Steels Entscheidung - Iain Gale - E-Book

Steels Entscheidung E-Book

Iain Gale

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

1708. Captain Jack Steel ist wieder dort, wo er hingehört: auf dem Schlachtfeld und unter den Männern des Herzogs von Marlborough. Doch die Engländer benötigen einen tieferen Einblick in die französische Strategie, um die Schlacht bei Oudenaarde zu gewinnen. Da er als Marlboroughs bester Mann gilt, wird Steel als Spion nach Paris geschickt. Dort erkennt er: Manchmal ist es weitaus gefährlicher, sich gegen Intrigen und Verrat zu behaupten, als auf dem Schlachtfeld zu stehen ...

Die packende Abenteuer-Serie für alle Leser von Bernard Cornwells Sharpe-Romanen.

Band 1: Steels Ehre.

Band 2: Steels Duell.

eBooks von beBEYOND - fremde Welten und fantastische Reisen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 511

Veröffentlichungsjahr: 2017

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Über das Buch

Über den Autor

Titel

Impressum

Widmung

PROLOG

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

ZUM HISTORISCHEN HINTERGRUND

DANKSAGUNGEN

Über das Buch

1708. Captain Jack Steel ist wieder dort, wo er hingehört: auf dem Schlachtfeld und unter den Männern des Herzogs von Marlborough. Doch die Engländer benötigen einen tieferen Einblick in die französische Strategie, um die Schlacht bei Oudenaarde zu gewinnen. Da er als Marlboroughs bester Mann gilt, wird Steel als Spion nach Paris geschickt. Dort erkennt er: Manchmal ist es weitaus gefährlicher, sich gegen Intrigen und Verrat zu behaupten, als auf dem Schlachtfeld zu stehen …

Die packende Abenteuer-Serie für alle Leser von Bernard Cornwells Sharpe-Romanen:Band 1: Steels Ehre.Band 2: Steels Duell.

Über den Autor

Iain Gale hatte immer eine Leidenschaft für Militärgeschichte. Er ist Herausgeber von Scotland in Trust, der Zeitschrift des National Trust for Scotland, und schreibt als Kunstkritiker für Scotland on Sunday. Er wohnt mit seiner Frau und ihren gemeinsamen Kindern außerhalb von Edinburgh.

Iain Gale

STEELSENTSCHEIDUNG

Aus dem Englischen vonDr. Holger Hanowell

beBEYOND

Digitale Neuausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2009 by Iain Gale

Titel der englischen Originalausgabe: »Brothers in Arms«

Originally published in the English language by

HarperCollins Publishers Ltd. under the title Brothers in Arms

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2013/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Wolfgang Neuhaus, Oberhausen

Titelillustration: Jacket design © Keevil Design/Jacket design layout

© HarperCollinsPublishers Ltd 2009

Umschlaggestaltung: Thomas Krämer unter Verwendung von © Keevil Design / Jacket design layout © HarperCollinsPublishers Ltd 2009

Datenkonvertierung eBook: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5120-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

DEM ANDENKENVON SARAH GALE,1965–2008

PROLOG

Hoch oben auf einer Anhöhe mit Blick auf das kleine flämische Dorf Eename, etwa fünfzehn Meilen vor der französischen Grenze, richtete sich ein hochgewachsener Reiter in den Steigbügeln seines Pferdes auf und beugte sich leicht nach vorn über den Hals des Tieres. Der scharlachrote Mantel kennzeichnete ihn unverwechselbar als Mitglied des englischen Offizierstabes. Der Mann holte sein Fernrohr hervor, blickte in nordwestlicher Richtung über die grünende Landschaft und hoffte inständig auf ein Wunder. Zu gern hätte er gewusst, wie das Schicksal es mit ihm meinte.

Hätten die anderen Reiter, die den Offizier bis zu dem Aussichtspunkt auf dem Hügel begleitet hatten, genauer hingesehen, wäre ihnen vermutlich das kleine Lächeln nicht entgangen, das sich um die Mundwinkel des Offiziers andeutete. Denn bereits daran hätten sie ablesen können, dass der kleine Trupp sein Ziel gefunden hatte.

William Graf von Cadogan, seines Zeichens Stabschef und Generalquartiermeister in der Armee Seiner Hoheit, des Herzogs von Marlborough, saß nun schon seit ein Uhr in der Früh im Sattel und führte sechzehn Bataillone Infanterie und acht Schwadronen Kavallerie an. Überraschend schnell hatten sie die dreizehn Meilen von der Stadt Lessines nördlich von Ath bis zu diesem Hügel zurückgelegt – drei Meilen in der Stunde. Unterhalb des Hügels, ein Stück weit linker Hand, lag die Stadt Oudenaarde und erwachte zu dieser frühen Stunde aus ihrem Schlummer. Cadogan konnte den hohen Kirchturm, das verspielte barocke Hôtel de Ville und die breit angelegte, sternförmige Festung erkennen und fragte sich in diesem Augenblick, ob er und seine Vorhut tatsächlich gefunden hatten, wonach sie gesucht hatten.

Trotz des matten Lichts des Morgens und der sich auflösenden Nebelschleier konnte der Graf durch sein Teleskop auf der gegenüberliegenden Anhöhe einwandfrei die blassgrauen Uniformröcke und schwarzen, mit gelber Litze versehenen Dreispitze der Soldaten erkennen, die den alltäglichen Aufgaben einer Armee im Feldlager nachkamen. Französische Infanterie. Vermutlich die Vorhut einer großen Streitmacht, die sich seit Kurzem auf die Belagerung alliierter Truppen in Oudenaarde vorbereitet hatte. Gewiss, Marlboroughs herannahende Armee hatte die Pläne der Franzosen vereitelt. Seither hatten König Ludwigs Soldaten eine neue Stellung bezogen, in der sie nicht ohne Weiteres umzingelt werden konnten, wie es im Verlauf von Belagerungen nicht selten der Fall ist.

Dem gegenwärtigen Verhalten des Gegners entnahm Cadogan jedoch mit wachsender Zufriedenheit, dass die Franzosen offenbar nicht ahnten, wie nah Marlboroughs Männer an diesem klaren Sommermorgen wirklich herangekommen waren. Und genau das hatten Cadogan und sein Oberbefehlshaber sich erhofft.

Oudenaarde lag an der Schelde und war von beiden Seiten von weit ausuferndem Marschland umgeben. Daher bildete ein Pontonzug mit geschickten Pionieren und Ingenieuren den wichtigsten Teil von Cadogans bescheidener Vorhut: Über behelfsmäßige Brücken sollte die große Armee mit ihren siebzigtausend Mann sowie den Pferden und Geschützen das zunächst abschreckende natürliche Marschland überwinden. Aber Cadogan richtete seine Aufmerksamkeit im Augenblick nicht auf Oudenaarde, sondern auf das breite Tal mit seinen Weideflächen und Feldern jenseits der Schelde. Durch diesen Talkessel, der von drei niedrigen Hügeln eingefasst war, schlängelten sich drei Wasserarme.

Seit Beginn des diesjährigen Feldzuges hatten Marlboroughs Truppen keinen so schönen Morgen erlebt wie diesen. Die Felder Flanderns badeten im Sonnenschein. Es war, wie Cadogan schätzte, inzwischen kurz nach acht Uhr am 11. Juli des Jahres 1708. Und der Graf war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass dieses Datum in die Geschichte eingehen würde. Ja, dieser Tag sollte in den kommenden Jahrhunderten in englischen Klassenzimmern Erwähnung finden: als ruhmreicher britischer Sieg.

Cadogan hatte seine Befehle. Er sollte den Gegner von der Straße von Lessines fernhalten und dann für einen Übergang über die Schelde sorgen. Die fünf Pontonbrücken mussten unmittelbar neben Oudenaarde angelegt werden und einen Brückenkopf bilden, den Cadogans Männer so lange zu halten hatten, bis der Entsatz von Marlborough kam – wann auch immer die Verstärkung eintraf.

Der Graf wandte sich an einen seiner Berater. »Cassels, reitet zurück zu Colonel Harker und richtet ihm aus, er möge seinen Pionieren befehlen, so rasch wie möglich den Weg hinunter zum Fluss zu nehmen. Dort unten müssen die Brücken angelegt werden.« Er deutete in Richtung Oudenaarde. »Beeilung, Mann! Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Während der junge Offizier davonsprengte, spähte Cadogan erneut durch sein Fernrohr hinüber zu den Hügeln auf der anderen Seite des Tals und fragte sich, ob ihn nicht womöglich in diesem Moment ein feindlicher Offizier beobachtete und die Absichten der Engländer erahnte. Er wusste, dass auch die Franzosen Streit suchten. Cadogan war zudem bewusst, dass Marlborough in diesem Krieg keinen Sieg so dringend benötigte wie jetzt.

Das zurückliegende Jahr hatte einen schrecklichen Verlauf genommen. Die meiste Zeit über hatte die große Armee mit Belagerungen zugebracht. Die Niederländer hatten darauf bestanden und behauptet, es wäre die einzige Möglichkeit, der Lage Herr zu werden. Marlborough, das wusste Cadogan, war machtlos ohne die Unterstützung der Niederländer. Natürlich hatte der Herzog sich in den zurückliegenden Monaten nicht dem Müßiggang hingegeben. Tat er das je? Er hatte einen Plan ausgearbeitet, um Prinz Eugens Truppen in Südfrankreich landen zu lassen, genauer gesagt bei Toulon. Ein kühnes Vorhaben, fürwahr. Zu kühn – der Plan hatte sich nicht verwirklichen lassen.

Doch zur Abwechslung waren es einmal nicht die Niederländer gewesen, die den Plan vereitelt hatten. Der habsburgische Kaiser persönlich hatte sich gegen das Vorhaben verwahrt. Es hieß, der Kaiser wünsche Friedensverhandlungen mit den Franzosen. Verhandlungen mit dem Sonnenkönig? Sowohl Cadogan als auch Marlborough waren verblüfft gewesen. Zugegeben, dieser Krieg hatte sich inzwischen bis ins sechste Jahr gezogen. Europa lag brach, der Kontinent drohte in Blut unterzugehen. Keiner der englischen Generäle war bereit, dieses Gemetzel fortzuführen. Aber selbst den Männern, die über keine großen militärischen Kenntnisse verfügten, war bewusst, dass die Franzosen erst mit einem Sieg in die Knie gezwungen werden mussten, ehe sie die Bedingungen eines Waffenstillstandes akzeptieren würden.

Dann, im Juli, hatte das Unheil seinen Lauf genommen, als die Armee von General Henri de Massue, des Grafen von Galway, bei Almansa in Spanien aufgerieben worden war. Seither war die Iberische Halbinsel so gut wie verloren. Ein Umstand, der nach Marlboroughs Triumphen in den Spanischen Niederlanden kaum für möglich gehalten worden war. Eine Armee unter britischer Führung war in die Flucht geschlagen worden: Die Hälfte der Soldaten tot oder in Gefangenschaft. Schlussendlich, es war kaum eine Woche her, da hatten die Franzosen die strategisch wichtigen Städte Gent und Brügge erobert. Genauer gesagt: Der Verrat der flämischen Bevölkerung hatte zum Verlust dieser Städte geführt.

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass etwas an den Gerüchten war, hier zeigte es sich: Die Flamen wurden der Alliierten und des großen englischen Generals allmählich überdrüssig und waren sogar bereit, sich wieder freiwillig der französischen Herrschaft zu beugen. Die Folge dieses Treuebruchs war, dass sowohl die Nachrichtenwege als auch die Nachschubwege der alliierten Armee von England aus in Gefahr waren.

Cadogan löste sich von diesen düsteren Gedanken und wandte sich an einen beleibten Colonel mit freundlichem, gerötetem Gesicht. »Sagt mir, Colonel Hawkins. Wie denkt Ihr über unsere missliche Lage?«

»Mylord, unsere Chancen stehen gut, die Franzosen hier festzunageln. Und sollte es uns gelingen, sie in ein Gefecht zu verwickeln, so habe ich keine Zweifel, dass wir auch dieser Aufgabe gewachsen sein werden.«

Der Graf nickte. »Colonel, Ihr missversteht. Ich würde gerne wissen, wie Ihr über den Feldzug als Ganzes denkt. Ihr wisst ja, dass die Franzosen unter Führung von Vendôme sich jenseits des Kanals von Brügge zurückgezogen haben. Obwohl wir sie taktisch im Griff haben, zumindest einen Teil ihrer Truppen, die wir hier sehen, stehen sie strategisch betrachtet in unserem Rücken. Euch ist zudem bewusst, dass unsere Späher aus sicherer Quelle erfahren haben, dass eine Armee unter Marschall Berwick auf dem Weg ist, um sich den Soldaten Vendômes anzuschließen.«

»Wenn das der Fall ist, Mylord, dann müssen wir mit aller gebotenen Schnelligkeit dafür sorgen, Vendôme im Gefecht zu stellen. Denn es besteht wenig Hoffnung, dass wir gegen beide Armeen erfolgreich sind.«

»Ganz recht. So beabsichtigt es auch Marlborough, und genau deshalb sind wir ja hier, wie Ihr sehr wohl erkennt. Unsere Aufgabe wird darin bestehen, die Aufmerksamkeit dieser Truppen dort drüben auf uns zu lenken, bis Marlborough zu uns aufschließt und die Schlacht eröffnet.«

»Und genau das werden wir tun, Sir. Der Plan wurde sorgsam ausgearbeitet. Die Schelde hier überqueren zu wollen, genau bei Oudenaarde, ist ein Vorhaben, das nur der Herzog in Angriff nehmen kann. Das hat die Größe von Blenheim und Ramillies. Zweifelt Ihr an seinem Plan, Mylord?«

Cadogan hatte die Stirn kraus gezogen. »Würde ich je das Genie dieses Mannes infrage stellen? Nein, Colonel Hawkins … James. Mir ist ebenso bewusst wie Euch, dass der Herzog ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt, indem er uns hier Stellung beziehen lässt. Denn wir stehen nicht nur zwischen zwei feindlichen Armeen, sondern zwischen Vendôme und Frankreich. Dennoch, ich mache mir Sorgen. Denkt an Gent, James. Wie leicht hat die Stadt sich Frankreich ergeben. Was, glaubt Ihr, würde geschehen, wenn andere Städte in ebendieser Weise von uns abfielen? Was ist, wenn unsere Armee orientierungslos in einem fremden Land herumirrt, ohne ausreichende Vorräte an Proviant und Munition?«

Hawkins schwieg, ahnte er doch, wie aussichtslos eine solche Situation sein würde. Erneut spähte Cadogan hinüber zu den kleinen, blassgrauen Gestalten auf der anderen Seite des Tals und wusste, dass der Zeitpunkt gekommen war, ein Risiko einzugehen. Ein Risiko, von dem das Schicksal der gesamten alliierten Armee abhing. Niemand kannte exakt die Truppenstärke der Franzosen in diesem Gebiet, aber Cadogan wurde das Gefühl nicht los – fast zwanzig Jahre Feldzüge hatten seinen Instinkt geschärft –, dass jenseits der Hügel die Schlagkraft Frankreichs wartete. Es konnte kaum anders sein, überlegte er. Wo sonst sollte sich Vendôme aufhalten?

Dann schob er die Zweifel beiseite, wandte sich an den jungen Offizier zu seiner Linken und sprach mit ernster, ruhiger Stimme und dem unüberhörbaren Tonfall eines Iren. »Cornet Rodgers, Ihr reitet zurück zu unserem Oberbefehlshaber.«

Der Offizier nickte und wartete auf die weiteren Befehle.

Cadogan dachte einen Moment mit ernster Miene nach, führte abermals das kleine Teleskop an sein Auge, ließ es dann rasch sinken und sprach erneut zu dem jungen Mann. »Richtet Marlborough aus, dass wir auf den Gegner gestoßen sind. Dass ich Marschall Vendôme gefunden habe … seine ganze Armee, wenn mich nicht alles täuscht. Und bittet Seine Hoheit in aller Höflichkeit …«, er legte sich die Worte sorgsam zurecht, »… sich unverzüglich auf den Weg zu machen. Oh, und sofern Ihr Euch eine Schelte ersparen wollt, so rate ich Euch, in Gegenwart des Herzogs leise und behutsam aufzutreten. Seine Hoheit sind in letzter Zeit etwas unpässlich.«

Während der junge Offizier sich ein wenig verunsichert auf den Weg machte, wandte Cadogan sich einmal mehr an Hawkins. »Sagt mir, James, habe ich richtig gehandelt? Denkt auch Ihr, dass Vendôme dort drüben lagert? Oder gehören die Männer auf den Hügeln lediglich zu einer Abteilung? Ist es die Nachhut, oder sind es vielleicht Späher? Könnte ich mich geirrt haben?«

Hawkins suchte den Blick des Grafen und lächelte. »Mylord, wir können nicht wissen, ob Ihr richtig oder falsch entschieden habt, solange die Franzosen sich uns nicht in ihrer vollen Stärke zeigen. Aber meiner Ansicht nach habt Ihr recht. Viel wichtiger ist indes, dass Ihr richtig gehandelt habt. Ihr braucht Euch daher weder um Eure Ehre noch um Euren Ruf Gedanken zu machen.«

Cadogans Antwort war zunächst ein Kopfschütteln, ehe er sagte: »Ich mache mir keine Gedanken um meine Wenigkeit, James, sondern um die Armee und um Marlborough. Er leidet seit einigen Tagen an Fieber. Aber was auch immer ihn gesundheitlich plagt, im Grunde weiß ich, was ihm wirklich Sorgen bereitet. Er braucht eine Schlacht, James, einen weiteren Sieg. Wenn dies dort drüben also nicht die französische Armee ist, dann werden wir im Gegenzug …«

Die Ankunft eines atemlosen Cornet der Dragoner unterbrach den Grafen in seinen Ausführungen.

Cadogan bedeutete dem jungen Mann, sich ein wenig zu beruhigen, und ließ ihm einen Moment Zeit, wieder zu Atem zu kommen. »Mylord«, sagte der Offizier, »wir haben beobachtet, wie eine Abteilung Berittener den Weg hinunter ins Tal nimmt. Sie scheinen auf der Suche nach Proviant zu sein und führen eine Menge Fuhrwerke mit, flankiert von einer Eskorte Dragonern zu Fuß. Mein General lässt fragen, ob wir den Gegner angreifen sollen.«

Cadogan setzte ein Lächeln auf. Er brauchte nicht lange zu überlegen. »Das ist der Train, Hawkins. Die Fourage-Einheiten von Vendômes Armee. Er ist dort. Wir haben ihn aufgespürt.«

Zum Cornet gewandt, sagte er: »Sagt Eurem General, dass er die Abteilung angreifen muss. Sagt ihm, er soll sie aufreiben, so gut es geht. Er soll sehen, ob es möglich ist, eine Standarte zu erobern und Offiziere gefangen zu nehmen. Aber gebt acht, dass auch einigen Soldaten die Flucht gelingt, damit sie ihren Herren von unserer Anwesenheit hier berichten können … von ihrer eigenen Schande einmal abgesehen.«

Das war das Wunder, auf das er gehofft hatte! Eine Möglichkeit, die schlachthungrigen Franzosen wachzurütteln und ihnen vor Augen zu führen, dass die Alliierten hier vor Oudenaarde waren. Jetzt würde Cadogan den Gegner herausfordern, ehe Vendôme Zeit hatte, sich auf die zweite Armee von Berwick zu verlassen. Der Herzog von Berwick käme zu spät.

Das erkannte auch Hawkins. Er lächelte. »Wir haben sie, Sir. Ihr hattet recht, und wenn ich die Franzosen richtig einschätze, so werden sie nicht in der Lage sein, sich zu helfen. Sie werden auf Vergeltung sinnen. Ich möchte behaupten, dass Marschall Vendôme noch beim Frühstück sitzt. Und wenn er geruht, sich vom Tisch zu erheben, wird er feststellen, dass die Hälfte seiner Armee ins Feld gezogen ist, begierig, die Ehre Frankreichs wiederherzustellen. Gott sei es gedankt.«

»Ja, in der Tat, James, danken wir Gott. Aber auch Ihr solltet beten. Bedenkt, dass wir im Augenblick nur zehntausend Mann zur Verfügung haben und uns einer Übermacht erwehren müssen. Marlborough ist noch gut zwanzig Meilen hinter uns.«

»Oh, das werden wir schon schaffen, Sir.«

»Daran habe ich keine Zweifel, James. Unsere Truppen sind die besten der Welt. Es ist nicht so sehr das ungleiche Kräfteverhältnis, das ich fürchte. Auch die Bodenverhältnisse werden uns nützlich sein. In dieser Schlacht wird es vor allem auf die genaue Zeitabstimmung ankommen. Daher müssen wir zuallererst die Pontonbrücken in Stellung bringen.«

Er drehte sich im Sattel um und ließ den Blick weit über die Marschkolonne schweifen. »Wo, zum Teufel, ist Harker?« Mit erhobener Stimme wandte er sich an eine Gruppe Stabsoffiziere. »Meine Herren, ich brauche Colonel Harker und seine verdammten Pontons.«

Kaum waren die Worte des Grafen verklungen, als auch schon das erste von insgesamt vierzig Ochsenfuhrwerken zu sehen war, voll beladen mit den speziellen Pontonbooten aus dünn gefalztem Kupferblech und den hölzernen Elementen, die auf die Boote genagelt wurden. An der Spitze des Trosses ritt Colonel Harker. Nun trieb er sein Pferd in Cadogans Richtung. Der Colonel, rotgesichtig und außer Atem, grüßte vorschriftsmäßig, während Cadogan förmlich mit dem Kopf nickte.

Jetzt nimmt es also seinen Lauf, dachte Cadogan. In einer Stunde wären die Pontonboote einsatzbereit. Danach würden die Franzosen alles daransetzen, die kleine Streitmacht des Grafen zu bekämpfen. Und dann bliebe Cadogans Männern nichts anderes übrig, als die Stellung zu halten, zu kämpfen … und zu warten.

1.

Schwaden des vertrauten, beißenden Pulverdampfs, überlagert vom Stakkato der Musketensalven, trieben vom Fluss zu ihnen herüber. Captain Jack Steel stand auf einer der mit Holz ausgelegten Pontonbrücken, die noch vor Mittag über die Schelde verlegt worden waren, und ließ sich einen Moment von dem Kampfgeschehen ablenken, das sich vor seinen Augen abspielte, da er jemanden lachen hörte.

Als er nach links schaute, in Richtung Wasser, sah er, wie drei seiner Männer in den Fluss pinkelten; offensichtlich wetteiferten die Kameraden, wer am weitesten käme, und urinierten in hohem Bogen ins Wasser. Steel lauschte dem Lachen und den Prahlereien und beschloss, den Jungs ihren unschuldigen Spaß zu gönnen. Wer vermochte schon zu sagen, ob dieser Tag nicht vielleicht der letzte für die drei sein würde – oder gar Steels letzter Tag?

Der Rest von Steels Grenadierkompanie, insgesamt einundfünfzig Mann, stand wenige Schritte hinter ihm oder hatte es sich irgendwo auf dem Boden bequem gemacht, wie man es ihnen erlaubt hatte. Die Männer unterhielten sich, aber in diesen Gesprächen ging es nicht um die Schlacht, die weiter unten im Tal tobte, auch nicht um den Krieg als solchen, sondern um ganz andere Dinge: Um Frauen und Beute und Ruhm und um die unterschiedlichen Vorzüge des englischen Porter und des schottischen Ale. Doch nach und nach ebbten die Gespräche ab, da immer mehr Männer in Schweigen verfielen.

Was nach Steels Dafürhalten kaum verwunderlich war. Denn inzwischen harrten die Grenadiere seit fast zwei Stunden hier am Ufer aus, und je näher der Tod kam, desto untrüglicher wurden die Anzeichen von Ungeduld und Beklommenheit unter den Männern. Auf dem langen Marsch von Gefecht zu Gefecht hatten sie sechzig Meilen in nur fünfzig Stunden zurückgelegt, bisweilen querfeldein. Und inzwischen verfolgten diejenigen, die sich nicht hingesetzt hatten, ein blutiges Gemetzel auf der anderen Seite der Schelde. Manch einer, der in den Sog des Kampflärms geraten war, beobachtete das Treiben mit einer Mischung aus Widerwillen und Faszination.

Es gab nichts Schlimmeres für einen Soldaten, ging es Steel durch den Kopf, abgesehen vom Tod selbst oder von Verstümmelungen. Nein, nichts war schlimmer als dieses Warten. Denn immer dann hatte die Angst Zeit, sich wie ein böser Geist in den Männern zu regen und sich in die Magengegend zu fressen. Jeden plagte die Gewissheit, dass bald alle in diesen Strudel aus heißem Blei, kaltem Stahl und zerfetzten Leibern hineingezogen werden würden, der dort in dem kleinen Talkessel wütete. Steel ahnte, dass der Einsatzbefehl nicht mehr lange auf sich warten ließe, und dann sollte es möglichst schnell losgehen.

Steel wandte sich an die Männer, die hinter ihm warteten, und sah in einer Entfernung von wenigen Schritten den jungen, rotwangigen Fähnrich der Kompanie, Tom Williams. Inzwischen war er zwanzig Jahre alt und wirkte nicht mehr wie der linkische Junge, der er einst gewesen war, als er sich vor nunmehr vier Jahren in das Bataillon eingekauft hatte – Sir James Farquharsons Regiment of Foot. Williams war unmittelbar vor dem großen Sieg von Blenheim zu Steels Kompanie gestoßen, vor Marlboroughs erstem bedeutenden Triumph, zu dem das Regiment in bedeutendem Maße beigetragen hatte. Insbesondere Steels Grenadieren hatte die Schlacht am Schellenberg Ruhm eingebracht. Seither hatte Steel sich im Verlauf des Feldzuges dem jungen Burschen in fast väterlicher Fürsorge verpflichtet gefühlt. Wann immer nötig, erteilte er Williams Ratschläge oder tadelte ihn in angemessener Weise.

»Tom, ich denke, wir sollten die Männer erneut antreten lassen. Es dürfte nicht mehr lange dauern, so wie die Dinge liegen. Also appellieren wir am besten an ihren Mut, wie? Ihr könnt noch einmal die Waffen der Jungs inspizieren. Ich will, dass jede Muskete überprüft und nochmals überprüft wird. Und sorgt dafür, dass die Bajonette gut eingefettet sind. Oh, und bevor Ihr Eurer Pflicht nachkommt, zerrt Ihr diese drei Narren dort drüben vom Ufer zurück. Sie könnten sich bei ihrem Wettstreit als willkommenes Ziel für die Franzosen erweisen, und wir wollen doch nicht grundlos feindliches Feuer auf uns lenken.«

Der Fähnrich lachte. Er liebte Steels trockenen Humor und war insgeheim ein klein wenig neidisch auf seinen Captain, da dieser so gut mit den Männern klarkam. Williams eiferte Steel in allen Belangen nach; er hätte wahrlich kein besseres Vorbild haben können. Für ihn war Steel der geborene Anführer: In ihm vereinigten sich die Eigenschaften eines Gentleman mit einem aufrichtigen Mitgefühl gegenüber den Soldaten. Gleichzeitig gelang es Steel immer wieder, Distanz zu wahren; er besaß das Gespür dafür, den Männern im rechten Moment zu zeigen, wer der Offizier war und wer der einfache Soldat. Kurzum, für Männer wie Tom Williams verkörperte Jack Steel all das, was einen tapferen Soldaten ausmachte: In der Schlacht behielt Steel kühlen Kopf, war rücksichtslos und unnachgiebig im Kampf Mann gegen Mann und handelte stets intuitiv und pragmatisch. Ganz zu schweigen davon, dass der Captain der Grenadiere obendrein noch beneidenswert gut aussah und mit seinen sechs Fuß die meisten gewöhnlichen Soldaten überragte. Alles in allem reichten diese Charakteristika aus, um einen Mann wie Steel zum Helden der jungen, aufstrebenden Offiziere zu machen.

In der Tat hoffte Williams, dass er eines Tages genauso beliebt bei den Männern sein würde wie Steel, wenn auch er in den Rang eines Captains erhoben würde oder – eines fernen Tages – seine eigene Kompanie befehligte.

Falls er so lange am Leben blieb.

Doch der junge Fähnrich wusste, dass er nicht so denken durfte. Hatten ihm das die Sergeants in seinem ersten Gefecht nicht geraten? Auch Steel übrigens, mehr als einmal. Dennoch vermochte Williams nicht, jene düsteren Ahnungen aus seinen Gedanken zu verbannen. Wusste er doch, genau wie Steel, dass es kein willkommeneres Ziel für den Gegner gab als einen Offizier. Und wie Steel, war auch Williams hochgewachsen. Die meisten Soldaten waren deutlich kleiner, nicht aber die Kameraden in den Reihen der Grenadiere.

Die Kompanie der Riesen, wie es oft hieß, rekrutierte sich aus handverlesenen Soldaten aus den Regimentern; nicht nur der Statur wegen, sondern auch wegen ihres Geschicks im Umgang mit der Waffe. Grenadiere bildeten die Sturmtruppen der Armee und waren stets die Ersten im Gefecht und meistens auch die Letzten, die aus dem Kampf zurückkehrten.

Williams wandte sich an den dienstältesten Sergeant der Kompanie, an einen ausnehmend großen und breitschultrigen Burschen aus Nordengland, dessen Grinsen ansteckend war: Jacob Slaughters verwittertes Gesicht zeugte von zahllosen Gefechten und harten Kämpfen. »Sergeant Slaughter, die Männer dort drüben … treibt ihnen diese Kinderspiele aus, wenn ich bitten darf.«

Williams versuchte stets, Steel nachzuahmen, so auch im Tonfall des Befehls. Doch die kühlen, lakonischen Bemerkungen, die er an seinem Captain bewunderte, wollten dem jungen Mann noch nicht so leicht über die Lippen kommen. Der Sergeant lächelte bei dem Versuch des Fähnrichs, den richtigen Tonfall zu treffen. Er wusste, dass Williams recht daran tat, sich einen Offizier wie Jack Steel zum Vorbild zu nehmen. Daher brüllte Slaughter nun einen Befehl in Richtung der Narren unten am Flussufer.

Die drei Männer verstummten schlagartig und knöpften rasch ihre Breeches zu. Als sie sich wieder der Kompanie zuwandten, mussten sie erst die rutschige Uferböschung überwinden, ehe sie die grinsenden Kameraden erreichten. Auf dem kurzen Weg mussten sie wohl oder übel auch an ihrem Captain vorbei, und Steel sorgte dafür, dass die drei seinen Blick spürten, in dem sich Missbilligung, aber auch Erheiterung zeigte.

Während die drei Scherzbolde mit all den anderen antraten, rief Slaughter bereits weitere Befehle, die daraufhin von anderen Sergeants und Corporals der Kompanie weitergegeben wurden. Unmissverständlich, aber nicht zu hart, setzte Slaughter den hölzernen Schaft seiner Halbpike – des Spontons – ein, damit die Männer sich ordentlich in Reih und Glied formierten. So waren die Männer nach kurzer Zeit bereit für den lang ersehnten Marsch in den Angriff.

Steel wusste indes, dass sämtliche Musketen sauber und auf ihre Tauglichkeit geprüft waren. Die Männer hatten sich bei jedem Halt um ihre Waffen zu kümmern, so auch nach dem letzten Halt vor fast zwei Stunden. Er wusste auch, dass die messerscharfen Dillenbajonette, die die älteren Spundbajonette ersetzt hatten, ausreichend eingefettet waren, damit die Soldaten sie bei Bedarf leicht aus den Scheiden ziehen konnten. Die neuartigen Modelle wurden nicht mehr in den Lauf der Muskete geschoben, sondern auf den Lauf geschraubt, sodass der Soldat immer noch feuern konnte, ehe er dem Gegner auf dem Schlachtfeld die lange Klinge zwischen die Rippen trieb. Bei all diesen Routinemaßnahmen war Steel jedoch eins klar: Im Augenblick war es geboten, die Männer von dem Blutbad abzulenken, das sich ihren Blicken jenseits der Schelde bot.

Steel spähte erneut hinüber in die Rauchschwaden der Schlacht. Abermals hörte er das Krachen der Musketensalven, gefolgt von Schmerzensschreien aus dem Pulvernebel, die der Wind bis zu den Grenadieren trug. Steel sah seine Befürchtungen bestätigt, als er merkte, dass einer der jungen Rekruten in der ansonsten aus Veteranen bestehenden Kompanie sich vor Aufregung erbrach und die weißen Kniestrümpfe und Gamaschen seines Vordermannes besudelte. Wie nicht anders zu erwarten, wirbelte der Betroffene auf dem Absatz herum, beschimpfte den jungen Burschen auf das Übelste und war im Begriff, zum Faustschlag auszuholen.

Derweil ermahnte Sergeant Slaughter beide Soldaten mit scharfen Worten, trat dann aber unter Flüchen zu dem verschreckten und zerknirschten Burschen, um ihm ein wenig Mut zuzusprechen. Hastig wischte der Junge sich die Reste des Erbrochenen von der scharlachroten Uniformjacke. Steel schaute wieder zu den gegnerischen Linien hinüber. Er würde fast alles dafür geben, wenn er seine Männer jetzt in den Zustand der gespannten Kampfbereitschaft versetzen könnte. Andererseits wollte er, dass die Jungs sich entspannten und kühlen Kopf bewahrten. Vor einem Gefecht war es immer schwer, die richtige Balance zu halten. Aber war ihm das nicht unzählige Male gelungen? Kannte er die meisten dieser Soldaten nicht seit Jahren? Vielleicht sogar besser als die eigene Familie.

Er wandte sich an Williams. »Ein Lied wäre jetzt angebracht, Tom. Stimmen wir ein Lied an. Wer hat die beste Stimme der Kompanie? Was meint Ihr? Taylor? Dan Cussiter?«

»Das dürfte Corporal Taylor sein, Sir.«

»Dann also Matt Taylor.«

Steel blickte die Reihen entlang und entdeckte den Corporal.

»Taylor! Kommt her, Matt. Gebt uns eine Melodie vor. Singt über den Lärm der Musketen. Und sorgt dafür, dass es gut klingt. ›The Rochester Recruit‹ oder etwas in der Art.«

Corporal Matthew Taylor, ein schlaksiger, ehemaliger Buchhalter aus Hounsditch, war seit nunmehr sechs Jahren der unersetzliche und gebildete Apotheker und Heilkundige der Kompanie, da er über ein breites Kräuterwissen verfügte. Er räusperte sich und begann, in kräftigem Tenor zu singen.

»Oh, ein tapfrer Füsiliermarschierte einst durch Rochester,Auf seinem Weg in die Niederlande.Und er sang auf seinem MarschDurch die vollen Straßen von Rochester,›Wer wird noch Soldat für Marlborough und mich?‹«

Wie aus einem Mund fiel der Rest der Kompanie ein und sang den Refrain:

»Wer wird noch Soldat, wer wird noch Soldat,Wer wird noch Soldat für Marlborough und mich?«

Mit Zufriedenheit sah Steel, wie schnell das gemeinsame Lied die verschreckten Männer auch diesmal wieder in seinen Bann schlug. Beherztes Singen war das Mittel der Wahl, wenn man noch ein bisschen Zeit vor dem eigentlichen Kampfgeschehen totzuschlagen hatte. Die Männer sollten an ihren geliebten »Corporal John« denken – an John Churchill, der nach dem Sieg von Blenheim zum Herzog von Marlborough erhoben worden war. Ja, sollten die Jungs sich ruhig noch einmal die Siege in Erinnerung rufen, die sie unter Marlboroughs Führung errungen hatten: Blenheim, Ramillies und all die anderen. Und dieser Tag würde sie wieder zu einem Sieg führen.

»Tom. Wie heißt das Dorf da drüben?«, fragte Steel.

»Eename, Sir.«

Nein, dachte Steel, das eignete sich nicht. Dem Namen haftete nichts Martialisches an. Dann doch besser die größere Siedlung weiter links. Oudenaarde. Das würde sich in den Geschichtsbüchern besser machen, auch in den Flugschriften in den Kaffeehäusern in London. Ja, Blenheim, Ramillies und Oudenaarde. Nicht zu vergessen Ostende, die Schlachtlinien von Brabant …

Trotz des lauten Gesangs und des Kampflärms aus dem Talkessel vernahm Steel ein Niesen hinter sich. Er brauchte sich nicht umzudrehen, wusste er doch, wer dort geniest hatte: Henry Hansam, nach Steel der ranghöchste Offizier in den Reihen der Grenadiere, hatte sein eigenes Mittel, um sich auf die Schrecken der Schlacht einzustimmen. So genoss er auch jetzt wieder eine Prise Schnupftabak; insbesondere vor dem Gefecht stieg Hansams Tagesdosis auf das Zehnfache. Während die Männer in anderen Kompanien unter lauten Rufen und Trommelwirbeln vorrückten, mischte sich in Steels Einheit seit Jahren das explosionsartige Niesen von Hansam.

Steel wandte sich seinem Freund zu. Als der Lieutenant Steels Blick spürte, rief er über den volltönenden Gesang der Kameraden hinweg: »Auch eine Prise, Jack? Habe gerade eine frische Lieferung aus England erhalten, über Ostende. Feinste spanische Ware. Wie ich aus sicherer Quelle erfuhr, stammt dieser Tabak noch aus der Ladung, die Admiral Hobson einst 1702 vor Vigo erbeutete. Hervorragende Qualität, sage ich. Du bist sicher, dass du nicht auch mal …?«

»Nein, danke dir, Henry. Magst du mich auch noch so sehr drängen und die Herkunft deines Tabaks betonen, du müsstest doch längst wissen, dass der Tag gelaufen wäre, wenn ich anfangen würde, mir dieses Zeug in die Nase zu schieben. Mein Laster ist das Trinken. Und vielleicht gelegentlich eine Partie Piquet oder Whist.«

»Oh, richtig, und du hast ja inzwischen auch nur noch Augen für eine Dame, Jack. Die liebliche Mrs. Steel hat deine ganze Aufmerksamkeit. Vergessen sind all die Tage, als du noch …«

Steel musste lachen und unterbrach seinen Freund. »Ganz recht, Henry. Ich treibe mich nicht mehr herum. Ein einfaches Leben, das ist, wonach ich mich sehne. Ruhm, Beförderung, Reichtümer. Die Liebe einer guten Frau und eine Kompanie mit Männern wie diesen, auf die ich stolz sein kann. Mehr verlange ich gar nicht.«

Auch Hansam lachte jetzt. »Nun, wie es dir gefällt. Aber du weißt nicht, was du dir entgehen lässt. Ein seltenes Kraut, sag ich dir. Sehr süß. Duftet nach Lavendel. Beruhigt die Nerven.«

»Süß, Henry? Das Zeug ist so übel riechend wie die Abwasserrinne in Holborn. Und bei den Mengen, die du dir in die Nase stopfst, wundert es mich, dass du überhaupt noch Nerven übrig hast, die du beruhigen kannst.«

Hansam lächelte und verzog dann das Gesicht, als sich ein weiteres Niesen ankündigte, noch heftiger als das vorige. Steel amüsierte sich und war froh, als er sah, dass Slaughter und die Männer sogar beim Singen grinsten, da sie Bruchstücke der Unterhaltung der beiden Offiziere mitbekommen hatten. Es beruhigte die Soldaten jedes Mal, wenn sie merkten, dass ihre Vorgesetzten im Angesicht des Feindes gelassen plauderten oder scherzten.

Während eines Kampfes einen kühlen Kopf zu bewahren – insbesondere so unmittelbar vor dem Angriff –, war eine der Grundvoraussetzungen für die Offizierslaufbahn. Ein Offizier, das wussten die Männer, war für diese Rolle wie geschaffen. Offiziere waren Gentlemen und brachten Eigenschaften mit, die für die Führung der Männer entscheidend waren. Dazu zählte auch ein natürliches, angeborenes Selbstvertrauen. Ein Offizier, ein echter Offizier, war unangreifbar und nahezu unverwüstlich.

Und obwohl Steel nicht aus reichem Elternhaus stammte, sondern der Sohn eines leidlich begüterten Landadligen aus den schottischen Lowlands war, gehörte er in den Augen der Soldaten zu den geborenen Offizieren. Steel hatte für den Eintritt in die Armee ein Offizierspatent erworben, aber nicht aus eigenen Mitteln, sondern mithilfe seiner früheren Geliebten, einer Hofdame aus St. James’s, der Gemahlin eines älteren Adligen. Von Beginn an hatte Steel sich in der Armee aufgrund seiner Kaltblütigkeit und Gelassenheit einen Namen gemacht. Doch hinter dieser Fassade lauerte die Angst, die jeden unerfahrenen Rekruten erfasste und ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Denn wer verspürte keine Angst in Augenblicken wie diesen?

Steels Blick fiel auf die eigene Kompanie und die anderen Soldaten des Regiments dahinter. Viele der Grenadiere kannte er persönlich, sah ihre vertrauten, unrasierten Gesichter unter den hohen Grenadiersmützen, dem Symbol ihres Elitestatus: blaue und rote Stickarbeit, verziert mit Goldfäden und weißer Spitze. Diese Zipfelmützen, die sich von der kegelartigen Form her von den Hüten der übrigen Soldaten unterschieden, erleichterten den Männern das Werfen der Sprenggranaten, von denen sich die Bezeichnung Grenadier ableitete.

Obwohl diese unberechenbaren Bomben immer seltener in der offenen Feldschlacht verwendet wurden, trugen die Grenadiere sie immer noch bei sich. Jeder Mann war mit drei dieser kleinen schwarzen Metallkugeln ausgerüstet, die in einer schwarzen Ledertasche am Gürtel aufbewahrt wurden. Die Bezeichnung Granate leitete sich von dem spanischen Wort »granata« her, Granatapfel. Zündete man die Zündschnur dieser Bomben und schleuderte sie dann wie einen Cricketball in Richtung der feindlichen Linien, konnte man in Grabenstellungen immer noch für ein heilloses Durcheinander sorgen oder bei dicht gedrängt stehenden Truppeneinheiten verheerendes Unheil anrichten.

In der eigenen Kompanie kannte Steel die Eigenschaften jedes Kameraden, angefangen bei Mackay, dem stämmigen Farmerssohn, oder dem hageren Straßenflegel Taylor, bis hin zu Dan Cussiter oder Thorogood, der mit seinen überlangen Armen geradezu prädestiniert war für den Granatenwurf. Die meisten dieser Jungs hatte Steel ins Herz geschlossen. Mit vielen hatte er unzählige Male Seite an Seite gekämpft und war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass die Männer auch aus diesem Gefecht an Leib und Seele möglichst unbeschadet hervorgingen, ihren Anteil an der Beute erhielten und Ruhm erlangten. Nicht mehr und nicht weniger erhoffte Steel sich auch für sich selbst.

Hinter den Grenadieren, hoch über dem Bataillon, wehten die seidenen Rechtecke der Regimentsfahnen. Eine davon war nach all den Schlachten zerschlissen und sah aus wie ein zerfledderter Lumpen. Es war die Fahne des Colonels: rot und golden über dem Emblem ihres Kommandanten Sir James Farquharson. Die anderen Fahnen, die erst kürzlich angefertigt worden waren, zeigten die Symbole des Vereinigten Königreichs von England, Schottland und Irland. In der Mitte prangte eine Krone.

Auch dem letzten Zweifler führte die neue Fahne die neue Ordnung vor Augen: Farquharson hatte einst ein Regiment mit schottischen Infanteristen ausgehoben, die bei Blenheim und Ramillies unter dem blau-weißen Andreaskreuz ihrer Heimat gekämpft hatten, aber seit dem letzten Jahr gehörten all diese Männer zur britischen Infanterie. Zu den britischen Grenadieren. Sie waren stolz, fortan nicht nur der Königin, sondern auch der vereinigten Nation dienen zu dürfen. Steel beobachtete, wie sich das Sonnenlicht in den wehenden Fahnen fing.

Hinter den Fahnen, in dem Marschlandgürtel und auf den Anhöhen vor dem Dorf Eename, konnte man die Masse der Kolonnen sehen, die sich wie farbige Bänder durch die Landschaft schlängelten – eine Streitmacht aus vielerlei Nationen. Diese Truppen warteten hinter Farquharsons Regiment auf den Befehl, nach und nach die schmalen Holzbrücken zu überqueren, die auf den Blechbooten angebracht waren.

Inmitten der anderen Regimenter, das wusste Steel, wartete eine der besten Infanteriekompanien der Welt: Lord Herberts Foot, direkt daneben die Männer von Gibson, Farrington, Meredith und Holland. Dahinter schlossen sich die Einheiten von Princess Anne, Granville, Clifton und Douglas an, dazu andere Regimenter, die bis vor Kurzem noch ausschließlich zur schottischen Armee gehört hatten: die Royals, die North British Fusiliers und die Earl of Angus’s Foot. All diese Namen würden gewiss für immer in die Annalen der britischen Armee eingehen.

Rechts von den britischen Brigaden standen die Alliierten: die Preußen und Hessen in ihren auffallenden blauen Uniformen, die Hannoveraner und Schweizer Verbände in Rot und die Dänen in ihren charakteristischen grauen Uniformen. Die Soldaten dieser Regimenter sangen und fluchten in mehr als einem Dutzend verschiedener Sprachen, und doch waren alle auf Befehl ihres großen Feldherrn bis nach Oudenaarde gekommen. Hier, auf flandrischem Boden, zeigte sich die Vielfalt der europäischen Völker: Engländer, Iren, Schotten und Waliser, blasse Skandinavier, Männer aus den italienischen Staaten und deutschen Landen und im Exil lebende Hugenotten.

Doch seit einiger Zeit waren zu viele dieser Männer schweigsam. Sie sahen zu, wie ihre Kameraden, die früher am Morgen eingetroffen waren, drunten im Tal auf den Feind stießen, Salven abfeuerten, dem Kugelhagel trotzten, stürmten, kämpften und starben. Die unfreiwilligen Zuschauer indes waren machtlos. Denn sie hatten den Befehl, zu warten; daher gab es keine Alternative, als das Geschehen mit wachen Augen zu verfolgen.

Steel hingegen erschrak ein wenig, als er sich bewusst machte, dass seine eigenen Männer alles andere als still waren und Taylor sein Lied immer noch nicht beendet hatte. Oder hatte der Corporal erneut die eingängige Melodie angestimmt? War es ihm, Steel, entgangen, weil er sich den eigenen Tagträumen hingegeben hatte? Steel lauschte auf den Gesang, auf die nicht enden wollenden Verse:

»Es erhalten den Sold im Pulver und Gerassel der Kugeln,die Soldaten wie Marlborough und ich.«

Nach Steels Dafürhalten spiegelte das Lied sein eigenes Leben wider – ein Leben, das in Pulver und Blei bezahlt wurde. Seit seinem siebzehnten Lebensjahr war das Steels Sold gewesen. Im Range eines Lieutenants hatte er sich diesem Krieg angeschlossen, hatte sich auf eigenen Wunsch und zum Verdruss seiner Offizierskameraden zu den Grenadieren versetzen lassen.

Den Rang eines Captains jedoch hatte er sich nicht erkauft, wie es meistens in der Armee gehandhabt wurde, sondern sich verdient – aufgrund seiner Tapferkeit in der Schlacht, seines mutigen Einsatzes und nicht zuletzt aufgrund seiner kürzlich entdeckten Fähigkeit eines »Spähers«. Denn Steel gehörte zu dem neuen Typus von Offizieren, die seit einiger Zeit den Dienst antraten und unter anderem Spezialeinsätze übernahmen. Vor der Schlacht von Blenheim – diesen Sommer vor genau vier Jahren – hatte Steel eigenhändig eine Verschwörung gegen Marlborough vereitelt. Gewisse Kreise innerhalb der Armee und der politischen Vertreter in London hatten versucht, den Herzog als jakobitischen Verräter zu brandmarken, um ihn dadurch nachhaltig zu diskreditieren und seines Kommandos zu entheben. Keine zwei Jahre war es her, da hatte Steel eine Schlüsselrolle in der heimlichen Eroberung von Ostende gespielt. Seither war die Stadt an der Kanalküste der Nabel der britischen Armee, sobald es um Nachrichtenwege nach England und die Beschaffung von Vorräten für die Soldaten auf dem Kontinent ging.

Steel betrachtete die Schleifen aus silberner Spitze an seinem roten Uniformrock, die er sich erst kürzlich, nach anfänglichem Widerwillen, hatte annähen lassen. Einst hatte er sich geschworen, alles zu tun, diese offensichtlichen Rangabzeichen zu meiden. Es ging ihm dabei nicht nur um das Argument, dass er mit den Abzeichen ein besseres Ziel für die gegnerischen Scharfschützen abgab. Er hielt sich vielmehr für besser als die herausgeputzten Hanswurste, zu denen viele Offiziere im Verlauf ihrer Karriere wurden. Steel hingegen war ein Kämpfer. Was sollte ein Mann wie er mit Verzierungen? Andererseits, was sollte ein Offizier tun, wenn einem die Königin höchstpersönlich die Beförderung überreichte?

Dennoch, hartnäckig verschloss er sich den anderen Utensilien eines höheren Offiziers. Nie würde er diese lästigen Perücken aufsetzen, die viele Offiziere zur Schau trugen. Steel zog es vor, das eigene Haar hinten am Kopf zusammenzubinden, wie es bei den Dragonern Sitte war. Sein Vorbild in dieser Hinsicht war ein Offizier gewesen, den Steel gekannt hatte, als er noch den niedrigeren Rängen angehörte: Francis Hawley war Captain der First Foot Guards gewesen und ein paar Jahre älter als Steel. Als Steel sich den Zugang zum Regiment erkauft hatte, war Hawley der Befehlshaber der neu eingerichteten Grenadierkompanie gewesen.

Obwohl Hawley sich kurz darauf den Berkeley Dragoons angeschlossen hatte, waren die beiden Männer sich freundschaftlich verbunden geblieben. Im Jahre 1692, bei Steenkerke, als Steel bei einer der schlimmsten Niederlagen der englischen und schottischen Armeen seine Feuertaufe in der Schlacht erhielt, hatte er ungläubig mit ansehen müssen, wie Hawley auf dem blutigen Strand geradewegs in den Tod gelaufen war. Steel hatte Hawley nie ganz vergessen, und je länger er in der Armee diente, desto bewusster ahmte er seinen Freund und Mentor von einst nach. Wie Hawley, trug auch Steel keine Gamaschen, sondern bevorzugte die bequemeren und robusten halbhohen Stiefel.

Viel wichtiger war es für ihn indes, bei der Wahl der Waffen den eigenen Vorlieben treu zu bleiben. Ungewöhnlich für einen Offizier, trug Steel abgesehen vom Degen ein Gewehr über der Schulter, eine kurzläufige Muskete, die einst als Jagdflinte gedient hatte. Auch der Degen entsprach eigentlich nicht den Dienstvorschriften: Es handelte sich um eine schwere Waffe mit rasiermesserscharfer Klinge, die besser zu einem Kavalleristen gepasst hätte. Doch da Steel hochgewachsen war, konnte er die Klinge ähnlich wie ein Reiter schwungvoll zum Einsatz bringen.

Genau genommen war der Degen ein Breitschwert, ein einhändiges Claymore aus den schottischen Highlands mit einem Korb am Heft und gerader Klinge, gefertigt in Italien. Diese Waffe hatte immer schon an der Wand seines Elternhauses in den Lowlands gehangen und unterstrich, mehr als alles andere, Steels Herkunft. Der Degen hatte ihn bislang nie enttäuscht und auf den Schlachtfeldern Europas eine blutige Spur hinterlassen. Allein das Gewicht der Waffe reichte aus, um einem Gegner den Schädel zu spalten, doch in Steels Hand lag sie leicht wie eine Feder, und die Feinde, die mit dieser Klinge Bekanntschaft gemacht hatten, lebten selten lange genug, um von dem Zweikampf berichten zu können.

Ein Geräusch wie in der Ferne rollender Donner kündigte das Eingreifen der Artillerie an. Steel drehte den Kopf in die Richtung, hatte das Aufblitzen der Kanonenrohre aber bereits verpasst und vermochte bei den Sichtverhältnissen nicht genau zu sagen, wo die Geschütze standen. Noch waren keine Geschosse über die Köpfe der Kompanie hinweggeflogen. Inzwischen kam es ihm beinahe so vor, als verfolgten er und seine Kameraden das Spektakel in der Ferne mit dem Gleichmut eines Theaterpublikums. Aber Steel wusste um den Ernst der Lage. Vor seinem geistigen Auge sah er die Geschützmannschaften auf dem gegenüberliegenden Hügel, die mit aufgekrempelten Ärmeln neben den heißen Kanonen schwitzten, hastig die Rohre säuberten, die Kartuschen und Geschossladungen festrammten und gleichzeitig die überhitzten Geschützläufe kühlten. Steel hatte selbst aus der Nähe erlebt, wie die Kanonen unter den Warnrufen der Geschützführer auf ihren Holzlafetten zurückschnellten, und stellte sich nun vor, wie die Kugeln die Läufe verließen und in hohem Bogen über das Schlachtfeld flogen, um ihre unglückseligen Ziele zu finden.

Der Geschützdonner erzeugte so etwas wie den Generalbass in der Symphonie der Schlacht. Für Steel bildete das tiefe Grollen der Artillerie, das sich unter das Krachen der Musketen mischte, eine vertraute Geräuschkulisse – vielleicht so vertraut wie die Choräle Londons für das Ohr seiner opernhungrigen Frau. Sein Gehör war geschärft für die Tonfolgen der Melodie, die sich aus dem Geschützdonner ergab. Hier auf dem Schlachtfeld gab es kein Theater. Diese Männer dort drüben waren keine Schauspieler. Dennoch fragte Steel sich, wann der Vorhang sich zum nächsten Akt heben würde, quasi als Stichwort für seine Kompanie.

Eine solche Schlacht hatte er, wenn er recht überlegte, noch nicht gesehen. Seit nunmehr fast fünfzehn Jahren hatte Steel hautnah verfolgen können, wie die Schlachten eröffnet wurden und sich auf unterschiedliche Weise entwickelten: Nicht nur hier in Flandern, auch in der Tiefebene Dänemarks bis hinunter zu den heißen, sonnengebleichten Felsen der Iberischen Halbinsel. Erst die Salven zur Eröffnung. Dann das Vorrücken und die Befehle, die von einer Linie zur nächsten hallten, bis sich blutige Schneisen in die sauber geordneten Reihen fraßen und schließlich alles in wildem Getümmel endete, ehe eine Partei in die Flucht geschlagen wurde.

Hier jedoch bot sich ihm etwas Neues. Diese Schlacht verlief nicht nach der üblichen Dramaturgie, sondern blieb weitestgehend Stückwerk. Die Alliierten waren nach und nach eingetroffen und hatten dementsprechend versetzt in das Geschehen eingegriffen. Die Vorhut hatte sich beim Halten der Stellung am Fluss selbst übertroffen, und als Steel mit seinen Leuten vor zwei Stunden eingetroffen war, hatte das Gefecht bereits vier Stunden angedauert. Doch selbst zu diesem Zeitpunkt waren die Fronten noch nicht voll aufeinandergeprallt. Steel musste eher an zwei Hunde denken, die sich in einer Gasse abwartend umkreisten, um ihr Revier wetteiferten und zögerlich zuschnappten … sich aufeinander zubewegten, um im nächsten Augenblick wieder zurückzuweichen. Aber Steel wusste, dass es nicht Marlboroughs Absicht war, dem Gegner dieses Feld ohne einen ernsthaften Blutzoll zu überlassen.

Cadogans Pioniere hatten den Bau der Pontonbrücken vorangetrieben, sodass die Soldaten – Reiter wie Fußtruppen – über den breiten Fluss bis kurz vor die feindlichen Stellungen gelangen konnten. Steel hegte große Bewunderung für den irischen General. Cadogan hätte Marlboroughs ranghöchster Kommandeur mit einer prestigeträchtigen Position innerhalb des Generalstabs sein können, aber sobald sich eine Schlacht abzeichnete, fand man den Grafen oft in den vordersten Reihen, als Antreiber und Vorbild für die Männer. Und seine Soldaten wussten diesen Einsatz zu schätzen.

Steel konnte inzwischen Cadogans scharlachrot hervorstechende Bataillone sehen, britische und Hannoveraner Infanterie, die sich um das Dorf Eyne scharten – achthundert Yards weiter vorne rechts. Genau dieser Ort würde das Ziel von Steels Einheit werden. Aufgabe seiner Brigade wäre es dann, die sichtlich angeschlagenen Verbände Cadogans zu unterstützen und somit die gesamte alliierte Formation zu verstärken. Steel blickte nach rechts und sah, dass noch mehr alliierte Truppen über die Straße von Lessines heranrückten und Marlboroughs Wunsch entsprechend ihr Improvisationstalent unter Beweis stellen konnten. In Augenblicken wie diesen zeigte sich das wahre Genie des »Corporal John«, der die Soldaten durch sechs Jahre Krieg geführt hatte. Zunächst bis nach Bayern zum großartigen Sieg bei Blenheim und dann zurück nach Flandern.

Erneut drangen Bruchstücke von Taylors Lied an Steels Ohren, und wieder war viel Wahres in den Strophen.

»Trotz Hunger und Gefahr wird es mein Schicksal sein,neue Arbeit zu suchen für Marlborough und mich.Wer wird Soldat, wer wird Soldat …«

Inzwischen hatten die anderen Kompanien des Bataillons das Lied aufgegriffen, bis der Funke übergesprungen war zu den übrigen britischen Regimentern der Brigade, die hinter den Grenadieren Aufstellung bezogen hatten und bei der Brücke warteten.

So zog sich der Nachmittag hin. Abwechselnd hatten Furcht und Enttäuschung Steel und seine Männer und alle anderen befallen. Nach wie vor starben die Soldaten dort unten im Tal, einzeln oder in kleinen Gruppen von vier, sechs oder gar zehn Mann, wie das Schicksal die Kugeln zu lenken geruhte. Steel verfolgte das Getümmel in dem Dorf, sah die kämpfenden Männer auf den Feldern, in den Obstgärten und auf der weiten Ebene. Wiederholt hatte er die Passivität seiner Kommandeure verflucht.

Steel wischte sich den Schweiß von der Stirn, denn die Sonne brannte vom Himmel. Und immer noch warteten sie auf den Befehl zum Angriff.

Wieder rief Steel zu Hansam hinüber, wie des Öfteren im Verlauf des Tages. »Wie spät ist es bei dir, Henry?«

Der Lieutenant holte seine wertvolle goldene Sprungdeckeluhr hervor, die er bei Blenheim einem toten Franzosen abgenommen hatte. »Gleich halb fünf.«

Steel nickte zum Dank, verscheuchte eine Fliege, die ihm um den Kopf schwirrte, und fuhr mit einem Finger an seinem schweißnassen Kragen entlang. Auch in diesem Feldzug spürte er, dass sich wieder einmal Läuse in seinem Hemd festgesetzt hatten. Eine elende Qual für jeden Soldaten. Steel hatte sich der Plagegeister in England entledigt und hatte auch in Brüssel nicht klagen können, aber seitdem die Truppen wieder marschierten, waren die kleinen Biester wieder da – und Steel wurde das Gefühl nicht los, dass die Blutsauger nach ihrer Abwesenheit erst richtig lästig geworden waren.

Was hätte er nicht alles für ein sauberes Hemd gegeben, geschweige denn für ein anständiges Bad, dazu einen Krug Ale und ungestörten Schlaf! Vor allem Schlaf. Mit einer Hand rieb er sich über das stoppelige Kinn. Eine Rasur wäre auch nicht zu verachten, nicht zu vergessen die Aussicht, wieder mit seiner Frau das Bett zu teilen.

Mit Verzögerung fiel ihm auf, wie sehr er inzwischen schwitzte. Der Tag neigte sich fast dem Ende zu, und der Kampflärm aus dem Tal schien die Hitze noch zu verstärken. Wie lange würden sie noch hier ausharren müssen? Taylor und die Kameraden hatten längst ihre letzte Strophe gesungen, und Stille senkte sich auf die Reihen; die alten Ängste schlichen sich wieder in die Köpfe und Herzen der Männer.

Steel straffte die Schultern und sprach so laut, dass die Männer ihn hören konnten: »Das habt Ihr sehr gut gemacht mit dem Singen, Corporal Taylor. Würde es Euch etwas ausmachen, wenn wir in Kürze noch einmal auf Euer Talent zurückgreifen würden?«

Der Corporal grinste. »Zu Diensten, Captain Steel, wie immer, Sir. Hebt die Lebensgeister, so ein Lied. Das sage ich immer, Sir.« Wie ein Nachgedanke fügte er leiser hinzu: »Kann dieses Warten nicht mehr ertragen, Sir.«

Slaughter strafte ihn mit einem düsteren Blick. Aber Steel gehörte nicht zu den Offizieren, die sich bei kleinen Unverschämtheiten ereiferten, insbesondere in Augenblicken wie diesen. Zumal Taylor zu den verlässlichsten Veteranen gehörte. Daher nickte er bloß. »Ich auch nicht, Taylor. Und mit dem Singen habt Ihr ganz recht. Wir werden noch von Euch hören, wie es so schön heißt. Aber ich möchte behaupten, dass wir bald loslegen werden. Nur keine Sorge.«

Der Mann unmittelbar neben Taylor in der vordersten Reihe der Kompanie, ein für gewöhnlich mürrischer Schotte aus den Lowlands namens John Mackay, meldete sich zu Wort: »Und wir schicken sie zur Hölle, nicht wahr, Sir? Wie wir’s bei Ramillies gemacht haben, oder, Jungs?«

»Als du noch an der Brust deiner Mutter hingst«, murmelte Slaughter.

Ein kurzes, vielstimmiges Hurra kam aus den Reihen. Doch es zeugte mehr von Langeweile und Furcht der Männer als von Selbstvertrauen.

Wie bei Ramillies, dachte Steel. Ja, vielleicht würde es so enden wie bei Ramillies. Oder wie bei Blenheim. Doch Marlboroughs Triumphe schienen eine halbe Ewigkeit her zu sein. Während Steel an der Brücke wartete, hatte er das Gefühl, die Ereignisse der letzten Jahre seien in fernen Landen geschehen.

Steel hatte seine jetzige Frau Henrietta zwar schon vor der Belagerung von Ostende gekannt, aber er hätte es nie für möglich gehalten, dass sie seine Geliebte und Ehefrau würde. Sie entsprach nicht seinem Stand, hieß sie doch mit vollem Titel »Lady Henrietta Vaughan«. Unter diesem Namen würde sie wohl immer bekannt sein. Er selbst konnte sich kaum an die Vorstellung gewöhnen, dass er mit einer echten Lady vermählt war. Würde er sich überhaupt je daran gewöhnen? Seit knapp einem Jahr war sie seine Frau und lebte inzwischen in Brüssel. Ursprünglich hatte Steel nicht gewollt, dass sie zusammen mit ihm England verließ, aber sie hatte sich durchgesetzt. Sie betonte, andere Frauen würden es auch so machen, warum sollte sie also nicht ihrem geliebten Captain folgen?

Captain Steel. An diesen Rang konnte er sich ohne Weiteres gewöhnen. Für seinen Einsatz bei der Eroberung Ostendes hatte man ihn bei Hofe in den Rang eines Captains erhoben; das Patent hatte ihm niemand Geringeres als die Königin persönlich ausgehändigt. Denn bis dahin hatte Steel lediglich den Titularrang eines Captains geführt. In den Straßen Londons war er während einer Parade als Held des Feldzugs gefeiert worden. Balladensänger von Covent Garden bis Holborn hatten ihn mit Lob überhäuft, Veteranen hatten sich seine Heldentaten in den Kaffeehäusern wie White’s oder Old Man’s erzählt, ebenso in dem noch unter König William errichteten neuen Militärhospital in Chelsea.

Steel hatte sich damals gefragt, was wohl sein älterer Bruder gesagt hätte, hätte er ihn in all dem Pomp gesehen. Charles hatte ihn oft »Jack den Taugenichts« genannt; mehr als einmal hatte er ihn anderen Leuten mit den Worten vorgestellt: »Das ist Jack, mein glückloser Bruder, der es wohl zu nichts bringen wird.«

Steel ahnte, dass er in Charles’ Augen immer der kleine Angestellte in der Anwaltskanzlei bleiben würde, der im Beruf versagt hatte, oder der mittellose Soldat, der sich sein Offizierspatent von seiner Geliebten bezahlen ließ. Was würde Charles nun sagen, wenn er Captain Steel sähe, den Helden von Ostende?

Einen Moment lang musste er auch an seinen zwei Jahre jüngeren Bruder Alexander denken, einen bekennenden Jakobiten, der mit seinen politischen Vorstellungen die Familie gespalten hatte – oder das, was von der Familie noch übrig geblieben war. Alexander war einst von zu Hause aufgebrochen, um sich dem im Exil lebenden König James in Paris anzuschließen. Seit fünf Jahren hatte Steel nun schon nichts mehr von Alexander gehört. Was mochte aus ihm geworden sein?

Tatsächlich hatte er sich des Öfteren ausgemalt, irgendwo auf den Schlachtfeldern des Kontinents auf Alexander zu stoßen, ahnte er doch, dass sein Bruder die Uniform der »Wild Geese« tragen würde, jener irischen Regimenter in französischem Sold, die für eine besiegte Dynastie und ein besiegtes Land so tapfer kämpften. Vielleicht war Alexander längst verwundet oder gar verstümmelt.

Immer wieder befiel Steel ein Gefühl tiefer Melancholie und innerer Leere, sobald er sich bewusst machte, dass er seine Kindheit, seine Jugend und seine Wurzeln in Schottland endgültig hinter sich gelassen hatte, als er auf Drängen seiner Geliebten im Range eines Lieutenants in die Guards eingetreten war. Inzwischen wusste er, dass seine wahre Familie aus jenen Männern bestand, die hinter ihm auf diesem Feld standen – all die Jungs und die hübsche, eigenwillige junge Frau, die in dem kleinen, sündhaft teuren Apartment in Brüssel auf ihn wartete.

Rang und Erfolg waren für Steel zwar wichtig für die Karriere, aber immer wieder führte er sich vor Augen, dass der wahre Gewinn der blutigen Tage in Ostende Henrietta gewesen war. Steel hatte sie aus den Händen eines französischen Freibeuters befreit – eines skrupellosen Piraten, um es auf den Punkt zu bringen –, der in Diensten des Sonnenkönigs stand. Jener René Duguay-Trouin hatte sowohl Henrietta als auch Steel selbst in einer Folterkammer unterhalb einer Schänke gefangen gehalten. Den eigenen Tod vor Augen, hatten sie mit ansehen müssen, wie ein Freund aus Ostende eines grässlichen Todes starb.

Letzten Endes hatte Steel Henrietta aus jenem Ort des Schreckens befreien können, und dafür schenkte sie ihm ihre Liebe. Das stand außer Zweifel. Und inzwischen, als die Jahre verstrichen, machte er es sich zur Aufgabe, seine Frau davon zu überzeugen, dass es noch mehr Gründe für ihre Liebe gab – Tugenden, die sie noch nicht an ihrem Mann kennengelernt hatte. Sich allein im Leben durchschlagen zu müssen, für das eigene Überleben zu kämpfen und das Dasein eines Soldaten zu fristen, war eine Sache. Aber es war etwas anderes, wenn man in die Schlacht zog und wusste, dass es dort jenseits des Trosses jemanden gab, der auf einen wartete. Steel war glücklich und stolz, dass Henrietta ihm nach Flandern gefolgt war, obwohl es ihn in Wirklichkeit nicht wunderte, wenn er bedachte, wie beharrlich und resolut sie sein konnte.

Marlboroughs Armee folgte stets ein großer Tross mit sogenannten Schlachtenbummlern, die es bei jeder Armee gab – Frauen, Kinder, Ehefrauen oder Geliebte. Doch die wenigsten davon waren Gemahlinnen der Offiziere. Das war etwas, das er an Henrietta bewunderte: Ihr unabhängiger Geist, der eng mit ihrer unwiderstehlichen Anziehungskraft verwoben war. Er hoffte, dass er bei der Frau eines Offiziers der Grenadiere die richtige Wahl getroffen hatte. Es war nicht zu übersehen, dass seine Männer ihr zugetan waren. Sie betrachteten Henrietta als Teil der großen Regimentsfamilie. Zudem wusste jeder, was sie durchgemacht hatte, und dafür zollten sie ihr Respekt. Außerdem war sie Captain Steels Frau.

Ein Captain mochte er zwar sein – und er erhielt einen nicht zu verachtenden Jahressold von 170 Pfund –, aber Steel war nach wie vor hungrig auf Beförderung. Denn so lieblich Henrietta auch war, ihre Ansprüche hatten bereits erhebliche Auswirkungen auf sein Leben. Steel war bislang kaum bewusst gewesen, was für Kosten eine Offiziersfrau verursachte. Gewiss, sie hatte eine kleine Mitgift in die Ehe eingebracht, aber diese Summe spiegelte nicht ihren Status als älteste Tochter des Herzogs von Rumney wider. Deshalb fragte Steel sich immer wieder, ob ihr Vater, da er Steels bescheidene Verhältnisse und die unsicheren Zukunftsaussichten kannte, nicht absichtlich eine größere Summe zurückgehalten hatte … für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes geschah.

Zudem waren weitere Summen vonnöten gewesen, da Henrietta darauf bestanden hatte, eine Zofe aus England kommen zu lassen. Sie hatte sich auch nicht mit einer einfachen Unterkunft in Brüssel zufriedengeben wollen, sondern gleich eine Suite für sich beansprucht. Als Junggeselle hatte Steel sich noch mit einem Bett in den oberen Räumen einer Taverne begnügt, doch seit der Heirat bestand Henrietta auf einem gewissen Standard und legte obendrein Wert auf die Möglichkeit, Gäste empfangen und unterhalten zu können: In Brüssel bestand das Apartment demzufolge aus zwei Schlafgemächern, einem Salon, einem Arbeitszimmer und einem Speisezimmer. Abgesehen von der Zofe gönnte Henrietta sich für die Küche einen eigenen Koch, ganz zu schweigen von ihren anderen Ansprüchen. Steel hätte es nie für möglich gehalten, dass Frauen so viel … Kram anhäuften.

Ja, sein Leben hatte sich von Grund auf verändert, und sosehr er seine Henrietta auch verehrte, allmählich empfand er die Zweisamkeit als Bürde. Inzwischen konnte er nachvollziehen, was Slaughter gemeint hatte, als er sagte, das Soldatentum und der Ehestand ergäben keine glücklichen Bettgenossen.

Dennoch, sobald Steel mit Henrietta das Ehebett teilte und ihren kleinen, weichen Leib neben sich spürte, waren all diese Gedanken verpufft. Schnell verlor er sich dann in Sinnesfreuden, die er sich nie erträumt hätte. Fast hatte er befürchtet, in den Monaten fernab vom Kriegsgeschehen verweichlicht zu sein, da er den Luxus eines Federbetts in den Armen seiner Frau genoss. Doch während der zurückliegenden Wochen hatte er erfahren, dass das Regiment nur wenige Gefechte erlebt hatte. Daher hatte er keine Gelegenheit verpasst, weiteren Ruhm zu erlangen.

Das schrille Kreischen einer Kanonenkugel, die über die Köpfe der Soldaten hinwegschwirrte, riss Steel unsanft in die Wirklichkeit zurück. Doch selbst während er beinahe unbeteiligt das Kampfgeschehen verfolgte, war er in Gedanken noch immer mit dem Problem befasst, dass er vor Jahresende Mittel und Wege finden musste, seine finanzielle Situation zu verbessern. Eine Beförderung zum Major würde ihm da zupasskommen und ihm einhundert Pfund mehr pro Jahr einbringen. Wahrscheinlich würde er seine geliebten Grenadiere dennoch nicht verlassen. Es sei denn, der gegenwärtige Regimentsadjutant käme im Verlauf des Feldzuges zu Schaden.

Steel hatte Charles Frampton zwar nie gemocht, aber der Major war ein zu guter Soldat, als dass man auf ihn verzichten könnte. In den Wochen nach Ramillies war Frampton an der Verbreitung verleumderischer Pamphlete gegen Marlborough beteiligt gewesen, was diesen Mann in Steels Augen noch verhasster gemacht hatte. Inzwischen sprach niemand mehr davon; die Angelegenheit war vergessen. Framptons Komplize, der eigentliche Drahtzieher der Intrige, war bestraft worden, und Frampton war mit einer strengen Verwarnung davongekommen. Zusätzlich hatte man ihn aufgefordert, mehrere hundert Guineen in die Regimentskasse zu zahlen.

Es entsprach nicht Steels Art, einem anderen Offizier ein Missgeschick auf dem Schlachtfeld zu wünschen. Andererseits war es, nüchtern betrachtet, natürlich der einfachste Weg, wenn man in die Fußstapfen eines gefallenen Kameraden trat … eine nicht unwillkommene Aussicht für einen Mann in Steels Situation, von Schulden geplagt und ohne ausreichende Mittel. Aber vielleicht würden sie in dieser Schlacht Beute machen. Marlborough hatte unter Androhung der Todesstrafe verboten, während des Feldzuges zu plündern, aber es bestand womöglich Aussicht auf legitime Beute, wenn sie an diesem Tag den Sieg davontrugen und bis nach Frankreich vordrangen.

Wenn sie den Sieg davontrugen. Steel lächelte. Er hatte sich an das Siegen gewöhnt. Aber wie sollten sie siegen, wenn sie nicht kämpfen konnten oder durften?

Er wandte sich Hansam zu. »Ich weiß nicht, wer uns so lange warten lässt, aber wer immer es sein mag, verflucht soll er sein. Ausnahmsweise auch Marlborough für seine verdammte Zurückhaltung. Wir müssen bald los, Henry! Schau dir nur die Männer an!«

Versuchsweise setzte er einen Fuß auf die Pontonbrücke. Er hörte, wie das Holz knarrte und sah, wie die Seile sich spannten, die am Ufer befestigt waren.

»Sieht gut aus, Jack. Die hält.«

»Sollte sie auch. Bald wird eine ganze Brigade den Fluss überqueren.« Hoffentlich bald, fügte er im Stillen hinzu. Dann deutete er auf das andere Ufer. »Siehst du das, Henry? Da drüben auf dem Feld?«

»Ja, unsere Männer sind den Franzosen zahlenmäßig unterlegen. Deshalb sind wir wohl hier.«

»Und doch müssen wir warten. Ganz schön gerissen von Marlborough, was? Er will die Franzosen so schnell wie möglich aus ihren Stellungen locken, will sie auslaugen. Marschall Vendôme zeigt er nur einen Teil seiner Armee, als Lockmittel. Er will die Franzosen dazu bringen, vorzurücken und Cadogan zu schlagen, ehe wir mit aller Macht eingreifen.«

»Ein kühner Plan, Jack. Aber was ist, wenn die Franzosen die Oberhand behalten? Was, wenn sie nun allzu rasch ihr Ziel erreichen?«