konkurrierte überdies der Schiffbau um das beste Konstruktionsholz.
Jenseits des konstruktiven Einsatzes von Holz wurden riesige Mengen an Brennholz insbesondere für das Verhütten von Erz, die Salzgewinnung aus Salzsole und das Brennen von Kalk oder Tonwaren sowie für häusliche Zwecke wie Heizen und Kochen verbraucht. Mit dem Beginn der industriellen Revolution verschärfte sich die Situation. Der Bauholzbedarf war gegenüber dem Brennholzbedarf von weit untergeordneter Bedeutung. Örtlich führte die immense Nachfrage nach dem Brennstoff Holz in Kombination mit einer nicht nachhaltigen Waldbewirtschaftung schon zu Beginn der frühen Neuzeit zu Holzmangel. Im 18. Jahrhundert setzte sich daher in Mitteleuropa die geregelte Forstwirtschaft durch. Den Höhepunkt erreichte der Holzmangel um 1800. Der Holzmangel wirkte sich auch direkt auf den Einsatz von Holz im Bauwesen aus. Er war eine der wichtigen Triebfedern, die die Entwicklung innovativer Bauweisen initiierten: Die traditionellen, meist statisch unbestimmten, redundanten und daher aus Sicht der Zeitgenossen um 1800 „holzverschwendenden“ Holzkonstruktionen wurden nun allmählich durch „holzsparende“, also entsprechend den statischen Erfordernissen dimensionierte und tendenziell statisch bestimmte Tragwerke abgelöst. Auch die wachsende Verwendung von Stahl, der ab dem frühen 19. Jahrhundert unter Einsatz von Koks anstelle von Holzkohle verhüttet werden konnte und damit kostengünstiger wurde, gehört in diesen Zusammenhang. Jedoch behielt das Holz insbesondere beim Bau von Brücken und Dachwerken bis weit in das 19. Jahrhundert hinein eine herausragende Bedeutung. Erst die Erfindung eines „zugfesten Steinmaterials“ in Form des bewehrten Betons beendete bei vielen Ingenieurbauaufgaben um 1900 die prominente Rolle des Holzes.
Bild 1.1 Holzbrücke des 18. Jahrhunderts (Argenbrücke Hiltensweiler).
Holztragwerke erhalten sich über Jahrtausende, wenn sie vor den Einwirkungen der Feuchtigkeit geschützt sind. Dies ist der ausschlaggebende Grund dafür, dass der immer noch gewaltige Bestand historischer Holzkonstruktionen in ganz Europa vor allem in Form von Dachwerken vorliegt. Im ariden Klima der Sinaihalbinsel hat sich der spätantike Dachstuhl der dortigen Katharinenklosterkirche bis heute fast schadfrei erhalten. In Mitteleuropa lassen sich Feuchtigkeitseinflüsse nie ganz ausschließen; dennoch reichen auch im deutschsprachigen Raum erhaltene historische Dachwerke bis ins 12. Jahrhundert zurück und insbesondere aus dem 14./15. Jahrhundert und aus dem 17./18. Jahrhundert – Zeiten großer Bautätigkeit – sind noch unzählige derartige Konstruktionen erhalten. Zahlenmäßig fallen dagegen die Konstruktionen aus dem 13., 16. und 19. Jahrhundert stark ab.
Der Tragwerksplaner, der sich heute mit der Beurteilung historischer Holzkonstruktionen konfrontiert sieht, hat es somit meist mit einem mehr oder weniger weit gespannten Dachtragwerk zu tun (Bild 1.2). Deswegen ist das vorliegende Werk besonders auf die historische Entwicklung, die verschiedenen Konstruktionsarten und das Tragverhalten sowie die Standsicherheit historischer Dachwerke fokussiert. Die Vorgehensweise, die hier am Beispiel der Dachtragwerke erläutert wird, kann jedoch in vielerlei Hinsicht auch auf andere Bauwerke übertragen werden. Tragwerksplanerisch weniger anspruchsvolle Bauten wie Fachwerkhäuser weisen dieselben zimmermannsmäßigen Holzverbindungen und Konstruktionselemente auf. Bei der Sanierung eines alten Fachwerkhauses sind allerdings in erster Linie der Bauphysiker und der Architekt gefragt, so dass dieses Thema aus dem vorliegenden Buch völlig ausgeklammert worden ist. Wer sich speziell mit der Renovierung, Umnutzung und Wiederherstellung von Fachwerkhäusern beschäftigt, findet anderweitig eine reiche Spezialliteratur. Wesentlich seltener als Dachwerke und Holzhäuser haben sich reine Ingenieurbauwerke aus Holz über die Jahrhunderte erhalten. Derjenige Tragwerksplaner, der das Glück hat, sich mit einer historischen Holzbrücke des 18. oder 19. Jahrhunderts auseinanderzusetzen (Bild 1.1), wird allerdings dort dieselben Konstruktionsideen wie im Dachwerksbau wiederfinden und auch mit denselben Beurteilungskriterien wie bei Dachtragwerken arbeiten können. Daher konnte auch der historische Brückenbau aus dem vorliegenden Werk ausgespart bleiben.
Bild 1.2 Historisches Dachwerk (ehem. Abteikirche Fürstenfeldbruck, frühes 18. Jh.).
Historische Holztragwerke verdanken ihre Gestalt zumeist nur zu einem geringen Teil der eigentlichen Tragwerksplanung. Bei der Wahl eines bestimmten Konstruktionssystems waren historisch nicht nur die erwarteten Beanspruchungen der einzelnen Konstruktionsglieder, sondern vielmehr herstellungstechnische Randbedingungen ein wesentliches, wenn nicht das ausschlaggebende Entscheidungskriterium. Da Maschinen und Hebezeuge bis weit ins 19. Jahrhundert fast ausschließlich durch tierische oder menschliche Muskelkraft bewegt wurden, musste das Tragwerk derart konzipiert werden, dass es aus möglichst gut handhabbaren Stücken vor Ort zusammengesetzt werden konnte. Die Konstruktion selbst diente, wenn irgend möglich, auch als ihr eigenes Bau- und Hebegerüst. Aus diesem Grund ist es zum Verständnis der Struktur historischer Holzkonstruktionen unbedingt notwendig, auch die zeitgenössischen Techniken des Aufrichtens wenigstens im Ansatz zu kennen. Der moderne Tragwerksplaner, der es gewohnt ist, bei hochbelasteten Tragwerksteilen große Querschnitte anzuordnen, bei gering belasteten Teilen hingegen Material zu sparen, wird durch das optische Erscheinungsbild historischer Holzkonstruktionen oft unwillkürlich zu einem unzulässigen Umkehrschluss verleitet, nämlich zu der Annahme, die Kräfte flössen im historischen Tragwerk vor allem dort, wo Material konzentriert ist. Dies ist keineswegs immer der Fall. Binder in Dachwerken mit Stuhlkonstruktionen nehmen oftmals nur geringfügig höhere Lasten auf als die scheinbar „schwächeren“ Leergespärre. Oftmals reichen ebene Berechnungsmodelle zur Standsicherheitsbeurteilung bei weitem aus, obwohl das Tragwerk auf den ersten Blick eine komplizierte räumliche Stabstruktur zu sein scheint. Bei scheinbar vielfach statisch unbestimmten Tragwerken lässt sich häufig eine sehr einfache dominante Lastabtragung identifizieren, die durch eine statisch bestimmte Modellbildung ganz schnell abgeschätzt werden kann. Im vorliegenden Buch werden solche Effekte anhand von typischen Beispielen untersucht und exemplarisch durchgerechnet. Dem Tragwerksplaner soll damit ausdrücklich eine Anleitung zur einfachen, aber dennoch systemgerechten statischen Modellbildung gegeben werden. Dem historischen Tragwerk ist weder mit einer in Eingabe und Berechnung aufwendigen, unübersichtlichen und komplizierten räumlichen Finite-Elemente-Modellierung noch mit einer auf unzulässigen Vereinfachungen beruhenden pauschalen Aburteilung als „einsturzgefährdet“ gedient, sondern nur mit einer Analyse, die so einfach wie möglich, aber auch so realitätsnah wie nötig ist.
Historische Holztragwerke sind häufig auch schon in historischer Zeit schadhaft geworden, zum Beispiel deswegen, weil die Dachdeckung nicht richtig dicht war, der Bauunterhalt zu wünschen übrig ließ oder aber die ursprüngliche Konstruktion schlecht konzipiert war. Der letztgenannte Fall ist gar nicht so selten, und er erfordert ein grundsätzlich anderes Handeln als die Ertüchtigung eines an sich sinnvoll konzipierten Tragwerks, das nur durch irgendeinen unglücklichen Umstand schadhaft geworden ist. Auf Schäden hat man sehr häufig mit Reparaturen in Form behelfsmäßigen Flickwerks reagiert und damit den Zustand des geschädigten Tragwerks mittelfristig nicht verbessert, sondern vielmehr weiter verschlechtert. Manchmal war der partielle Neubau des Tragwerks, unter Umständen unter Verwendung alten Materials, unumgänglich. Manchmal wurden aber auch Subsidiärkonstruktionen oder andere Verstärkungsmaßnahmen realisiert, die auf der Höhe des Fachwissens ihrer Zeit entwickelt wurden und bis heute wirksam sind. Historische Schäden und Reparaturen sind auch für den modernen Tragwerksplaner wichtige Hinweise auf die Schadensgeschichte und können zur Identifikation der Schadensursachen und zur Konzeption einer angemessenen Ertüchtigung wesentlich beitragen. Um in einem historischen Tragwerk überhaupt verschiedene Bau- und Reparaturphasen erkennen zu können, ist ein Grundwissen über die geschichtliche Entwicklung der Techniken der Holzbearbeitung, der zimmermannsmäßigen Holzverbindungen, der eisernen Verbindungsmittel und der Tragsysteme notwendig; dieses Grundwissen wird im vorliegenden Werk vermittelt. Damit wird der Tragwerksplaner in den Stand versetzt, wenigstens ansatzweise das Bauwerk „lesen“ zu können und auf Grundlage einer korrekten Analyse des Ist-Zustandes eine Reparatur oder Ertüchtigung zu planen.
Nichts ist bei einem historischen Holztragwerk schwieriger zu definieren als der Begriff des „Schadens“. Manche Schäden, zum Beispiel Verlust von Konstruktionsteilen durch Fäulnis oder Pilz- und Insektenbefall, sind auch für den Laien sofort erkennbar und erfordern natürlich eine sofortige Elimination der Schadensursachen und eine Reparatur. Andere ebenso leicht erkennbare Schäden können aus tragwerksplanerischer Sicht jedoch als unbedenklich klassifiziert werden. Zum Beispiel haben konzeptionelle Mängel des ursprünglichen Tragwerksentwurfs oftmals zur lokalen Überlastung einzelner Verbindungen oder Bauteile geführt. Beispiele sind ausgerissene Blattverbindungen an zugbelasteten Balken. Da das historische Tragsystem fast immer redundant ist, kann man jedoch oft auch mit diesem Schaden leben und das Tragwerk hat in vielen Fällen seit Jahrhunderten mit dem Schaden existiert. Eine kraftschlüssige Reparatur führt in solchen Fällen zu einer Änderung des Lastabtrags, kann Überlastungen an anderer Stelle induzieren und hilft dem historischen Tragwerk daher unter Umständen wenig. Allerdings ist Bauherren, aber auch vielen Handwerkern und Architekten nichts schwerer zu vermitteln als die Idee, dass ein derartiger augenfälliger „Schaden“ nicht behoben werden muss. Auf keinen Fall sollte die Sanierung eines historischen Holztragwerks dazu führen, dass nach der Maßnahme ein „perfektes“ Tragwerk im Sinne eines modernen Nachbaus in der alten Form vorliegt, eventuell angereichert durch einige quasi museal präsentierte originale Versatzstücke (Bild 1.3).
Bild 1.3 „Sanierung“ eines historischen Holztragwerks oder moderne Kopie mit wenigen alten Versatzstücken?
Ganz besonders auffällig sind oft Risse und Klaffungen im historischen Holztragwerk. Da die eigentlichen Schwachpunkte des historischen Tragwerks immer die Anschlüsse sind und nicht die Balken des Stabtragwerks, sind Schwindrisse im Vollholzbalken meist ohne statische Relevanz, wenn sie nicht gerade mitten durch den Anschluss verlaufen. Laien sehen die Schwindrisse jedoch sofort und werden durch sie häufig beunruhigt. Leider wird immer wieder Geld für die „Sanierung“ von statisch völlig unbedenklichen Schwindrissen verschwendet und damit das optische Erscheinungsbild historischer Tragwerke beeinträchtigt.
Klaffungen an Verbindungen historischer Holztragwerke können unterschiedlichste Gründe haben. Sie können auf einzelne Überlastereignisse oder auf das Schwinden des relativ feucht abgebundenen Holzes zurückgeführt werden. Sehr oft haben Klaffungen ihren Grund aber auch einfach in Arbeitsungenauigkeiten oder montagetechnischen Randbedingungen. Nur mit einer Kenntnis der historischen Arbeitsabläufe lassen sich Klaffungen an Verbindungen zielsicher beurteilen. Der Autor des vorliegenden Buches hat selbst vor vielen Jahren aus Unkenntnis die montagebedingten Klaffungen an den Zapfenanschlüssen eines Kehlbalkendachs als überlastungsbedingte Schäden fehlinterpretiert und möchte andere Tragwerksplaner vor vergleichbaren Irrtümern bewahren.
Ein besonders schwieriges Kapitel ist die Anwendung moderner Normen auf historische Holztragwerke. Im Sinne moderner Normen sind fast alle historischen Tragwerke „schadhaft“. Zum einen weisen viele Verbindungen Spuren von Überlastungen auf, zum Beispiel dauerhafte Eindrückungen im Holz quer zur Faser. Auch die Vorschriften für die Gebrauchstauglichkeit des Tragwerks sind oftmals nicht erfüllt, weil das historische Tragwerk durch Schwinden und Kriechen bei gleichzeitig hohen lokalen Ausnutzungsgraden erhebliche dauerhafte Verformungen aufweist. In solchen Fällen ist es im Sinne des Erhaltes des historischen Bestands zwingend erforderlich, sich zu überlegen, ob die „rechnerisch versagte“ Verbindung tatsächlich standsicherheitsbedrohend ist oder vielmehr immer noch eine Resttragfähigkeit aufweist, die das Herabstürzen von Bauteilen verhindert und das System als Ganzes in seinem Bestand sichert. Eine rechnerische Simulation des Tragwerks, in dem schadhafte Verbindungen noch zu einem entsprechenden Anteil als wirksam angesetzt werden, hilft hier oft weiter. Der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit kann beim historischen Bauwerk stets entfallen, da es durch seine jahrhundertelange Nutzung seine Gebrauchstauglichkeit unter Beweis gestellt hat und an ein historisches Tragwerk geringere Anforderungen hinsichtlich des Nutzungskomforts gestellt werden müssen als an einen Neubau. Glücklicherweise sind die meisten historischen handwerklichen Holzverbindungen heute nicht mehr üblich und werden daher von den Normen nicht behandelt. Dies eröffnet dem Tragwerksplaner die Möglichkeit, auf Grundlage eigener verantwortungsbewusster Einschätzung die Funktionstüchtigkeit historischer Anschlüsse zu bewerten.
Jede rechnerische Analyse eines historischen Holztragwerks kann und muss am Objekt selbst auf ihre Plausibilität geprüft werden. Wenn die Berechnung lokal erhebliche Überlastungen ergibt, müssen an der betreffenden Stelle auch entsprechende Verformungen sichtbar sein. Sind sie es nicht, dann ist der unterstellte Lastabtrag unzutreffend und das Berechnungsmodell muss entsprechend angepasst werden. Auf keinen Fall darf das Ergebnis der Berechnung präjudiziert werden, indem z. B. einzelne Konstruktionselemente bei der Analyse einfach weggelassen werden mit dem Argument, sie trügen zur Standsicherheit ohnehin nichts bei. Leider werden diese Selbstverständlichkeiten keineswegs bei jeder Sanierungsmaßnahme berücksichtigt. Dem Autor des vorliegenden Buches ist mehr als ein Beispiel bekannt, bei dem offenkundig unbeschädigte historische Verbindungen durch Hinzufügen neuer Verbindungsmittel „ertüchtigt“ worden sind, manchmal auch noch in völlig überdimensionierter Weise (Bild 1.4). Zu den schlimmsten Fehlern, die man begehen kann, gehört in diesem Zusammenhang die Verfolgung eines am System orientierten Sanierungskonzeptes: Liegt an einem einzelnen Gespärre eines Dachwerks an einem Anschluss ein Schaden vor, werden auch an allen anderen Gespärren des Daches die entsprechenden Anschlüsse ertüchtigt, obwohl sie unter Umständen völlig ungeschädigt sind. Richtig ist es, jedes Gespärre als Individuum zu kartieren, zu beurteilen und zu ertüchtigen.
Das vorliegende Buch ist keine umfassende Anleitung zur Bestandsuntersuchung eines historischen Holztragwerks. Insbesondere wird hier nicht der Versuch unternommen, die verschiedenen biologischen Schäden an Holz zu diskutieren. Dazu gibt es anderweitig genügend Spezialliteratur (als Einstieg z. B. [Mönck/Erler 2004]). Ohnehin wird die Bestimmung der genauen Spezies des Schädlings oftmals nur dem Experten gelingen (z. B. Identifikation spezieller Pilzarten einschließlich des Echten Hausschwamms, mit dem ja oft genug argumentiert wird). Die Untersuchung eines historischen Holztragwerks erfordert in der Regel eine interdisziplinäre Kooperation, die Fachleute aus so unterschiedlichen Bereichen wie der historischen Archivforschung, der archäologischen Bauforschung, der Architekturgeschichte, der Denkmalpflege, der Restaurierung und eben der Tragwerksplanung zusammenbringt. Der Tragwerksplaner sollte zu allen anderen Projektbeteiligten Kontakt halten, weil auch die Befunde des Archivforschers, des Kirchenmalers oder des Bauarchäologen wichtige Hinweise für die Aufschlüsselung der Bau-, Schadens- und Reparaturgeschichte enthalten können, die dem Tragwerksplaner bei der Beurteilung der Standsicherheit weiterhelfen können. Im Idealfall bündelt der Tragwerksplaner mindestens zum Teil diese Aufgaben in eigener Person und führt die unterschiedlichen Informationen zusammen.
Bild 1.4 Maßstabsprengende „Reparatur“ eines völlig unbeschädigten historischen Anschlusses.
Bei der Untersuchung historischer Dachtragwerke begibt man sich häufig in eine biologisch und chemisch verseuchte Umgebung. Der Staub auf den Balken kann erhebliche Rückstände chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel enthalten, die Balken sind unter Umständen mit längst verbotenen Mitteln behandelt oder mit gesundheitsschädlicher Brandschutzfarbe bestrichen. Durch die Aktivitäten der Bauwerksuntersuchung und Sanierung wird der Staub aufgewirbelt und eingeatmet oder die schädlichen Stoffe werden durch Hautkontakt aufgenommen. Zwar nimmt man in der Praxis diese Einflüsse oft auf die leichte Schulter, doch sind oftmals Schutzmaßnahmen dringend anzuraten. Auch Kot von ungebetenen Dachbewohnern wie Tauben und Fledermäusen, der manchmal kniehoch im Dachraum liegt, ist erheblich gesundheitsgefährdend. Es ist daher keineswegs eine unsinnige Geldverschwendung, ein durch Kot, Kadaver, chemische Mittel oder einfachen Schmutz belastetes Dachwerk zu Beginn der Voruntersuchung zunächst gründlich reinigen zu lassen. Das Arbeiten im Dach, das ohnehin vielfach beschwerlich ist, wird dadurch ein Stück weit bequemer, was der Qualität der Ergebnisse durchaus förderlich ist. Auch das Auffinden von Befunden wird durch eine vorherige Reinigung des Objekts oftmals erheblich erleichtert. Zum Reinigen des Dachwerks gehört auch das Entfernen bzw. Aussortieren von Gerümpel und die Herstellung einer Zugänglichkeit, ggf. verbunden mit der teilweisen Entfernung von Boden- oder Dachflächenverschalungen.
Das Bauen mit Holz, das uns bis heute eine derart große Zahl an historischen Tragwerken hinterlassen hat, steht zugleich auch am Anfang des modernen Ingenieurwesens. Früher als in allen anderen Bereichen des Bauwesens ist im Holzbau neben die traditionelle Wissensvermittlung durch die mündliche Anleitung und das Vor-und Nachmachen auch die Wissensvermittlung durch Fachbücher getreten. Schon ab der Mitte des 17. Jahrhunderts erschienen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich die ersten „Zimmermannsbücher“. Es handelt sich dabei zumeist um reich illustrierte Werke mit relativ wenig Text, in denen die Abbildung exemplarischer Konstruktionen und die Zuordnung der entsprechenden Fachterminologie im Vordergrund stehen. Angaben darüber, wie sich der Planer das Tragverhalten der Struktur vorstellt, fehlen zumeist. Auch die Techniken der praktischen Realisierung des Bauwerks vor Ort werden so gut wie nie erläutert, weil dieses „Know-how“ auf der Baustelle vom Meister an den Lehrling vermittelt wurde. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts treten jedoch zunehmend auch modern anmutende tragwerksplanerische Überlegungen in der Holzbau-Fachliteratur auf. Ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schließlich wird immer häufiger der Versuch unternommen, Holzkonstruktionen auch rechnerisch zu dimensionieren. Die Grundlage dafür hatten Experimente zur Zug-, Druck- und Biegefestigkeit von Holz ab dem 18. Jahrhundert und die Entwicklung der Biegetheorie des Balkens durch Eytelwein (1808) und Navier (1826) gelegt.
Die historische deutschsprachige Literatur zum Holzbau verwendet ein präzises und wohldefiniertes Vokabular, das zwar oft vom modernen Deutsch im Sinne einer „dialektalen“ oberdeutschen Prägung abweicht, aber nichtsdestoweniger im ganzen Sprachraum recht einheitlich eingesetzt worden ist. Während der Zeit des Entstehens des Zimmermannstraktats war „Oberdeutschland“ in den Augen der Zeitgenossen in dieser Technologie führend, was nicht zuletzt der blühenden Baukonjunktur der Barockzeit mit ihren vielfältigen technologischen Ansprüchen verdankt wurde. Die weit überwiegende Mehrheit der Holzbautraktate ist dementsprechend in Süddeutschland oder von süddeutschen und österreichischen Autoren verfasst worden und auf diese Weise wurde die kodifizierte Fachsprache etabliert; niederdeutsche Begriffe fehlen als Folge in der Literatur zum Zimmerhandwerk fast ganz. In Frankreich lässt sich übrigens genau die umgekehrte Richtung beobachten: Die vorwiegend in Nord- und Westfrankreich im 17. Jahrhundert aufkommende Fachliteratur führte im Süden zur Verdrängung etablierter Fachterminologie.
Im vorliegenden Buch wird zur Benennung der einzelnen Bauteile und Anschlüsse soweit möglich auf das in sich stimmige und logische historische Vokabular zurückgegriffen, zumal dieses Handwerkern oftmals bis heute geläufig ist und auch von